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T 0251/16 08-07-2021
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Sicherheitselement mit räumlich aufgelöster magnetischer Codierung, Verfahren und Vorrichtung zu dessen Herstellung und dessen Verwendung
I. Die Beschwerde der Einsprechenden richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung über die Fassung, in der das europäische Patent Nr. 1 871 616 (nachfolgend "das Patent") in geändertem Umfang aufrechterhalten werden kann.
II. Die mündliche Verhandlung vor der Beschwerdekammer fand am 8. Juli 2021 statt.
III. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent zu widerrufen.
Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag). Hilfsweise beantragt sie, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent in geändertem Umfang auf der Grundlage des mit Schreiben vom 8. September 2016 eingereichten Hilfsantrags 1 aufrechtzuerhalten.
IV. Anspruch 1 des Antrags, von dem die Einspruchsabteilung der Auffassung war, dass er den Erfordernissen des EPÜ genüge (Hauptantrag), lautet wie folgt (die von der Beschwerdeführerin verwendeten Merkmalsbezeichnungen sind in eckigen Klammern angegeben):
"1. [1a] Sicherheitsmerkmal in Form eines Sicherheitselements, zur Einbringung in Wertdokumente, mit magnetischer Codierung wobei [1b] auf einem oder mehreren flexibel miteinander verbundenen Trägersubstraten magnetische Codierungen aufgebracht sind, wobei [1c] die magnetischen Codierungen in zwei partiellen Schichten [1d] jeweils gleichbleibender Dicke [1e] auf unterschiedlichen Seiten des Trägersubstrats [1f] gleichzeitig mit transparenten Aussparungen in Form von Mustern, Zeichen, Buchstaben, geometrischen Figuren, Linien, Guillochen und dergleichen aufgebracht sind, wobei [1g] die jeweiligen magnetischen Schichten teilweise überlappen und wobei [1h] die magnetischen Codierungen räumlich aufgelöst werden können und [1i] zu den beiden Codierungen in der Trägersubstratebene eine Codierung normal zur Trägersubstratebene dazukommt."
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Einfügung der Worte "dadurch gekennzeichnet, dass" vor den Worten "zu den beiden Codierungen".
V. Der Vortrag der Parteien zur geltend gemachten unzulässigen Erweiterung des Gegenstands von Anspruch 1 des Hauptantrags lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Beschwerdeführerin (Einsprechende)
Anspruch 1 des Hauptantrags genüge den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ nicht. Er unterscheide sich vom erteilten Anspruch 1 unter anderem durch das Merkmal 1d, dem zufolge die zwei partiellen Schichten der magnetischen Codierungen "jeweils in gleich-bleibender Dicke" auf die unterschiedlichen Seiten des Trägersubstrats aufgebracht sind. Dieses Merkmal sei nicht ursprünglich offenbart. Die Patentinhaberin habe in diesem Zusammenhang auf die Figuren 2 bis 5 der ursprünglich eingereichten Anmeldungsunterlagen verwiesen. Wenn der Fachmann die Figuren im Kontext der Beschreibung betrachte, würde ihm sehr schnell bewusst, dass die Darstellung der gezeigten Schichten bezüglich ihres Höhenverlaufs lediglich schematisch zu verstehen sei. So sei etwa die Schutzlackschicht 8 gemäß der Figuren 2, 4 und 5 bzw. die Haftvermittlerschicht 4 gemäß Figur 3 brettartig, d.h. in Form einer ebenen Platte gleichbleibender Dicke, dargestellt. Der Fachmann wisse jedoch, dass eine derartige Haftvermittlerschicht bzw. Schutzlackschicht zum Zeitpunkt des Auftragens aus einer zähen Masse bestehe, die zumindest teilweise in die Zwischenräume der Trägerschicht (vgl. z.B. Schicht 3 gemäß Figur 2) eindringen würde. Im fertigen Zustand ergebe sich dann für die Schutzlackschicht 8 bzw. die Haftvermittler-schicht 4 eine wellenförmige Oberflächentopographie