9.2. Der Aufgabe-Lösungs-Ansatz bei Mischerfindungen
9.2.18 Wetterbezogene Algorithmen
In T 1798/13 sollte mit der Erfindung der Wert eines wetterbasierten strukturierten Finanzprodukts prognostiziert werden. Dieser beruhte auf spezifischen Wetterkennzahlen wie Temperatur, Niederschlag, Sonnenstunden, Heiz- und Kühlgradtagen oder Windstärke. Die Kammer stimmte mit dem Beschwerdeführer darin überein, dass ein System zur Wettervorhersage, das beispielsweise Sensoren zur Messung spezifischer Wetterdaten umfasst, technischen Charakter hat. Die Erfindung beruhte jedoch auf der Verwendung bereits gemessener Wetterdaten. Es ließe sich argumentieren, dass diese (rohen) Wetterdaten Messungen der physischen Welt darstellten und daher auch technisch seien. Die Situation wäre somit ähnlich wie in T 2079/10, wonach physikalische Parameter technische Daten darstellten und die Auswahl, welche Parameter zu messen sind, in die Zuständigkeit der technischen Fachperson falle.
In T 2079/10 wurde die Erfindung jedoch in der Verbesserung der Messtechnik selbst gesehen, die technische Überlegungen zu den Sensoren und deren Positionierung einschloss. Im vorliegenden Fall spielten die Messungen selbst keine Rolle; die Verbesserung lag in der Verarbeitung der Daten mit dem Ziel, eine bessere Wettervorhersage bereitzustellen. Das zweite Argument des Anmelders war im Wesentlichen, dass eine Verbesserung der Wetterdaten durch deren Berechnung und Weiterverarbeitung ebenfalls technisch sei. Nach Ansicht der Kammer führte dies zu der zentralen Frage in diesem Fall, nämlich ob die Verbesserung der Genauigkeit bestimmter Daten einer Wettervorhersage technisch ist. Ist sie das nicht, ändern daran auch die Einzelheiten des Algorithmus – die "Mathematik", wie die Abteilung es ausdrückte – nichts. Die Kammer verneinte den technischen Charakter. Das "Wetter" ist kein technisches System, das die Fachperson verbessern oder auch nur zu Verbesserungszwecken simulieren kann. Es ist ein physisches System, das zur Veranschaulichung seiner Funktionsweise modelliert werden kann. Bei dieser Art der Modellierung handelt es sich eher um eine Entdeckung oder eine wissenschaftliche Theorie, die beide nach Art. 52 (2) a) EPÜ von der Patentierbarkeit ausgeschlossen sind und somit nicht zum technischen Charakter der Erfindung beitragen können (s. auch T 2331/10). In T 2079/10 stellte die Kammer fest, dass keine rein nicht-technische Auslegung des Anspruchsgegenstands möglich sei, und bejahte daher den technischen Charakter.
In T 1234/17 erachtete es die Kammer für grundsätzlich nicht ausreichend, dass ein Algorithmus eine technische Größe in Form eines gemessenen physikalischen Parameters (Wetterdaten) verwendet. Ausschlaggebend ist, ob der Algorithmus zusätzliche technische Überlegungen zu dem Parameter widerspiegelt, also z. B. zu seiner Messung. Anders als in T 2079/10, gab es solche Überlegungen im vorliegenden Fall nicht.