European Patent Office
2025

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    Artikel 38

    Referenz: ABl. EPA 2025, A38

    Online-Veröffentlichungsdatum: 30.5.2025

    BESCHWERDEKAMMERN

    Zwischenentscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.2.4 vom 11. November 2024 - T 1286/23

    (Übersetzung)

    Zusammensetzung der Kammer:
    Vorsitzender: C. Heath

    Mitglieder:
    C. Kujat
    J. Wright
    G. Martin Gonzalez
    T. Bokor

    Patentinhaber:
    FOREO AB

    Einsprechende:
    Beurer GmbH
    GESKE GmbH & Co. KG

    Stichwort:
    Hautreiniger

    Relevante Rechtsnormen:
    Art. 61 (1), 99, 99 (1), 97 (3), 100, 104 (1), 104 (3), 105, 105 (1), 105 (1) a), 105 (1) b), 105 (2), 107, 107 Satz 1, 107 Satz 2, 108, 112 (1), 112 (1) a), 112 (3) EPÜ
    R. 79 (4), 89 (1), 99 (2) EPÜ
    Art. 105 (2) EPÜ 1973
    R. 25, 57 (4) EPÜ 1973
    Art. 10 (1), 13 (2), 14, 21 VOBK 2020

    Orientierungssatz:
    Der Großen Beschwerdekammer werden gemäß Art. 112 (1) a) EPÜ und Art. 21 VOBK folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:

    Kann nach der Rücknahme aller Beschwerden das Verfahren mit einem während des Beschwerdeverfahrens beigetretenen Dritten fortgesetzt werden? Kann insbesondere der Dritte die Stellung eines Beschwerdeführers erlangen, die der Stellung eines Beschwerdeberechtigten im Sinne von Artikel 107 Satz 1 EPÜ entspricht?

    Sachverhalt und Anträge

    I. Das europäische Patent Nr. 2 941 163 betrifft eine Vorrichtung, die sich als oszillierendes Handgerät zur Hautreinigung beschreiben lässt. Das Patent wurde am 9. Dezember 2020 dem Vorgänger der Patentinhaberin, einer Privatperson, erteilt und später an die aktuelle Patentinhaberin Foreo AB (nachfolgend: "Foreo") übertragen.

    II. Ein Einspruch wurde eingelegt durch Beurer GmbH (nachfolgend: Beurer) aufgrund mangelnder Neuheit und mangelnder erfinderischer Tätigkeit (Art. 100 a) EPÜ) und unzulässiger Erweiterung des beanspruchten Gegenstands (Art. 100 c) EPÜ).

    III. Vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung erklärte die Beitretende Geske GmbH & Co. KG (nachfolgend: Geske) am 23. November 2022 gemäß Artikel 105 EPÜ aufgrund einer Abmahnung, die Geske am 23. August 2022 von Foreo erhalten hatte, einen (ersten) Beitritt. In der Abmahnung beschuldigte Foreo Geske der Patentverletzung und forderte Geske unter Androhung rechtlicher Schritte zur Unterlassung der Patentverletzung auf.

    Die Einspruchsabteilung befand, dass allein die Androhung rechtlicher Schritte ohne tatsächlich eingelegte Verletzungsklage die Erfordernisse für einen Beitritt nach Artikel 105 EPÜ nicht erfülle.

    IV. In der Erwiderung auf das besagte Schreiben von Foreo vom August 2022 forderte Geske Foreo auf die Androhung der Verletzungsklage nicht weiterverzuverfolgen. Da Foreo dem nicht nachkam, reichte Geske im Februar 2023 Klage vor dem Landgericht Düsseldorf ein und beantragte festzustellen, dass Geske das europäische Patent EP 2 941 163 nicht verletze. Der Antrag auf negative Feststellungsklage basierte auf § 256 Zivilprozessordnung (ZPO).

    V. Basierend auf dieser Klage versuchte Geske am 2. März 2023 zum zweiten Mal, dem anhängigen Einspruchsverfahren beizutreten (zweiter Beitritt). Auch diesen Beitritt hielt die Einspruchsabteilung für unzulässig, da Artikel 105 EPÜ eine anhängige Klage entweder wegen Patentverletzung oder wegen Feststellung der Nichtverletzung verlange. Die negative Feststellungsklage sei zwar eingelegt worden, werde aber nach deutschem Recht erst nach Erhalt durch die Beklagte "rechtshängig" (§ 253 ZPO), weshalb sie nicht als "erhoben" im Sinne von Artikel 105 (1) b) EPÜ gelte.

    VI. In der mündlichen Verhandlung am 10. März 2023 entschied die Einspruchsabteilung daher über den Einspruch nur auf der Grundlage des durch Beurer eingelegten Einspruchs und hielt das Patent in geänderter Fassung gemäß dem zweiten Hilfsantrag aufrecht. Gegen die schriftliche Entscheidung vom 9. Mai 2023 legte Beurer am 10. Juli 2023 (der 9. Juli war ein Sonntag) Beschwerde ein. Die Beschwerdebegründung folgte am 18. September 2023 (der 17. September fiel auf einen Sonntag).

    VII. Erst nachdem die Einspruchsabteilung ihre schriftliche Entscheidung versandt hatte, wurde die negative Feststellungsklage von Geske an Foreo, die Beklagte in diesem Fall, in Schweden versandt. Dies erfolgte laut den Aufzeichnungen des Gerichts am 15. Mai 2023. Die Klage wurde der Beklagten daraufhin zugestellt, wobei mangels unterzeichneten Rückscheins nicht klar ist, wann sie Foreo offiziell zuging. Foreo reagierte am 23. Juni 2023 und bestätigte den Empfang der Klage.

    VIII. Am 15. August 2023 erklärte Geske zum dritten Mal den Beitritt zu dem anhängigen Einspruchsverfahren (dritter Beitritt) und legte gleichzeitig Beschwerde gegen die Entscheidung vom 9. Mai 2023 ein mit dem Antrag, das Patent in vollem Umfang zu widerrufen. Außerdem wurden sowohl Einspruchs- als auch Beschwerdegebühr entrichtet. In der Beitrittserklärung heißt es hierzu:

    "… wird hiermit der

    BEITRITT

    der GESKE GmbH zu dem Einspruchsverfahren gegen das europäische Patent 2 941 163 von FOREO AB erklärt. Das Einspruchsverfahren befindet sich nunmehr bereits in der Beschwerde vor der Beschwerdekammer 3204 und trägt das Beschwerdeaktenzeichen T 1286/23 – 3.2.04, und es wird deshalb im Namen der GESKE GmbH zugleich auch

    Beschwerde

    gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 9. Mai 2023 erhoben.

    Demnach wird das Europäischen [sic] Patentamt beauftragt, von unserem Konto 28000148 sowohl die Beitritts- bzw. Einspruchsgebühr in Höhe von 880 EUR als auch die Beschwerdegebühr in Höhe von 2 925 EUR abzubuchen.

    Es wird beantragt,

    1. das europäische Patent 2 941 163, nachstehend als "Streitpatent" bezeichnet, in vollem Umfang zu widerrufen, indem der Beschwerde der Einsprechenden/Beschwerdeführerin Beurer GmbH sowie der diesseitigen Beschwerde vollumfänglich stattgegeben wird …"

    IX. Am 13. Februar 2024 versandte die Kammer die Ladung zur mündlichen Verhandlung am 27. Juni 2024, woraufhin die Beschwerdeführerin Beurer ihre Beschwerde am 11. April 2024 zurücknahm.

    X. Daraufhin versandte die Kammer am 30. April 2024 eine Mitteilung, wonach sie trotz der Rücknahme durch Beurer als Beschwerdeführerin geneigt sei, in der mündlichen Verhandlung zu diskutieren, ob damit das Beschwerdeverfahren zwangsläufig ende oder es mit Geske als Beitretender/Beschwerdeführerin fortgesetzt werden könne. In letzterem Fall sah die Kammer einen Widerspruch zur Entscheidung G 3/04 (ABl. EPA 2006, 118), was eine Vorlage vor der Großen Beschwerdekammer erfordere.

    XI. In der mündlichen Verhandlung am 27. Juni 2024 wurde ausschließlich diskutiert, ob der Beitritt und die Beschwerde von Geske zulässig seien, ob das Beschwerdeverfahren fortgesetzt werden solle und ob eine Befassung der Großen Beschwerdekammer diesbezüglich notwendig und/oder zulässig sei.

    XII. In der mündlichen Verhandlung beantragte die Patentinhaberin als Beschwerdegegnerin, die Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen, den Beitritt für unzulässig zu erachten und das Beschwerdeverfahren zu beenden. Die Große Beschwerdekammer sollte nicht befasst werden.

    Die Beitretende bestätigte ihren Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens, erklärte, dem Beschwerdeverfahren sowohl als Beitretende als auch als Beschwerdeführerin beigetreten zu sein, und beantragte den Widerruf des Patents. Sollte die Kammer ferner eine Abweichung von G 3/04 für angebracht halten, solle sie die Frage der Großen Beschwerdekammer vorlegen.

    XIII. Die Beschwerdegegnerin Foreo argumentierte, der Beitritt sei insbesondere unzulässig. Denn ein Beitritt stehe nur Dritten offen, die nicht bereits am Einspruchsverfahren beteiligt gewesen seien. Geske jedoch habe bereits zweimal erfolglos versucht, dem Einspruchsverfahren beizutreten. Gegen die Zurückweisung des Antrags könne Beschwerde eingelegt werden. Unabhängig davon, dass Geske gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den Beitritt abzulehnen, keine Beschwerde eingelegt hatte oder ob der Beitritt bzw. die Beschwerde von Geske vom 15. August als verspätet eingelegte Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung anzusehen sei, sei Geske in jedem Fall am Einspruchsverfahren beteiligt gewesen. Der Patentinhaber werde erheblich benachteiligt, wenn einem Beitretenden mehrere – im vorliegenden Fall drei – Chancen zum Beitritt eingeräumt würden. Zur Stützung ihrer Argumentation zitierte die Beschwerdegegnerin die Entscheidungen T 1178/04 vom 27. Februar 2007, T 435/17 vom 19. März 2019 und T 1038/00 vom 27. Februar 2007.

    Darüber hinaus müsse die Kammer, selbst wenn sie den Beitritt als zulässig erachte, der Entscheidung G 3/04 folgen, da in der Zwischenzeit keinerlei Umstände aufgetreten seien, die darauf hinwiesen, dass die Entscheidung nicht mehr gültig sei. Eine Befassung der Großen Beschwerdekammer sei zudem nicht angezeigt, da keines der entsprechenden Erfordernisse gemäß Artikel 112 (1) EPÜ erfüllt sei: Es lägen keine voneinander abweichenden Entscheidungen vor und die Frage sei nicht von grundsätzlicher Bedeutung.

