6. Mehrere Erfindungen – weitere Recherchengebühren
6.2. Euro-PCT-Anmeldungen
Ein Anmelder kann in der internationalen Phase zusätzliche Recherchengebühren entrichten, wenn er von der ISA nach Art. 17 (3) a) PCT dazu aufgefordert wird. Ist die Anmeldung in die europäische Phase eingetreten, so können Anmelder nach R. 164 EPÜ (am 1. November 2014 in Kraft getreten) gegen Zahlung einer (weiteren) Recherchengebühr eine Recherche zu jeder beanspruchten Erfindung durchführen lassen, die das EPA in der internationalen Phase nicht recherchiert hat. Die Anmelder können jede vom EPA in der internationalen Phase, im Verfahren für die ergänzende Recherche oder im Verfahren nach R. 164 EPÜ recherchierte Erfindung als Grundlage für die Weiterverfolgung der Euro-PCT-Anmeldung in der europäischen Phase auswählen (s. Mitteilung des EPA vom 10. Juni 2014, ABl. 2014, A70).
In T 44/19 stellte die Kammer fest, dass die Nabe der ersten Erfindung dieselbe Funktion hat und dieselbe technische Aufgabe löst wie die Nabe der zweiten Erfindung, die der Recherchenprüfer in seinem Einwand der mangelnden Einheitlichkeit identifiziert hatte. Folglich hatte der Recherchenprüfer bereits bei seiner Recherche zur ersten Erfindung und unter gebührender Berücksichtigung der Beschreibung und der Zeichnungen auch zu einer Nabe wie der der zweiten Erfindung recherchieren müssen. Unter den besonderen Umständen des Einzelfalls kam die Kammer daher zu dem Schluss, dass es irrelevant war, ob die Prüfungsabteilung die Ansprüche zu Recht für uneinheitlich befunden hatte. Nach R. 164 (2) EPÜ kann die Prüfungsabteilung nur dann die Entrichtung einer zusätzlichen Recherchengebühr verlangen, wenn ihrer Auffassung nach in den der Prüfung zugrunde zu legenden Anmeldungsunterlagen eine Erfindung (oder eine Gruppe von Erfindungen im Sinne des Art. 82 EPÜ) beansprucht wird, zu der das EPA in seiner Eigenschaft als ISA noch keine Recherche durchgeführt hat. Die Mitteilung nach R. 164 (2) a) EPÜ war somit nicht gerechtfertigt und die zusätzliche Recherchengebühr hätte von der Prüfungsabteilung nach R. 164 (5) EPÜ zurückerstattet werden müssen.
Die folgenden die frühere R. 164 EPÜ betreffenden Entscheidungen sind nach wie vor relevant.
In Bezug auf R. 164 EPÜ (alte Fassung) bestätigte die Juristische Beschwerdekammer in J 3/09, dass sich das Verfahren bei Eintritt einer Anmeldung in die europäische Phase für den Fall, dass das EPA als ISA tätig gewesen sei, zwar mit Inkrafttreten des EPÜ 2000 geändert habe, dass es aber letztendlich nach wie vor Aufgabe der Prüfungsabteilung sei, festzustellen, ob die Anmeldung die Anforderungen an die Einheitlichkeit der Erfindung erfülle. Die vom EPA als ISA vertretene Auffassung zur Uneinheitlichkeit sei weder endgültig noch für die Prüfungsabteilung bindend. Die Kammer merkte an, dass die diesbezügliche Praxis der Prüfungsabteilung sich nicht geändert habe, und stellte insbesondere fest, dass der Anmelder Anspruch darauf habe, dass der gesamte Gegenstand seiner einheitlichen Erfindung recherchiert werde, soweit sich ein von der ISA erhobener Einwand der Nichteinheitlichkeit als unbegründet erweise. Die Kammer in T 1285/11 schloss sich diesen Erwägungen an und fügte hinzu, dass die Tatsache, dass der Anmelder in der internationalen Phase keine zusätzlichen Recherchengebühren bzw. keine Widerspruchsgebühr gezahlt habe, nicht als stillschweigende Zustimmung zur Feststellung der Nichteinheitlichkeit durch die ISA gedeutet werden könne.
Für weitere Entscheidungen zur Auslegung und Anwendung von R. 164 EPÜ in der bis 31. Oktober 2014 geltenden Fassung siehe RBK,°9. Aufl. 2019, II.B.6.2.