T 0017/85 (Füllstoff) 06-06-1986
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Mineralischer Füllstoff, insbesondere Calciumcarbonat für Farben und Papierbeschichtungsmassen
Neuheit (verneint)
Auswahl aus Zahlenbereich
Beschränkung eines Zahlenbereichs
Anspruchsänderung
I. Die am 21. Oktober 1980 mit deutscher Priorität vom 29. Oktober 1979 eingereichte europäische Patentanmeldung 80 106 420.5 (Publikations-Nr. 27 997) wurde von der Prüfungsabteilung 05 durch Entscheidung vom 6. Juli 1984 zurückgewiesen. Die Entscheidung erfolgte auf der Grundlage von zwei Ansprüchen, deren erster folgendermaßen lautete:
"Mineralischer Füllstoff, insbesondere Calciumcarbonat, dadurch gekennzeichnet, daß das Verhältnis
Gew.% Teilchen < 1 µm
_____________________ = R = 4 bis 10."
Gew.% Teilchen < 0,2 µm
In Form eines Hilfsantrags lag ein weiterer Anspruchssatz vor, der sich von demjenigen nach Hauptantrag durch den folgenden Disclaimer am Ende von Anspruch 1 unterschied: "ausgenommen 9,4 und 9,7".
II. In der Entscheidung wird ausgeführt, der Gegenstand von Anspruch 1 nach Hauptantrag sei im Hinblick auf die in der Entgegenhaltung FR-A- 2 418 263 genannten Produkte C, D und E mit (errechenbaren) R-Werten von 9,7, 9,4 bzw. 10 nicht neu; der Gegenstand von Anspruch 1 nach Hilfsantrag sei dagegen wohl neu im Sinn einer Auswahl, sei jedoch durch die Entgegenhaltung nahegelegt gewesen. Das Gleiche gelte für den bevorzugten R-Wert nach Anspruch 2 gemäß Haupt- und Hilfsantrag.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 13. August 1984 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt und diese am 9. November 1984, etwa wie folgt, begründet:
Der Entgegenhaltung sei weder irgendein R-Wert zu entnehmen, noch habe der Fachmann ohne Kenntnis der Erfindung einen Anlaß gehabt, irgendeinen R-Wert zu bilden. Sie offenbare nicht die erfindungsgemäße Bemessungsregel, sondern lediglich einige "zufällig" unter diese fallende Werte. Der Anmeldungsgegenstand sei daher neu. Er habe auch nicht nahegelegen, da der Entgegenhaltung wohl gewisse nachteilige Wirkungen eines zu hohen Gehaltes an Partikeln < 0,2 µm, nicht jedoch die Lehre zu entnehmen sei, diesen Gehalt zugunsten des Anteils im Bereiche von 0,2 bis 1 µm zu reduzieren; denn der Fachmann wisse, daß beim Mahlen zu Produkten mit niedrigem Anteil von Partikeln < 0,2 µm auch automatisch niedrigere Anteile < 1 µm entstehen, somit R-Werte außerhalb des beanspruchten Verhältnisses. Die Beschwerdeführerin hat in diesem Zusammenhang auch auf bereits in der Vorinstanz eingereichte Versuchsergebnisse verwiesen, durch die die unerwartet vorteilhaften Eigenschaften der beanspruchten Produkte belegt seien.
IV. Nach zwei Bescheiden der Kammer, in denen Bedenken gegen die Neuheit der von der Vorinstanz zurückgewiesenen Ansprüche gemäß damaligem Haupt- und Hilfsantrag bzw. gegen die daraufhin vorgelegten eingeschränkten Ansprüche geltend gemacht wurden, verteidigt die Beschwerdeführerin gemäß Hauptantrag weiterhin die geltenden eingeschränkten Ansprüche; ein Hilfsantrag richtet sich auf die Erteilung von durch Aufnahme eines weiteren Merkmals in Anspruch 1 weiter beschränkten Patents.
V. Die Ansprüche gemäß Hauptantrag lauten:
"1. Mineralischer Füllstoff, insbesondere natürliches Calciumcarbonat, für Farben und Papierbeschichtungsmassen, dadurch gekennzeichnet, daß das Verhältnis
Gew.% Teilchen < 1 µm
------------------------- = R = 4 - 8 ist.
