W 0015/01 31-07-2001
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Substratplättchen aus Langasit oder Langatat
Rückzahlung der zusätzlich entrichteten Prüfungsgebühr und der Widerspruchsgebühr (nein: keine gemeinsame erfinderische Aufgabenstellung)
Neue Dokumente in der Überprüfung des Widerspruchs - nicht berücksichtigt
Neue Ansprüche nicht geprüft
I. Der vorliegende Widerspruch richtet sich gegen den Bescheid vom 21. November 2000, in dem das EPA in seiner Funktion als die mit der internationalen vorläufigen Prüfung beauftragte Behörde (im folgenden "IPEA" genannt) der Anmelderin der internationalen Patentanmeldung PCT/DE 00/00470 mitgeteilt hat, daß ihre internationale Anmeldung dem Erfordernis der Einheitlichkeit der Erfindung nicht genüge, da die Anmeldung zwei Erfindungen beträfe (Regel 13.1, 13.2 und 13.3. PCT). Gleichzeitig wurde die Anmelderin aufgefordert, die Ansprüche einzuschränken oder die Prüfungsgebühr in Höhe von EUR 1533,- für eine zusätzliche Erfindung zu zahlen (Artikel 34 (3) a) und Regel 68.2 PCT). Dieser Bescheid wird im folgenden "die Zahlungsaufforderung" genannt.
In der Zahlungsaufforderung vom 21. November 2000 hat die IPEA sich der Feststellung der internationalen Recherchenbehörde (IRB) angeschlossen, daß die internationale Anmeldung zwei Erfindungen beträfe, nämlich:
1) Ansprüche 1 und 2: Substratplättchen aus Langasit für Oberflächenwellen, und
2) Anspruch 3: Substratplättchen aus Langatat für Oberflächenwellen.
II. Die IPEA hat in ihrer Zahlungsaufforderung auf die Begründung der IRB hingewiesen, wie sie in der Aufforderung zur Zahlung zusätzlicher Recherchengebühren nach Artikel 17 (3) a) und Regel 40.1 PCT vom 4. Juli 2000 und in der Mitteilung der Überprüfungsstelle nach Regel 40.2 e) PCT vom 18. Oktober 2000 enthalten war.
Die Feststellung der mangelnden Einheitlichkeit wurde im wesentlichen wie folgt begründet:
a) Der nächstliegende Stand der Technik bestehe aus dem Dokument
D1: EP-A-874 455,
welches alle Merkmale des Oberbegriffs des Anspruchs 1 offenbare.
b) Das besondere technische Merkmal des Anspruchs 1 sei der beanspruchte Bereich der Euler-Winkel. Die besonderen technischen Merkmale des Anspruchs 3 seien die Auswahl eines Substratplättchens aus Langatat und die beanspruchten Bereiche der Euler-Winkel.
c) Die erwähnten, besonderen technischen Merkmale entsprächen sich nicht: es handle sich um verschiedene Schnitte von zwei verschiedenen Kristallen. Durch diese Schnitte wären in der Anmeldung und in Dokument D1 dieselben Probleme gelöst, d. h. die Auswahl eines Kristallschnitts mit 1) einer niedrigen OFW-Ausbreitungsgeschwindigkeit und 2) einem hohen Kopplungsfaktor.
Zwischen den beiden Ansprüchen bestehe deshalb kein technischer Zusammenhang im Sinne von Regel 13 PCT.
III. Mit Brief vom 24. November 2000 (im folgenden "die Widerspruchsschrift" genannt) hat die Anmelderin die zusätzliche Prüfungsgebühr unter Widerspruch gemäß Regel 68.3 c) PCT entrichtet. Unter Bezugnahme auf die Briefe der Anmelderin an die IRB vom 25. Juli 2000 bzw. 24. Oktober 2000 trägt die Anmelderin die folgende Argumente vor:
a) Wie schon im Brief der Anmelderin vom 24. Oktober 2000 der IRB dargelegt wurde, ist in der Anmeldung offenbart (siehe Seite 2, Zeilen 22 bis 27), daß die Aufgabe der Erfindung darin bestehe, bevorzugte Kristallschnitte für Langasit und Langatat zu finden mit
1) einer niedrigen OFW-Ausbreitungsgeschwindigkeit,
2) einem hohen Kopplungsfaktor und
3) einem geringeren Beam-Steering-Winkel.
b) In den Mitteilungen der IRB wurde hingegen davon ausgegangen, daß die Erfindung nur die Teilaufgaben 1) und 2) gleichzeitig löse. Da der vorliegende Stand der Technik keinen Hinweis auf eine Lehre gibt, bei der gleichzeitig die drei Teilaufgaben 1) bis 3) gelöst werden, sei diese Lehre ohne weiteres als erfinderisch zu betrachten.