    XIV. Am Ende der mündlichen Verhandlung erklärte der Vorsitzende, dass die Kammer gedenke, die Große Beschwerdekammer zu befassen. Durch die Vorlagefrage solle geklärt werden, ob ein Beschwerdeverfahren unter den vorliegenden Umständen entgegen der Entscheidung G 3/04 fortzuführen sei. Das Verfahren werde schriftlich fortgesetzt, und die Beteiligten würden auch im Verfahren vor der Großen Beschwerdekammer Gelegenheit erhalten, sich zu äußern. Mit Schreiben vom 12. Juli 2024 reichte Geske Anregungen zur Auslegung von Artikel 105 EPÜ und den Vorlagefragen ein.

    Entscheidungsgründe

    1. Zulässigkeit der Beschwerde und des Beitritts von Geske

    1.1 Die Kammer muss sich zunächst mit den Auswirkungen der von Geske mit Schreiben vom 15. August 2023 eingelegten Beschwerde auseinandersetzen ("Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 9. Mai 2023").

    1.1.1 Nach Lesart der Kammer richtet sich die Beschwerde gegen zwei verschiedene Punkte: erstens gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den (zweiten) Beitritt vom 2. März 2023 (s. Nr. V oben) als unzulässig zurückzuweisen, und zweitens gegen die Feststellungen der Einspruchsabteilung zu den materiellrechtlichen Einspruchsgründen.

    1.1.2 Zur Unzulässigkeit des zweiten Beitritts hat die Kammer bereits in ihrem vorläufigen Bescheid darauf hingewiesen, dass die Beschwerde nach Ablauf der Frist eingereicht wurde und daher unzulässig ist. Geske hat diese vorläufige Feststellung nicht bestritten, weshalb die Kammer die Beschwerde in dem Maße, in dem sie sich gegen die Feststellung der Einspruchsabteilung bezüglich der Zulässigkeit des zweiten Beitritts richtet, für unzulässig hält. In Anbetracht der verfahrenstechnischen Besonderheiten des vorliegenden Falls, insbesondere hinsichtlich des zweiten oben genannten Streitpunkts, kann die Kammer die Beschwerde – anders als in der in G 1/18, Leitsatz 1 b) beschriebenen Situation – nicht unmittelbar für nicht eingelegt erklären.

    1.1.3 Die Zulässigkeit der Beschwerde hinsichtlich der Sachfragen hängt von der Zulässigkeit des dritten Beitritts ab und davon, ob ein Beitretender, der im Beschwerdestadium dem Verfahren beitritt, überhaupt die Stellung eines Beschwerdeführers erlangen kann, wie nachfolgend weiter ausgeführt wird.

    1.2 Die Kammer erachtet den dritten Beitritt aus den nachfolgend ausgeführten Gründen für zulässig. Damit ist Geske dem Verfahren am 15. August 2023 wirksam beigetreten.

    1.2.1 Am 15. August 2023 war das Beschwerdeverfahren aufgrund der von Beurer am 10. Juli 2023 eingereichten zulässigen Beschwerde vor den Beschwerdekammern anhängig.

    1.2.2 Die Kammer betrachtet das Schreiben von Geske vom 15. August als Beitrittserklärung. Die Tatsache, dass das Schreiben auch eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung enthielt, Geske die Stellung der Beitretenden zu verwehren, ändert nichts an dieser Feststellung – die Wortwahl im Schreiben ("Beitritt") ist eindeutig. Anders ausgedrückt, hat Geske durch ihren zweiten nicht zugelassenen Beitritt und den darauffolgenden Versuch, gegen die Nichtzulassung des zweiten Beitritts Beschwerde einzulegen, nicht ihre Stellung als Dritte im Sinne von Artikel 105 (1) EPÜ verwirkt.

    1.2.3 Entgegen den Eingaben der Patentinhaberin kann die Kammer nicht erkennen, dass Geske drei Chancen zum Beitritt hatte. Vielmehr handelte es sich um einen dreimaligen Versuch, ein und dieselbe Chance zu ergreifen.

    1.2.4 Aufgrund der Wechselwirkung zwischen den Vorschriften des Europäischen Patentübereinkommens und denen zur Verletzungsklage nach nationalem Recht gestaltet sich die Berechnung der korrekten Dreimonatsfrist für den Beitritt oftmals schwierig. Der Rechtsprechung zufolge fordert Artikel 105 EPÜ diesbezüglich entweder eine rechtshängige Verletzungsklage oder negative Feststellungsklage. Der Begriff "rechtshängig" (bzw. dass im Wortlaut von Artikel 105 EPÜ "Klage erhoben" wurde) wird im Allgemeinen nach nationalem Recht ausgelegt, weshalb er keine einheitliche Bedeutung besitzt. Gemeint sein kann "wenn die Klage eingereicht wurde" oder "wenn sie dem Beklagten/Beschwerdegegner zugestellt wird" oder sogar etwas anderes. Einige Entscheidungen der Kammern legen den Begriff konventionsautonomer aus (T 452/05 vom 30. August 2006: Im Falle einer einstweiligen Verfügung ex parte besteht keine Rechtshängigkeit, bevor die gerichtliche Anordnung dem Beschwerdegegner zugestellt wurde, da der Beschwerdegegner/Beitretende bis zu diesem Zeitpunkt keine Kenntnis davon haben kann). Nach deutschem Zivilrecht gilt eine Zivilklage erst mit Zustellung an den Beklagten als rechtshängig (§ 253 ZPO), wohingegen im deutschen Verwaltungsrecht bereits die Erhebung einer Klage zu deren Rechtshängigkeit führt (§ 91 der Verwaltungsgerichtsordnung, VwGO). Hätte Geske die Klage vor einem Verwaltungsgericht erhoben und gleichzeitig die Verweisung an das zuständige Zivilgericht beantragt, hätte die Klage zum Zeitpunkt ihrer Erhebung als rechtshängig gegolten. Der Fall gibt Anlass, de lege ferenda die Aufnahme eigenständiger Vorschriften für die Anwendung von Artikel 105 im EPÜ anzuregen.

    1.2.5 Im vorliegenden Fall vor der Kammer versuchte Geske erstmals nach Empfang der Abmahnung durch Foreo, dem Verfahren beizutreten. Die Erfordernisse von Artikel 105 (1) a) EPÜ waren hiermit nicht erfüllt. Allerdings können die Androhung rechtlicher Schritte und eine Aufforderung zur Unterlassung eine Klage auf Feststellung der Nichtverletzung durch den vermeintlichen Verletzer rechtfertigen (Art. 105 (1) b) EPÜ). Dies war die Situation im vorliegenden Fall. Nach Erhebung einer solchen negativen Feststellungsklage im Februar 2023 versuchte Geske zum zweiten Mal, dem Verfahren beizutreten. All dies geschah noch vor der mündlichen Verhandlung vor der Einspruchsabteilung.

    1.2.6 Während der mündlichen Verhandlung am 10. März 2023 wies die Einspruchsabteilung auch den zweiten Beitritt zurück und befand, dass eine "rechtshängige" Klage nach deutschem Zivilrecht die Zustellung an die andere Verfahrenspartei erfordert und dass eine Klage gemäß Rechtsprechung erst dann – wie von Artikel 105 (1) b) EPÜ gefordert – als "erhoben" gilt (Nrn. 23.1 bis 23.5 der Begründung der angefochtenen Entscheidung).

    1.2.7 Ungeachtet der Unzulässigkeit der verspätet eingereichten Beschwerde von Geske im vorliegenden Fall (s. Nr. 1.1.2 oben) ist die Kammer der Auffassung, dass die Beurteilung der Einspruchsabteilung an sich korrekt ist, schließt jedoch nicht kategorisch aus, dass die Abteilung auch anders hätte entscheiden können. Wie die Beitretende argumentierte, hätte die Einspruchsabteilung die mündliche Verhandlung gegebenenfalls vertagen oder Geske vorläufig zulassen können, wie vorgeschlagen von Bostedt in Singer/Stauder, Europäisches Patentübereinkommen, 8. Aufl. 2019, Art. 105 Rdnr. 19 (s. Nr. 23.3 der Begründung der angefochtenen Entscheidung). Allerdings bedeuten diese weiteren und zumindest theoretisch nicht unplausibel erscheinenden Verfahrensmöglichkeiten nicht, dass die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den ersten oder den zweiten Beitritt nicht zu berücksichtigen bzw. zuzulassen, falsch war und von der Beschwerdekammer aufzuheben ist. Die Bestimmungen von Regel 79 (4) EPÜ deuten darauf hin, dass ein Beitritt gegebenenfalls nicht zu einer unnötigen Verzögerung des Einspruchsverfahrens führen sollte. In dieser Hinsicht besitzt die Einspruchsabteilung ein gewisses Ermessen, und es ist nicht ersichtlich, dass dieses Ermessen offensichtlich falsch ausgeübt wurde.

    1.2.8 Es dauerte dann überraschende drei Monate, bis das deutsche Gericht die Klage an Foreo in Schweden versandte. Das Landgericht konnte mangels Rückschein nicht mit Sicherheit feststellen, wann und ob die Klage der Beklagten zugestellt wurde. Erst die Reaktion von Foreo im Juni 2023 bestätigte den Erhalt. Wie auch der vorliegende Fall zeigt, ist ein potenzieller Beitretender neben behördlichen Verzögerungen mit rechtlichen und faktischen Unsicherheiten konfrontiert.

    1.2.9 Die Kammer sieht in "Dritten" gemäß Artikel 105 EPÜ einen Verfahrensbeteiligten, der Gelegenheit hatte, sein Vorbringen in der Sache vorzutragen. Dass Geske durch die Beitrittsversuche formell im Hinblick auf die Beteiligtenstellung zur Beteiligten am Einspruchsverfahren wurde, ist nicht mit der Stellung eines Beteiligten am Einspruchsverfahren mit allen Rechten eines Einsprechenden gleichzusetzen, wodurch der Beitretende kein "Dritter" mehr im Sinne von Artikel 105 (1) EPÜ wäre. Stattdessen wurde Geske eine wirksame Beteiligtenstellung als Einsprechende verweigert, weshalb auch ein Vortrag von Argumenten hinsichtlich der Einspruchsgründe gemäß Artikel 100 EPÜ nicht möglich war.

