T 0453/87 18-05-1989
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Verf.z.Herst.v.Gussstücken aus Gusseisen mit Kugelgraphit
01 Pont-à Mousson S.A.
02 Gebrüder Sulzer AG
03 Georg Fischer AG
04 Klöckner-Humboldt-Deutz
05 Thyssen Industrie AG
06 Kymi Strömberg OY
Neuheit (bejaht)-mehrf.Auswahl; Erfind.Tätigkeit (ja)
inventive step
Heranz.v.Primärliteratur bei d.Würdigung v.Sekundärlit
Zulässigk.d.Einspruchs (bejaht)
Erwähn.ein.weit.Dok.neben ein.falsch zitiert.i.Einspr.
Novelty (yes)-multiple choice; Inventive step (yes)
consultation of primary documents on acknowledging
secondary documents; admissibility of appeal (yes);
citation of another document in the appeal besides
one wrongly cited document
I. Auf die europäische Patentanmeldung 79 200 725.4, die am 5. Dezember 1979 mit deutscher Priorität vom 13. Dezember 1978 angemeldet worden war, wurde am 6. Juni 1984 das europäische Patent 18 445 auf der Grundlage von elf Patentansprüchen erteilt. Anspruch 1 lautete:
"Verfahren zur Herstellung von Gußstücken aus Gußeisen mit Kugelgraphit mit austenitisch-bainitischem Mischgefüge aus einer Schmelze mit den üblichen Mengen an Silizium, Kohlenstoff, Phosphor, Schwefel und Magnesium sowie zusätzlichen Mengen an Mangan, Molybdän, gegebenenfalls Kupfer und gegebenenfalls Nickel, bei dem das Gußstück auf Austenitisierungstemperatur erwärmt sowie bis zur Austenitisierung auf dieser Temperatur gehalten und anschließend auf Bainitisierungstemperatur von 350 bis 400°C abgekühlt und für eine dem gewünschten Bainitanteil entsprechende Zeit auf dieser Temperatur gehalten wird, dadurch gekennzeichnet, daß die Schmelze weniger als 0,3 % Mangan, 0,2 bis 0,8 % Molybdän, gegebenenfalls 0,1 bis 1,5 % Kupfer und gegebenenfalls bis 3 % Nickel enthält und daß das Gußstück auf eine Austenitisierungstemperatur von 800 bis 860°C gebracht, 10 bis 60 Minuten auf dieser Temperatur gehalten, danach in einer Zeit von weniger als 2 Minuten auf die Bainitisierungstemperatur abgekühlt und 5 bis 60 Minuten auf dieser Temperatur gehalten wird."
II. Gegen die Patenterteilung legten die folgenden Firmen Einsprüche ein:
(i) Centre de Recherches de Pont-à-Mousson, (ii) Gebrüder Sulzer AG, (iii) Georg Fischer AG, (iv) Klöckner-Humboldt-Deutz AG, (v) Thyssen Industrie AG und (vi) Kymi Strömberg OY.
Sie griffen das Streitpatent wegen mangelnder Neuheit und erfinderischer Tätigkeit an, wobei sie sich auf eine Vielzahl von Dokumenten stützten, von denen jedoch nur die folgenden ins Beschwerdeverfahren eingeführt wurden:
(1) DE-A-2 334 992, (4) FR-B-89 010 (Zusatzpatentschrift) und das dem Dokument (5) Modern Casting May 1978, 60-66, inhaltlich weitestgehend entsprechende (10) Gießerei 65 (Februar 1978), 73-80.
Erwähnt seien ferner
(3) FR-B-1 286 077, (7) GB-B-630 070 sowie das später genannte Dokument
(18) Fonderie Nr. 367 (1977), 167-169, auf das sich auch die Fußnote 17 in (10) bezieht.
III. Mit einer am 3. Juni 1987 verkündeten, am 15. Oktober 1987 zur Post gegebenen Entscheidung verwarf die Einspruchsabteilung den Einspruch zu (iii) als unzulässig und wies die übrigen Einsprüche zurück. Die Unzulässigkeit des Einspruchs zu (iii) wurde damit begründet, daß dessen Vorbringen sich im wesentlichen auf das Dokument (3) stütze, dem jedoch der geltend gemachte Sachverhalt nicht zu entnehmen sei; auf Grund der weiter zitierten Dokumente - einschließlich (7) - könne man den behaupteten Widerrufsgrund aber ohne eigene Ermittlung nicht abschließend prüfen, so daß die Kriterien der Regel 55 (c) EPÜ nicht erfüllt seien.
