8.2.2 Mehrheitliche Rechtsprechungslinie
In T 45/21 behauptete der Beschwerdeführer (Einsprechende), die Erfindung sei unzureichend offenbart, weil das Patent nicht die Temperatur zur Bestimmung des pH-Werts lehre. Die Kammer stellte fest, dass die Behauptung, die Fachperson sei außerstande festzustellen, ob sie sich innerhalb des Schutzbereichs befindet, als solche kein triftiger Grund ist, die ausreichende Offenbarung zu verneinen. Die bloße Tatsache, dass bei einem beanspruchten Parameter ein gewisser Variabilitätsgrad besteht, lasse für sich genommen nicht den Schluss der unzureichenden Offenbarung zu, wenn der Einfluss dieser Variabilität auf die Möglichkeit der Fachperson, die beanspruchte Erfindung auszuführen, nicht nachgewiesen wurde. Die Kammer stimmte dem Beschwerdeführer dahingehend zu, dass der Patentinhaber nicht von einem Klarheitsmangel im Patent profitieren darf. Dies bedeute jedoch nicht, dass ein solcher Klarheitsmangel für sich genommen zwangsläufig zur Zurückweisung des Anspruchsantrags oder zum Widerruf des Patents wegen unzureichender Offenbarung führen müsse. Sollte sich herausstellen, dass ein erteilter Anspruch nicht mit Art. 84 EPÜ vereinbar ist, so müsse dies hingenommen werden, wie in G 3/14 erläutert (s. Nr. 55 der Gründe). Sofern die behauptete pH-Abweichung um bis zu 0,2 Einheiten zu einem Klarheitsmangel führte, habe der Beschwerdeführer nicht dargelegt, wie sich dieser Klarheitsmangel auf die Beurteilung der ausreichenden Offenbarung ausgewirkt habe.