Gew.% Teilchen < 0,2 µm
2. Füllstoff nach Anspruch 1, dadurch gekennzeichnet, daß der R-Wert in der Nähe von 5 liegt."
Nach dem Hilfsantrag soll Anspruch 1 - bei unverändertem Anspruch 2 und nach Berichtigung eines offensichtlichen Schreibfehlers - folgendermaßen lauten:
"Mineralischer Füllstoff, insbesondere natürliches Calciumcarbonat, für Farben und Papierbeschichtungsmassen, dadurch gekennzeichnet, daß das Verhältnis
Gew.% Teilchen < 1 µm
------------------------- = R = 4 - 8
Gew.% Teilchen < 0,2 µm
ist und daß mindestens 93 Gew.% der Teilchen kleiner als 2 µm sind."
Schließlich legt die Beschwerdeführerin erstmals eine gesonderte Anspruchsfassung für Österreich vor, deren Anspruch 1 den folgenden Wortlaut hat:
"Verfahren zur Herstellung eines Füllstoffs, insbesondere eines natürlichen Calciumcarbonats, für Farben und Papierbeschichtungsmassen, dadurch gekennzeichnet, daß das Ausgangsmaterial durch Naßzerkleinerung ohne Dispergiermittel und bei einer Feststoffkonzentration von unter 60 Gew.% so zerkleinert wird, daß das Verhältnis
Gew.% Teilchen < 1 µm
--------------------- = R = 4 - 8
Gew.% Teilchen < 0,2 µm
ist und daß mindestens 93 Gew.% der Teilchen kleiner als 2 µm sind und daß die zerkleinerte Suspension filtriert und der ca. 20% Wasser enthaltende Filterkuchen entweder getrocknet oder durch Hinzufügen eines Dispergiermittels in eine Suspension mit niedriger Viskosität übergeführt wird."
VI. Zur Begründung des Hauptantrags führt die Beschwerdeführerin noch an:
(i) Im Zusammenhang mit ihrer bereits früher vorgetragenen Meinung, die Entgegenhaltung offenbare nicht die erfindungsgemäße Bemessungsregel, sondern lediglich einige "zufällig" unter diese fallende Werte, beruft sie sich auf zwei deutsche Entscheidungen, nämlich BGH "Etikettiermaschine", GRUR 1981, 812; sowie BPatG 13W (pat) 87/82 vom 20. Februar 1984.
(ii) Die von der Kammer angezogene Entscheidung "Thiochlorformiate/Höchst", Abl. EPA 7/1985, 209, sei auf den Anmeldungsgegenstand nicht anwendbar, da es sich bei diesem nicht wie beim dort entschiedenen Fall um eine Auswahlerfindung handle; denn eine Auswahl müsse sich auf die (vorbekannte) Lehre selbst beziehen und nicht auf das Ergebnis dieser Lehre.
(iii) Schließlich habe auch die entsprechende deutsche Patentanmeldung unter Berücksichtigung des gleichen Standes der Technik (die dort genannte DE-A- 2 808 425 entspreche der hier entgegengehaltenen FR-A- 2 418 263) zur Patenterteilung geführt.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Zunächst ist die Zulässigkeit der neu vorgelegten Ansprüche zu untersuchen.
2.1. Der neue Anspruch 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag ist hinsichtlich des beanspruchten R-Wertes auf einen Bereich von 4 bis 8 eingeschränkt. In den ursprünglichen Unterlagen war ein bevorzugter Bereich von 4 bis 10 genannt (z.B. ursprünglicher Anspruch 2); außerdem wurde im Anschluß an beispielhafte Werte von 5,0, 4,53 und 5,33 für natürliche Calciumcarbonate (Seite 4, Zeilen 34 bis 36) - die in der ganzen Beschreibung als bevorzugte Beispiele mineralischer Füllstoffe im Vordergrund stehen, ohne daß hinsichtlich der Partikelgrößen gegenüber anderen Substanzen differenziert wird (siehe z.B. Seite 1, Zeilen 14 bis 15; Seite 2, Zeilen 20 bis 27; Seite 3, Zeilen 28 bis 30) - auch davon gesprochen, daß "sehr viel höhere Werte ..., beispielsweise Werte von über 8" in Frage kommen (Seite 5, Zeilen 1 bis2). Neben dem unteren Eckwert des erstoffenbarten mit R=4 beginnenden Vorzugsbereiches war also auch der obere Eckwert ("8") bereits in den ursprünglichen Unterlagen enthalten, da die Aussage "auch .... über 8" einen bei 8 endenden Teilbereich voraussetzt. Gegen die Zusammenfassung dieser beiden im erstoffenbarten Vorzugsbereich liegenden Werte zwecks Vermeidung einer Kollision mit dem Stande der Technik bestehen keine formellen Einwände (vgl. Entscheidung T 02/81, "Methylen-bis-(phenylisocyanat)/Mobay" ABl. EPA 10/1982, 394 ff; sowie T 53/82, "Furnaceruße" vom 28.1.1982, die Seiten 4 und 5 verbindender Absatz, nicht veröffentlicht).
