4. Bestimmung der Offenbarung des einschlägigen Stands der Technik
4.11. Zufällige Offenbarung
Eine Vorwegnahme ist zufällig, wenn sie so unerheblich für die beanspruchte Erfindung ist und so weitab von ihr liegt, dass die Fachperson sie bei der Erfindung nicht berücksichtigt hätte. Gilt eine Vorwegnahme als zufällig, so heißt das, es ist von Anfang an offenkundig, dass sie nichts mit der Erfindung zu tun hat (G 1/03 und G 2/03, ABl. 2004, 413 und 448; T 134/01, T 1911/08). Dieses Konzept ist vorrangig im Zusammenhang mit Disclaimern relevant, die unter gewissen Umständen zulässig sind, um die Neuheit einer Erfindung gegenüber einer zufälligen Offenbarung wiederherzustellen (s. Kapitel II.E.1.7. "Disclaimer" und insbesondere Kapitel II.E.1.7.3 a) "Zufällige Vorwegnahme").
Gemäß Art. 54 (2) EPÜ ist bei der Beurteilung der Neuheit jeglicher Stand der Technik, also auch zufällige Offenbarungen, zu berücksichtigen (T 1170/19).
In T 161/82 (ABl. 1984, 551) war die Kammer der Ansicht, dass es in der Entgegenhaltung um die Lösung einer ganz anderen Aufgabe ging als in der fraglichen Anmeldung, und hielt Folgendes fest: Hat eine Vorwegnahme insofern Zufallscharakter, als das in einer Vorveröffentlichung Offenbarte zufällig unter einen zur Neuheitsprüfung anstehenden Anspruch fallen könnte, ohne dass jedoch eine gemeinsame technische Aufgabe vorliegt, so ist besonders sorgfältig abzuwägen, was billigerweise als vom Anspruch erfasst gelten kann und was tatsächlich aus der Vorveröffentlichung hervorgeht (vgl. auch T 986/91).