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T 0401/88 (Prüfling) 28-02-1989
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Anspruchsänderung - Wegfall eines Merkmals - nicht zulässig
Anspruchsänderung - Berichtigung von Mängeln - nicht zulässig
I. Die europäische Patentanmeldung 84 116 226.6 (Veröffentlichungsnummer EP-A-0 154 033) wurde von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen.
II. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß dem Gegenstand der geltenden Ansprüche im Hinblick auf zwei im europäischen Recherchenbericht genannte Druckschriften die aufgrund von Artikel 52 (1) und 56 EPÜ erforderliche erfinderische Tätigkeit fehle.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin Beschwerde eingelegt.
IV. In einer Mitteilung der Beschwerdekammer wurde die Beschwerdeführerin insbesondere darauf hingewiesen, daß der geltende Anspruch 1 nach Auffassung der Kammer gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ verstoße, weil er das Merkmal, wonach man mit der Maßzahl für das Startvermögen und dem Bestimmungswert für den Ladezustand des Prüflings eine Aussage über den physikalischen Zustand des Prüflings gewinnt, nicht mehr aufweise und daher sein Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgehe.
V. Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung beantragte die Beschwerdeführerin schließlich, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent entweder aufgrund der in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1-12 (Hauptantrag) oder aufgrund der ebenfalls in der mündlichen Verhandlung eingereichten Ansprüche 1 und 2 (Hilfsantrag) zu erteilen.
VI. Der geltende Anspruch 1 gemäß Hauptantrag ist mit dem Anspruch 1, der der angefochtenen Entscheidung zugrunde lag, identisch. Er lautet:
"1. Prüfverfahren für Gleichstromquellen, wie Akkumulatoren, Batterien oder dgl., bei welchem man die Leerlaufspannung der zu prüfenden Gleichstromquelle (Prüfling) nach einer Hochstrombelastung und deren Innenwiderstand mißt und daraus den momentanen Ladezustand des Prüflings bestimmt, dadurch gekennzeichnet, daß man durch Verhältnisbildung des gemessenen Gleichstrominnenwiderstandes (RS) mit dem bekannten Gleichstrominnenwiderstand (RSN) einer neuen, vollgeladenen, mit dem Prüfling typgleichen Gleichstromquelle eine Maßzahl für das momentane Startvermögen des Prüflings (10) gewinnt, wobei man zum Erfassen des Gleichstrominnenwiderstandes (RS) des Prüflings (10) dessen Klemmenspannung (UA) zu einem Zeitpunkt (t1) während der Hochstrombelastung mißt und die Differenz von Leerlauf- und Klemmenspannung (UB, UA) bildet."
Ansprüche 2 bis 7 gemäß Hauptantrag sind auf Anspruch 1 rückbezogen, während sich Ansprüche 8 bis 12 auf ein Prüfgerät beziehen.
Der geltende Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag lautet:
"1. Prüfgerät zur Durchführung eines Prüfverfahrens für Gleichstromquellen, bei welchem man die Leerlaufspannung der zu prüfenden Gleichstromquelle (Prüfling) nach einer Hochstrombelastung und deren Innenwiderstand mißt und daraus den momentanen Ladezustand des Prüflings bestimmt, mit mindestens einer Eingangsklemme (15) zum Anschließen des Prüflings (10), mit einem über einen ersten Schalter (16) mit der Eingangsklemme (15) verbundenen Belastungswiderstand (17) zur Hochstrombelastung des Prüflings (10), mit einem ersten Operationsverstärker (18), dessen invertierender Eingang mit einer Referenzspannung belegt ist, und dessen nicht invertierender Eingang über