sowie ein leicht variierender Dickenverlauf. Diese Details seien aber nicht dargestellt. Eine Brettform, wie in den Figuren 2 bis 5 würden die Schichten 8 und 4 in Wirklichkeit nicht aufweisen. Vor diesem Hintergrund würde sich der Fachmann davor hüten, die ebenfalls brettartige Darstellung der partiellen magnetischen Schichten 2 und 3 als realitätsgetreue Darstellung anzusehen. Dies werde auch durch die Tatsache, dass in der Ausführungsform gemäß Figur 1 der ganz rechts gezeigte magnetische Bereich der Schicht 3 etwas niedriger gezeichnet sei, nicht in Frage gestellt. Da dieses Detail in der Beschreibung mit keinem Wort gewürdigt werde und auch sonst keinerlei Hinweis zu finden sei, dass es sich hier um das bewusste Ergebnis technischer Überlegungen handle, würde der Fachmann diesem Detail keine wesentliche Bedeutung zumessen. Jedenfalls entnehme der Fachmann der Figur 1 nicht die Schlussfolgerung, dass der Höhenverlauf der Schichten 2 und 3 in den anderen Figuren als realitätsgetreue Darstellung anzusehen wäre. Schließlich enthalte die Beschreibung der ursprünglichen Anmeldung nicht nur keinerlei Hinweis auf die Ausführung der partiellen Schichten in jeweils gleichbleibender Dicke, sondern offenbare im zweiten Absatz auf Seite 4 sogar ausdrücklich, dass die magnetische Druckfarbe in unterschiedlicher Dicke und Form auf das Trägersubstrat aufgebracht werde. Dabei könnten nicht die unterschiedlichen Seiten des Substrats gemeint sein. Der bestimmte Artikel ("... entsprechen der Oberfläche ...") weise darauf hin, dass eine Seite der Oberfläche des Druckwerkzeugs zugeordnet sei, welche mit Druckfarbe in unterschiedlicher Dicke und Form belegt werde. Wenn das Bedrucken auf beiden Seiten gemeint wäre, würde es sich um mindestens zwei Arbeitsschritte handeln. Darüber hinaus sei erst einige Absätze später von der beidseitigen Aufbringung die Rede (siehe Seite 4, vorletzter Absatz). Es sei auch festzustellen, dass in den Figuren die Schichtdicken auf beiden Seiten nicht unterschiedlich seien.
Dem Vortrag der Beschwerdegegnerin, dass ein Auslesen der magnetischen Codes überhaupt nur möglich sei, wenn die Schichtdicke der Magnetschichten konstant sei, könne nicht gefolgt werden. Die Darstellung des Sachverhalts durch die Beschwerdegegnerin sei nicht realistisch. In Absatz [0010] des Patents sei angegeben, dass das Substrat eine Dicke von 5 bis 200 mym aufweise, und besonders bevorzugt eine Dicke von 20 bis 50 mym. Bei einem Substrat mit einer Dicke von 50 mym und einem Sensor, der sich bei typischen Sortiergeräten, wie sie in Banken verwendet würden, in einem Abstand von etwa 5 mm befinde, also einem Abstand, der in etwa dem Hundertfachen der Dicke des Substrats entspricht (und zu einer Verringerung der Intensität um einen Faktor 10 000 führt), sei nicht glaubhaft, dass eine Trennung der Codes der beiden Schichten möglich sei. Der Unterschied der beiden Signale würde im Rauschen untergehen. Eine Trennung wäre vermutlich möglich, wenn der Sensor auf das Sicherheitselement aufgesetzt würde, aber das wiederum mache keinen Sinn, da der Vorteil eines magnetischen Signals gerade darin bestünde, dass aus einer gewissen Entfernung gemessen werden könne. In Wirklichkeit sei das erwartete, überlagerte Signal bekannt und es gehe nur darum, zu überprüfen, ob es tatsächlich vorliege. Dafür seien aber keine gleichbleibenden Dicken erforderlich. Das Argument der Beschwerdegegnerin sei etwas konstruiert. Von einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung des Merkmals 1d in der ursprünglich eingereichten Anmeldung könne nicht gesprochen werden.
b) Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin)
Anspruch 1 des Hauptantrags genüge den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ.