Hinsichtlich der als zulässig anerkannten Einsprüche setzte sich die genannte Entscheidung vor allem mit den Dokumenten (1), (4) und (10) auseinander und führte zusammengefaßt etwa folgendes aus:
Der Gegenstand des Streitpatentes sei neu, weil
(1) einen höheren Mn-Gehalt der Schmelze sowie eine höhere Austenitisierungstemperatur verbunden mit längerer Haltezeit offenbare;
(4) sich zwar hinsichtlich der Zusammensetzung sowie der Austenitisierungs- und Bainitisierungsbedingungen mit den vom Streitpatent erfaßten Bereichen überschneide, diese aber nicht konkret offenbare, insbesondere wenn man die Beispiele in Betracht ziehe; wogegen für
(10) zu berücksichtigen sei, daß es sich hierbei um einen wissenschaftlichen Übersichtsartikel handle, weshalb die darin erwähnten Parameter nicht aus dem Zusammenhang gerissen und beliebig miteinander kombiniert werden dürfen.
Als Aufgabe legte die Entscheidung dem Streitpatent zugrunde, gegenüber (1) den Aufwand für die Wärmebe- handlung ohne Beeinträchtigung der resultierenden Werkstoffkennwerte zu verringern. Die Lösung gemäß Streitpatent - tiefere Austenitisierungstemperatur und kürzere Haltezeit in Verbindung mit geringerem Mn- und gleichzeitig tendenziell höherem Mo-Gehalt der Schmelze - sei durch den gesamten Stand der Technik auch nicht nahegelegt gewesen. Denn (1) sehe eine Austenitisierungstemperatur von 900°C bei zweistündiger Haltezeit in Verbindung mit höherem Mn-Gehalt als optimal an, ohne den geringsten Hinweis in die vom Streitpatent beschrittene Richtung; (4) decke hinsichtlich Austenitisierungstemperatur und -dauer zwar praktisch den gesamten möglichen Bereich ab, nenne aber konkret ebenfalls nur höhere Teperaturen, wobei zusätzlich noch Unterschiede hinsichtlich der konkret genannten Mn- und Mo-Gehalte in der Schmelze sowie teilweise der Bainitisierungsbedingungen bestehen; in (10) schließlich seien Austenitisierungstemperaturen und -zeiten ähnlich dem Streitpatent nur für Gußeisen ohne Mo, für zusammensetzungsmäßig vergleichbare Gußeisen dagegen höhere Austenitisierungstemperaturen genannt. Auch bei gleichzeitiger Betrachtung von (1), (4) und (10) werde der Fachmann daher nicht zum Gegenstand des Streitpatents hingeführt, der deswegen auf erfinderischer Tätigkeit beruhe.
IV. Gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung haben die unterlegenen Einsprechenden zu (i) bis (iv) (im folgenden: Beschwerdeführerinnen) am 15., 19. bzw. 12. Dezember 1987 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühren Beschwerde erhoben und hierzu am 17. Februar 1988, 19. Dezember 1987 bzw. mit ordnungsgemäß bestätigter Telekopie vom 25. Februar 1988 Begründungen eingereicht, wobei sie weiteren Stand der Technik, nämlich
(21) Zentrale für Gußverwendung - Mitteilungen Nov. 1969, 9-12, und
(22) US-A-3 005 736, genannt haben.
Zugunsten der Zulässigkeit des Einspruchs zu (iii) macht die Beschwerdeführerin Georg Fischer AG insbesondere geltend, daß sie neben dem falsch zitierten Dokument (3) innerhalb der Einspruchsfrist noch weiteren Stand der Technik genannt habe, der nach ihrer Ansicht den Einspruch rechtfertigte.
