6. Ausführbarkeit
6.9. Nachträglich veröffentlichter Standard
In T 1290/23 betraf das Patent einen "AP" und eine "STA", die miteinander kommunizieren, sowie entsprechende Verfahren. Die Kammer war nicht davon überzeugt, dass die in Anspruch 1 enthaltene Bezugnahme auf den "IEEE-Standard 802.11ax" von den übrigen Merkmalen abgekoppelt werden sollte, wie vom Beschwerdegegner (Patentinhaber) vorgeschlagen. Der Patentinhaber hatte behauptet, dass die Frage, ob der AP aus Anspruch 1 dem IEEE-Standard 802.11ax entspreche, nicht durch Anspruch 1 definiert sei und dass sich lediglich die Präambel von Anspruch 1 auf den IEEE-Standard 802.11ax beziehe. Die übrigen Merkmale des Anspruchs 1 enthielten keine entsprechende Bezugnahme. Nach Auffassung des Patentinhabers könne der AP im drahtlosen Netz mit anderen nach dem IEEE-Standard 802.11ax arbeitenden Vorrichtungen koexistieren, ohne selbst diesem Standard entsprechen zu müssen. Zudem ließen sich die Lücken in D5 leicht schließen. Die Einsprechenden machten geltend, dass es sich bei dem "AP" um ein wesentliches Element des "drahtlosen Netzes" handle. Mehrnutzerkommunikation ohne Übereinstimmung mit dem IEEE-Standard 802.11ax sei nicht zu ermöglichen. Auch reiche eine Übereinstimmung mit dem früheren IEEE-Standard 802.11ac nicht aus, um diese Anforderung zu erfüllen. Nach Ansicht der Kammer sollte ein AP "zum Ermöglichen von Mehrnutzerkommunikation in einem drahtlosen Netz, das gemäß dem IEEE-Standard 802.11ax arbeitet," zumindest gemäß den bekannten Prinzipien – wie weit auch immer diese gefasst sein mögen – arbeiten, die für den kommenden IEEE-Standard 802.11ax spätestens zum Anmeldetag des Patents definiert sind. Der Einsprechende bestritt nicht, dass D5 (eine Vorabversion des Entwurfs der IEEE-Norm 802.11ax) am Anmeldetag des Streitpatents online verfügbar war. D5 enthielt jedoch mehrere noch zu definierende Punkte ("To Be Defined"). Dementsprechend waren zahlreiche Merkmale der IEEE-Norm 802.11ax zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung noch gar nicht definiert. Alle nachfolgenden Entwürfe dieses Standards wurden nach dem Anmeldetag veröffentlicht. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass sich Merkmale von Version zu Version (eines Standards oder einer Norm) ändern können, dass es sich bei den Lücken in der Lehre von D5 jedoch nicht um kleine Details handelt, die sich durch eine willkürliche Auswahl oder einfache Analogien zu Vorgängerversionen schließen ließen. Vielmehr werde von der Fachperson erwartet, dass sie auf der Grundlage einer sehr frühen und unvollständigen Beschreibung selbst einen funktionsfähigen AP entwickelt. Die Kammer war der Ansicht, dass dieses Vorhaben nicht ohne unzumutbaren Aufwand gelingen kann. Die erstinstanzliche Entscheidung wurde aufgehoben und das Patent widerrufen.