Gemäß der Rechtsprechung sei es zulässig, Ansprüchen durch Änderungen Merkmale hinzuzufügen, die aus den Zeichnungen entnommen wurden, sofern diese Merkmale für den Fachmann unmittelbar, vollständig und eindeutig ersichtlich sind und keinerlei Widersprüche mit den übrigen Offenbarungsstellen bestehen. Gemäß der Entscheidung T 169/83 würden Zeichnungen einen integralen Bestandteil der die Erfindung offenbarenden Unterlagen darstellen und seien in ihrer Bedeutung den anderen Teilen der Anmeldung gleichzustellen. Daher könnten Merkmale aus den Zeichnungen in den Anspruch aufgenommen werden. Die ursprünglichen Figuren 2 bis 5 würden eindeutig magnetische Bereiche 2 und 3 zeigen, die jeweils auf einer Oberfläche des Trägersubstrats gleiche Dicke aufweisen. Das sei ein eindeutiger Hinweis darauf, dass Ausführungsformen, bei denen die magnetischen Bereiche gleiche Dicke aufweisen zumindest eine bevorzugte Ausführungsform darstellen. Somit sei der Begriff der "jeweils gleichbleibenden Dicke" der Magnetbereiche der jeweiligen magnetischen Codierung für den Fachmann eindeutig diesen Zeichnungen entnehmbar. Der Fachmann habe keinen Grund anzunehmen, dass die Dicke der in den Figuren 2 bis 5 dargestellten magnetischen Schichten nicht gleich bleibt. Ihm würde im Zusammenhang mit den Figuren 2 und 4 auffallen, dass die Zwischenräume zwischen den einzelnen Magnetbits der Schichten 2 und 3 nicht mit Schutzlack 8 gefüllt sind. Ein Fachmann, der z.B. die Figur 4 betrachte, würde sich die Frage stellen, aus welchem Grund diese Art der Darstellung gewählt worden sei. In diesem Zusammenhang würde ihm auffallen, dass die ausgesparten Bereiche der magnetischen Schichten 2 und 3 jeweils durch eine gerade Linie begrenzt sind (Grenzen zwischen der Magnetschicht 2 und Schicht 8 bzw. 6 und Grenzen zwischen Magnetschicht 3 und den Schichten 1 bzw. 8). Der Fachmann würde annehmen, dass die Darstellungsweise der Verdeutlichung der Grenzen der magnetischen Schichten 2 und 3 und deren Verlauf diene. Weiters würde er erkennen, dass der dargestellte Abstand zwischen den Begrenzungslinien und somit die Dicke der magnetischen Schichten 2 und 3 konstant sei, und dass die Darstellung, bei der die ausgesparten Bereiche in den Schichten 2 und 3 nicht mit der Schicht 8 gefüllt sind, gerade zeigen soll, dass die magnetischen Schichten von jeweils gleicher Dicke sind. Folglich habe der Fachmann keinerlei Anlass, daran zu zweifeln, dass die Dicken der magnetischen Schichten 2 und 3 jeweils gleichbleibend sein sollen.
In Zusammenhang mit dem Einwand, dass die Figuren 2 bis 4 lediglich schematische Darstellungen seien, sei auf die ständige Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu verweisen, der zufolge auch schematischen Darstellungen Größenverhältnisse - im vorliegenden Fall die gleichbleibende Dicke der magnetischen Schichten - entnommen werden könnten (siehe dazu die "Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Europäischen Patentamts", 9. Auflage, Juli 2019, Absatz II.E.1.13 und die dort angeführten Entscheidungen T 748/91 und T 451/88).