einen zweiten Schalter (20) an der Eingangsklemme (15) angeschlossen ist, mit einem zweiten Operationsverstärker (19), dessen invertierender Eingang über einen dritten Schalter (21) mit der Eingangsklemme (15) und dessen nicht invertierender Eingang mit dem gleichartigen Eingang des ersten Operationsverstärkers (18) verbunden ist, mit einer mit den Steuereingängen der Schalter (16, 20, 21) verbundenen Zeitsteuervorrichtung (28), die derart ausgebildet ist, daß sie zeitlich versetzte Schließsignale unterschiedlicher Dauer selektiv an die Schalter (16, 20, 21) in der Weise gibt, daß der erste Schalter (16) für die Dauer der Hochstrombelastung geschlossen ist und daß der dritte Schalter (21) während der Hochstrombelastung nach Schließen des ersten Schalters (16) und der zweite Schalter (20) nach einer Erholungsphase nach Wiederöffnen des ersten Schalters (16) jeweils kurzzeitig geschlossen sind, und mit einem dem zweiten Operationsverstärker (19) nachgeschalteten Umkehrverstärker (24) mit vorzugsweise einstellbarem Vorwiderstand (25), wobei den mit der Eingangsklemme (15) verbundenen Eingängen der beiden Operationsverstärker (18, 19) jeweils ein Speicherglied, vorzugsweise ein Kondensator (22, 23), parallel geschaltet ist und an dem Ausgang des ersten Operationsvertärkers (18) eine Anzeigevorrichtung (12) für den Ladezustand und an dem Ausgang des Umkehrverstärkers (24) eine Anzeigevorrichtung (13) für das Startvermögen des Prüflings (10) angeschlossen ist."
Anspruch 2 gemäß Hilfsantrag ist auf Anspruch 1 rückbezogen.
VII. Im Hinblick auf den von der Kammer in ihrer Mitteilung erhobenen Einwand der unzulässigen Erweiterung der Anmeldung trug die Beschwerdeführerin im wesentlichen folgendes vor:
In der ursprünglich eingereichten Fassung des Anspruchs 1 seien zwei Maßnahmen versehentlich zusammengefaßt worden, die jedoch nicht als miteinander verbunden betrachtet werden könnten. Einerseits würden nämlich die Klemmenspannung UA während einer Hochstrombelastung und die Leerlaufspannung UB nach dieser Hochstrombelastung erfaßt und daraus zuverlässige Aussagen über das momentane Startvermögen und den momentanen Ladezustand des Prüflings getrennt gewonnen. Andererseits würden diese derart voneinander getrennt ermittelten Kriterien dann miteinander zur Ausarbeitung eines dem physikalischen Zustand des Prüflings entsprechenden Signals verknüpft.
Daß die wesentliche Lehre der Patentanmeldung jedoch allein in der ersten Maßnahme zu sehen sei und die zweite lediglich eine untergeordnete Weiterbildung dieses Erfindungsgedankens darstelle, sei dem Fachmann im Lichte der ursprünglich eingereichten Unterlagen ohne weiteres ersichtlich, weil die Angaben in der Beschreibung in bezug auf die Gewinnung der Aussage über den physikalischen Zustand des Prüflings (vgl. Seite 6, Zeile 22 bis Seite 7, Zeile 8) klar zum Ausdruck brächten, daß der Ladezustand und das Startvermögen des Prüflings als Grundlage für die weitere Ermittlung seines physikalischen Zustands dienten. Dieser Bewertung des eigentlichen Erfindungsgedankens stehe auch die Tatsache nicht entgegen, daß das in der Anmeldung beschriebene Prüfgerät eine Verknüpfungslogik (27) zur Steuerung einer Anzeigevorrichtung (14) für den physikalischen Zustand des Prüflings aufweist, weil dieses Gerät lediglich als ein Ausführungsbeispiel dargestellt werde und der Fachmann unmittelbar erkenne, daß auf eine derartige Verknüpfungslogik mit Anzeigevorrichtung gegebenenfalls auch verzichtet werden kann.
