T 0763/89 10-07-1991
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Multilayer silver halide reversal color photographic material
Novelty (yes) - selection - generic definition of a
group of products, further to T 296/87, OJ EPO 1990,
195, distinguished T 198/84, OJ EPO 1985, 209
Neuheit (ja) - Auswahl einer Sache aus einer generisch
definierten Gruppe, Weiterführung von T 296/87, ABl.
EPA 1990, 195, und Abgrenzung von T 198/84, ABl EPA
1985, 209
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts vom 3. November 1989 über die Aufrechterhaltung des europäischen Patents 0 107 817 in geändertem Umfang. Dieses Patent war am 30. Dezember 1986 auf die am 5. Oktober 1983 in englischer Sprache unter Beanspruchung der Priorität einer Voranmeldung in Japan vom 5. Oktober 1982 eingereichte europäische Patentanmeldung 83 109 961.9 aufgrund von 9 Patentansprüchen erteilt worden.
II. Der angefochtenen Entscheidung lagen die in der Mitteilung nach Regel 58 (4) vom 27. Dezember 1988 bezeichneten Unterlagen zugrunde. Patentanspruch 1 hatte folgenden Wortlaut:
"A multilayer silver halide reversal colour photographic material comprising a support bearing three silver halide emulsion layers having the same colour sensitivity but different photographic sensitivities, among the emulsion layers at least both the emulsion layer having the highest photographic sensitivity and the emulsion layer having the second highest photographic sensitivity satisfying the following conditions:
(a) the silver halides of these layers have iodide contents of 4,5 mol % or less,
(b) the silver halide grains of each of these layers have a grain size distribution such that 85 % or more, by number or weight, of the grains have sizes within +40 % of their mean grain size."
Die Entscheidung führt aus, der Gegenstand dieses Anspruchs sei gegenüber der zum Stande der Technik gemäß Art. 54 (3) EPÜ gehörenden Druckschrift
(1) EP-A-0 070 183 neu. Diese Druckschrift offenbare implizit auch Materialien mit drei Schichten gleicher spektraler Empfindlichkeit, weil der Fachmann den Ausdruck "mindestens zwei Schichten" angesichts der Vielzahl der von der Einsprechenden hierzu listenmäßig genannten Vorveröffentlichungen als Offenbarung von "zwei oder drei Schichten" verstanden habe. Druckschrift (1) beschreibe aber konkret nur photographische Materialien vom Negativ- Typ, während das Streitpatent Umkehrmaterialien betreffe. In dieser Druckschrift seien auch Umkehrmaterialien erwähnt, jedoch nicht im Zusammenhang mit drei Teilschichten gleicher Farbempfindlichkeit. Die erfinderische Tätigkeit werde weder vom Inhalt des Dokuments (1), das zum Stande der Technik nach Art. 54 (3) EPÜ gehöre, noch von den listenmäßig genannten Vorveröffentlichungen in Frage gestellt.
III. Die Beschwerde wurde am 7. Dezember 1989 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr erhoben und begründet.
Die Beschwerdegegnerin hat hilfsweise einen weiter eingeschränkten Anspruch 1 eingereicht, der von der Beschwerdeführerin unter Hinweis auf eine weitere Druckschrift ebenfalls als durch Druckschrift (1) neuheitsschädlich getroffen angesehen worden ist.
Am 10. Juli 1991 hat eine mündliche Verhandlung stattgefunden, in der die Beschwerdegegnerin neue vollständige Unterlagen überreicht hat. Anspruch 1 dieser Unterlagen unterscheidet sich von der der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Fassung nur durch den Einschub von "coupler incorporated" zwischen "reversal" und "colour photographic material".
IV. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) hat ausgeführt, die Einspruchsabteilung habe den Offenbarungsgehalt der Druckschrift (1) zu eng interpretiert. Diese Druckschrift beziehe sich auch auf Umkehrmaterialien mit drei Schichten, denn Umkehrmaterialien gehörten ebenfalls zu den in dieser Druckschrift angesprochenen photographischen Materialien vom Negativ-Typ. Dem Gegenstand des Anspruchs 1 fehle somit die Neuheit, denn, wie die Einspruchsabteilung bereits zu Recht festgestellt habe, bedeute hier die Nennung von "zwei oder mehr Schichten" in Druckschrift (1) "zwei oder drei Schichten" gleicher Farbempfindlichkeit. Wenngleich einige wenige der über fünfzig in der Liste vom 4. Januar 1989 enthaltenen Druckschriften auch photographische Materialien mit mehr als drei Schichten gleicher Farbempfindlichkeit offenbarten, wisse der Fachmann, daß mit steigender Anzahl dieser Schichten der Gewinn für die Bildqualität immer geringer werde, sodaß aus praktischen Gründen in einem auf dem Markt befindlichen normalen Farbfilm niemals mehr als drei solcher Schichten realisiert worden seien.
V. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat demgegenüber die Ansicht vertreten, daß sich die Neuheit des Gegenstands des geltenden Patentanspruchs 1 bereits aus dem Umstand ergebe, daß in Druckschrift (1) kein Material mit genau drei Schichten gleicher spektraler Empfindlichkeit (Farbempfindlichkeit) offenbart worden ist. Eine eindeutige Offenbarung eines solchen Materials könne man auch unter Berücksichtigung der von der Beschwerdeführerin genannten weiteren Druckschriften, insbesondere der Druckschrift
(3) DE-A-1 946 407 nicht in Druckschrift (1) hineinlesen, da in Druckschrift (3) konkret bis zu fünf Schichten in Betracht gezogen werden. Auch die Offenbarung der meisten der übrigen Druckschriften sei keineswegs auf zwei oder drei Schichten begrenzt. Die Erwägungen der Beschwerdeführerin zu der Frage, ob ein Fachmann aus wirtschaftlichen Gründen mehr als drei Schichten realisieren würde, sei für die Beurteilung der Neuheit nicht relevant. Ferner habe die Einspruchsabteilung zu Recht festgestellt, daß das in Druckschrift (1) beschriebene photographische Material kein Umkehrmaterial sei, weil dessen Schichtaufbau mit relativ geringen Kupplermengen in der höchstempfindlichen Teilschicht auf die Verarbeitung als Colornegativmaterial abgestimmt sei. Für ein Umkehrmaterial sei dieser Schichtaufbau nachteilig; hier müsse vielmehr der Farbkuppler in großer Menge in der Teilschicht mit der höchsten Empfindlichkeit vorhanden sein.
VI. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Aufrechterhaltung des Patents aufgrund der in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen, hilfsweise aufgrund der Ansprüche 1 bis 8, eingegangen am 25. Juni 1990.
Am Ende der mündlichen Verhandlung wurde die Entscheidung der Kammer verkündet, das Patent gemäß Hauptantrag aufrechtzuerhalten.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Hauptantrag
2.1. Die Kammer hat sich davon überzeugt, daß die erteilten Patentansprüche durch die ursprünglich eingereichten Unterlagen gestützt werden. Die im Einspruchsverfahren vorgenommene Streichung von "at least" vor "three layers" entspricht einer Beschränkung auf die einzige in diesem Anspruch konkret genannte Anzahl von Teilschichten und genügt somit dem Erfordernis des Art. 123 (2) EPÜ. Die im Beschwerdeverfahren erfolgte Einfügung von "coupler incorporated" erfolgte zur Beseitigung eines Unstimmigkeit zwischen Anspruch und Beschreibung (siehe S. 1, Z. 4 - 20 der ursprünglichen Beschreibung bzw. S. 2, Z. 4 - 12 der Patentschrift) und ist ebenfalls zulässig. Da es sich bei diesen Änderungen um den Schutzbereich nicht erweiternde Einschränkungen handelt, ist auch das Erfordernis des Art. 123 (3) EPÜ erfüllt.
2.2. Das photographische Material nach dem Streitpatent weist folgende wesentliche Merkmale auf:
A) Es handelt sich um ein aus mehreren Schichten aufgebautes farbkuppler- und silberhalogenidhaltiges Farb-Umkehrmaterial.
B) Das Material enthält einen Träger und drei Schichten gleicher Farb-, aber unterschiedlicher Lichtempfindlichkeit.
C) Die höchstempfindliche und die zweithöchstempfindliche Schicht gleicher Farbempfindlichkeit erfüllen folgende Bedingungen:
a) Das Silberhalogenid enthält höchstens 4,5 Mol-% Iodid, b) 85 % der Silberhalogenidkristalle, bezogen auf die Gesamtzahl oder das Gesamtgewicht, haben eine Korngröße innerhalb von +40 % der mittleren Korngröße.