Es werde nicht bestritten, dass die Zeichnungen das erfindungsgemäße Sicherheitselement nicht maßstabsgetreu zeigen. Allerdings zeige gerade die Darstellung der jeweils direkt auf die codierte magnetische Schicht aufgebrachten Schicht als "ebene Platte" in den Figuren 2 bis 4, dass die magnetische Schicht eine gleichbleibende Dicke aufweise, da ansonsten zwischen der "ebenen Platte" und einzelnen magnetischen Bereichen der Codierung ein mehr oder weniger großer Abstand, oder fallweise kein Abstand bestünde. Somit sei das Merkmal der "jeweils gleich-bleibenden Dicke" den Zeichnungen eindeutig zu entnehmen. Die ursprüngliche Figur 1 hingegen zeige, dass es auch unterschiedliche Schichtdicken geben könne.
Die Offenbarung der Zeichnungen stehe auch nicht im Widerspruch zu jener der Beschreibung. Der zweite Absatz auf Seite 4 der ursprünglich eingereichten Unterlagen beziehe sich im Wesentlichen auf das Verfahren, insbesondere auf den Schritt der Aufbringung der magnetischen Druckfarbe mit den Aussparungen in einem Arbeitsschritt. Er offenbare nicht, dass sich der Begriff "unterschiedliche Dicke" auf die auf einer Seite des Trägersubstrats aufzubringenden bzw. aufgebrachte magnetische Codierung beziehe. Der Begriff beziehe sich nicht auf die Dicke einer einzigen Codierung auf einer Seite eines Trägersubstrats, sondern, insbesondere in Zusammenhang mit den ursprünglichen Zeichnungen 2 bis 5, auf unterschiedliche Codierungen auf den beiden Seiten des Trägersubstrats.
Der Auffassung der Einspruchsabteilung, dass sich der Ausdruck "in unterschiedlicher Dicke und Form" auf Seite 4, Zeilen 14 bis 16, der ursprünglichen Beschreibung auf die Form von oben gesehen beziehe, dass also z.B. die Form der Muster und die "unterschiedliche Dicke" nicht als unterschiedliche Dicke innerhalb einer Schicht zu verstehen sei, sondern so, dass die Schicht in willkürlicher Dicke aufgetragen werden könne, ohne dass die Dicke innerhalb der Schicht variiere (siehe Punkt 5.2 der Gründe für die angefochtene Entscheidung), sei zuzustimmen.
Die Beschwerdeführerin selbst habe darauf hingewiesen, dass in den Zeichnungen die Schutzlackschicht 8 bzw. auch die Haftvermittlerschicht 4 "brettartig, in Form einer ebenen Platte gleichbleibender Dicke" dargestellt sei. Dies mache klar, dass die Zeichnungen nur schematisch zu verstehen seien, da eine derartige Schutzlackschicht oder Haftvermittlerschicht zum Zeitpunkt des Auftrags zähflüssig sei und damit zumindest teilweise in die Zwischenräume der "Trägerschicht" eindringen würde.
Da die Beschreibung nicht in Widerspruch zu den in den Figur 2 bis 4 dargestellten Ausführungsbeispielen stehe und auch der Fachmann keine Veranlassung hätte, die in den Figur 2 bis 5 gezeigten Magnetschichten mit gleichbleibender Dicke im Lichte der Beschreibung anders zu verstehen als dargestellt, sei das Merkmal 1d den ursprünglichen Unterlagen unmittelbar und eindeutig zu entnehmen.