2.2. Der Füllstoff des neuen Anspruchs 1 gemäß Haupt- und Hilfsantrag ist ferner durch Einfügung der Worte "für Farben und Papierbeschichtungsmassen" präzisiert worden. Den Erstunterlagen sind zahlreiche Hinweise auf eine solche Verwendung der beanspruchten Füllstoffe zu entnehmen; insbesondere sind "Papierbeschichtungsmassen und Farben" auf Seite 9, Zeilen 16 bis 17, wörtlich erwähnt. Die genannte Einfügung ist daher nicht zu beanstanden.
2.3. Der neue Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag enthält außerdem das Merkmal, wonach "mindestens 93 Gew.% der Teilchen kleiner als 0,2 µm sind". (Gemeint ist in Übereinstimmung mit der entsprechenden DE-C- 2 943 652 "kleiner als 2 µm"; denn einerseits schließt ein R-Wert > 4 definitionsgemäß einen Anteil von mehr als 25 % Teilchen < 0,2 µm aus, andererseits ergibt sich dies aus den Tabellen I und III der Beschreibung.) Hiergegen bestehen keine formellen Bedenken, da dieses Merkmal in sämtlichen konkret beschriebenen erfindungsgemäßen Produkten (Seite 5, TabelleI, Produkte 3 und 4; Seite 8, Tabelle III, Produkte 3 bis5), mit Prozentzahlen im Bereiche von 93 bis 99,5% verwirklicht und somit ursprünglich offenbart ist.
2.4. Auch gegen den neuen Anspruch 2 gemäß Haupt- und Hilfsantrag besteht kein Einwand formeller Natur, weil ein R-Wert "in der Nähe von 5" bereits auf Seite 5, Zeile 11, der Erstunterlagen als bevorzugt offenbart ist.
2.5. Die Neufassung der Ansprüche gemäß Haupt- und Hilfsantrag ist somit, jedenfalls abgesehen von dem gesonderten Anspruchssatz für Österreich, formell zulässig.
2.6. Hinsichtlich der gesonderten Anspruchsfassung für Österreich wird festgestellt, daß die Vorlage einer solchen gesonderten Verfahrensansprüche enthaltenden Fassung im Hinblick auf die nach wie vor geltende Vorbehaltserklärung Österreichs gemäß Art. 167 (2), lit. a und d, EPÜ sachdienlich ist; ihr ist daher grundsätzlich im Sinne von R. 86 (3), Satz 2, zuzustimmen. Ob gegen die konkret vorliegende Anspruchsfassung für Österreich formelle Bedenken bestehen, braucht angesichts der später folgenden Ausführungen hier nicht entschieden zu werden.
3. Als einziger relevanter Stand der Technik wurde im Recherchenbericht sowie in der Vorinstanz die Entgegenhaltung FR-A- 2 418 263 angezogen. Ausgehend von einem Stand der Technik, wonach es, insbesondere im Hinblick auf den erstrebten Glanz von Papierbeschichtungsmassen, erwünscht erschien, daß ein möglichst hoher Anteil der Partikeln des verwendeten Füllstoffes einen möglichst geringen Durchmesser aufweise (Seite 1, Zeile 32, bis Seite 2, Zeile 31; insbesondere Seite 2, Zeilen 8 bis 11), lehrt die Entgegenhaltung, daß zur weiteren Verbesserung des Glanzes von Papierbeschichtungsmassen oder Farben (Seite 2, Zeilen 36 bis 40) auch allzu kleine Füllstoffpartikeln unerwünscht sind. Konkret werden solche Füllstoffe vorgeschlagen, deren Partikeln möglichst nicht kleiner als 0,2 µ sind (Seite 3, Zeilen 6 bis 8), wobei für die Praxis ein Höchstanteil von 15% solcher "hochfeinen" Partikeln für zulässig erachtet wird.