Zur Frage der Patentfähigkeit des Streitpatents machen die Beschwerdeführerinnen im schriftlichen Verfahren im wesentlichen folgendes geltend: Die Angabe "weniger als 0,3 % Mn" erfasse auch einen Gehalt von 0 % Mn, sei also ihrem Wesen nach fakultativ und müßte demnach eigentlich außer Betracht bleiben. Der beanspruchte Mo-Gehalt überschneide sich mit demjenigen nach (1) und sei daher kein neues Merkmal. Bei einer Aufgabe, die in der Verringerung des Wärmeaufwandes bestehe, seien die als neu verbleibenden Austenitisierungsbedingungen aber auf der Hand liegend. Diese seien überdies aus (4) zu entnehmen, das nicht nur diesbezüglich, sondern auch hinsichtlich der Mn- und Mo-Gehalte den Streitpatentgegenstand praktisch vollständig umfasse. Unter Bezugnahme auf Rechtsprechung der Kammer wird dieser sogar als neuheitsschädlich getroffen, jedenfalls aber in Verbindung mit (1) oder (10) als naheliegend angesehen.
V. Der Beschwerdegegner tritt diesen Ausführungen entgegen und weist insbesondere sinngemäß darauf hin, daß die von den Beschwerdeführerinnen vorgetragene Kombination von (1) mit (4) oder (10) auf einer ex-post-facto- Betrachtungsweise beruhe. In Wirklichkeit seien mehrere Gedankenschritte erforderlich gewesen, um gerade diejenigen Merkmale von (4), die in Richtung auf das Streitpatent führen, mit der Lehre von (1) zu kombinieren. Entsprechendes gelte für die Kombination von (1) mit (10). Angesichts der Worte "sowie zusätzlichen Mengen an Mn ..." im Oberbegriff sei der Mn-Gehalt größer als 0 % und daher kein fakultatives Merkmal. Außerdem sei (1) die Tendenz zu entnehmen, im Falle niedriger Mn-Gehalte auch niedrige Mo-Gehalte zu verwenden, so daß bei der Würdigung des Streitpatents auch die Verwendung niedriger Mn- in Verbindung mit tendenziell höheren Mo-Werten zu berücksichtigen sei, die für die zulässigen Abkühlzeiten von Bedeutung seien.
VI. In der mündlichen Verhandlung am 18. Mai 1989 bekräftigen die Beteiligten ihre schriftlichen Ausführungen.
Bei der Würdigung von (10) - ergänzt durch die dort bei Tafel 2 fehlende, an der entsprechenden Stelle von (5) jedoch angegebene Austenitisierungsdauer von 30 Minuten - betont die Beschwerdeführerin Pont-à-Mousson, daß in diesem Dokument auf Seite 76, linke Spalte, letzter Absatz, bis rechte Spalte, einschließlich Tafel 2, fast sämtliche Merkmale des Streitpatents in Verbindung mit einander offenbart seien, nämlich ein Mn-Gehalt < 0,3 % ("0,07 %" in Tafel 2), in Verbindung mit einem Mo-Gehalt von 0,18 bis 0,2 %, einer Austenitiserungstemperatur und -dauer von 830°C/30 Minuten sowie eine Bainitisierungsdauer von 60 Minuten, wenn auch bei einer Temperatur von nur 280°C. Der Beschwerdegegner kontert dies mit dem Argument, daß es sich bei "830°C" um einen Druckfehler handle, wie aus dem Originaldokument (18), auf das sich (10) im Literaturhinweis "17" beziehe, ersichtlich sei, wo es "880°C" heiße.
Ferner verweist der Vertreter der übrigen Beschwerdeführerinnen auf Seite 74, linke Spalte, von (10), wo zunächst Austenitisierungstemperaturen von 850- 940°C angegeben seien und sodann eine Austenitisierungstemperatur "im unteren Bereich" - "etwa 850°C" -empfohlen werde. Hierzu meint der Beschwerdegegner, daß sich lediglich der erstgenannte Bereich auf Gußeisen mit Kugelgraphit, die zuletzt erwähnte Empfehlung dagegen auf graues Gußeisen beziehe.
Schließlich meint die Beschwerdeführerin Pont-à-Mousson, das Streitpatent sei auch aus dem Grunde des Art. 83 EPÜ zu widerrufen.