    1.3 An dieser Stelle scheint es sinnvoll, auf die Frage der Unzulässigkeit der Beschwerde von Geske gegen die Nichtzulassung des zweiten Beitritts zurückzukommen. Diese Entscheidung hat keine weiteren Auswirkungen auf die Zulässigkeit des Beitritts: Der Beitritt von Geske vom 15. August 2023 wäre nur dann als zweite Chance unzulässig gewesen, wenn der vorherige Beitrittsversuch im Einspruchsstadium es Geske erlaubt hätte, im Einspruchsverfahren in der Sache vorzutragen – was nicht der Fall war. Selbst wenn Geske fristgerecht Beschwerde eingereicht hätte, war keine Beschwerde gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, das Patent (teilweise) aufrechtzuerhalten, möglich gewesen, sondern nur gegen die Tatsache, dass Geske nicht als Beitretende und damit nicht wirksam als Verfahrensbeteiligte zugelassen worden war. Anders ausgedrückt, ist es für die Zulässigkeit des Beitritts von Geske unerheblich, ob Geske gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, den vorherigen (zweiten) Beitritt als unzulässig zurückzuweisen, eine zulässige (aber nicht erfolgreiche) Beschwerde, eine unzulässige Beschwerde oder überhaupt keine Beschwerde eingelegt hat. Wäre es Geske gelungen, im zweiten Versuch beizutreten, etwa mittels einer fristgerecht eingelegten Beschwerde, so wäre der dritte Beitrittsversuch sicher hinfällig gewesen, und Geske hätte alle Rechte einer Einsprechenden und Beschwerdeführerin erlangt.

    1.4 Zusammenfassend ist festzustellen, dass die Verweigerung einer Beteiligtenstellung den Beitretenden nicht zu einem wirksamen Beteiligten macht. Nach dem Argument der Beschwerdegegnerin hätte Geske ihre Beteiligtenstellung schon basierend auf der Zurückweisung des ersten Beitritts verfolgen und Beschwerde einlegen müssen und hätte, wenn im Beschwerdeverfahren das Recht auf Beitritt ebenfalls verneint worden wäre, schon allein deshalb nicht mehr beitreten können, weil die Dreimonatsfrist verstrichen gewesen wäre.

    1.5 Die von der Beschwerdegegnerin zitierte Rechtsprechung stützt deren Argumentation nicht: Entscheidung T 1178/04 vom 27. Februar 2007 betraf die Frage, ob die Einsprechendenstellung von Amts wegen geprüft werden kann und sollte (bejaht); Entscheidung T 435/17 vom 19. März 2019 betraf die Beziehung zwischen der Einsprechenden und zwei Beitretenden und die Frage, ob ihre geografische, wirtschaftliche und rechtliche Nähe zueinander es weiterhin erlaube, die Beitretenden als Dritte im Sinne von Artikel 105 EPÜ anzusehen (Stellung als Dritte bejaht). Diese Entscheidungen sind für die Fragestellung, mit der die Kammer befasst wurde, unerheblich.

    1.5.1 Die Entscheidung T 1038/00 vom 27. Februar 2007 betraf eine Situation, in der ein ordentlicher Einsprechender keine Beschwerde gegen eine Entscheidung der Einspruchsabteilung eingelegt hatte und später im Beschwerdestadium seinen Beitritt erklärte (Stellung als Dritter verneint und Beitritt zurückgewiesen). Unter diesen Umständen befand die Kammer, dass der Beitretende nicht als Dritter anzusehen war, da er sein Vorbringen im Einspruchsstadium hatte vortragen können und gegen die Entscheidung in der Sache hätte Beschwerde einlegen können, wovon er wissentlich abgesehen hatte. Die vorlegende Kammer merkt an, dass der Einsprechende/Beitretende in diesem Fall tatsächlich versuchte, zwei Chancen zu nutzen.

    1.5.2 Ein Fall, der sich mit dem vorliegenden unmittelbar vergleichen lässt, ist die Sache T 439/17 vom 7. Mai 2019 (von der Beitretenden zitiert), in der der Beitretende schon während des Einspruchsverfahrens unter Berufung auf ein Beweissicherungsverfahren seinen Beitritt erklärte. Der Beitritt wurde als unzulässig zurückgewiesen, da ein Beweissicherungsverfahren nicht den Zweck verfolge, eine Verletzung durch ein Gericht oder eine ähnliche Behörde festzustellen, weshalb ein solches Verfahren nicht als Verletzungsklage im Sinne von Artikel 105 (1) a) EPÜ anzusehen sei. Der Beitretende erklärte daraufhin erneut im Beschwerdestadium seinen Beitritt, nachdem der Kläger eine Verletzungsklage erhoben hatte. Der zweite Beitritt wurde trotz des vorherigen (fehlgeschlagenen) Beitrittsversuchs als zulässig angesehen.

    1.5.3 Entsprechend stehen diese Entscheidungen nicht in Widerspruch mit der oben ausgeführten Definition eines "Dritten", sodass die Kammer im Sinne von Artikel 105 EPÜ einen "Dritten" im Einspruchs- und Beschwerdeverfahren als Beteiligten definieren würde, der noch keine Gelegenheit hatte, Einspruchsgründe zu erheben, und darüber mit Recht erwarten kann, dass diese Einspruchsgründe in der Sache geprüft werden. Geske hatte diese Gelegenheit bis zum (dritten) Beitritt bzw. zur Beschwerde am 15. August 2023 nicht.

    1.6 Die weiteren Erfordernisse für den Beitritt von Geske wurden nicht infrage gestellt. Sie waren Gegenstand der in der Mitteilung vom 4. Februar 2024 enthaltenen vorläufigen Einschätzung der Kammer, siehe Ziffern 2 und 3.

    1.7 Die Kammer bestätigt daher ihre vorläufige Einschätzung, wonach der am 15. August 2023 erklärte (dritte) Beitritt zulässig ist.

    1.8 Zu klären bleibt die Frage, ob die Beschwerde von Geske in der Sache zulässig ist. Dies scheint davon abzuhängen, ob Geske die Beschwerdeführerstellung im Sinne von Artikel 107 Satz 1 EPÜ erlangen kann. Eine solche Feststellung stünde allerdings mit der Entscheidung G 03/04 in Widerspruch.

    2. Zulässigkeit der Vorlage

    2.1 Hierzu argumentierte die Beschwerdegegnerin, dass die Gründe für eine Vorlage nach Artikel 112 EPÜ nicht erfüllt seien: Weder ergäben sich aus der Rechtsprechung voneinander abweichende Entscheidungen noch sei die Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung.

    2.2 Die Kammer stimmt der Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) insofern zu, als sich – wenig überraschend – keine offensichtlichen Unstimmigkeiten aus der Rechtsprechung ergeben. Schließlich ist kaum von voneinander abweichenden Entscheidungen auszugehen, wenn die Große Beschwerdekammer einmal zu dem Thema entschieden hat: Roma locuta, causa finita. Artikel 21 VOBK regelt genau diesen Fall.

    2.3 Die Kammer pflichtet der Beschwerdegegnerin auch dahingehend bei, dass Artikel 21 VOBK keine automatische Rechtfertigung einer Vorlage darstellt oder darstellen kann. Denn auch wenn beabsichtigt wird, von einer früheren Entscheidung der Großen Beschwerdekammer abzuweichen, müssen die Erfordernisse von Artikel 112 EPÜ erfüllt werden, wonach entweder voneinander abweichende Entscheidungen oder eine grundsätzliche Rechtsfrage vorliegen muss. Für letzteren Fall ist eine Divergenz (uneinheitliche Rechtsprechung) allerdings überhaupt nicht erforderlich. Eine Rechtsfrage kann auch ohne widersprüchliche Rechtsprechung von grundsätzlicher Bedeutung sein (Entscheidung G 4/19, ABl. EPA 2022, A24, Nr. 12 der Entscheidungsgründe). In manchen Fällen mag eine Frage, die zuvor von grundsätzlicher Bedeutung schien, nicht mehr so wichtig sein, z. B. nach Änderungen in der Gesetzgebung oder wenn die Frage praktisch an Relevanz verloren hat.

    2.4 Die Kammer ist jedoch der Auffassung, dass die Rechtsstellung eines am Beschwerdeverfahren Beteiligten im Allgemeinen von grundsätzlicher Bedeutung ist; siehe hierzu auch G 3/04, Nummer 1 der Entscheidungsgründe: "Es handelt sich hier um Fragen betreffend die Definition der Rechte und Obliegenheiten eines am Beschwerdeverfahren Beteiligten, nämlich des Beitretenden gemäß Artikel 105 EPÜ, also um Verfahrensfragen von grundsätzlicher Bedeutung …". Im Fall G 3/04 erkannte die Große Beschwerdekammer auch an, dass diese Fragen nicht nur bedeutsam waren, sondern es auch eine einheitliche Anwendung der Rechtsvorschriften sicherzustellen galt, da die Vorlageentscheidungen gezeigt hatten, dass eindeutig voneinander abweichende Entscheidungen in der Rechtsprechung ergangen waren. Nichtsdestoweniger handelt es sich bei der Beteiligtenstellung – ob vor den erstinstanzlichen Abteilungen oder im Beschwerdeverfahren – um eine grundsätzliche Rechtsfrage, wie aus verschiedenen Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer hervorgeht, so z. B. bei der Stellung eines Einsprechenden im Falle der Übertragung des Einspruchs (G 2/04 vom 25. Mai 2005) oder bei der Möglichkeit eines Patentinhabers, gegen sein eigenes Patent als Einsprechender aufzutreten (bejaht in G 1/84, ABl. EPA 1985, 299, später verneint in G 3/93, ABl. EPA 1994, 891).

    2.5 Eine Antwort auf die Vorlagefragen ist auch für die Entscheidung der vorlegenden Kammer erforderlich. Müsste die Entscheidung G 3/04 revidiert werden und könnte die Beitretende das Verfahren eigenständig fortsetzen, müsste das Beschwerdeverfahren mit der Prüfung der Sachfragen, nämlich den von der Beitretenden erhobenen Einspruchsgründen, fortgesetzt werden. Sollten die Schlussfolgerungen von G 3/04 bestätigt werden, wäre die Kammer nicht mehr für die Entscheidung zuständig, und das Beschwerdeverfahren würde ohne eine Entscheidung über die Sachfragen enden, womit die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung rechtskräftig würde. Im vorliegenden Fall müsste sich die rechtskräftige Entscheidung der Kammer auf die Feststellung beschränken, dass der dritte Beitritt von Geske zwar zulässig, die Beschwerde in Bezug auf den zweiten Beitritt und die materiellrechtlichen Einspruchsgründe jedoch unzulässig ist.

    2.6 Aus diesen Gründen ist die Kammer der Auffassung, dass die Vorlage an die Große Beschwerdekammer die Bedingungen von Artikel 112 (1) a) EPÜ erfüllt.

