W 0019/00 23-01-2001
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Mangelnde Einheitlichkeit a posteriori (nein)
Mangelnde Begründung (ja)
Besondere technische Merkmale nicht aus der Aufforderung entnehmbar
I. Die internationale Anmeldung PCT/DE 99/.... wurde mit 28. Ansprüchen eingereicht. Für die vorliegende Entscheidung sind neben dem Vorrichtungsanspruch 1 noch der Verfahrensanspruch 14 und die davon abhängigen Verfahrensansprüche 15, 16, 18, 25, 27 und 28 von besonderer Bedeutung. Diese Patentansprüche haben folgenden Wortlaut:
"1. Vorrichtung zur Formung eines Elektronenstrahls .....
"14. Verfahren zur Herstellung einer Vorrichtung nach einem der Ansprüche 1 bis 12, ....
"15. Verfahren nach Anspruch 14, ....
"16. Verfahren nach einem der Ansprüche 14 bis 15,....
"18. Verfahren nach einem der Ansprüche 14 bis 17,....
"25. Verfahren nach einem der Ansprüche 14 bis 24,....
"27. Verfahren nach einem der Ansprüche 14 bis 26,....
"28. Verfahren nach einem der Ansprüche 14 bis 27,....
II. Mit Bescheid vom 26. November 1999 informierte das EPA in seiner Eigenschaft als Internationale Recherchenbehörde (IRB) den Anmelder, daß die vorliegende Anmeldung das Erfordernis der Regel 13.1, 13.2. und 13.3 PCT nicht erfülle, daß eine Teilrecherche für den Gegenstand der Ansprüche 1 - 15, 18, 23 und 24 (im folgenden Gruppe 1) durchgeführt worden sei und forderte den Anmelder gemäß Artikel 17 (3) a) und Regel 40.1 PCT auf, fünf weitere Recherchengebühren für zusätzliche Erfindungen zu entrichten. Der Bescheid gab folgende Gründe für die Feststellung mangelnder Einheitlichkeit an:
Die Vorrichtung nach Anspruch 1 und das Verfahren nach Anspruch 14 seien nicht neu gegenüber US-A-.... (im folgenden D1). Die Gruppe 1 betreffe eine Vorrichtung zur Formung eines Elektronenstrahls, .... und ein Verfahren zur Herstellung der Vorrichtung .... . Die von Anspruch 14 abhängigen Verfahrensansprüche enthielten die folgenden weiteren fünf (Gruppen von) Erfindungen, die nach Vorwegnahme des Anspruchs 14 nicht mehr durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden seien.
Die Ansprüche 16, 17, 21 und 22 beträfen die .... (im folgenden Gruppe 2).
Die Ansprüche 18 - 20 und 22 beträfen .... (im folgenden Gruppe 3).
Anspruch 27 betreffe ein Herstellungsverfahren für .... (im folgenden Gruppe 4).
Anspruch 28 betreffe ....(im folgenden Gruppe 5).
Die Ansprüche 25 und 26 beträfen .... (im folgenden Gruppe 6).
III. Mit Schreiben vom 22. Dezember 1999 bezahlte der Anmelder die verlangten zusätzlichen Gebühren unter Widerspruch nach Regel 40.2 c) PCT. Dem Widerspruch war eine Begründung beigefügt, die wie folgt zusammengefaßt werden kann:
Es sei Aufgabe der Erfindung, eine .... Vorrichtung zur Formung eines Elektronenstrahls und ein Verfahren zu dessen Herstellung anzugeben. Ein wesentlicher Bestandteil der Vorrichtung sei .... Die von der IRB genannten verschiedenen Gruppen trügen allesamt zur Verbesserung der Funktionalität dieses .... bei. Der Anmeldung liege daher ein gemeinsamer erfinderischer Gedanke zugrunde.
IV. Die IRB teilte dem Anmelder in einer Mitteilung vom 29. Mai 2000 mit, daß eine Überprüfung nach Regel 40.2 e) PCT ergeben habe, daß die Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren berechtigt gewesen sei. Zur Begründung gab die Mitteilung die Gründe an, warum der Gegenstand der Ansprüche 1 - 14 gegenüber D1 nicht neu bzw. nicht erfinderisch sei. Daher seien die Verfahren der von Anspruch 14 abhängigen Ansprüche nicht mehr durch eine einzige allgemeine erfinderische Idee verbunden. Die Einheitlichkeit der verschiedenen genannten Gruppen sei nicht dadurch gegeben, daß allesamt die Herstellung des .... beträfen, da diese Gruppen vollkommen unterschiedliche Aufgaben lösten.