4. Demgegenüber ist Aufgabe der Erfindung eine weitgehende Optimierung des Glanzes ohne Inkaufnahme einer zu hohen Viskosität (Seite 3, Zeile 5 in Verbindung mit Zeilen 10 bis 11, der Erstunterlagen) oder unwirtschaftlicher Herstellungsbedingungen (Seite 5, Zeile 13).
5. Zur Lösung dieser Aufgabe gibt die Erfindung gemäß Anspruch1 des Hauptantrages die Bemessungsregel an, derzufolge der R-Wert im Bereiche von 4 bis 8 liegen soll.
6. Daß eine Erhöhung des R-Wertes zu einer Verbesserung des Glanzes führt, ist auf Grund der Tabellen II und IV auf Seiten 6 bzw. 8 der Erstunterlagen glaubhaft (Vergleich der Produkte Nr. 3 und 4 bzw. Nr. 3 bis 5 mit den jeweiligen Produkten Nr. 1 und 2). Die am 8. März 1983 eingereichten Untersuchungsergebnisse belegen überdies, daß eine Erhöhung des R-Wertes über 8 hinaus einerseits nur noch eine bescheidene weitere Glanzverbesserung, andererseits aber eine unerwünschte Viskositätserhöhung zur Folge hat (Vergleich der Produkte VP 3 und VP 4, letzte zwei Zeilen der tabellarischen Ergebnisübersicht). Ferner ist zu erkennen, daß auch bei R-Werten, die nennenswert unter 4 liegen, nicht nur der Glanz stark vermindert, sondern auch die Viskosität stark erhöht ist (Produkt VP 1, Zeile 1 der Übersicht). Es ist daher glaubhaft, daß die gestellte Aufgabe durch die beanspruchte Bemessungsregel auch tatsächlich gelöst ist.
7. Zur Frage der Neuheit von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag kommt es, da die einzige Entgegenhaltung unstreitig mineralische Füllstoffe (insbesondere natürliches Calciumcarbonat) für Farben und Papierbeschichtungsmassen betrifft, einzig darauf an, ob der Fachmann dem gleichen Dokument auch einen R-Wert (wie im Anspruch der vorliegenden Anmeldung definiert) zwischen 4 und 8 entnehmen konnte.
7.1. Zunächst ist der Entgegenhaltung - und zwar ebenfalls mit dem Ziel verbesserten Glanzes - sowohl schon die Lehre zu entnehmen, den Anteil an Partikeln mit einem Durchmesser < 0,2 µm möglichst klein (Seite 3, Zeilen 3 bis 5), als auch diejenige, den Anteil an Partikeln mit einem Durchmesser < 1 µm möglichst groß zu halten (Seite 4, Zeilen 33 bis 36). Beides zusammen genommen konnte der Fachmann nicht anders lesen, als daß ein möglichst großer Anteil im Grössenbereich zwischen 0,2 und 1 µm liegen solle oder, anders ausgedrückt, daß es auf das Verhältnis ankomme, das anmeldungsgemäß mit dem Symbol R wiedergegeben wird. Dabei spielt es keine Rolle, daß in der Entgegenhaltung weder dieses Symbol selbst, noch die mathematische Form der Quotientenbildung verwendet wird. Entscheidend ist die Lehre, diese beiden Teilchengrößenbereiche in eine - wie auch immer formulierte - mathematische Beziehung zu setzen.
7.2. Betrachtet man nun die in den Ansprüchen 2 bzw. 5 der Entgegenhaltung präzis umgrenzten Vorzugsbereiche für die genannten Teilchengrößen (3 bis 12% = 0,2 µm; 80 bis 95% = 1 µm), so folgt hieraus unmittelbar durch Inbeziehungsetzen der äußeren Grenzwerte beider Vorzugsbereiche ein dem R-Wert sachlich entsprechendes Verhältnis von
80 bis 95 = 6,67 bis 31,6.
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Der in dieser Weise offenbarte Vorzugsbereich reicht in den beanspruchten Bereich von R=4 bis 8 hinein und zerstört somit dessen Neuheit.