    3. Vorlagefrage

    Die Frage, mit der die Große Beschwerdekammer zu befassen ist, beschäftigt sich demnach damit, wie die Rücknahme der Beschwerde durch die Beschwerdeführerin Beurer den Verlauf des Beschwerdeverfahrens beeinflusst.

    3.1 Um das Problem aus einem etwas anderen Blickwinkel zu beleuchten, sei auf die Entscheidung T 1026/98 vom 13. Juni 2003 verwiesen, in der die Vorlagefrage erstmals formuliert wurde, die später von der Entscheidung T 1007/01 (ABl. EPA 2005, 240) wieder aufgegriffen wurde, die wiederum zu G 3/04 führte (das von T 1026/98 angestoßene Vorlageverfahren G 4/03 endete ohne Entscheidung): "Die Frage, ob … die Befugnis, über die Beendigung des Beschwerdeverfahrens zu entscheiden, allein aus der Einleitung des Verfahrens folgt, läuft auf eine andere Frage hinaus: Will man den Verletzungsbeklagten darauf beschränken, sich an einem ohnehin anhängigen Verfahren über den Rechtsbestand des Patents zu beteiligen, oder sieht man die Tatsache, dass ein solches Verfahren anhängig geworden ist, als ausreichend an, um dieses Verfahren im Interesse des Verletzungsbeklagten zu dessen eigenem Verfahren zu machen?" (T 1026/98, Nr. 5.2.1 der Entscheidungsgründe).

    3.2 Die Große Beschwerdekammer im Fall G 3/04 beantwortete diese Frage wie folgt:

    "9. Die Entscheidung G 9/92 (ABl. EPA 1994, 875, Entscheidungsgründe, Punkt 6) bezieht sich auf die Entscheidung G 8/91. Sie führt aus, dass das Beschwerdeverfahren ende, wenn die einzige Beschwerde oder, bei mehreren Beschwerden, wenn alle Beschwerden zurückgezogen werden. Sie fügt hinzu, dass in diesem Fall "die Kompetenz zur … Entscheidung" wegfällt. Diese Feststellung geht weiter als die Entscheidungen G 2/91 und G 8/91. Sie nimmt weder ausdrücklich auf Artikel 107 EPÜ noch auf eine Beendigung des Verfahrens Bezug, die auf die Sachfragen beschränkt wäre, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung waren. Sie lässt sich auf alle nicht beschwerdeführenden Beteiligten anwenden, also auch auf den erst während des Beschwerdeverfahrens Beitretenden gemäß Artikel 105 EPÜ.

    10. Demzufolge gelangt die Große Beschwerdekammer zu dem Ergebnis, dass der wirksam Beitretende nur die Stellung eines Einsprechenden erlangt, gleichgültig, ob der Beitritt während des Verfahrens vor der Einspruchsabteilung oder während des Beschwerdeverfahrens erfolgt. Im einen wie im anderen Fall hat er die gleichen Rechte und Obliegenheiten wie die anderen Einsprechenden.

    Daraus ergibt sich, dass der im Verfahren vor der Einspruchsabteilung Beigetretene, wenn alle Einsprechenden ihren Einspruch zurückgenommen haben, das Verfahren allein fortsetzen und gegebenenfalls Beschwerde einlegen kann, denn er hat die gleiche Stellung wie ein Einsprechender nach Artikel 99 EPÜ. Aus dem gleichen Grund ist er, wenn eine Beschwerde durch jemand anderen als ihn eingelegt wird, im Beschwerdeverfahren ein Beteiligter kraft Gesetzes nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ. Erfolgt der Beitritt während des Beschwerdeverfahrens, hat der Beigetretene, wiederum weil er nur die Stellung eines Einsprechenden erlangen kann, mit Ausnahme des Rechts, neue Einspruchsgründe geltend zu machen, die gleichen Rechte und Obliegenheiten wie alle Einsprechenden, die keine Beschwerde eingelegt haben. Werden in diesem Fall die einzige oder alle Beschwerden zurückgenommen, dann endet das Beschwerdeverfahren bezüglich aller Sachfragen, einschließlich der vom Beitretenden vorgebrachten neuen Einspruchsgründe für alle Beteiligten.

    11. Der vermeintliche Patentverletzer, der gemäß Artikel 105 EPÜ einem Verfahren beitritt, wird als Einsprechender, somit als Beteiligter in diesem Verfahren behandelt (siehe oben, Punkt 5). Erfolgt der Beitritt im Verfahren vor der Einspruchsabteilung, ergibt sich sein Beschwerderecht aus Artikel 107 EPÜ. Will er wirksam Beschwerde einlegen, muss er gemäß Artikel 108 Satz 2 EPÜ die Beschwerdegebühr zahlen.

    Weder in diesen noch in anderen Bestimmungen des EPÜ und seiner Ausführungsordnung gibt es jedoch eine Grundlage, die es erlauben würde, die Bezahlung dieser Gebühr von einem am Beschwerdeverfahren Beteiligten, der nicht Beschwerdeführer ist, zu verlangen. Es gibt daher keine gesetzliche Grundlage für die Zahlung der Beschwerdegebühr durch den während des Beschwerdeverfahrens Beigetretenen. Vorsorglich, aber ohne Rechtsgrund gezahlte Gebühren werden zurückerstattet (siehe T 590/94 vom 3. Mai 1996, nicht im ABl. EPA veröffentlicht, Entscheidungsgründe, Punkt 2)."

    3.3 Zusammengefasst vertritt die zitierte Entscheidung folgende Position: Artikel 105 EPÜ erlaubt es einem Beitretenden einzig und allein, als Einsprechender einem Verfahren beizutreten (s. Nrn. 3.4.5 und 3.7.1 unten). Weder Artikel 105 EPÜ noch Artikel 107 EPÜ erwähnen eine Beteiligtenstellung – und damit auch keine andere Stellung – für Beitretende, die erst im Beschwerdestadium beitreten (s. Nr. 3.5 samt Unterabschnitten unten). Ein im Beschwerdestadium beitretender Dritter kann nicht als Beschwerdeführer behandelt werden, da dies nicht die Erfordernisse von Artikel 107 Satz 1 EPÜ erfüllt, weil er insbesondere nicht am bisherigen Verfahren beteiligt war (s. Nrn. 3.6 bis 3.8 samt Unterabschnitten unten). Auch die Vorschriften zur Entrichtung der Beschwerdegebühr schweigen sich zur Möglichkeit der Zahlung einer Beschwerdegebühr durch eine nicht beschwerdeführende Person (s. Nr. 3.8.2 unten) aus. Da ein Beschwerdeverfahren nach gefestigter Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer nicht fortgesetzt werden kann, wenn der (einzige) Beschwerdeführer seine Beschwerde zurückgenommen hat, kann der Beitretende als Einsprechender das Beschwerdeverfahren nicht von sich aus fortsetzen.

    3.4 Bevor im Detail auf die oben angeführten Bestandteile der Argumentation, die G 3/04 zugrunde liegt, sowie die Einzelheiten der einschlägigen Rechtsvorschriften des EPÜ eingegangen wird, hält die Kammer es für sinnvoll, das Konzept des Beitritts nach dem EPÜ unter allgemeinen Gesichtspunkten zu beleuchten.

    3.4.1 Beim Beitritt handelt es sich um eine außerordentliche Verfahrenshandlung, bei der an die Stelle der neunmonatigen Einspruchsfrist ein spezifisches Interesse des Beitretenden tritt: Denn die Einlegung eines Einspruchs erfordert keinerlei spezifisches und schon gar kein Rechtsschutzinteresse. Der Einspruch ist in erster Linie ein Instrument im öffentlichen Interesse und dient der Stärkung der Rechtssicherheit (T 1839/18 vom 15. März 2021, Nr. 2.11 der Entscheidungsgründe). Eine Beschränkung des Rechts auf Einlegung eines Einspruchs steht damit nicht zur Diskussion. Für Rechtssicherheit wird jedoch auch dadurch gesorgt, dass der Patentinhaber nach Ablauf der Einspruchsfrist weiß, ob und von wem Einspruch eingelegt wurde. Eine spätere Übertragung der Einsprechendenstellung ist nur unter sehr eingeschränkten Umständen möglich (G 2/04 vom 25. Mai 2005).

    3.4.2 Einsprüche erfordern naturgemäß keinen tatsächlichen oder potenziellen Konflikt zwischen Einsprechendem und Patentinhaber; sie können vorsorglich eingelegt werden. Bei einem Beitritt verhält es sich anders: Der Grund dafür liegt in einer tatsächlichen und offensichtlichen Gefährdung der Geschäftsinteressen des Beitretenden durch den Patentinhaber, der sein Schutzrecht gegen einen vermeintlichen Patentverletzer durchsetzt. Hier handelt es sich nicht mehr um eine vorsorgliche Handlung, sondern um die faktische Geltendmachung des Rechts auf ein Patent mithilfe einer Verletzungsklage. Hier geht es an die Substanz: Ein mit Unterlassungsansprüchen konfrontierter Verletzungsbeklagter steht mit dem Rücken zur Wand, und es geht gegebenenfalls um nicht weniger als um die Existenz seines Unternehmens. Eben dieses persönliche Interesse des vermeintlichen Patentverletzers hielten die Verfasser des EPÜ für ausreichend, um einen fristunabhängigen Beitritt zu einem laufenden Einspruchsverfahren (und im Übrigen auch Beschwerdeverfahren) vorzusehen, siehe "Travaux Préparatoires", BR 144 d/71, Nrn. 75 - 83.

    3.4.3 Der Gesetzgeber hat also das berechtigte Interesse am Beitritt zum Einspruchsverfahren gewürdigt, das sich aus dem zwischen den Parteien bestehenden Konflikt ergibt, der hier tatsächlich vorliegt und nicht mehr nur potenziell möglich ist. Die Rechtfertigung eines Beitritts findet sich damit außerhalb des vornehmlichen Anwendungsbereichs des EPÜ, d. h. den gewöhnlichen Erteilungs- und Einspruchsverfahren vor dem EPA. Vielmehr liegt er darin begründet, dass der Patentinhaber das ihm erteilte Schutzrecht gegen einen Dritten geltend macht. Das Recht des Dritten, des potenziellen Beitretenden, auf Überprüfung der Rechtsgültigkeit des Patents mit möglichem Widerruf in einem zentralen Verfahren stimmt mit dem öffentlichen Interesse überein, tatsächlich durchgesetzte Schutzrechte eingehend von der Behörde prüfen zu lassen, die hierzu wahrscheinlich am kompetentesten und am besten gerüstet ist, und dabei unnötige Doppelarbeit vor anderen Behörden zu vermeiden sowie eine einheitliche Entscheidung über die Rechtsgültigkeit des Patents zu gewährleisten (s. T 1026/98, Nr. 5.1 der Entscheidungsgründe).