V. Die Widerspruchsgebühr wurde am 27. Juni 2000 entrichtet.
VI. Der Anmelder beantragt die Rückzahlung der zusätzlich gezahlten Recherchengebühren.
1. Nach Artikel 154 (3) EPÜ ist die Beschwerdekammer für eine Entscheidung über den vorliegenden Widerspruch zuständig.
2. Der Widerspruch ist zulässig.
3. Nach Regel 13.1 und 13.2 PCT ist das Erfordernis der Einheitlichkeit nur erfüllt, wenn zwischen den Erfindungen, die in einer internationalen Anmeldung beansprucht werden, ein technischer Zusammenhang besteht, der in einem oder mehreren gleichen oder entsprechenden besonderen technischen Merkmalen zum Ausdruck kommt. Besondere technische Merkmale sind dabei diejenigen technischen Merkmale, die einen Beitrag jeder beanspruchten Erfindung als Ganzes zum Stand der Technik bestimmen.
4. Eine Prüfung, ob dieser Tatbestand erfüllt ist, sollte daher feststellen, welche besonderen technischen Merkmale jeder Erfindung (oder Gruppe von Erfindungen) einen Beitrag zum Stand der Technik bestimmen, und ob diese Merkmale einen technischen Zusammenhang zum Ausdruck bringen. Nach Auffassung der Kammer erfordert die Feststellung, ob gegebenenfalls "entsprechende" besondere technische Merkmale vorhanden sind, normalerweise eine Auseinandersetzung mit den Effekten, die diese Merkmale gegenüber dem Stand der Technik bewirken. Hierbei kommt der technischen Aufgabe gegenüber diesem Stand der Technik, wie sie aus der Anmeldung verstanden werden kann, besondere Bedeutung zu. Daher kann die bloße Aufzählung der unterschiedlichen Gegenstände nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern des EPA lediglich in einfach gelagerten Fällen als ausreichende Begründung der Uneinheitlichkeit angesehen werden, wenn aus dieser Aufzählung ohne weiteres das Fehlen eines technischen Zusammenhangs ersichtlich ist. Ohne ausreichende Begründung ist jedoch die Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren nicht rechtswirksam (vgl. W 4/85, ABl. EPA 1987, 63, Punkt 3; W 11/89, ABl. EPA 1993, 225, Punkt 4.1; W 11/99, ABl. EPA 2000,186, Punkte 2.7 und 4).
5. Die Aufforderung der IRB zur Zahlung zusätzlicher Gebühren hat im vorliegenden Fall mangelnde Neuheit der Vorrichtung nach Anspruch 1 und des Verfahrens nach Anspruch 14 festgestellt. Die dieser Feststellung zugrundegelegten Tatsachen sind für die Kammer anhand der im Teilrecherchenbericht angegebenen Passagen von D1 nachvollziehbar. Da der Anmelder diese Feststellung nicht ausdrücklich bestritten hat, sieht die Kammer keine Veranlassung, darauf näher einzugehen.
6. Zur Begründung der sich durch die mangelnde Neuheit ergebenden Uneinheitlichkeit a posteriori hat die IRB in ihrer Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren die verschiedenen Erfindungen (Gruppen 1 - 6) der von Anspruch 14 abhängigen Verfahrensansprüche stichwortartig aufgezählt. Es ist daher zunächst zu prüfen, ob diese Aufzählung unter den gegebenen Umständen eine ausreichende Begründung im Sinne der Regel 40.1 PCT darstellt.
6.1. Die Gruppe 1 soll nach Auffassung der IRB das .... betreffen, d. h. besondere technische Merkmale bezüglich der Herstellung der Vorrichtung mit .... aufweisen, die einen Beitrag zum Stand der Technik nach D1 bestimmen. D1 (Spalte 3, Zeilen 20 - 26 und Spalte 10, Zeilen 32 - 43) offenbart ebenfalls .... Es ist daher nicht ohne weiteres erkennbar, auf welche besonderen technischen Merkmale der Ansprüche 1 - 15, 18, 23 und 24 die IRB hier verweist.