Während der mündlichen Verhandlung vor der Kammer verwies die Beschwerdegegnerin auf die Offenbarung des ersten Absatzes auf Seite 5 der ursprünglichen Anmeldung, der zufolge die magnetischen Charakteristika der beiden Magnetschichten getrennt, aber auch in Summe detektierbar seien. Damit die beiden Codes unterschieden werden können, sei zwingend notwendig, dass die Schichtdicken konstant seien, weil nur dann der Code, der gerade nicht detektiert werden solle, einen konstanten Beitrag liefere, der leicht abgezogen werden könne. Zur Verdeutlichung dieses Vortrags fertigte die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung folgende Abbildung an. Gezeigt ist das Magnetfeld in Abhängigkeit des Abstands, für das Ausführungsbeispiel der Figur 2 des Patents, wie es vom Sensor S gemessen wird (Messung von links nach rechts).
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Zeichnung des Vertreters der Beschwerdegegnerin,
angefertigt während der mündlichen Verhandlung
Wenn nur der Code der Schicht 2 gemessen werden solle, sei der Beitrag der Schicht 3 abzuziehen. Dies sei nur möglich, wenn die Schichtdicke konstant sei. Ansonsten könnten die beiden Beiträge nicht voneinander getrennt werden. Mit unterschiedlichen Schichtdicken ließe sich eigentlich nur ein Code generieren, nämlich ein Summencode. Auch deshalb gehe für den Fachmann aus der ursprünglichen Gesamtoffenbarung unmittelbar und eindeutig hervor, dass die Schichtdicke jeder der Magnetschichten konstant sein muss.
Auf die Frage, ob somit das Ausführungsbeispiel der ursprünglichen Figur 1 nicht ausführbar sei, erklärte die Beschwerdegegnerin, dass letzteres aus diesem Grunde gestrichen wurde. Das Ausführungsbeispiel passe nicht mehr unter den Schutzbereich des geänderten Anspruchs 1. Auf die Frage, ob das Merkmal 1h somit zwingend das Vorliegen einer konstanten Schichtdicke verlange, erklärte die Beschwerdegegnerin, das dies aus ihrer Sicht in der Tat so sei. Die Beschwerdegegnerin räumte auf eine Frage der Kammer hin auch ein, dass es möglich wäre, durch eine Differentialmessung von beiden Seiten den Beitrag jeder Schicht zu bestimmen. Dies sei aber nur möglich, wenn die Dicken konstant seien.
1. Hauptantrag: Änderungen (Artikel 123 (2) EPÜ)
Es bestand Uneinigkeit in der Frage, ob der Gegenstand von Anspruch 1 den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ genügt. Strittig war in diesem Zusammenhang insbesondere, ob die Einfügung von Merkmal 1d, dem zufolge die magnetischen Codierungen in zwei Schichten "jeweils gleichbleibender Dicke" aufgebracht sind, eine Grundlage in der ursprünglich eingereichten Anmeldung habe, auf deren Grundlage das Patent erteilt wurde.
Die Beschwerdegegnerin hat ihre Auffassung, dass das Merkmal 1d in der ursprünglich eingereichten Anmeldung unmittelbar und eindeutig offenbart sei, im Wesentlichen auf drei Elemente gestützt:
- die Offenbarung der Figuren 2 bis 4,
- das Zusammenspiel der Figuren mit der Beschreibung, und
- die erfindungsgemäße Verwendung des Sicherheitselements beim Nachweis von magnetischen Codierungen und den damit für den Fachmann notwendigerweise implizit vorhandenen Merkmalen.
Diese Aspekte werden nachfolgend im Einzelnen erörtert.
1.1 Offenbarungsgehalt der Abbildungen
Falls eine Patentanmeldung Abbildungen enthält, tragen sie, ebenso wie die Beschreibung und die Ansprüche, zur technischen Gesamtoffenbarung bei. Ihnen kommt grundsätzlich derselbe Offenbarungsrang zu (siehe die Entscheidung T 2537/10, Punkte 2.4 und 2.9 der Entscheidungsgründe). Daher ist es in der Regel zulässig, einem Anspruch Merkmale hinzuzufügen, die den Abbildungen unmittelbar und eindeutig entnommen werden können.