    3.4.4 Die Beschwerdegegnerin im vorliegenden Fall argumentierte, dass das Beitrittsrecht als außerordentliche Verfahrenshandlung und zur Berücksichtigung des Rechtsschutzbedürfnisses des Patentinhabers eng auszulegen sei. Die Kammer ist nicht davon überzeugt, dass es sich hierbei um den richtigen Ansatz für die Auslegung des Anwendungsbereichs von Artikel 105 EPÜ hinsichtlich der Stellung des Patentinhabers handelt. Ein Beitritt, ob nun durch eine Verletzungsklage oder eine negative Feststellungsklage nach Abmahnung (Androhung rechtlicher Schritte) begründet, findet seine Rechtfertigung ausschließlich in Handlungen des Patentinhabers. Es ist einzig und allein die Entscheidung des Patentinhabers, ob und wann er sein Schutzrecht gegen Dritte geltend macht, und ein anhängiges Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren gegen das Streitpatent ist bei dieser Entscheidung sicherlich ein Erwägungsgrund. Gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (z. B. T 439/17) stellen Handlungen des Patentinhabers insbesondere zu Beweiszwecken, die nicht den Rang einer Verletzungsklage haben (z. B. die Besichtigung ("saisie-contrefaçon" nach französischem Recht)), keine Grundlage für einen Beitritt dar. Der Patentinhaber erhält hierdurch vielmehr eine fundierte Entscheidungsgrundlage. Doch hat er diese Entscheidung einmal getroffen und Verletzungsklage erhoben, muss er die Konsequenzen, zu denen gegebenenfalls auch ein Beitritt gehört, tragen. Wie auch in anderen Lebenslagen gilt es hier, für das eigene Handeln einzustehen.

    3.4.5 Artikel 105 EPÜ erwähnt wörtlich nur einen Beitritt während des Einspruchsverfahrens ("nach Ablauf der Einspruchsfrist … dem Einspruchsverfahren beitreten"). Damit wird vor allem eine Mindestvoraussetzung für einen Beitritt verankert: Letzterer ist nur möglich, solange das EPA über das Patent Recht sprechen kann. Wurde kein Einspruch eingelegt oder ist das Einspruchsverfahren bereits beendet, ist kein Beitritt mehr möglich (s. G 4/91, ABl. EPA 1993, 707, Leitsätze I bis IV). In dem Maße, in dem ein Beitritt ein anhängiges Verfahren vor dem EPA und damit die Zuständigkeit des EPA voraussetzt, ist die Phase des Einspruchsverfahrens unerheblich: Die Zuständigkeit ist sowohl für das Einspruchs- als auch für das Beschwerdeverfahren gegeben, ohne dass hierfür das Beschwerdeverfahren konkret genannt werden müsste. Daher ziehen die "Travaux Préparatoires" (BR 144 d/71, Nrn. 78 ff.) ebenso wie die diesbezüglich einheitliche Rechtsprechung der Beschwerdekammern (insbesondere G 1/94, ABl. EPA 1994, 787) auch die Möglichkeit eines Beitritts im Beschwerdeverfahren in Betracht. Die Frage ist daher nicht, ob ein Dritter im Beschwerdestadium überhaupt beitreten kann, sondern vielmehr in welcher Stellung und mit welchen Verfahrensmöglichkeiten.

    3.5 Anwendbarkeit von Artikel 107 EPÜ auf die Beteiligtenstellung eines Beitretenden

    3.5.1 In G 3/04 leitete die Große Beschwerdekammer ihre Schlussfolgerung zur Beteiligtenstellung eines Beitretenden teilweise von den Bestimmungen von Artikel 107 EPÜ her. Dieser lautet derzeit wie folgt:

    "Artikel 107 EPÜ – Beschwerdeberechtigte und Verfahrensbeteiligte

    Jeder Verfahrensbeteiligte, der durch eine Entscheidung beschwert ist, kann Beschwerde einlegen. Die übrigen Verfahrensbeteiligten sind am Beschwerdeverfahren beteiligt."

    Dieser Wortlaut hat sich gegenüber dem EPÜ 1973 nicht geändert. Auf den ersten Blick legt Artikel 107 EPÜ den Kreis und die Rollen der Personen fest, die potenziell an einem Beschwerdeverfahren beteiligt sein können. So erscheint der Verweis auf diese Vorschrift bei der Festlegung der Beteiligtenstellung eines Beitretenden prima facie als gerechtfertigt. Andererseits scheint sich der Verweis auf die "Verfahrensbeteiligten" auf jene Personen zu richten, die bereits an dem Verfahren beteiligt waren, das zu der beschwerdefähigen Entscheidung führte – sprich: das Einspruchsverfahren.

    3.5.2 So legte auch G 3/04Artikel 107 EPÜ aus: "Artikel 107 Satz 1 EPÜ erkennt das Beschwerderecht nur denjenigen zu, die an dem Verfahren beteiligt waren, das zur angefochtenen Entscheidung geführt hat. Dies ist bei einem vermeintlichen Patentverletzer, der seinen Beitritt während eines Beschwerdeverfahrens erklärt, nicht der Fall. Dies wurde von der Großen Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung G 4/91 bestätigt " (Nr. 6 der Entscheidungsgründe, erster und zweiter Satz, Hervorhebung durch die Kammer). Es sei jedoch darauf hingewiesen, dass G 4/91 nirgends Anwendungsbereich und Anwendbarkeit von Artikel 107 EPÜ analysiert, obwohl der Artikel in der Vorlagefrage konkret genannt wurde. Zitiert wurde lediglich die Vorlageentscheidung T 0202/89 (ABl. EPA 1992, 223), wonach Artikel 107 EPÜ das Beschwerderecht nur denjenigen zugesteht, die an dem früheren Verfahren beteiligt waren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat (und die darüber hinaus durch diese Entscheidung beschwert sind), siehe G 4/91, Nummer 5 der Entscheidungsgründe, zweiter Absatz.

    3.5.3 Dementsprechend scheint G 3/04 den Begriff "Verfahrensbeteiligte" in Artikel 107 Satz 1 EPÜ im Sinne von "beteiligt an dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat," auszulegen. Die Kammer im vorliegenden Fall sieht keinen Grund, dieser Auslegung zu widersprechen. Bei konsequenter Auslegung von Artikel 107 EPÜ gilt dieselbe Lesart auch für die (im Plural verwendete) Formulierung "die übrigen Verfahrensbeteiligten" in der gesamten Vorschrift, worunter die "übrigen Beteiligten des Verfahrens, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat," zu verstehen sind. Hierdurch wird klar, dass ein im Beschwerdestadium Beitretender die Bedingungen von Artikel 107 Satz 2 EPÜ nicht erfüllen kann. Hieraus folgt, dass Artikel 107 EPÜ gemäß einer rein wörtlichen und systematischen Auslegung, d. h. ohne Berücksichtigung der Intention des Gesetzgebers, wie sie aus den "Travaux Préparatoires" hervorgeht, Beitretenden schlichtweg keinen Spielraum lässt, überhaupt am Beschwerdeverfahren beteiligt zu werden, sei es als Beschwerdeführer, Beschwerdegegner oder sonstiger Beteiligter. Diese Schlussfolgerung allerdings widerspricht der gefestigten Rechtsprechung der Großen Beschwerdekammer und der unbestrittenen Intention des Gesetzgebers hinter Artikel 105 EPÜ, wie sie aus G 1/94, Nummer 8 der Entscheidungsgründe eindeutig hervorgeht. Das Ergebnis der Großen Beschwerdekammer, wonach "der wirksam Beitretende nur die Stellung eines Einsprechenden erlangt" (G 3/04, Nr. 10 der Entscheidungsgründe) steht eindeutig im Widerspruch zu den Bestimmungen von Artikel 107 Satz 2 EPÜ, zumindest solange die "Stellung eines Einsprechenden" als "Stellung eines Einsprechenden, der an dem Verfahren beteiligt war, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat (aber selbst kein Beschwerdeführer im Sinne von Artikel 107 Satz 1 EPÜ ist)," interpretiert wird. Nichtsdestoweniger scheint eindeutig, dass die Große Beschwerdekammer in G 3/04 die Stellung des "Einsprechenden" in diesem Sinne ausgelegt hat.

    3.5.4 Dieser offensichtliche Widerspruch zwischen den Bestimmungen von Artikel 105 EPÜ und Artikel 107 EPÜ scheint in keiner der beiden ursprünglichen Vorlageentscheidungen T 1026/98 und T 1007/01 näher erörtert worden zu sein.

    3.5.5 Hieraus folgt unmittelbar, dass Verfahrensvoraussetzungen, deren Ziel die Beschränkung der Beteiligtenstellung in Artikel 107 EPÜ ist, nicht für Beitretende gelten können, wenigstens wenn die bisher unbestrittene Intention des Gesetzgebers respektiert werden soll. Zumindest kann das Erfordernis, bereits am bisherigen Verfahren beteiligt gewesen zu sein, nicht für Beitretende gelten. Dies wiederum wirft die Frage auf, weshalb die andere Bedingung für die Erlangung der Beteiligtenstellung als Beschwerdeführer, nämlich die Beschwer, für Beitretende gelten sollte oder zumindest weshalb sie untrennbar an die Beteiligung im früheren Verfahren gekoppelt sein sollte.

    3.5.6 Die obigen Ausführungen verdeutlichen, dass sich die Bestimmungen von Artikel 107 EPÜ im Falle eines Beitritts nicht wortwörtlich anwenden lassen, d. h. wenn der Beitretende gemäß Artikel 105 EPÜ dem Einspruchsverfahren im Beschwerdestadium beitritt. Folglich ist die Vorschrift entweder überhaupt nicht anwendbar oder es müssen zumindest diejenigen Bedingungen von Artikel 107 EPÜ außer Acht gelassen werden, die der Beitretende offenkundig nicht erfüllen kann.

    3.6 Das Erfordernis (allein) der Beschwer ist kein Hindernis für den Beitretenden, eine Beschwerdeführerstellung zu erlangen.

    3.6.1 Selbst wenn Artikel 107 EPÜ vollkommen außer Acht gelassen würde, ließe sich die Beschwer als Voraussetzung für die Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen herleiten. Wird der Beitretende durch die angefochtene Entscheidung nicht beschwert, hat er auch kein rechtliches Interesse mehr an der Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens, da es für ihn nicht von rechtlichem Interesse ist, die Rechtskraft der angefochtenen Entscheidung – zumindest in den Sachfragen – zu verhindern.