Gegenstand des Anspruchs 1 der Druckschrift (1) ist ein lichtempfindliches farbphotographisches Material mit einem Träger, auf dem sich mindestens zwei Schichten unterschiedlicher Farbempfindlichkeit befinden, die ihrerseits aus mindestens zwei Teilschichten unterschiedlicher Lichtempfindlichkeit aufgebaut sind und die Silberhalogenidkristalle vom Negativtyp enthalten, die im wesentlichen aus Silberbromidiodid mit einem Iodidgehalt von höchstens 4 Mol-% bestehen. Nach dem auf Anspruch 1 rückbezogenen Anspruch 4 haben die Silberhalogenidkristalle aller Schichten eine durch eine Formel definierte monodisperse Korngrößenverteilung. Auf S. 87, Z. 6 - 11 dieser Druckschrift wird ferner ausgeführt, daß dieses photographische Material hochempfindlich ist und für photographische Zwecke, beispielsweise u. a. für Color-Negativfilme und Color- Umkehrfilme, benutzt werden kann. Im unmittelbar folgenden Absatz (S. 87, Z. 17 - 22) werden die Grundzüge der Umkehrentwicklung dieses Materials erläutert, bei der zunächst eine Schwarz-weiß-Negativentwicklung erfolgt, der sich eine Zwischenbelichtung oder Verschleierung und eine der Entwicklung von Negativmaterial prinzipiell entsprechende Farbentwicklung, Bleichung und Fixierung anschließt. Die Beschwerdegegnerin hat geltend gemacht, daß sich die Definition der Korngrößenverteilung in Druckschrift (1) von derjenigen des Streitpatents unterscheidet; sie hat jedoch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt, daß die in Anspruch 4 dieser Druckschrift genannte Korngrößenverteilung enger ist als die im Streitpatent geforderte und daher von letzterer umfaßt wird. Sie hat auch nicht bestritten, daß ein Color- Umkehrmaterial Silberhalogenid-Kristalle vom Negativ-Typ enthält.
2.3. Aufgrund dieses Sachverhaltes steht zur Überzeugung der Kammer fest, daß in Druckschrift (1) ein Farbumkehrmaterial mit mindestens zwei Schichten gleicher Farbempfindlichkeit beschrieben ist, das die Kriterien der Merkmale A und C des Anspruchs 1 des Streitpatents erfüllt. Entgegen der in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung spielt es für die Beurteilung der Neuheit keine Rolle, daß Merkmal A in dieser Druckschrift in einer Aufzählung gleichwertig nebeneinanderstehender alternativer Verwendungsmöglichkeiten des photographischen Materials enthalten ist und nicht auf ein konkretes Ausführungsbeispiel Bezug nimmt. Es kommt vielmehr nur darauf an, daß dieses Material als eine differenziert beschriebene und ausführbar offenbarte technische Lehre zum Stande der Technik gehört (siehe auch die nicht zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidungen T 365/89 vom 10. April 1991, Abschnitt 4.1.3 und 4.1.4 der Gründe und T 461/89 vom 11. April 1991, Abschnitt 2.3 und 3.2 der Gründe). Eine solche Beschreibung in Form einer ausführbaren technischen Lehre liegt hier nach Überzeugung der Kammer vor, nachdem die mündliche Verhandlung ergeben hat, daß zur Herstellung eines entsprechenden Umkehrmaterials keinerlei Maßnahmen getroffen werden mußten, die nicht entweder in Druckschrift (1) offenbart waren oder zum allgemeinen Fachwissen gehörten. Insbesondere wurde von der Beschwerdegegnerin eingeräumt, daß der geltend gemachte besondere Schichtaufbau (siehe Punkt V des Teils "Sachverhalt und Anträge") für ein Umkehrmaterial zwar vorteilhaft, aber nicht zwingend erforderlich ist (siehe auch Streitpatent, S. 3, Zeilen 40 bis 44). Die Beurteilung der Neuheit des photographischen Materials gemäß Streitpatent hängt also nur von der Antwort auf die Frage ab, ob auch Merkmal B des geltenden Anspruchs 1, das die Anwesenheit von genau drei Teilschichten gleicher Farbempfindlichkeit betrifft, bereits in Druckschrift (1) vorbeschrieben ist.
2.4. Wie bereits dargelegt, beschreibt Druckschrift (1) u. a. ein Farbumkehrmaterial, in dem mindestens zwei Schichten gleicher Farbempfindlichkeit, aber unterschiedlicher photographischer Empfindlichkeit vorliegen. Der Ausdruck "mindestens zwei" ist synonym für ein Mehrschichtenmaterial und legt hierfür die logische Untergrenze in Form eines Zweischichtenmaterials fest. Hierdurch wird kategoriemäßig ein beliebiges Mehrschichtenmaterial beschrieben, ohne daß eine Obergrenze für die Zahl möglicher Schichten gegeben wird. Als Beipiele für solche Mehrschichtenmaterialien werden ausschließlich Zweischichtenmaterialien beschrieben. Der Druckschrift (1) ist an keiner Stelle ein Dreischichtenmaterial auch nur andeutungsweise zu entnehmen. Dieses fällt zwar denkgesetzlich unter das in dieser Druckschrift genannte Kollektiv der Mehrschichtenmaterialien, wird aber damit nach Überzeugung der Kammer dort nicht offenbart, sondern ist ein neues, zu diesem Kollektiv gehöriges und daraus ausgewähltes Material.