VII. Der Beschwerdegegner beantragt, das Streitpatent mit geänderten Unterlagen aufrechtzuerhalten, die sich von der erteilten Fassung allein dadurch unterscheiden, daß in Anspruch 1 sowie in Spalte 2, Zeile 20, der Beschreibung die Untergrenze des Mo-Gehaltes mit 0,25 statt mit 0,2 % angegeben ist (Hauptantrag) oder daß der Mo-Gehalt auf den Bereich des erteilten Anspruchs 3 - 0,25 bis 0,4 % -eingeschränkt ist, unter Wegfall des erteilten Anspruchs 3, entsprechender Umnumerierung der erteilten Ansprüche 4 bis 11 und Anpassung der Beschreibung (Hilfsantrag).
VIII. Die Beschwerdeführerin Georg Fischer AG beantragt, ihren Einspruch als zulässig zu erklären. Sämtliche Beschwerdeführerinnen beantragen übereinstimmend, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Streitpatent zu widerrufen.
IX. Die übrigen Beteiligten - Einsprechende zu (v) und (vi) - haben sich während des Beschwerdeverfahrens nicht zur Sache geäußert.
X. Am Schluß der mündlichen Verhandlung verkündet der Vorsitzende die Entscheidung der Kammer.
1. Sämtliche Beschwerden entsprechen den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie sind daher zulässig.
2. Zur Zulässigkeit des Einspruches zu (iii):
2.1. Soweit sich der Einspruch zu (iii) auf das Dokument (3) - in der Einspruchsschrift mit (1) bezeichnet - stützte, war aus dem innerhalb der Einspruchsfrist erfolgten Vorbringen der Georg Fischer AG weder erkennbar, daß sich die betreffenden Ausführungen in Wahrheit auf (4) beziehen sollten; noch war (3) der diesbezüglich behauptete Sachverhalt entnehmbar. Das zu (3) Vorgebrachte konnte daher die Zulässigkeit des Einspruches nicht begründen.
2.2. Die Einspruchsschrift zu (iii) stützte sich jedoch außer auf (3) auch noch auf weitere Dokumente, insbesondere auf (7) - dort als (2) bezeichnet -, und zwar unter Hervorhebung der Tabellen 5 und 6. Auf Seite 2, letzte Zeile, bis Seite 3, Zeile 6, der Einspruchsschrift zu (iii) wird die Auffassung vertreten, die Erfindung liege nicht im Verfahren, sondern in der Auswahl der Legierungselemente Mn und Mo in bestimmter Menge, und diese Auswahl sei aus den Tabellen 5 und 6 von (7) bekannt. Tatsächlich trifft dies jedenfalls hinsichtlich der Legierung Nr. 47 von Tabelle 5 (Seite 5 von (7)) zu. Damit lag ein behaupteter Widerrufsgrund vor, den die Einspruchsabteilung ohne eigene Ermittlung nachprüfen konnte. In den Worten der Entscheidung T 222/85 "Unzulässigkeit/PPG" (ABl. EPA 1988, 128) waren hierdurch "... die relevanten ... Tatsachen und Beweismittel ... so ausreichend angegeben, daß (der betreffende Einspruchsgrund) und (seine) Stichhaltigkeit von der Einspruchsabteilung und vom Patentinhaber richtig verstanden werden (konnten)"; vgl. angezogene Entscheidung, letzter Absatz von Punkt 4 (Seite 132, unten). Somit war der Einspruch zu (iii) zulässig.
3. Die Unterlagen gemäß Hauptantrag unterscheiden sich von der erteilten Fassung, die ihrerseits in den Erstunterlagen ihre Stütze findet, nur durch die Einschränkung des Mo-Gehaltes auf mindestens 0,25 (statt 0,2 %) im Anspruch 1 und der entsprechenden Beschreibungsstelle. Diese Einschränkung ergibt sich durch Einbeziehung des unteren Eckwertes aus dem Bereich nach dem erteilten Anspruch 3 (ursprünglich Anspruch 2). Eine solche Einbeziehung ist nach ständiger Praxis der Beschwerdekammern zulässig. Gemäß Hilfsantrag würde der gesamte erteilte Anspruch 3 in Anspruch 1 einbezogen. Weder der Haupt- noch der Hilfsantrag unterliegt daher einer formalen Beanstandung.