    3.6.2 Es gilt demnach, die Frage zu beantworten, ob ein Beitretender von einer angefochtenen Entscheidung je nach Ergebnis als beschwert betrachtet werden kann und ob die betreffende Partei – hier der Beitretende – zur Geltendmachung dieser Beschwer zusätzlich an dem Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, beteiligt gewesen sein muss.

    3.6.3 Selbst wenn sich die Beschwer als Voraussetzung aus dem Wortlaut von Artikel 107 Satz 1 EPÜ ergibt, scheint dies nicht untrennbar mit der wirksamen Beteiligtenstellung im früheren Verfahren verknüpft zu sein. Satz 1 besagt lediglich, "[j]eder Verfahrensbeteiligte, der durch eine Entscheidung beschwert ist, kann Beschwerde einlegen". Auf den ersten Blick bedeutet dies, dass unter den Parteien, die am früheren Verfahren beteiligt waren, nur diejenigen nach Artikel 107 Satz 1 EPÜ Beschwerde einlegen können, die durch die angefochtene Entscheidung auch beschwert sind. Allerdings steht in dem Artikel keineswegs, dass eine Beschwer durch die angefochtene Entscheidung nur für Parteien gegeben sein kann, die bereits am früheren Verfahren beteiligt waren. Die Beschwer des Beschwerdeführers wird nicht durch die in Artikel 107 EPÜ verankerte potenzielle Beschwerdeführerstellung definiert, sondern Artikel 107 EPÜ setzt eine (vorab bestehende) Beschwer durch die beschwerdefähige Entscheidung voraus.

    3.6.4 Wird demnach einem Beitretenden die Beschwer durch eine angefochtene Entscheidung allein unter Berufung auf Artikel 107 EPÜ abgesprochen, so dreht sich die Argumentation im Kreis. An dieser Stelle sei verwiesen auf das Argument der Beschwerdegegnerin in G 3/04, Nummer XIII in Sachverhalt und Anträge: Ein Beitretender, der dem Verfahren erst im Beschwerdestadium beitritt, war nicht an dem zu der angefochtenen Entscheidung führenden Verfahren beteiligt, und kann folglich nicht durch diese Entscheidung beschwert sein (Hervorhebung durch die Kammer). Die Beschwerdegegnerin scheint zu argumentieren, dass das Konzept der Beschwer (durch eine potenziell beschwerdefähige Entscheidung) – unabhängig vom Wortlaut von Artikel 107 Satz 1 EPÜ – von vornherein auf eine Partei beschränkt sei, die bereits am Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, beteiligt war.

    3.6.5 Zwar scheint G 3/04 letzterem Argument – dass nämlich die Beschwer untrennbar mit der Beteiligtenstellung bereits im früheren Verfahren verbunden ist – nicht explizit zuzustimmen, doch allein die Erwähnung bei Sachverhalt und Anträgen kann durchaus darauf hindeuten, dass die Große Beschwerdekammer es für überzeugend hielt. Es stellt sich daher die Frage, ob sich dieser Grundsatz aus anderer Quelle, z. B. den allgemeinen Rechtsgrundsätzen und/oder rechtlichen Verfahren, ableiten lässt.

    3.6.6 Die Kammer ist sich bewusst, dass eine Beschwer durch eine Entscheidung für eine Partei, die nicht am zu dieser Entscheidung führenden Verfahren beteiligt war, zunächst wenig plausibel erscheinen mag. Dabei hängt die Beschwer jedoch hauptsächlich von der Rechtswirkung der fraglichen Entscheidung ab. Im Zivilrecht betrifft ein Urteil üblicherweise die Rechte zwischen einzelnen Parteien; in seiner Rechtswirkung kann es nur für die am Verfahren beteiligten Parteien Rechte und Obliegenheiten schaffen, ändern oder aufheben. Die Rechtswirkung ist daher auf konkrete Personen beschränkt.

    3.6.7 Im Einspruchsverfahren verhält es sich anders. Dem Einspruchsverfahren liegt ein Patent zugrunde, und für die Einsprechenden geht es nicht um persönliche oder individuelle Rechte; das Ergebnis ihres Einspruchs – ob Einschränkung oder Widerruf des Patents – betrifft nicht nur sie, sondern die gesamte Öffentlichkeit. Dies gilt auch, wenn sie mit dem Einspruch nichts erreichen, weil der Einspruch bzw. die Einsprüche zurückgewiesen werden und das Patent in erteilter Fassung aufrechterhalten wird, auch wenn die übliche Entscheidungsformel in einem solchen Fall ausschließlich an die Einsprechenden und nicht auf das Patent gerichtet scheint. So oder so zeigt sich die Rechtswirkung der Entscheidung in den Rechten, die das Patent verleiht. Bei diesen handelt es sich um Schutzrechte und damit um absolute Rechte, die gegenüber jedermann (erga omnes) geltend gemacht werden können. Die Entscheidung wirkt sich nicht nur für den Einsprechenden, sondern für alle Mitglieder der Öffentlichkeit – so auch den Beitretenden – in genau derselben Weise aus, indem nämlich die sich aus dem Patent ergebenden Rechte ihre Handlungsfreiheit auf einem bestimmten Gebiet einschränken.

    3.6.8 Dies zeigt sich weiter, wenn man die materiellrechtliche Entscheidung über ein Patent mit anderen Rechtswirkungen vergleicht, die ebenfalls Gegenstand eines Einspruchsverfahrens vor der Einspruchsabteilung oder Beschwerdekammer sein können, aber tatsächlich nur die Verfahrensbeteiligten betreffen. Eine Entscheidung über die Kostenverteilung gemäß Artikel 104 (1) EPÜ etwa bindet nur die Verfahrensbeteiligten. Dabei sind derartige Rechtswirkungen ebenso durchsetzbar wie Schutzrechte, siehe Artikel 104 (3) EPÜ. Eine Beschwerde gegen eine solche Entscheidung über die Kostenverteilung durch eine Partei, die an der Entscheidung nicht beteiligt war – und damit allein aus diesem Grund von Artikel 104 (1) EPÜ nicht betroffen sein kann –, wäre offenkundig unzulässig, da es an der Beschwer und damit auch am berechtigten Interesse fehlt, die Entscheidung aufzuheben.

    3.6.9 Das Vorliegen einer Beschwer kann auch nicht an die in der beschwerdefähigen Entscheidung behandelten Sachfragen geknüpft sein. Die Erfordernisse von Regel 99 (2) EPÜ, wonach der Beschwerdeführer darlegen muss, aus welchen Gründen die angefochtene Entscheidung aufzuheben ist, mögen darauf hindeuten, dass sich die Beschwer durch die Entscheidung aus den Entscheidungsgründen ableitet, was vom Beschwerdeführer aufzuzeigen und dann entsprechend zu korrigieren ist. Das wahre Problem des Einsprechenden liegt jedoch nicht in der Zurückweisung des Einspruchs durch die Einspruchsabteilung, sondern im Fortbestand des Patents.

    3.6.10 Dem tragen im Allgemeinen die Verfahrensregeln Rechnung, indem sie die Rollen der Parteien, die am Beschwerdeverfahren beteiligt sein können, entsprechend dem Ergebnis des Einspruchsverfahrens und den Verfahrenshandlungen in Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung festlegen: Beteiligte, deren Anträgen im Einspruchsverfahren vollständig stattgegeben wurde, können nur Beschwerdegegner sein; Beschwerdeführer kann nur sein, wessen (inhaltliche) Anträge abgelehnt wurden; wurde einem Einspruch teilweise stattgegeben, kann der jeweilige Beteiligte entweder Beschwerdeführer oder Beschwerdegegner oder beides sein – je nachdem, welcher Beteiligte Beschwerde einlegt. Die anderen Beteiligten (z. B. nicht beschwerdeführende Einsprechende, wenn andere Einsprechende Beschwerde eingelegt haben) sind von Gesetzes wegen am Beschwerdeverfahren beteiligt.

    3.6.11 Wie oben dargelegt, war ein im Beschwerdeverfahren Beitretender noch nicht am Einspruchsverfahren beteiligt, weshalb Artikel 107 EPÜ ihm im Beschwerdeverfahren keine verfahrensrechtliche Rolle zuspricht. Anders ausgedrückt, wird die verfahrensrechtliche Rolle eines Dritten, der erst im Beschwerdestadium beitritt, nicht von Artikel 107 EPÜ allein definiert (werden können), was bedeutet, dass die üblichen Leitprinzipien des Beschwerdeverfahrens nicht unbedingt anwendbar sind. Daher gibt es keinen augenscheinlichen Grund, weshalb bestimmte verfahrensrechtliche Beschränkungen für das Beschwerdeverfahren, insbesondere für dessen Gegenstand (Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung) gelten sollten, wenn die auf der Beteiligtenstellung im früheren Verfahren basierenden Beschränkungen von Artikel 107 EPÜ ebenfalls offensichtlich nicht greifen.

    3.6.12 Dies stimmt mit der Entscheidung G 1/94 (Nr. 13 der Entscheidungsgründe) überein, in der die Auffassung vertreten wird, dass ein Beitretender selbst im Beschwerdestadium uneingeschränkt neue Einspruchsgründe geltend machen und neue Dokumente einführen kann. In dieser Entscheidung weist die Große Beschwerdekammer sogar darauf hin, dass es in einem solchen Fall angemessen sei, die Sache an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.

    3.6.13 Dies scheint darauf hinzudeuten, dass das Beschwerdeverfahren für einen in diesem Stadium Beitretenden nicht auf eine Überprüfung der erstinstanzlichen Entscheidung beschränkt ist; die materiellrechtlichen Interessen eines Beitretenden haben damit Vorrang vor dem üblichen Verfahrensrahmen in der Beschwerde, der dem unterliegenden Beteiligten die Möglichkeit gibt, die Entscheidung der Einspruchsabteilung in der Sache anzufechten. Gemäß G 10/91 sind jedoch neues Vorbringen und sogar – mit Zustimmung des Patentinhabers – neue Einspruchsgründe im Beschwerdeverfahren auch ohne Beitritt möglich. Dass ein Beitretender neue Einspruchsgründe anführen könnte (oder sogar sollte), der Fall an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen werden könnte (oder sollte) und ein Beitritt im Beschwerdeverfahren zu Verzögerungen führen kann, hat der Gesetzgeber bereits berücksichtigt, wie aus den "Travaux Préparatoires" hervorgeht (BR 144 d/71, Nrn. 78 und 81, BR 209 d/72, Nr. 58).

    3.7 So weit zumindest sieht die vorlegende Kammer keinen Widerspruch zu G 3/04. Die vorlegende Kammer teilt jedoch nicht die Ansicht, dass Artikel 105 EPÜ in Kombination mit Artikel 107 EPÜ dahingehend zu lesen ist, dass auch ein Dritter, der erst im Beschwerdeverfahren beitritt, keine Stellung über die des nicht beschwerdeführenden Einsprechenden hinaus erlangen kann.