Die ursprüngliche Anmeldung, auf deren Grundlage das Patent erteilt wurde, enthält fünf Abbildungen von Sicherheitselementen im Querschnitt. Sie sind klar schematisch. Dies ist zum Beispiel daraus zu erkennen, dass die Zwischenräume zwischen den verschiedenen Elementen der Magnetschichten nicht mit Material der Haftvermittlerschicht 4 bzw. der Schutzlackschicht 8 gefüllt sind. Darüber hinaus sind die Abbildungen nicht maßstabsgetreu und scheinen von Hand gezeichnet zu sein. Wie auf dem Gebiet der Sicherheitselemente allgemein üblich, sind die verschiedenen Schichten als "ebene Platten" gezeichnet, deren Dicke auf den ersten Blick konstant zu sein scheint. Aus dem Vergleich der Abbildungen geht hervor, dass sie verschiedene Ausführungsformen zeigen, die sich in der Anordnung der Schichten bzw. der Komplexität des Schichtaufbaus unterscheiden. Der Fachmann würde diesen Abbildungen also in erster Linie eine Lehre zur Abfolge der verschiedenen Schichten entnehmen.
Strittig ist nun, ob diese Abbildungen dem Fachmann die technische Lehre vermitteln, dass die verschiedenen Elemente, die die Magnetschicht 2 bzw. 3 bilden, eine konstante Dicke aufweisen.
Es ist in diesem Zusammenhang von entscheidender Bedeutung, ob die Abbildungen dem unvoreingenommenen Fachmann, der die Abbildungen betrachtet, unmittelbar und eindeutig die technische Lehre vermitteln, dass die Dicke der Magnetschicht konstant ist. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob der Fachmann, vor die Frage gestellt, ob die Magnetschichten der gezeigten Ausführungsformen eine konstante Dicke aufweisen, diese Frage bejahen würde. Im vorliegenden Fall würde der Fachmann vermutlich dazu neigen und eine konstante Dicke annehmen. Eine solche Dicke wird zwar nicht unmittelbar und eindeutig offenbart, aber dennoch möglicherweise suggeriert. Dies führt aber nicht zum Schluss, dass die Abbildungen unmittelbar und eindeutig die Lehre einer konstanten Dicke vermitteln. Wie schon erwähnt, würde der Fachmann in ihnen vor allem eine Lehre zur Abfolge der verschiedenen Schichten erkennen und keine spezifischen Schlussfolgerungen bezüglich einer möglichen Variation der Dicke ziehen, da dies, auch angesichts der sehr schematischen Natur der Abbildungen, keine offenkundige Lehre der Abbildungen darstellt.
Die gegenteiligen Argumente der Beschwerdegegnerin haben die Kammer aus den folgenden Gründen nicht überzeugt.
Die Kammer kann sich dem Argument nicht anschließen, dass die ursprünglichen Figuren 2 bis 5 eindeutig magnetische Bereiche 2 und 3 zeigen, die jeweils auf einer Oberfläche des Trägersubstrats eine konstante Dicke aufweisen. Dies ist aufgrund der schematischen Natur der besagten Abbildungen und dem Zweck, den sie verfolgen (nämlich, verschiedene Varianten von Schichtabfolgen zu zeigen) eben nicht eindeutig.
Das Argument, der Fachmann habe keinen Grund, anzunehmen, dass die Dicke der in den Figuren 2 bis 5 dargestellten magnetischen Schichten nicht konstant sei, geht fehl, denn die entscheidende Frage ist, ob die konstante Dicke unmittelbar und eindeutig offenbart ist, und nicht, ob der Fachmann Gründe hätte, zu denken, dass die Dicke nicht konstant sei.