Diese Beurteilung steht im Einklang mit der ständigen Rechtsprechung der Kammer zur Auswahlerfindung auf dem Gebiet chemischer Stoffe, wonach nur solche technischen Lehren neuheitsschädlich sind, die einen Stoff als zwangsläufiges Ergebnis eines vorbeschriebenen Verfahrens oder in individualisierter, d. h. von strukturell ähnlichen Stoffen eindeutig unterscheidbarer Form offenbaren (siehe die Hinweise auf die Rechtsprechung in der Entscheidung "Enantiomere/Hoechst" (T 296/87, ABl. EPA 1990, 195, Ziffer 6.4 der Entscheidungsgründe). So wurde in der Entscheidung "Spiroverbindungen/Ciba-Geigy" (T 181/82, ABl. EPA 1984, 401) nur das Methylderivat aus der generisch definierten Gruppe der N-C1-C4- Alkylspirooxazoline als offenbart angesehen. Analog hierzu wurde in der Entscheidung "Enantiomere" das D-Enantiomere eines bestimmten, bekannten Racemats als neu, weil nicht individualisiert vorbeschrieben, betrachtet, obwohl in diesem Racemat die beiden einzigen denkgesetzlich möglichen Enantiomeren ungetrennt tatsächlich bereits vorhanden waren (a. a. O., Ziffer 6.5 der Entscheidungsgründe). Dieses für chemische Stoffe entwickelte Konzept für die Beurteilung der Neuheit einzelner Individuen gegenüber einem Kollektiv läßt sich nach Auffassung der Kammer auch auf Sachen wie das hier in Rede stehende photographische Material übertragen, das sich von anderen Sachen, die zum selben generisch beschriebenen Kollektiv gehören, eindeutig unterscheiden lassen. Dies ist hier der Fall, auch wenn diese Unterscheidbarkeit nur auf einer Zahlenangabe beruht, denn im Gegensatz zu kontinuierlichen Zahlenbereichen dienen Zahlenangaben im Zusammenhang mit einem Mehrschichtenmaterial, bei denen - ähnlich wie bei C1-C4- Alkylresten - nur ganzzahlige Werte in Betracht kommen, der Charakterisierung klar umrissener und von Homologen unterscheidbarer Gegenstände. Aus diesen Ausführungen wird auch der Unterschied zur Auswahlsituation bei Vorliegen kontinuierlicher Zahlenbereiche deutlich, siehe z. B. die Entscheidungen "Füllstoff" (T 17/85, ABl. EPA 1986, 406, "Copolymere" (T 124/87, ABl. EPA 1989, 491) und "Thiochlorformiate" (T 198/84, ABl. EPA 1985, 209), für die gegebenenfalls ein genügender Abstand vom spezifisch Offenbarten verlangt wurde (siehe die Entscheidung "Thiochlorformiate", a. a. O., Ziffer 5), der bei klar definierten Stoff-bzw. Sacherfindungen entfallen kann.
2.5. Die Beschwerdeführerin kann auch nicht mit dem Einwand gehört werden, ein Material mit genau drei Schichten, wie es im Streitpatent beansprucht wird, sei deshalb "implizit vorbeschrieben" oder werde vom Fachmann "mitgelesen", weil der Fachmann die dem Wortlaut entsprechend nach oben unbegrenzte Angabe der Anzahl von Schichten hier als praktisch gleichbedeutend mit "zwei oder drei Schichten" verstanden hätte. Die Kammer teilt diese Auffassung nicht. Zunächst sei auf die Bemerkung der Kammer in der nicht zur Veröffentlichung vorgesehenen Entscheidung T 572/88 vom 27. Februar 1991 hingewiesen, wonach der unscharfe Begriff "implizite Vorbeschreibung" die Gefahr in sich birgt, in die Beurteilung der Neuheit Überlegungen einzubeziehen, die für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit geboten sind und daß eine gerechte Beurteilung einer Erfindung nur auf der Basis einer strikten Trennung der Beurteilung von Neuheit und erfinderischer Tätigkeit gewährleistet ist. Dieser Grundsatz gilt auch hier. Zudem findet der von der Beschwerdeführerin vertretene Standpunkt keine Stütze in den von ihr zitierten Passagen aus den listenmäßig genannten Druckschriften gemäß Anlage 1 und 2 zum Schreiben vom 2. Januar 1989. Diese Zitate beziehen sich in erster Linie auf Beispiele oder sonstige bevorzugte Ausführungsformen und nicht auf die in den angezogenen Druckschriften enthaltenen technischen Lehren als Ganzes. Sie eignen sich daher nicht als Beleg