6.2. In der Gruppe 2 sieht die IRB offensichtlich besondere technische Merkmale, die .... betreffen. D1 (z. B. Spalte 3, Zeilen 16 - 20; Spalte 7, Zeilen 28 - 52; Spalte 10, Zeilen 32 - 46; Figuren 4 und 12B) erwähnt ebenfalls .... Die bloße Aufzählung der Ansprüche 16, 17, 21 und 22, die zudem verschiedene Aspekte der .... betreffen, lassen daher ohne weitere Angaben keine eindeutige Festlegung der besonderen technischen Merkmale der Gruppe 2 erkennen.
6.3. Das gilt gleichermaßen für die Gruppe 3, die nach Auffassung der IRB das .... betrifft. Denn die besonderen technischen Merkmale der Ansprüche 18 - 20 und 22 sind gegenüber der aus D1 bekannten Beschichtung (siehe vorangehenden Punkt 6.2) nicht ohne weiteres erkennbar.
6.4. Die IRB hat die Verwendung einer .... gemäß Merkmal b) des Anspruchs 14 als bekannt angesehen, da sie ja mangelnde Neuheit festgestellt hat. Die Verwendung von .... gemäß Verfahren nach Anspruch 27 (Gruppe 4) hat die IRB somit offensichtlich als besonderes technisches Merkmal gegenüber D1 angesehen, ohne jedoch auf einen technischen Zusammenhang z. B. mit dem .... der Gruppe 1 einzugehen (siehe Seite 18, Zeilen 6 - 16 der vorliegenden Anmeldung).
6.5. Ähnlich läßt der Hinweis der IRB auf das Anbringen von .... gemäß Anspruch 28 (Gruppe 5) offen, ob die IRB einen technischen Zusammenhang dieses Merkmals z. B. mit dem .... oder mit der .... berücksichtigt hat (vgl. Seite 6, Zeilen 1 - 3; Seite 16, Zeilen 22 - 33; Seite 19, Zeilen 14 - 18; Figur 3 der vorliegenden Anmeldung).
6.6. Bezüglich der Gruppe 6 sieht die IRB offensichtlich in der .... gemäß Anspruch 25 oder 26 ein besonderes technisches Merkmal. Aus diesen Angaben geht aber nicht hervor, welchen Beitrag die IRB zum Stand der Technik nach D1 sieht, da D1 anscheinend ebenfalls .... offenbart.
6.7. Die stichwortartige Aufzählung der verschiedenen Erfindungen reicht also im vorliegenden Fall nicht aus, daß der Anmelder die tragenden Erwägungen für die Feststellung der Nichteinheitlichkeit der Anmeldung nachvollziehen kann. Die Aufforderung der IRB zur Zahlung zusätzlicher Recherchengebühren ist daher nicht rechtswirksam erfolgt, da die Gründe für diese Feststellung gemäß Regel 40.1 PCT nicht ausreichen.
7. Der Anmelder hat sich unter diesen Umständen zu Recht auf die in der Anmeldung genannte Aufgabe, eine .... Vorrichtung zu schaffen, berufen. Diese Aufgabe spielt anscheinend eine zentrale Rolle bei der gegenüber D1 (siehe z. B. Figuren 12A und 12B) anderen Anordnung der .... (Anspruch 1; vgl. insbesondere Figuren 1 - 4 der vorliegenden Anmeldung). Die mangelhafte Begründung der Aufforderung wird auch dadurch bestätigt, daß sich die IRB nicht mit dieser Aufgabe der vorliegenden Anmeldung (Seite 1, Zeilen 29 - 35 und Seite 2, Zeilen 7 - 9) auseinandergesetzt hat.
8. Die Stellungnahme der Überprüfungsstelle des EPA zu diesem Argument des Anmelders kann an der mangelnden Begründung ebenfalls nichts ändern. Auch die Kammer kann nicht von Amts wegen prüfen, ob ein Einwand mangelnder Einheitlichkeit aus anderen als den von der IRB genannten Gründen gerechtfertigt gewesen wäre.
9. Mangels rechtswirksamer Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Gebühren ist der Widerspruch in vollem Umfang begründet und folglich die Widerspruchsgebühr zurückzuerstatten (Regel 40.1 und 40.2 e) PCT).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die zusätzlich entrichteten Recherchengebühren und die Widerspruchsgebühr sind zurückzuzahlen.