T 0266/97 (Unzulässigkeit der Beschwerde) 22-06-1998
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Versäumnis der Beschwerdefrist
Appeal - time limit - missed
I. Mit Entscheidung vom 25. Oktober 1996 hat die Einspruchsabteilung den Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 429 931 zurückgewiesen.
II. Am 30. Dezember 1996 ist von der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) die Beschwerdegebühr entrichtet worden, und am 20. Februar 1997 ist die Beschwerde mit Begründung eingegangen.
III. Mit Mitteilung vom 12. Mai 1997 hat die Geschäftsstelle der Kammer die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß ihre Beschwerde nicht innerhalb der vorgeschriebenen Zweimonatsfrist eingegangen sei und daß sie daher voraussichtlich gemäß Artikel 108 Satz 1 EPÜ in Verbindung mit Regel 65 (1) EPÜ als unzulässig verworfen werde.
IV. Am 18. Juni 1997 hat die Beschwerdeführerin Wiedereinsetzungsantrag gestellt und am 20. Juni 1997 eine Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet.
V. Mit Bescheid vom 14. Juli 1997 hat die Kammer die Beschwerdeführerin darauf hingewiesen, daß Einsprechende gemäß Artikel 122 (1) EPÜ von der Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist ausgeschlossen sind und eine Stellungnahme der Parteien innerhalb von zwei Monaten anheimgestellt. Eine Stellungnahme ist nicht erfolgt.
1. Gemäß Artikel 108 Satz 1 EPÜ ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung der Entscheidung schriftlich einzulegen. Nach Satz 2 der gleichen Vorschrift gilt die Beschwerde erst als eingelegt, wenn die Beschwerdegebühr entrichtet ist.
2. Zur Fristberechnung sind die Vorschriften über die Zustellung (Artikel 119, Regeln 77, 78 EPÜ) und über die Fristen (Artikel 120, Regeln 83 bis 85 EPÜ) heranzuziehen. Die Zustellung der Entscheidung erfolgt nach Artikel 119 EPÜ in Verbindung mit Regel 78 (1) EPÜ durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein. Nach Regel 78 (3) EPÜ gilt dieser Brief mit dem zehnten Tag nach Abgabe zur Post als zugestellt.
Bei der Fristberechnung wird gemäß Regel 83 (2) EPÜ mit dem Tag begonnen, der auf den Tag folgt, an dem das Ereignis eingetreten ist, aufgrund dessen der Fristbeginn festgelegt wird; dieses Ereignis kann eine Handlung oder der Ablauf einer früheren Frist sein.
Im vorliegenden Fall bestand das Ereignis in einer Handlung, nämlich der Abgabe der Entscheidung zur Post, die am 25. Oktober 1996 erfolgte. Die 10-Tagefrist begann somit am 26. Oktober 1996 zu laufen und endete am 4. November 1996. Die Entscheidung gilt folglich als an diesem Tag zugestellt. Die zweimonatige Beschwerdefrist hat nach Regel 83 (2) EPÜ am 5. November 1996 zu laufen begonnen, wobei nunmehr das maßgebende Ereignis im Ablauf einer früheren Frist, der 10-Tagefrist, bestand. Die Frist endete gemäß Regel 83 (4) EPÜ am 4. Januar 1997, dem Tag, der durch seine Zahl dem Tag entspricht, an dem das Ereignis eingetreten ist. Der 4. Januar 1997 war jedoch ein Samstag, an dem eine Annahmestelle des Europäischen Patentamts zur Entgegennahme von Schriftstücken nicht geöffnet ist. Die Frist verlängerte sich deshalb gemäß Regel 85 (1) EPÜ auf den folgenden Montag, den 6. Januar 1997, an dem alle Annahmestellen zur Entgegennahmwieder geöffnet waren.
3. Bis zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerdegebühr entrichtet, aber eine schriftliche Beschwerde nicht eingegangen. Die Zahlung der Beschwerdegebühr stellt allein noch keine wirksame Einlegung einer Beschwerde dar (vgl. die Entscheidungen J 0019/90 - unveröffentlicht; T 0371/92, ABl. EPA 1995, 324). Vielmehr muß gemäß Artikel 108 Satz 1 EPÜ die Handlung der schriftlichen Beschwerdeeinlegung hinzukommen, wobei der Inhalt der Beschwerdeschrift in Regel 64 EPÜ vorgeschrieben ist. Da es an diesem Erfordernis mangelt, ist die Beschwerde nicht wirksam eingelegt, so daß die Beschwerdegebühr zurückzuzahlen ist.
4. Der Antrag der Beschwerdeführerin auf Wiedereinsetzug in die versäumte Frist kann zu keinem anderen Ergebnis führen.
Artikel 122 (1) EPÜ sieht die Wiedereinsetzungsmöglichkeit ausdrücklich nur für den Anmelder und Patentinhaber vor. Sonstige Verfahrensbeteiligte wie Einsprechende und dem Einspruch Beitretende (Artikel 105 EPÜ) sind von dieser Möglichkeit ausgeschlossen. Der Grund hierfür ist, daß der Patentinhaber ein berechtigtes Interesse daran hat, nicht über einen längeren Zeitraum im Ungewissen darüber zu bleiben, ob noch eine Beschwerde erhoben werden kann. Die Besserstellung des Anmelders oder Patentinhabers findet ihre Rechtfertigung darin, daß der Widerruf oder die Beschränkung des Patents einen endgültigen Rechtsverlust bedeutet. Der Einsprechende kann dagegen im Falle der Zurückweisung seines Einspruchs immer noch Nichtigkeitsklage vor den nationalen Gerichten erheben (vgl. Entscheidung der Großen Beschwerdekammer G 0001/86, ABl. EPA 1987, 447). Von diesem Grundsatz hat die Große Beschwerdekammer in der genannten Entscheidung eine Ausnahme im Hinblick auf die Beschwerdebegründungsfrist zugelassen und die Wiedereinsetzung eines Einsprechenden in die versäumte Beschwerdebegründungsfrist gestattet. Da im vorliegenden Fall aber die Beschwerdefrist versäumt worden ist, kann diese Entscheidung hier nicht weiterhelfen, so daß es bei der Verwerfung der Beschwerde bleibt.
Die Rückzahlung der Wiedereinsetzungsgebühr erfolgt, da kein rechtswirksamer Wiedereinsetzungsantrag gestellt worden ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Es wird festegstellt, daß keine Beschwerde eingelegt worden ist.
2. Es wird festgestellt, daß ein wirksamer Wiedereinsetzungsantrag nicht gestellt worden ist.
3. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr und Wiedereinsetzungsgebühr wird angeordnet.