dafür, daß der Fachmann unter einem Mehrschichtenmaterial im Sinne der Druckschrift (1) ausschließlich ein solches mit zwei oder drei Schichten verstanden hätte. Dies ergibt sich z. B. klar aus Druckschrift (3), in deren Anspruch 16 ein Material mit mindestens fünf Schichten gleicher Farbempfindlichkeit als bevorzugt herausgestellt wird. Die Beschwerdeführerin hat auch in der mündlichen Verhandlung selbst eingeräumt, daß für den Fachmann photographische Materialien mit beispielsweise vier oder fünf Schichten gleicher Farbempfindlichkeit durchaus in Betracht kommen. Lediglich aus wirtschaftlichen Gründen, weil nämlich der zusätzliche Nutzen jeder weiteren Schicht immer geringer werde, während der zusätzliche Aufwand für das Gießen einer weiteren Schicht sich vergrößere, hätte der Fachmann sich bisher in der Praxis auf drei Schichten gleicher Farbempfindlichkeit beschränkt. Dieses Vorbringen entspricht nach Überzeugung der Kammer einer typischen Erwägung, die für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit anzustellen wäre. Die Kammer verkennt dabei nicht, daß bei der Beantwortung der Frage, was eine Entgegenhaltung lehrt, nicht auf deren Wortlaut, sondern auf ihren technischen Informationsgehalt abzustellen ist (siehe auch die Entscheidungen "Diastereomere", T 12/81, ABl. EPA 1982, 296, Ziffern 5 bis 7 und "Thiochlorformiate, a. a. O., Ziffer 4). Zum technischen Informationsgehalt in diesem Sinne gehören jedoch, wie bereits betont, nur solche Sachverhalte, die als ausführbare technische Lehre offenbart sind und nicht auch solche, die nur rein denkgesetzlich von einem Sammelbegriff umfaßt werden. Bei der Beurteilung der Neuheit kommt es daher nicht darauf an, ob sich eine gedanklich unter einen generischen Begriff fallende Möglichkeit dem Fachmann als die nächstliegende anbietet, sondern nur darauf, ob sie tatsächlich offenbart ist. Daran fehlt es hier. Die Kammer ist daher zu der Überzeugung gelangt, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 neu ist.
2.6. Sowohl der Einspruch als auch die Beschwerde stützte sich ausschließlich auf mangelnde Neuheit des Gegenstands des Streitpatents. Druckschrift (1) gehört zum Stande der Technik im Sinne von Art. 54 (3) EPÜ und darf deshalb gemäß Art. 56 EPÜ, Satz 2, nicht zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit herangezogen werden. Die übrigen, in der am 4. Januar 1989 eingereichten Liste genannten Druckschriften sollten der Interpretation des Begriffs "mindestens zwei Schichten gleicher Farbempfindlichkeit" dienen. Tatsachen, die das Vorliegen der erforderlichen erfinderischen Tätigkeit in Frage stellen könnten, sind weder vorgetragen worden noch der Kammer bekannt.
Die abhängigen Ansprüche 2 bis 8 betreffen besondere Ausgestaltungen des Gegenstands nach Anspruchs 1 und werden von dessen Patentierbarkeit getragen.
Die Beschreibung wurde den geltenden Patentansprüchen angepaßt. Eine Erörterung der Druckschrift (1) in einem Beschreibungsnachtrag, wie sie in der angefochtenen Entscheidung vorgesehen war, hält die Kammer nicht für zweckmäßig. Zum einen ist das Einspruchsverfahren ein dem abgeschlossenen Erteilungsverfahren nachgeschaltetes gesondertes Verfahren, in dem die Rechtsbeständigkeit des Patents aufgrund des Einspruchsvorbringens überprüft wird, sodaß für Änderungen, die aus dieser Sicht unnötig sind, kein Raum ist. Zum anderen ist eine Bewertung der im Einspruchsverfahren zulässig vorgebrachten Entgegenhaltungen aus der das Verfahren abschließenden Entscheidung ersichtlich.
3. Nachdem aus den dargelegten Gründen das Patent mit den Unterlagen gemäß Hauptantrag aufrechterhalten werden kann, erübrigt sich das Eingehen auf den Hilfsantrag.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent aufgrund der in der mündlichen Verhandlung am 10. Juli 1991 überreichten vollständigen Unterlagen aufrechtzuerhalten.