4. Bei dem Argument, das Streitpatent sei aus dem Grunde des Art. 83 EPÜ zu widerrufen, handelt es sich um einen Einspruchsgrund - Art. 100 (b) EPÜ) -, den die Beschwerdeführerin Pont-à-Mousson erstmals in der mündlichen Beschwerdeverhandlung, also verspätet, vorgebracht hat. Die im Hinblick auf Art. 114 (1) EPÜ unternommene Relevanzprüfung hat zu einem negativen Ergebnis geführt, so daß weitere Erörterungen hierzu nicht nötig sind.
5. Der geltende Anspruch 1 und die angefochtene Entscheidung gehen von (1) als nächstem Stand der Technik aus. Obwohl (4) und insbesondere (10) dem Streitpatentgegenstand ebenfalls verhältnismäßig nahekommen, sieht die Kammer keinen ausreichenden Grund, von der genannten Beurteilung abzuweichen, und wählt ebenfalls (1) als Ausgangspunkt ihrer Überlegungen. Sie sieht ferner in Übereinstimmung mit der angefochtenen Entscheidung die Aufgabe des Streitpatents darin, den Aufwand für die Wärmebehandlung zu reduzieren, ohne die guten Werkstoffkennwerte des erhaltenen Gußeisens mit Kugelgraphit zu beeinträchtigen.
6. Der Lösungsvorschlag des Streitpatents besteht in der Merkmalskombination des Anspruchs 1, deren funktioneller Zusammenhang darin zu erblicken ist, daß ein niedrigerer Mn-Gehalt einerseits ein Arbeiten bei niedrigerer Austenitisierungstemperatur und andererseits einen höheren Mo-Gehalt ermöglicht, so daß man die "Perlitnase" vermeiden und außerdem mit kürzerer Bainitisierungszeit auskommen kann. Durch diese Maßnahmenkombination ist die erste Teilaufgabe angesichts der niedrigeren Austenitisierungstemperatur und kürzeren Haltezeiten ganz offensichtlich gelöst; die tatsächliche Lösung der zweiten Teilaufgabe ist zwar nicht im einzelnen belegt, erscheint jedoch - auch unter Berücksichtigung des während der mündlichen Verhandlung unwidersprochen geltend gemachten Lizenzierungserfolges -glaubhaft und ist auch von keiner Seite bestritten worden.
7. Zur Neuheit:
7.1. Gegenüber (1) ist der Gegenstand des Streitpatents schon deswegen neu, weil dort weder Austenitisierungstemperaturen < 900°C, noch Mn-Gehalte < 0,3 % offenbart sind, wobei der untere Eckwert von 0,3 % Mn überdies konkret nur in Verbindung mit einem Mo- Gehalt von 0,10 % und ein in den beanspruchten Mo- Gehaltsbereich fallender Wert von 0,26 % Mo konkret nur in Verbindung mit einem hohen Mn-Gehalt von 1,4 % angegeben sind, so daß keine legierungstechnische Überschneidung besteht.
7.2. Es trifft zwar zu, daß (4) für jedes einzelne der maßgeblichen Merkmale des Streitpatents Bereiche offenbart, unter die das betreffende Merkmal ganz oder überwiegend fällt - z. B. 0,1 bis 2 % Mn, 0,05 bis 1 % Mo, Austenitisierungsbedingungen 825 bis 1100°C während einer Minute bis zwei Stunden (Seite 1, linke Spalte, Zeile 7 von unten; rechte Spalte, Zeilen 11 und 24 bis 26); selbst als Einzelmerkmale sind jedoch im Sinne der Entscheidung T 198/84 (ABl. EPA 1985, 209) mindestens die beanspruchten Bereiche für Mn (< 0,3 %) und für die Austenitisierungstemperatur (800 bis 860°C) verhältnismäßig eng, und mindestens der Temperaturbereich hat auch genügend Abstand vom entsprechenden Vorzugsbereich von (4): 900 bis 925°C, siehe die Beispiele von Seite 2, rechte Spalte, untere Hälfte. Ferner betrifft (4) nur u. a. Gußeisen mit Kugelgraphit (Seite 1, linke Spalte, Zeilen 14 bis 13 von unten), der jedoch nicht im Vordergrund steht (Seite 2, rechte Spalte, Zeilen 35 bis 36). Für eine mehrfache Auswahl, wie sie vorliegend gegeben ist, ist die Neuheit zu bejahen, weil sich eine solche kombinierte Auswahl für den Fachmann mangels entsprechender Hinweise darauf nicht von selbst ergibt; zur Diskussion stehen kann daher nicht die Neuheit, sondern nur das eventuelle Naheliegen der mehrfachen Gedankenschritte, deren es bedarf, um zu der Auswahl zu gelangen.