Es ist nicht möglich, aus der Tatsache, dass die Zwischenräume zwischen den einzelnen Elementen jeder Magnetschicht nicht mit Schutzlack gefüllt sind, den Schluss zu ziehen, dass dies gerade der Verdeutlichung dessen dient, dass die magnetischen Schichten von konstanter Dicke sind. Es ist viel wahrscheinlicher, dass der Zeichner nicht daran interessiert war, ein realistisches Bild vom genauen Aufbau der Sicherheits-elemente zu geben, sondern einfach ein schematisches Schaubild der Schichtabfolge geben wollte. Hätte der Verfasser die Lehre einer konstanten Schichtdicke vermitteln wollen, wäre es ein Leichtes gewesen, dies in der Beschreibung zum Ausdruck zu bringen.
Es ist richtig, dass gemäß der gefestigten Rechtsprechung der Kammern auch schematischen Zeichnungen unter gewissen Umständen Größenverhältnisse entnommen werden können. Im vorliegenden Fall ist diese Rechtsprechung allerdings nicht anwendbar, da die Konstanz der Dicke einer schematisch gezeichneten Schicht kein Größenverhältnis im genannten Sinn ist. Die in der Entscheidung T 748/91 geforderte "für den Fachmann erkennbare Lehre zum technischen Handeln" liegt hier nicht vor.
Auch die ursprüngliche Figur 1 enthält keine unmittelbare und eindeutige Lehre zur Dicke der Elemente der Magnetschicht. Sie suggeriert, dass die Elemente eine unterschiedliche Dicke haben können, offenbart dies aber nicht unmittelbar und eindeutig.
Die Kammer ist daher zum Schluss gelangt, dass die Abbildungen der ursprünglichen Anmeldung das Merkmal 1d nicht unmittelbar und eindeutig offenbaren.
1.2 Kombination mit der Beschreibung
Der explizite Beitrag der Beschreibung zur Frage der Dicke der Magnetschicht und deren Konstanz ist bescheiden. Er beschränkt sich auf den Absatz auf Seite 4, Zeilen 14 bis 16, der ursprünglichen Anmeldung:
"Die magnetische Druckfarbe wird in unterschiedlicher Dicke und Form entsprechend der Oberfläche des Druckwerkzeugs in einem Arbeitsschritt auf das Trägersubstrat aufgebracht."
(Unterstreichung durch die Kammer)
Diese Stelle ist Teil von Ausführungen zum Verfahren, mit dem das erfindungsgemäße Sicherheitselement hergestellt wird. Es stellt sich die Frage, wie sie genau zu verstehen ist.
Die Beschwerdegegnerin deutet die Stelle in dem Sinne, dass nicht von Dickeunterschieden innerhalb einer Schicht, sondern von der relativen Dicke zweier Schichten, die auf den zwei Seiten des Substrats aufgetragen werden, die Rede ist. Dagegen spricht jedoch zum einen, dass von "einem Arbeitsschritt" die Rede ist, während die Auftragung auf zwei Seiten zwei Arbeitsschritte erfordert, und zum anderen, dass die beidseitige Aufbringung erst in einem späteren Absatz (Seite 4, Zeilen 26 und 27) erwähnt wird.
Die Beschwerdeführerin hingegen deutet die Stelle als eine explizite Offenbarung einer Variation der Dicke der Magnetschicht. Auch dies scheint der Kammer nicht der unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung dieser Stelle zu entsprechen. Die Kammer versteht sie so, dass der Hinweis auf "unterschiedliche Dicke und Form" im Zusammenhang zu sehen ist mit der Aussage "entsprechend der Oberfläche des Druckwerkzeugs". Dies könnte zum Beispiel bedeuten, dass bei der Verwendung einer Walze mit Näpfchen anderer (oder auch variabler) Tiefe und Form eine Magnetschicht anderer Dicke und Form erreicht werden kann.
Unabhängig davon, wie die genannte Stelle letztendlich auszulegen ist, kann jedenfalls nicht von einer eindeutigen Offenbarung des Merkmals 1d gesprochen werden. Auch eine Zusammenschau mit der unter Punkt 1.1 beschriebenen Offenbarung der Abbildung führt zu keinem anderen Schluss.