7.3. Diese Offenbarung wird durch konkrete Ausführungsbeispiele ergänzt: Den weniger als 15% Partikeln < 0,2 µm enthaltenden, beispielhaft genannten Produkten B, C, D und E der Entgegenhaltung mit errechenbaren R-Werten von 13, 9,7, 9,4 bzw. 10,0 und gutem Glanz stehen die Produkte mit mehr als 15% Partikeln < 0,2 µm, nämlich A, F und G, mit errechenbaren R-Werten von 3,1, 3,6 bzw. 2,6 und zwar unbefriedigendem, aber doch für die Praxis ausreichendem Glanz gegenüber.
Wenngleich diese Werte alle außerhalb des in der vorliegenden Anmeldung beanspruchten Bereichs liegen, so beschränken sie doch nicht den in den weiter gefaßten Ansprüchen 2 und 5 der Entgegenhaltung gegebenen Vorzugsbereich; sie erläutern vielmehr dem Fachmann in repräsentativer Weise, wie der Glanz der Füllstoffzusammensetzung durch Einstellung der Teilchengröße der Partikeln variiert werden kann und daß der Vorzugsbereich bei Inkaufnahme einer Glanzeinbuße sogar verlassen werden kann. Wie der obigen Aufzählung von R-Werten zu entnehmen ist, liegen die im und die außerhalb des Vorzugsbereichs befindlichen Beispiele, insbesondere die mit den R-Werten von 3,6 und 9,4, so nahe beieinander, daß sie dem Fachmann einen unmittelbaren Hinweis auf den hier beanspruchten Bereich von R=4-8 vermitteln. Demnach mußte der Fachmann auch den zwischen den durch Beispiele belegten R-Werten von 3,6 und 9,4 liegenden Bereich in die Offenbarung der Entgegenhaltung hineinlesen, so daß auch diesem Zwischenbereich die Neuheit fehlt.
7.4. Zusammengefaßt ergibt sich aus den Erwägungen der Unterabschnitte 7.2. und 7.3. das Folgende: Nimmt der bevorzugte Bereich einer Entgegenhaltung einen beanspruchten Bereich teilweise vorweg, so ist dieser Bereich jedenfalls dann nicht mehr neu, wenn die Werte in den Ausführungsbeispielen der Entgegenhaltung nur knapp außerhalb des beanspruchten Bereichs liegen und dem Fachmann die Lehre vermitteln, daß er innerhalb des gesamten beanspruchten Bereichs arbeiten kann.
7.5. Diese Bewertung steht im Einklang mit einer früheren Entscheidung der Kammer, in der unter bestimmten Bedingungen die Möglichkeit der Auswahl aus einem Zahlenbereich anerkannt worden ist, nämlich der Entcheidung "Thiochlorformiate/Höchst" (a.a.O.). Danach ist es Voraussetzung für das Vorliegen einer patentfähigen Auswahl eines Teilbereiches aus einem größeren Zahlenbereich, daß der ausgewählte Teilbereich eng ist und genügend Abstand von dem durch Beispiele belegten bekannten Bereich hat. Die Kammer hat damals das Herausgreifen einer Katalysatorkonzentration im Teilbereich zwischen 0,02 und0,2 aus dem bekannten Gesamtbereich von > 0 - < 100 Mol/% als enge Auswahl angesehen. Gleichzeitig lag der durch Beispiele illustrierte Bereich um mindestens eine Zehnerpotenz vom Auswahlbereich entfernt.
Solche Bedingungen liegen hier nicht vor. Weder stellt der hier beanspruchte Teilbereich von R=4 bis 8 einen engen Ausschnitt aus dem bekannten Teilbereich von 6,67 bis 31,6 dar, noch hat er vom bekannten Beispielsbereich zwischen2,6 und 13 genügend Abstand, er liegt vielmehr mitten darin. Diese Beispiele werden im Zusammenhang mit dem angegebenen bevorzugten Bereich vom Fachmann nicht als isolierte Ausführungsformen punktförmig verstanden, sondern als repräsentative Vertreter eines Bereichs, der sich jedenfalls zwischen dem unteren (R=2,6) und dem oberen Wert (R=13) der Partikelverteilung erstreckt und somit alle dazwischen liegenden Werte, also auch den hier beanspruchten Bereich, abdeckt.