7.3. Von (10) wurde nie behauptet, daß es das Streitpatent neuheitsschädlich treffe. Selbst diejenige Stelle von (10), die relativ am meisten der beanspruchten Merkmale in Verbindung miteinander offenbart, nämlich die Tafel 2 auf Seite 76, weicht mindestens hinsichtlich der Bainitisierungstemperatur (280°C) und des Mo-Gehaltes (0,18 bis 0,2 %) vom Streitpatent ab.
7.4. Die übrigen Dokumente kommen dem Streitpatent nicht näher als die vorstehend besprochenen. Zusammenfassend ergibt sich daher dessen Neuheit.
8. Zu untersuchen bleibt noch das Vorliegen von erfinderischer Tätigkeit:
8.1. Dokument (1), das ein gattungsgemäß sehr ähnliches Verfahren wie das nach dem Streitpatent betrifft, vermittelt dem Fachmann keine Anregung, bei Temperaturen unterhalb von 900°C zu austenitisieren; und selbst wenn man unterstellte, es habe im Hinblick auf die bestehende Aufgabe nahegelegen, tiefere Temperaturen zu versuchen, so findet sich dort nichts, was den Fachmann dazu bringen könnte, dies durch Reduzierung des Mn-Gehaltes auf weniger als 0,3 % in Verbindung mit tendenzieller Erhöhung des Mo-Gehaltes auf 0,25 bis 0,8 % zu ermöglichen. Vielmehr ist der Tabelle auf Seite 4 von (1) die Lehre zu entnehmen, bei geringen Mn- auch geringere Mo-Gehalte vorzusehen. Eine Anregung in Richtung auf die beanspruchte Merkmalskombination ist (1) allein daher keinesfalls zu entnehmen.
8.2. Auch in Verbindung mit (4) ist dies nicht der Fall. Soweit dieses Dokument den Fachmann überhaupt dazu anregen sollte, darin nach Lehren für die Behandlung von Gußeisen mit Kugelgraphit zu suchen (das, wie schon erwähnt, dort nicht im Vordergrund steht), weisen ihn weder die allgemein offenbarten breiten Bereiche (0,1 bis 2 % Mn, 0,05 bis 1 % Mo, 825 bis 1100°C während einer Minute bis zwei Stunden), noch die bevorzugten Ausführungsformen (0,31 % Mn, 0,58 % Mo, 925°C/30 Minuten im ersten, 0,3 % Mn, kein Mo, 925°C ohne Zeitangabe im zweiten, 900°C ohne Angaben für Zeit sowie Mn oder Mo im dritten Beispiel) in die "richtige" Richtung.
8.3. In (10) ist noch am ehesten die Stelle von Seite 76, linke Spalte, letzter Absatz, bis rechte Spalte, einschließlich Tafel 2, geeignet, ein Vorbild in Richtung auf den Streitpatentgegenstand abzugeben.
8.3.1. Die im Zusammenhang mit Tafel 2 gegebene Lehre wird der Fachmann allerdings deswegen mit gewissen Vorbehalten aufnehmen, weil sie einseitig auf die Optimierung der Schlagbiegezähigkeit abgestellt ist -eine von mehreren, aber nicht die einzige Eigenschaft, auf die es ankommt. Immerhin ist dieser Stelle die Lehre zu entnehmen, die Schlagbiegezähigkeit von Gußeisen mit Kugelgraphit dadurch zu erhöhen, daß man den Mn-Gehalt unter 0,3 %, z. B. auf 0,07 % absenkt, dies in Verbindung mit einem Mo-Gehalt von 0,18 bis 0,2 %, Austenitisierungsbedingungen - so scheint es bei Heranziehung von (5); siehe Abschnitt VI - von 830°C/30 Minuten sowie Baintisierung bei 280°C/60 Minuten.
