T 0804/94 10-07-1995
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Nichtberücksichtigung eines Hilfsantrags auf mündliche Verhandlung
Erlaß einer Entscheidung vor Ablauf einer gesetzten Frist
Wesentliche Verfahrensfehler (ja)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (ja)
I. Die Beschwerdegegnerin ist Inhaberin des europäischen Patents Nr. 0 370 247 (Anmeldenummer: 89 119 688.3).
II. Die Beschwerdeführerin hat gegen das erteilte Patent Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent mangels Patentfähigkeit zu widerrufen.
In dem Einspruchsschriftsatz der Beschwerdeführerin wurde kein Hilfsantrag auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Ihr am 15. April 1994 eingegangener Schriftsatz schließt jedoch mit der Erklärung:
"Es wird weiterhin der vollständige Widerruf des vorgenannten Patents beantragt. Unseren hilfsweise gestellten Antrag, einen Verhandlungstermin anzuberaumen, halten wir weiterhin aufrecht."
III. In einem Bescheid der Einspruchsabteilung vom 7. Juni 1994 wurden die Patentinhaberin und die Einsprechende "gebeten, innerhalb einer Frist von vier Monaten nach Zustellung dieses Bescheides, eine Stellungnahme einzureichen".
IV. Mit Entscheidung vom 22. Juli 1994, d. h. vor dem Ablauf der gestellten Frist zur Erwiderung auf den Bescheid, wies die Einspruchsabteilung ohne vorherige Anberaumung einer Verhandlung den Einspruch zurück.
V. Gegen diese Entscheidung legte die Beschwerdeführerin am 20. September 1994 unter gleichzeitiger Entrichtung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde ein und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben, die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen und die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels anzuordnen.
Hilfsweise beantragt sie, das europäische Patent in vollem Umfang zu widerrufen, und für den Fall, daß keinem der Anträge stattgegeben werden kann, eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Der Hauptantrag wurde damit begründet, daß das Einspruchsverfahren insofern wesentliche Verfahrensmängel aufweise, als der Antrag der Einsprechenden auf eine mündliche Verhandlung unberücksichtigt geblieben sei und außerdem der Zurückweisungsbeschluß vor Ablauf der von der Einspruchsabteilung gesetzten 4-Monats-Frist zur Beantwortung des Bescheids vom 7. Juni 1994 erlassen wurde. Eine Stellungnahme zum Bescheid sei damit nicht möglich gewesen.
VI. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) hat sich zur Beschwerdebegründung nicht geäußert.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Wenn dem Antrag einer Partei auf Anberaumung einer mündlichen Verhandlung nicht stattgegeben, sondern eine schriftliche Entscheidung erlassen wird, die gegen die antragsstellende Partei gerichtet ist, muß nach gefestigter Rechtsprechung der Beschwerdekammern eine solche Entscheidung als null und nichtig aufgehoben werden. Dieses Vorgehen stellt einen wesentlichen Verfahrensfehler dar, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ rechtfertigt (vgl. insbesondere Entscheidungen T 93/88, T 209/88 und T 663/90).
Das Recht einer Partei auf mündliche Verhandlung setzt die Stellung eines eindeutigen und vorbehaltslosen Antrags auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung voraus (vgl. Entscheidungen T 299/86, ABl. EPA 1988, 088, T 433/87).
Ein derartiger eindeutiger Antrag lag im vorliegenden Fall vor. Zwar wurde versehentlich unterlassen, bereits mit dem Einspruchsschriftsatz eine mündliche Verhandlung zu beantragen, mit dem am 15. April 1994 eingegangenen Schriftsatz wurde sie durch den Schlußsatz "Unseren hilfsweise gestellten Antrag, einen Verhandlungstermin anzuberaumen halten wir jedoch aufrecht" jedoch eindeutig und unmißverständlich beantragt.
Die angefochtene Entscheidung beruht somit auf einem wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne der Regel 67 EPÜ, der die Aufhebung der Entscheidung und die Zurückverweisung der Sache an die erste Instanz ohne sachliche Prüfung unter Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigt.
3. Aufgrund des Erlasses der angefochtenen Entscheidung vor Ablauf der von der Einspruchsabteilung gesetzten Frist zur Erwiderung auf den Bescheid vom 7. Juni 1994 liegt ein weiterer wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne der Regel 67 EPÜ vor (siehe Entscheidung T 0125/91). Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß das Einspruchsverfahren im Rahmen der geltenden prozessualen Vorschriften des EPÜ und des allgemeinen Verfahrensrechts durchzuführen ist und daß gegen diese Vorschriften verstoßen wird, wenn die Einspruchsabteilung eine von ihr gesetzte Frist mißachtet; vgl. Schulte, 5. Auflage, Patentgesetz mit EPÜ § 73 (Anhang) Artikel 108, Rdn. 32.
4. Dem Hauptantrag der Beschwerdeführerin ist daher stattzugeben. Dementsprechend ist der fürsorglich gestellte Antrag auf mündliche Verhandlung gegenstandslos.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die 1. Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.