IV. Am 16. Januar 2001 bestätigte die Überprüfungsstelle der IPEA die Feststellung mangelnder Einheitlichkeit und forderte die Anmelderin nach Regel 68.3 e) PCT auf, die Widerspruchsgebühr zu entrichten.
In ihrer Begründung stützte sich die Überprüfungsstelle der IPEA nicht nur auf das in der Zahlungsaufforderung genannte Dokument D1, sondern auch auf die vorher nicht genannten Dokumente
D3: DE-C-195 32 602;
D4: IEEE International Frequency Control Symposium, New York, US, IEEE Bd. Conf. 52, 1998, Seiten 742 bis 747; und
D5: IEEE International Frequency Control Symposium, New York, US, IEEE Bd. Conf. 52, 1998, Seiten 761 bis 765.
V. Die Anmelderin entrichtete am 2. Februar 2001 die Widerspruchsgebühr gemäß Regel 68.2 e) PCT.
VI. In dem parallel laufenden Widerspruchsverfahren gemäß Regel 40.2 c) PCT gegen die Zahlungsaufforderung der IRB nach Regel 40.1 PCT hat die Beschwerdekammer 3.4.3 am 9. März 2001 in der Entscheidung W 22/00 den Widerspruch zurückgewiesen.
Die Kammer hat in ihrer Entscheidung die Gründe in der Zahlungsaufforderung nach Regel 40.1 PCT und in der Überprüfung auf deren Richtigkeit nach Regel 40.2 e) PCT sowie die Argumente der Anmelderin in den Briefen vom 25. Juli 2000 und 24. Oktober 2000 berücksichtigt (siehe Punkte II und III oben).
VII. Die ursprünglich eingereichten, unabhängigen Ansprüche 1 und 3 lauten wie folgt:
"1. Substratplättchen (10) aus Langasit mit einem Kristallschnitt (Lambda, My, Theta) mit hohem Kopplungsfaktor und niedriger Oberflächenwellen-Ausbreitungsgeschwindigkeit, zu verwenden für ein elektronisches Oberflächenwellen-Bauelement mit einer orientierten (x1, x2, x3) Substrat-Oberfläche (11) für die Oberflächenwellenstruktur (12) mit in der Richtung x1 vorgesehener Oberflächenwellen-Ausbreitung, dadurch gekennzeichnet,
daß diese Oberfläche (11) durch Euler-Winkel Lambda im Bereich von 10° bis 14°, My im Bereich von 130° bis 150° und Theta im Bereich von 160° bis 175° definiert ist."
"3. Substratplättchen (10) aus Langatat mit einem Kristallschnitt (Lambda , My, Theta) mit hohem Kopplungsfaktor und niedriger Oberflächenwellen-Ausbreitungsgeschwindigkeit, zu verwenden für ein elektronisches Oberflächenwellen-Bauelement mit einer orientierten (x1, x2, x3) Substrat-Oberfläche (11) für die Oberflächenwellenstruktur (12) mit in der Richtung x1 vorgesehener Oberflächenwellen-Ausbreitung, dadurch gekennzeichnet,
daß diese Oberfläche (11) definiert ist durch eine Kombination (Lambda0, My0, Theta0) von Euler-Winkeln wie folgt:
(0° ±5°, 80° bis 110°, 0° ±5°)
(0°, 20° bis 80°, 32,5° ±5°)
(0° bis 20°, 130° bis 150°, 155° bis 180°)
(30° ±5°, 60° ±5°, 0° ±5°)
(10° ±5°, 25° bis 45°, 26° ±5°)
(20° ±5°, 30° bis 70°, 17° ±5°)."
VIII. Am 5. April 2001 reichte die Anmelderin neue Ansprüche 1 bis 3 ein.
1. Der Widerspruch genügt den Erfordernissen der Regel 68.3, Absätze c) und e) PCT und ist daher zulässig.
2. Die Zuständigkeit der Beschwerdekammern für Entscheidungen über einen Widerspruch ergibt sich aus Artikel 155 (3) EPÜ in Verbindung mit Regel 68.3 c) PCT. Danach kann die Prüfung des Widerspruchs nur auf der Grundlage der Unterlagen erfolgen, die bei der Zahlungsaufforderung der IPEA vorlagen (siehe auch W 3/94, ABl. EPA 1995, 775, die jedoch einen Widerspruch gegen eine Einladung der IRB nach Artikel 17 (3) und Regel 40.2 c) PCT betrifft). Die Kammer kann daher nur den Widerspruch auf der Grundlage der ursprünglich eingereichten Ansprüche überprüfen.