    3.7.1 Gemäß Artikel 105 (2) EPÜ wird ein zulässiger Beitritt als Einspruch behandelt. Dies unterscheidet sich von der Feststellung, dass ein Beitretender wie ein Einsprechender zu behandeln ist, der bereits Verfahrensbeteiligter, aber nicht Beschwerdeführer ist, wie sie offenbar die Große Beschwerdekammer in G 3/04 vertritt (s. Nrn. 5 und 6 der Entscheidungsgründe). Nach Ansicht der Kammer stützt nichts in Artikel 105 EPÜ selbst oder in seiner Entstehungsgeschichte eine wie auch immer geartete Beschränkung der Einsprechendenstellung eines Beitretenden. Wie oben ausgeführt, kann auch Artikel 107 EPÜ eine solche Beschränkung der Beteiligtenstellung des Beitretenden im Beschwerdestadium des Einspruchsverfahrens nicht begründen, zumindest nicht ohne unmittelbar entweder dem Wortlaut von Artikel 107 EPÜ selbst oder – unter Berücksichtigung des Wortlauts von Artikel 107 EPÜ – der eindeutigen Intention des Gesetzgebers zu widersprechen.

    3.7.2 Der Kammer ist bewusst, dass der Gesetzgeber durchaus Unterschiede zwischen dem regulären Einspruchsverfahren und einem Einspruch aus einem Beitritt vorhersah. So enthielt Artikel 105 (2) EPÜ 1973 einen Verweis auf Ausnahmen gemäß Ausführungsordnung. Nach dem EPÜ 1973 fand diese Ausnahme Ausdruck in Regel 57 (4) EPÜ 1973, mittlerweile Regel 79 (4) EPÜ. Die Verweise auf Ausnahmen wurden in der EPÜ-Revision 2000 gestrichen, während andere Bestimmungen von Artikel 105 (2) EPÜ 1973 in die Ausführungsordnung überführt wurden. Ansonsten gibt es keinen Hinweis darauf, dass es materiellrechtlicher Änderungen am Rechtsrahmen um Artikel 105 EPÜ bedurfte, siehe Erläuterungen zum neuen Artikel 105 EPÜ im Basisvorschlag für die Revision des Europäischen Patentübereinkommens. Vor diesem Hintergrund lässt sich argumentieren, dass der Gedanke des stärker eingeschränkten Einspruchsverfahrens im Falle eines Beitritts auch im EPÜ 2000 zum Ausdruck kommt, selbst wenn er in Artikel 105 EPÜ nicht mehr enthalten ist. Bei genauerer Prüfung der in Regel 57 (4) EPÜ 1973 (bzw. in der im Wesentlichen äquivalenten Regel 79 (4) EPÜ 2000) verankerten Ausnahme zeigt sich, dass die vorgesehenen Ausnahmen dem Schutz des Patents, des Patentinhabers und der ursprünglichen Einsprechenden vor einer Verschleppung des Verfahrens dienen sollten; allerdings wurden statt der Rechte des Beitretenden eher die des Patentinhabers und des bzw. der anderen Einsprechenden beschnitten. Die sich aus Regel 57 (4) EPÜ 1973 und Regel 79 (4) EPÜ ergebende Ausnahme besteht darin, dass die Beteiligten des ursprünglichen Einspruchsverfahrens – analog zur Regel 79 (1) bis (3) EPÜ – möglicherweise keine (zusätzliche) Gelegenheit zur Reaktion speziell auf den Beitritt erhalten.

    3.7.3 Der Kammer ist keine andere Bestimmung im EPÜ bekannt, die die Verfahrensmöglichkeiten des Beitretenden hinsichtlich der inhaltlichen Prüfung seiner Einspruchsgründe ähnlich konkret einschränkt. Auch deutet nichts darauf hin, dass Verfahrensvorschriften das Vorbringen des Beitretenden nicht nur verfahrensrechtlich beschränken, sondern tatsächlich auch die inhaltliche Prüfung der Einspruchsgründe des Beitretenden insofern verhindern könnten, als sein Einspruch ohne Entscheidung zu den Sachfragen enden muss, was letztlich einer Zurückweisung des Einspruchs gleichkommt.

    3.7.4 Anders ausgedrückt, hegt die vorlegende Kammer ernsthafte Zweifel daran, dass ein Beitretender unabhängig vom Verfahrensstadium niemals eine Stellung über die eines nicht beschwerdeführenden Einsprechenden hinaus soll erlangen können. Denn angesichts der Verfahrensdynamik von Einspruchs- und Beschwerdeverfahren erscheint es nicht angemessen, einen Beitretenden auch dann in der Stellung des Beschwerdegegners oder einsprechenden Verfahrensbeteiligten stecken zu lassen, wenn das Einspruchsverfahren bereits in das Beschwerdestadium vorgerückt ist.

    3.7.5 Aus verfahrensrechtlicher Sicht wäre es logischer, wenn ein im Beschwerdestadium Beitretender mit den anderen Verfahrensbeteiligten durch Zahlung der Einspruchsgebühr "gleichziehen" könnte und daraufhin entschieden würde, welche verfahrensrechtliche Stellung ihm je nach Ergebnis des Einspruchsverfahrens und nicht unabhängig davon zusteht.

    3.7.6 Die Entscheidungsgründe von G 3/04 hinsichtlich der Beitretendenstellung scheinen auf folgender Logik zu beruhen: Der Beitretende erfüllt nicht die Erfordernisse von Artikel 107 Satz 1 EPÜ (s. G 3/04, Nr. 6 der Entscheidungsgründe), weshalb sich aus dieser Bestimmung kein Beschwerderecht ableiten lässt. Artikel 105 EPÜ hingegen verleiht ihm Einsprechendenstellung. Andererseits wurde in G 2/91 entschieden, dass andere Verfahrensbeteiligte im Sinne von Artikel 107 Satz 2 EPÜ das Verfahren nicht fortsetzen können (s. G 3/04, Nr. 7 der Entscheidungsgründe). Die Entscheidung G 8/91 erörtert, wie Verfahren bei Rücknahme einer Beschwerde enden, lässt jedoch offen, was mit neuen Einspruchsgründen geschieht, die von einem im Beschwerdestadium Beitretenden vorgebracht werden (s. G 3/04, Nr. 8 der Entscheidungsgründe). Ähnliche Überlegungen ergeben sich aus der Entscheidung G 9/92, die augenscheinlich auch für alle nicht beschwerdeführenden Beteiligten gilt, selbst wenn auch diese Entscheidung sich zugegebenermaßen nicht spezifisch mit dem Fall des Beitritts befasst (s. G 3/04, Nr. 9 der Entscheidungsgründe). Aus diesen Überlegungen folgt, dass der dem Einspruchsverfahren im Beschwerdestadium Beitretende nur die Stellung eines nicht beschwerdeführenden Einsprechenden erlangen kann, also eines Verfahrensbeteiligten im Sinne von Artikel 107 Satz 2 EPÜ (s. G 3/04, Nr. 10 der Entscheidungsgründe).

    3.7.7 Darüber hinaus scheint diese Beteiligtenstellung in zwei Stufen erlangt zu werden. Zunächst wird der Beitretende nach Artikel 105 EPÜ zum Verfahren zugelassen (da das Einspruchsverfahren in der Sache aufgrund der Beschwerde eines bereits früher Beteiligten anhängig bleibt). Hier scheint die Große Beschwerdekammer vorbehaltlos anzuerkennen, dass Artikel 105 EPÜ auch das Beschwerdestadium umfasst, siehe G 3/04, Nummer 5 sowie auch Nummer 6 der Entscheidungsgründe: "Wie oben in Punkt 5 dargelegt, erwirbt er im Beschwerdeverfahren, das von Artikel 105 EPÜ mit umfasst wird, aufgrund dieser Bestimmung nur die Stellung als Einsprechender" (Hervorhebung durch die Kammer). Sobald der Beitretende am Verfahren beteiligt ist, kommt ihm daraufhin unweigerlich die Stellung des nicht beschwerdeführenden Einsprechenden zu – dank der Beschwerde eines anderen Beteiligten (s. G 3/04, Nr. 10 der Entscheidungsgründe: "Aus dem gleichen Grund ist er, wenn eine Beschwerde durch jemand anderen als ihn eingelegt wird, im Beschwerdeverfahren ein Beteiligter kraft Gesetzes nach Artikel 107 Satz 2 EPÜ" (Hervorhebung durch die Kammer). Weshalb es aber nun unproblematisch ist, dass der Beitretende ursprünglich die Bestimmungen von Artikel 107 Satz 2 EPÜ gar nicht erfüllt hat, wird nicht erklärt. Wenn auch nicht explizit so dargelegt, wurde diese Hürde offenbar durch die Anwendung von Artikel 105 EPÜ überwunden, der dem Beitretenden eine Beteiligtenstellung im Beschwerdeverfahren zugesteht. An die Stelle der im früheren Verfahren fehlenden Beteiligtenstellung tritt nun der Anspruch auf Beitritt, der sich aus Artikel 105 EPÜ ergibt.

    3.8 Diese Logik scheint aus verschiedenen Gründen nicht überzeugend:

    3.8.1 Artikel 105 EPÜ erwähnt keinerlei Beteiligtenstellung. Er besagt lediglich, dass der Beitritt wie ein Einspruch zu behandeln ist. Dies bedeutet vor allem, dass der Beitretende das Patent mit den Einspruchsgründen gemäß Artikel 100 a) bis c) EPÜ angreifen kann, was ja der eigentliche Sinn und Zweck eines Einspruchs ist. Hieraus kann selbstverständlich folgen, dass der Beitretende im Verfahren die Stellung eines Einsprechenden einnimmt, doch nichts in Artikel 105 EPÜ scheint dem Beitretenden die Erlangung einer anderen Beteiligtenstellung, die im Regelfall jedem von Beginn an am Verfahren beteiligten Einsprechenden offensteht, zu verwehren. Andererseits lässt Artikel 107 EPÜ selbst, wie oben ausgeführt, keinerlei Spielraum für überhaupt eine Beteiligtenstellung des Beitretenden im Beschwerdeverfahren. Damit ist Artikel 107 EPÜ eindeutig nicht unmittelbar anwendbar.