8.3.2. Da der Beschwerdegegner unter Hinweis auf (18) - siehe ebenfalls oben unter VI - eingewandt hat, daß es sich bei "830°C" um einen Druckfehler handle, der zu "880°C" korrigiert werden müsse, ist zunächst dieser Einwand zu untersuchen.
8.3.2.1. In (18) ist tatsächlich an entsprechenden Stellen mehrfach die Temperatur "880°C" angegeben, siehe z. B. Tableau I, zweite waagrechte Spalte, und Tableau III, zweite senkrechte, erste zwei waagrechte Spalten. Es erscheint daher glaubhaft und wird auch von den Beschwerdeführerinnen nicht ernsthaft bestritten, daß es auch in Tafel 2 von (10) richtig "880°C" heißen sollte. Es bleibt aber zu fragen, welche Lehre oder Anregung der Fachmann dem Dokument (10) entnehmen wird; konkret, ob er die Sekundärliteraur (10) für sich allein würdigen oder die Primärliteratur (18) mit heranziehen wird.
8.3.2.2. Die Kammer hat vor kurzem in anderer Zusammensetzung entschieden (T 77/87 vom 16. März 1989; wird veröffentlicht), daß dann, wenn aus entsprechendem gleichzeitig (öffentlich) verfügbarem Material (z. B. aus einem Primärdokument) klar hervorgeht, daß die wörtliche Offenbarung eines Dokuments (z. B. eines Sekundärdokumentes) unrichtig ist und nicht die beabsichtigte technische Realität wiedergibt, diese unrichtige Offenbarung nicht als Teil des Standes der Technik anzusehen ist (vgl. Abschnitt 4, insbesondere zweiter Absatz von Unterabschnitt 4.1.4, der angezogenen Entscheidung).
8.3.2.3. In der vorliegend gegebenen Zusammensetzung ist sich die Kammer nicht ganz sicher, ob sie der genannten Entscheidung auch dann, wenn es um die Frage der Neuheit ginge - bei der ja grundsätzlich jedes Dokument gesondert zu würdigen ist -, bedingungslos oder etwa nur insoweit folgen wollte, als den fachkundigen Leser sein allgemeines Fachwissen oder Ungereimtheiten im Sekundärdokument selbst veranlassen könnten, das Primärdokument vergleichsweise heranzuziehen. Dies braucht hier aber nicht entschieden zu werden, weil es - schon angesichts der beanspruchten Untergrenze des Mo- Gehaltes von 0,25 % gegenüber 0,18 bis 0,2 % an der betreffenden Stelle von (10) - eben nicht um die Neuheit, sondern allein um die erfinderische Tätigkeit geht, bei deren Untersuchung der gesamte Stand der Technik zusammenschauend zu würdigen und daher nach Überzeugung der Kammer auf jeden Fall das Primärdokument (18) bei der Würdigung des Sekundärdokumentes (10) mit heranzuziehen ist.
8.3.2.4. Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, daß Tafel 2 von (10) so zu lesen ist, als hieße es dort hinsichtlich der Austenitisierungsbedingungen "880°C/ 30 Minuten".
8.3.3. Tut man dies, so ergibt sich aus Tafel 2 lediglich die Lehre, die Schlagbiegezähigkeit von Gußeisen mit Kugelgraphit dadurch zu erhöhen, daß man bei nicht wesentlich tieferer als der üblichen Austenitisierungstemperatur (880°C) und bei niedriger Bainitisierungstemperatur (280°C) sowie völlig üblichem Mo-Gehalt (0,18 bis 0,2 %) den Mn-Gehalt unter 0,3 %, z. B. auf 0,07 %, absenkt -eine für sich stehende Lehre, die nach Überzeugung der Kammer angesichts der Gesamtaufgabe des Streitpatents dessen andersartige Maßnahmenkombination nicht nahelegen konnte.