Des weiteren stelle die von der Kammer beanstandete Änderung in Anspruch 1 lediglich eine Berichtigung von offensichtlichen Mängeln in den Anmeldungsunterlagen dar, die auf Grund von Regel 88 EPÜ zulässig sei.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Zum Hauptantrag
2.1. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag wurde im Hinblick auf den ursprünglich eingereichten Anspruch 1 insbesondere dahingehend geändert, daß er das ursprünglich beanspruchte Merkmal, wonach "man mit der Maßzahl für das Startvermögen und dem Bestimmungswert für den Ladezustand des Prüflings anhand einer bekannten funktionellen Abhängigkeit des Startvermögens einer mit dem Prüfling typgleichen Gleichstromquelle von ihrem Ladezustand und von ihrem physikalischen Zustand eine Aussage über den physikalischen Zustand des Prüflings gewinnt", nicht mehr aufweist. Daher ist in dem Schutzumfang des geltenden Anspruchs 1 nunmehr auch ein Verfahren miteinbezogen, das keinerlei Aussage über den physikalischen Zustand des Prüflings liefert.
Ein derartiges Verfahren ist jedoch nach Auffassung der Kammer in den ursprünglich eingereichten Unterlagen weder ausdrücklich beschrieben noch daraus unmittelbar herleitbar. In der ursprünglich eingereichten Beschreibungseinleitung wird nämlich eindeutig ausgeführt, daß die Erfindung im Vergleich zu dem aus der Druckschrift D-B-2 926 716 bekannten Verfahren, bei welchem auch eine Aussage über den physikalischen Zustand des Prüflings gewonnen werde, eine zuverlässige Aussage über den (physikalischen) Zustand des Prüflings jedoch nicht immer gesichert sei (Seite 1, letzter Absatz bis Seite 2, 2. Absatz), insbesondere den Vorteil einer verbesserten Zuverlässigkeit der Aussage über den Betriebszustand des Prüflings aufweise (Seite 2, letzter Satz). Daher steht die nunmehr geltende Definition der Erfindung gemäß Anspruch 1, wonach keine Aussage mehr über den physikalischen Zustand des Prüflings gewonnen wird, eindeutig im Widerspruch zu dem, was ursprünglich als Erfindung beschrieben worden ist. Darüber hinaus weist das einzige, in den Anmeldungsunterlagen in bezug auf die Figur 1 beschriebene Prüfgerät eine Verknüpfungslogik (27) mit zugeordneter Anzeigevorrichtung (14) für den physikalischen Zustand des Prüflings auf, die auch in den Merkmalen des ursprünglichen unabhängigen Vorrichtungsanspruchs 8 miteinbezogen war, so daß auch aus der ursprünglichen Offenbarung des Prüfgeräts keine Stütze für ein Verfahren ohne Gewinnung einer Aussage über den physikalischen Zustand des Prüflings gefunden werden kann.
Den Argumenten der Beschwerdeführerin, die eine Aussage über den physikalischen Zustand und die eine dafür vorgesehene Verknüpfungslogik und Anzeigevorrichtung betreffenden Merkmale in den ursprünglichen Ansprüchen 1 und 8 seien für den Fachmann offensichtlich als nicht wesentliche, untergeordnete Maßnahmen erkennbar, kann nicht zugestimmt werden. Die Bedeutung eines Merkmals kann nur im Hinblick auf die gesamten Anmeldungsunterlagen bewertet werden, und zwar insbesondere unter Berücksichtigung der daraus entnehmbaren, der Erfindung zugrunde liegenden technischen Aufgabe. Wenn daher in einer Anmeldung, aus welchen Gründen auch immer, eine Erfindung eindeutig als eine eine bestimmte Aufgabe lösende Kombination von Merkmalen ursprünglich offenbart ist, kann ein Merkmal dieser Kombination, ohne welches diese bestimmte Aufgabe nicht mehr gelöst werden kann, im Rahmen der ursprünglichen Offenbarung nicht als offensichtlich unwesentlich betrachtet werden.
Aus diesen Gründen wird die vorliegende Anmeldung durch die in Anspruch 1 erfolgte Änderung des Schutzbegehrens in einer Weise geändert, daß ihr Gegenstand über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinausgeht. Diese Änderung ist daher auf Grund von Artikel 123 (2) EPÜ nicht zulässig.