7.6. Hieran vermag die Tatsache nichts zu ändern, daß auf die entsprechende nationale deutsche Patentanmeldung ein Patent erteilt wurde; dies umso weniger, als der dort erteilte Anspruch durch ein weiteres Merkmal im Sinne des vorliegenden Hilfsantrag eingeschränkt war, so daß die Tatsache der Patenterteilung jedenfalls keinen Rückschluß darauf zuläßt, daß das deutsche Bundespatentgericht die Neuheit von Anspruch 1 gemäß vorliegendem Hauptantrag bejaht hätte.
7.7. Auch unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin genannten deutschen Gerichtsentscheidungen gelangt die Kammer zu keiner anderen Beurteilung. Die BGH-Entscheidung "Etikettiermaschine" (a.a.O.) betrifft einen Sachverhalt, der mit dem vorliegenden - bloße Auswahl aus einem Zahlenbereich - nicht vergleichbar ist, weil es im dort entschiedenen, im Gegensatz zum vorliegenden Fall um eine Auswahl aus einem "undifferenzierten Gesamtbereich ohne konkrete Parameter" (2. Leitsatz) ging.
Die BPatG-Entscheidung 13W (pat) 87/82, wovon die Beschwerdeführerin am 7. April 1986 Kopie eingereicht hat, betrifft allerdings sehr wohl eine Auswahl aus einem Zahlenbereich (auf dem Gebiete der Legierungen); in der Tat gelangt die dortige Entscheidung zu dem von der Beschwerdeführerin zitierten Schluß, wonach "... nur zufällig vom Stand der Technik erreichte und nicht ... zu einer Anweisung zum technischen Handeln verdichtete Ergebnisse ... die Neuheit der anmeldungsgemäßen Lehre nicht in Frage stellen können". In der zugelassenen Rechtsbeschwerde hat der BGH jedoch anders entschieden (Beschluß vom 11. Juli 1985, "Borhaltige Stähle", siehe GRUR 1986, 163) und in einem Leitsatz festgestellt: "Eine bei der Herstellung von Legierungen einzuhaltende 'Einstellungsregel' ist nicht neu, wenn und soweit Legierungen mit denselben qualitativen und quantitativen Bestandteilen zum Stand der Technik gehören, bei deren Herstellung die beanspruchte 'Einstellungsregel', wenn auch unerkannt, eingehalten worden ist." Der BGH hat damit seine Rechtsprechung fortgesetzt, wonach ein Bereich nicht erneut unter Schutz gestellt werden kann, von dem Teilbereiche bekannt waren (GRUR 1982, 610; "Langzeitstabilisierung"). Die Beschwerdeführerin kann daher aus der von ihr zitierten BPatG-Entscheidung nichts ihrer Sache Förderliches ableiten.
8. Auf Grund der Darlegungen des Abschnittes 7 ergibt sich, daß Anspruch 1 gemäß Hauptantrag mangels Neuheit nicht patentfähig ist. Da über einen Antrag nur als Ganzes entschieden werden kann, braucht auf Anspruch 2 und den gesonderten Anspruchssatz für Österreich im Zusammenhang mit dem Hauptantrag nicht eingegangen zu werden. Die Beschwerde hinsichtlich des Hauptantrages muß somit erfolglos bleiben.
9. Anders verhält es sich mit dem Hilfsantrag bezüglich der Vertragsstaaten DE, FR, BE, NL, SE, GB und IT: Die Kammer vermag das im betreffenden Anspruch 1 eingefügte Merkmal, wonach "mindestens 93 Gew.-% der Teilchen kleiner als 2 µm sind", der FR-A-2 418 263 nicht zu entnehmen. Dieser Anspruch und somit auch der darauf rückbezogene Anspruch 2 sind daher neu.
10. Diese Ansprüche lagen jedoch der Vorinstanz noch nicht vor; ihre Patentfähigkeit konnte daher von dieser noch nicht abschließend beurteilt werden. Ferner lag der Vorinstanz auch kein gesonderter Anspruchssatz für Österreich vor, so daß dieser auf das Vorliegen der Patentierungserfordernisse noch nicht geprüft werden konnte. Zur Vermeidung eines Instanzverlustes hält es die Kammer daher für angemessen, die Sache zur weiteren Sachprüfung aufgrund der nunmehr geltenden Ansprüche gemäß Hilfsantrag an die Prüfungsabteilung zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird zur Fortsetzung des Prüfungsverfahrens auf der Grundlage der Anspruchsfassung gemäß Hilfsantrag an die Prüfungsabteilung zurückverwiesen.
3. Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.