1.3 Offenbarung zur Verwendung der Sicherheitsmerkmale
Diese Argumentationslinie stützt sich auf die Offenbarung der Passage, die sich von Seite 4, Zeile 26, bis Seite 5, Zeile 3, erstreckt:
"Ferner können die codierten magnetischen Schichten auf beiden Seiten eines einzigen Trägersubstrats aufgebracht sein. Dadurch wird eine räumlich auflösbare codierte Struktur erzeugt, die maschinell ausgelesen werden kann. Dabei sind einerseits die magnetischen Charakteristika der beiden partiellen magnetischen Schichten detektierbar, sondern auch die magnetischen Eigenschaften der beiden magnetischen Schichten gemeinsam."
Die Beschwerdegegnerin hat dazu vorgetragen, dass die beiden Codes nur dann getrennt werden könnten, wenn die Schichtdicken konstant sind. Dieser Vortrag hat die Kammer aus mehreren Gründen nicht überzeugt. Die Darstellung der Situation, wie sie aus der von der Beschwerdegegnerin angefertigten Skizze ergibt, wird der Wirklichkeit nicht gerecht.
FORMEL/TABELLE/GRAPHIK
Zum einen befindet sich, wie von der Beschwerdeführerin richtig dargelegt wurde, der Sensor in einem Abstand, der einem Vielfachen des Abstands der Magnetschichten entspricht. Von einer so scharfen Auflösung der magnetischen Signale, wie sie in der Skizze suggeriert wird, kann daher nicht die Rede sein. Vielmehr ist zu erwarten, dass auch die nebeneinander liegenden Elemente jeder Schicht in gewissem Maße zum Gesamtsignal beitragen. Daher ist je nach Abstand dieser Elemente nicht zu erwarten, dass bei der Messung eines Bereichs konstanter Dicke ein konstantes Signal erhalten wird. Darüber hinaus setzt die Argumentation der Beschwerdegegnerin auch implizit voraus, dass die Magnetfelddichte der verschiedenen Elemente jeder Schicht konstant ist. Dies wird vom Anspruch 1 jedoch nicht verlangt. Es ist daher viel wahrscheinlicher, dass der Fachmann zum Schluss gelangen würde, dass eine Trennung der Beiträge der beiden Schichten nur dadurch erreicht werden kann, dass das Magnetfeld beidseitig oder mehrmals mit verschiedenen Abständen gemessen und der Unterschied der jeweiligen Signale analysiert wird. Somit offenbart aber auch die genannte Stelle der ursprünglichen Anmeldung das Merkmal 1d nicht unmittelbar und eindeutig.
1.4 Schlussfolgerung
Keine der drei von der Beschwerdegegnerin verfolgten Argumentationslinien führt zum Schluss, dass die ursprüngliche Anmeldung das Merkmal 1d unmittelbar und eindeutig offenbart. Die Kammer ist daher zum Schluss gelangt, dass der Gegenstand von Anspruch 1 des Hauptantrags den Erfordernissen von Artikel 123 (2) EPÜ nicht genügt.
Somit kann das Patent nicht auf Grundlage dieses Antrags aufrechterhalten werden.
Dem Hauptantrag kann daher nicht stattgegeben werden.
2. Hilfsantrag
Anspruch 1 des Hilfsantrags 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags durch die Einfügung der Worte "dadurch gekennzeichnet, dass" vor den Worten "zu den beiden Codierungen". Diese Änderung ist nicht geeignet, den Einwand gegen Anspruch 1 des Hauptantrags auszuräumen. Daher kann auch dem Hilfsantrag nicht stattgegeben werden.
3. Schlussfolgerung
Da keiner der der Kammer vorliegenden Anträge gewährbar ist, ist das Patent zu widerrufen.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.