3. Schon in der Entscheidung W 4/93 (ABl. EPA 1994, 939) hat die Beschwerdekammer entschieden, daß die in Regel 68.3 e) PCT geforderte Überprüfung der Berechtigung einer Zahlungsaufforderung zur Zahlung einer zusätzlichen Gebühr ausschließlich auf der Grundlage der in der Zahlungsaufforderung enthaltenen Gründe im Lichte der vom Anmelder in seiner Widerspruchsbegründung vorgebrachten Tatsachen und Argumente durchzuführen sei. Demgemäß beschränkte sich die Kammer in der obengenannten Entscheidung ausschließlich auf die in der Zahlungsaufforderung und im Widerspruch vorgebrachten Tatsachen und Argumente. Die von der IPEA verspätet, d. h. erst im Rahmen der Überprüfung nach Regel 68.3 e) PCT vorgebrachten, neuen Tatsachen und Argumente, wurden daher nicht berücksichtigt.
3.1. Im vorliegenden Fall hat die Anmelderin in ihrer Widerspruchsschrift vom 21. November 2000 argumentiert, daß die Erfindung von einer dreiteiligen Aufgabe ausgehe, die darin bestehe, Kristallschnitte zu finden mit
1) einer niedrigen OFW-Ausbreitungsgeschwindigkeit,
2) einem hohen Kopplungsfaktor und
3) einem geringeren Beam-Steering-Winkel.
In der Zahlungsaufforderung ist die IPEA hingegen davon ausgegangen, daß die Erfindung nur die Teilaufgaben 1) und 2) löse, welche auch aus dem Dokument D1 bekannt sind. Da in dem Dokument D1 nicht die dritte Teilaufgabe 3) erwähnt worden ist, und die oben erwähnte dreiteilige Aufgabenstellung tatsächlich eine Grundlage in der Beschreibung hat (siehe Seite 2, Zeilen 22 bis 27), führte die Überprüfungsstelle der IPEA die neuen Dokumente D3 bis D5 ein, um eine mangelnde Einheitlichkeit weiter begründen zu können.
3.2. Im Hinblick auf die oben erwähnte Rechtsprechung kann die Kammer im vorliegenden Fall die neuen Gründe der Überprüfungsstelle nicht berücksichtigen, sondern ist beschränkt, die Richtigkeit der Zahlungsaufforderung der IPEA nach Regel 68.1 PCT zu überprüfen unter ausschließlicher Berücksichtigung der Argumente der Anmelderin in ihrer Widerspruchsschrift.
4. Damit stimmen die Tatsachen mit denen der Entscheidung W 22/00 überein. In dieser Sache stimmte diese Kammer in einer anderen Besetzung der Auffassung der IRB zu, daß die besonderen technischen Merkmale der Ansprüche 1 und 3. im Sinne von Regel 13.2 PCT unter Berücksichtigung von Dokument D1 unterschiedlich waren. Die Kammer stimmte der Auffassung der Anmelderin zu, daß die Anmeldung zusätzlich zu den beiden in der Zahlungsaufforderung erwähnten Teilaufgaben 1) und 2) noch die Teilaufgabe 3), einen möglichst kleinen Beam-Steering-Winkel zu erzielen, beinhalte. Jedoch stellte sie fest, daß zwischen den Erfindungen der Ansprüche 1 und 3 kein technischer Zusammenhang bestehe, der durch entsprechende besondere technische Merkmale zum Ausdruck komme. Der Grund dafür sei, daß die beanspruchten Winkelbereiche nicht austauschbar seien, da sie jeweils an ein bestimmtes Substrat angepaßt seien. Somit seien die Erfordernisse der Regel 13.2 PCT nicht erfüllt.
Die Stellung der obengenannten dreiteiligen Aufgabe wurde von der Kammer in W 22/00 als nicht erfinderisch betrachtet: Obwohl die Teilaufgabe 3) nicht in Dokument D1 erwähnt ist, war die Kammer jedoch der Auffassung, daß ein kleiner Beam-Steering-Winkel als wesentlich für die einwandfreie Funktion eines Oberflächenbauelements zu betrachten sei. Deshalb würde der Fachmann diese Teilaufgabe als selbstverständlich in Dokument D1 mitlesen (vgl. Gründe, 5.6.2). Daher könne die Einheitlichkeit auch nicht durch eine gemeinsame, erfinderische Aufgabenstellung begründet werden (Regel 13.1 PCT).
5. Die Kammer verweist aufgrund der übereinstimmenden Sachverhalte in der vorliegende Sache auf die Argumentation der Entscheidung W 22/00. Es liegen auch keine zusätzlichen, besonderen Umstände vor, die es rechtfertigen würden, von der Argumentation der Entscheidung W 22/00 abzuweichen, da insbesondere keine neuen Argumente der Anmelderin zu berücksichtigen sind, die zu einem abweichenden Ergebnis führen könnten. Daher ist die Kammer auch für den vorliegenden Widerspruch zu der Auffassung gelangt, daß die Aufforderung der IPEA zur Zahlung einer zusätzlichen Prüfungsgebühr zu Recht ergangen ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Widerspruch gemäß Regel 68.2 c) PCT wird zurückgewiesen.