8.3.4. Die Empfehlung - immer mit Bezug auf (10) - auf Seite 74, linke Spalte, Zeilen 5 bis 7, bei der Wärmebehandlung von Gußeisen mit Kugelgraphit Austenistisierungstemperaturen von 850 bis 940°C anzuwenden, kann die beanspruchte Maßnahmenkombination ebenfalls nicht nahelegen. Einerseits überschneidet sich der zitierte Bereich nur geringfügig mit dem beanspruchten von 800 bis 860°C; andererseits ist im gegebenen Zusammenhang nichts über den Mn- und Mo-Gehalt gesagt, so daß der erwähnten Stelle allenfalls ein Hinweis auf die Möglichkeit zu entnehmen ist, bei etwas tieferen als den üblichen Temperaturen zu austenitisieren, nicht aber eine auch nur andeutungsweise Anregung, mit welchen Maßnahmen dies ohne Beeinträchtigung der resultierenden Werkstoffeigenschaften möglich ist.
8.3.5. Ab Zeile 11 der betreffenden Spalte bezieht sich der Text auf graues Gußeisen, so daß auch der Hinweis, eine Austenitisierungstemperatur im unteren Bereich sei vorzuziehen (Zeilen 21 bis 22), und der spezifische Hinweis auf "etwa 850°C" in der vorletzten Zeile des betreffenden Absatzes den Fachmann, der sich mit Gußeisen mit Kugelgraphit befaßt, nicht zu entsprechenden Maßnahmen anregen konnten, zumal der letzt erwähnte Hinweis nur im Zusammenhang mit einer vorangegangenen "Zerfallsglühung" (zur Beseitigung freier Carbide) offenbart ist.
8.3.6. Auch die von den Beschwerdeführerinnen weiter hervorgehobenen Bilder 7 und 8, 9 und 10, 11 (a und b) sowie 12 von (10) mit zugehörigen Erläuterungen im Textteil geben keinen näheren Hinweis auf die beanspruchte Maßnahmenkombination; denn sie befassen sich in jeweils isolierter Form mit der Vermeidung der Perlitnase mittels erhöhtem Mo-Gehalt bei einer Austenitisierungstemperatur von 900°C, mit den Bainitisierungsbedingungen im Anschluß an eine Austenitisierung bei gleichfalls 900°C, mit der Austenitisierung u. a. bei tieferer Temperatur (850°C) von etwas manganärmerem (0,29 %), jedoch molybdänfreiem Gußeisen mit Kugelgraphit bzw. mit den Auswirkungen auf die Produkteigenschaften einer Bainitisierung bei 350- 400°C (ohne Zeitangaben) bei Gußeisen mit Kugelgraphit ohne Erläuterungen über die vorausgegangene Austenitisierung. Insgesamt ist hieraus nach Überzeugung der Kammer keine Regel zu erkennen, nach der die einzelnen Parameter in wechselseitiger Abhängigkeit die mechanischen Eigenschaften des Produktes bestimmen.
8.3.7. Aus den vorstehenden Ausführungen folgt, daß ansgesichts der bestehenden Aufgabe auch (10) in Verbindung mit (1) und (4) die beanspruchte Maßnahmenkombination nicht nahelegen konnte.
8.4. Die erstmals im Beschwerdeverfahren angezogenen Dokumente (21) und (22) sind verspätet vorgebracht und deshalb, da auch nicht relevant, nicht zu berücksichtigen.
9. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag erfüllt daher alle Kriterien der Patentfähigkeit.
10. Die abhängigen Ansprüche 2 bis 11 gemäß Hauptantrag betreffen bevorzugte Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1 und sind daher ebenfalls patentfähig.
11. Ein Eingehen auf den Hilfsantrag erübrigt sich unter diesen Umständen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Entscheidung der Vorinstanz wird aufgehoben.
2. Der Einspruch der Beschwerdeführerin Georg Fischer AG ist zulässig.
3. Die Sache wird an die Vorinstanz zurückverwiesen mit der Auflage, das europäische Patent in geänderter Form mit den in der mündlichen Verhandlung überreichten Unterlagen gemäß Hauptantrag aufrechtzuerhalten.