2.2. Der Auffassung der Beschwerdeführerin, daß die Änderung der Ansprüche nach Regel 88 Satz 2 EPÜ zugelassen werden könne, vermag die Kammer nicht zu folgen. Nach Regel 88 Satz 2 EPÜ können auf Antrag Beschreibung, Patentansprüche oder die Zeichnungen berichtigt werden, sofern die Berichtigung derart offensichtlich ist, daß sofort erkennbar ist, daß nichts anderes beabsichtigt sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird. Wie bereits oben bei der Prüfung der Zulässigkeit der Änderungen gemäß Artikel 123 (2) EPÜ ausgeführt ist, sind die beantragten Änderungen für einen Fachmann aus den ursprünglichen Unterlagen nicht herleitbar. Der gleiche Grund steht einer Berichtigung nach Regel 88 Satz 2 entgegen, weil nicht sofort erkennbar ist, daß nichts anderes beabsichtigt sein konnte als das, was als Berichtigung vorgeschlagen wird.
Stellt eine beantragte Änderung eine unzulässige Erweiterung im Sinne des Artikels 123 (2) EPÜ dar, so kann sie auch nicht als Berichtigung gemäß Regel 88 Satz 2 EPÜ zugelassen werden, denn das Europäische Patentamt ist nicht befugt, eine ursprüngliche Offenbarung im Wege der Berichtigung zu erweitern.
Das folgt schon aus Artikel 138 (1) Buchstabe c EPÜ. Danach kann ein europäisches Patent für nichtig erklärt werden, wenn der Gegenstand des europäischen Patents über den Inhalt der Anmeldung in der eingereichten Fassung hinausgeht. Dieser Nichtigkeitsgrund ist auch dann gegeben, wenn die unzulässige Erweiterung auf einer Berichtigung gemäß Regel 88 Satz 2 EPÜ beruht. Das zeigt deutlich, daß eine Berichtigung nicht zu einer Erweiterung der ursprünglichen Offenbarung führen darf. Vielmehr ist ein Fehler nur dann berichtigungsfähig, wenn dessen beantragte Berichtigung sich für einen Fachmann, an den sich die Patentanmeldung wendet, aus dem Gesamtinhalt der ursprünglichen Unterlagen zwingend ergibt (vgl. T 13/83, ABl. 1984, 428). Daran fehlt es aber im vorliegenden Fall.
Eine Interpretation der Regel 88 Satz 2 EPÜ in der Weise, daß als Berichtigung zugelassen werden könnte, was eine unzulässige Erweiterung darstellt, würde im übrigen auch mit Artikel 164 (2) EPÜ nicht im Einklang stehen, wonach die Vorschriften des Übereinkommens Vorrang vor denen der Ausführungsordnung genießen.
Aus diesen Gründen kann dem Berichtigungsantrag nicht entsprochen werden.
2.3. Aus den vorstehend genannten Gründen genügt die Anmeldung in ihrer Fassung gemäß Hauptantrag nicht den Erfordernissen des EPÜ, so daß der Hauptantrag der Beschwerdeführerin nicht gewährbar ist.
3. Zum Hilfsantrag:
3.1. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag wurde im Hinblick auf den entsprechenden, ursprünglich eingereichten, unabhängigen Vorrichtungsanspruch 8 insbesondere dahingehend geändert, daß er das ursprünglich beanspruchte Merkmal, wonach das Prüfgerät eine Verknüpfungslogik umfaßt, die eine Anzeigevorrichtung für den physikalischen Zustand des Prüflings steuert, nicht mehr aufweist. Daher ist in dem Schutzumfang des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag nunmehr auch ein Prüfgerät miteinbezogen, das keine solche Verknüpfungslogik mit zugeordneter Anzeigevorrichtung aufweist.
Aus den oben im Zusammenhang mit der entsprechenden Änderung des ursprünglich unabhängigen Verfahrensanspruchs 1 bereits dargestellten Gründen ist ein derartiges Prüfgerät jedoch in den ursprünglichen Anmeldungsunterlagen weder ausdrücklich beschrieben noch daraus eindeutig herleitbar.
Daher verstößt die in Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag vorgenommene Änderung ebenfalls gegen die Bestimmungen des Artikels 123 (2) EPÜ, so daß auch der Hilfsantrag der Beschwerdeführerin nicht gewährbar ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.