    3.8.2 Fest steht auch, dass der Gesetzgeber keinerlei Hinweise liefert, wie der offensichtliche Widerspruch zwischen Artikel 105 und Artikel 107 EPÜ zu lösen ist. Offenbar hat der Gesetzgeber bei der Entscheidung, Beitritte im Beschwerdestadium möglich zu machen, verschiedene verfahrenstechnische Fragen offengelassen, die sich insbesondere aus dem spezifischen Wesen des Beschwerdeverfahrens ergeben, wie der oben erläuterte Widerspruch zwischen Artikel 105 und 107 EPÜ zeigt. Demnach scheint eine Argumentation, die Rückschlüsse aus dem Fehlen von Vorschriften zum besonderen Fall des Beitritts im Beschwerdestadium zieht (wie etwa die Entscheidungsbegründung, wonach es an Vorschriften zur Entrichtung der Beschwerdegebühr durch nicht beschwerdeführende Beteiligte mangele, s. G 3/04, Nr. 11 der Entscheidungsgründe, oder die Versagung der Beschwerdeführerstellung für den Beitretenden, weil die Frist zur Einlegung der Beschwerde verstrichen sei), nicht überzeugend. Der Verweis auf die fehlende Rechtsgrundlage für die Zahlung der Beschwerdegebühr durch einen nicht beschwerdeführenden Beteiligten erübrigt sich in dem Moment, in dem der Beitretende die Möglichkeit erhält, dem Verfahren als Beschwerdeführer beizutreten, woraus folgerichtig die Möglichkeit, ja die Pflicht zur Entrichtung der Beschwerdegebühr erwächst.

    3.8.3 In G 3/04 scheint weiterhin argumentiert zu werden, dass bei einem Beitritt zu einem Einspruchsverfahren, das sich aufgrund der Beschwerde eines Beschwerdeführers bereits im Beschwerdestadium befindet, die Beteiligtenstellungen bereits vordefiniert sind, sodass dem Beitretenden nur mehr die Beteiligtenstellung als nicht beschwerdeführender Einsprechender bleibt. Die Logik dahinter, insbesondere weshalb dem Beitretenden die Stellung des Beschwerdeführers auf dieser Grundlage verwehrt werden sollte, geht aus G 3/04 nicht eindeutig hervor (zu einer möglichen Erklärung siehe auch Nr. 3.6.5 oben).

    3.8.4 Das Problem bei dieser Herangehensweise lässt sich am besten an einem relativ gängigen Fall verdeutlichen, bei dem mehrere ursprüngliche Einsprechende Beschwerde einlegen können, aber sich nur einige dafür entscheiden. Dann gibt es mehrere beschwerdeführende und mehrere nicht beschwerdeführende Einsprechende, wobei Letztere entweder Beschwerdegegner oder Verfahrensbeteiligte kraft Gesetzes sind, je nachdem, ob der Patentinhaber als (weiterer) Beschwerdeführer auftritt und in welchem Maße ihren Anträgen im Einspruch durch die angefochtene Entscheidung stattgegeben wurde. So haben womöglich einige Einsprechende nur gegen einen Teil des Patents Einspruch eingelegt, während andere den Widerruf in vollem Umfang beantragt haben. Wenn der Beitretende hinzutritt, gibt es Einsprechende in allen verschiedenen Parteipositionen, und keiner der Beschwerdeführer, weder die Einsprechende noch der Patentinhaber, kann geltend machen, dass der Beitretende „seinem" Beschwerdeverfahren beigetreten sei. Auch hat keiner der Beschwerdeführer ausschließliche Kontrolle über das Beschwerdeverfahren, wie unten näher ausgeführt wird (s. Abschnitte zum Verfügungsgrundsatz). Es ist nicht ersichtlich, weshalb es dem Beitretenden nicht gestattet werden sollte, in einer solchen Konstellation auch als Beschwerdeführer aufzutreten, und weshalb er keine Stellung erlangen könnte, die der eines anderen Einsprechenden, der am Einspruchs- und Beschwerdeverfahren beteiligt war, entspricht. Wie oben im Einzelnen ausgeführt, kann Artikel 107 EPÜ nicht als Basis für diesen Ausschluss herangezogen werden. Darüber hinaus würde es willkürlich anmuten, wenn die Beteiligtenstellung des Beitretenden von der faktischen Beteiligtenstellung anderer bereits am Verfahren beteiligter Einsprechender abhinge, wenn also beispielsweise ein Beitretender nur beschwerdeführender Einsprechender werden könnte, wenn bereits ein anderer Einsprechender Beschwerde eingelegt hat. Dies würde bedeuten, dass die Stellung des Beitretenden als potenzieller Beschwerdeführer nicht nur von der Beziehung zwischen seinen Anträgen und dem Ergebnis der angefochtenen Entscheidung in den Sachfragen, sondern auch von den Verfahrensentscheidungen anderer Einsprechender abhinge (unter der Annahme, dass nicht nur der Beitretende, sondern auch andere Einsprechende von der Entscheidung beschwert sind und daher ein rechtliches Interesse an einer Beschwerde haben).

    3.8.5 Mit anderen Worten ist nicht klar, auf welcher Grundlage G 3/04 davon ausgeht, dass Artikel 105 EPÜ die Bestimmungen von Artikel 107 Satz 2 EPÜ, aber nicht die von Artikel 107 Satz 1 EPÜ verdrängt, wenn es um die Erfüllung der Bedingung geht, dass die Beteiligten des Beschwerdeverfahrens bereits am Verfahren, das zu der angefochtenen Entscheidung geführt hat, beteiligt gewesen sein müssen.

    3.8.6 G 3/04 verweist auch auf die Feststellungen von G 4/91 (s. G 3/04, Nrn. 3 und 6 der Entscheidungsgründe). Es sei nebenbei bemerkt, dass auch die Schlussfolgerung von G 4/91, wonach eine während der zweimonatigen Beschwerdefrist nach Artikel 108 EPÜ eingereichte Beitrittserklärung wirkungslos ist, im Lichte der neueren Entscheidung G 1/09 infrage gestellt werden darf. In letzterer Entscheidung befand die Große Beschwerdekammer, dass eine Anmeldung für die Zwecke der Einreichung einer Teilanmeldung noch bis zum Ablauf der Beschwerdefrist anhängig ist und auch dann eine Teilanmeldung eingereicht werden kann, wenn innerhalb dieser Frist keine Beschwerde eingelegt wird. Allerdings leitet G 1/09 das Erfordernis einer "anhängigen Anmeldung" im Sinne von Regel 25 EPÜ 1973 von im Rahmen der Anmeldung noch anhängigen materiellen Rechten ab und zieht keinerlei Vergleich zwischen einer anhängigen Anmeldung und einem anhängigen Einspruchsverfahren.

    3.9 Das Ergebnis von G 3/04 ist auch in Bezug auf den gesamten Rechtsrahmen und allgemeinen Sinn und Zweck eines Beitritts hinterfragbar.

    3.9.1 Es liegt in der Natur des Beitritts, dass er seine Rechtfertigung in Verfahren außerhalb derer vor dem Europäischen Patentamt findet: Im Falle eines Beitritts nach Artikel 105 EPÜ basiert das Recht auf den Beitritt (und damit die Beteiligung am Einspruchsverfahren) nicht auf den üblichen Bestimmungen des EPÜ zu Erteilungs- und Einspruchsverfahren (schließlich gehört Artikel 105 EPÜ zum Fünften Teil "Einspruchs- und Beschränkungsverfahren" des Übereinkommens) wie Artikel 97 (3) und Artikel 99 (1) EPÜ (die die Einlegung eines Einspruchs auf neun Monate nach Veröffentlichung des Hinweises auf die Erteilung begrenzen), sondern auf Verfahren außerhalb des EPÜ, nämlich Verletzungs- oder entsprechenden Klagen vor einem nationalen Gericht. Durch die Verletzungsklage oder auch nur die Androhung einer solchen und einer hiergegen gerichteten negativen Feststellungsklage entsteht ein rechtliches Interesse, das die neunmonatige Einspruchsfrist gemäß Artikel 99 (1) EPÜ ersetzt. Die Beitrittsberechtigung zum Einspruchsverfahren und damit die Stellung als Einsprechender ergeben sich demnach aus einem rechtlichen Interesse außerhalb des Rahmens von Verfahren vor dem EPA, und ersetzen die Einspruchsfrist.

    3.9.2 Die Kammer hält es für angebracht, diese Argumentation auch auf das Beschwerdestadium anzuwenden und Dritten, die erst im Beschwerdestadium beitreten, zu erlauben, eine Stellung zu erlangen bzw. zu wählen, die eben jenem Rechtsinteresse entspricht, das ihren Beitritt ermöglicht hat. Die Kammer ist daher der Auffassung, dass Artikel 105 EPÜ dahingehend auszulegen ist, dass sowohl die Erfordernisse von Artikel 99 EPÜ (Neunmonatsfrist zur Einlegung eines Einspruchs und Erlangung der Einsprechendenstellung) als auch von Artikel 107 EPÜ (Beschwer UND Beteiligung im früheren Verfahren als Voraussetzung für die Einlegung einer Beschwerde) von einem Rechtsinteresse abgelöst werden, das außerhalb der vor dem EPA geführten Verfahren begründet liegt. Genau genommen muss von diesen beiden Bedingungen nur die der früheren Verfahrensbeteiligung durch dieses Rechtsinteresse ersetzt werden.

    3.9.3 Dies gilt implizit selbstverständlich auch für die Fristen von Artikel 108 EPÜ, d. h. auch der Ablauf dieser Fristen sollte dem Beitretenden die Beschwerdeführerstellung nicht verwehrt werden. Es scheint logisch, dass sowohl eine Beschwerdeschrift als auch die Beschwerdebegründung innerhalb der Frist nach Regel 89 (1) EPÜ einzureichen sind.

    3.9.4 Dieses rechtliche Interesse, das außerhalb des EPÜ liegt, wird in Artikel 105 EPÜ definiert und besteht demgemäß in der Erhebung einer Verletzungsklage durch den Patentinhaber bzw. einer negativen Feststellungsklage durch den vermeintlichen Patentverletzer. In der Beschwerde stützt sich der Beitretende wirksam auf die Fiktion, dass er von Beginn an Verfahrensbeteiligter war. Daraus sollte folgen, dass sein Einspruch zusammen mit dem Ergebnis der Einspruchsentscheidung darüber entscheidet, in welcher Stellung ein Dritter dem Beschwerdeverfahren beitreten kann:

    a) als Beschwerdegegner, wenn das Patent im Einspruchsverfahren widerrufen wurde (nach Zahlung der Einspruchsgebühr): der Beitretende kann neue Einspruchsgründe vortragen;

    b) als Beschwerdeführer, wenn das Patent im Einspruchsverfahren in vollem Umfang oder teilweise aufrechterhalten wurde (nach Zahlung der Einspruchs- und der Beschwerdegebühr): der Beitretende kann neue Einspruchsgründe vortragen. Wie oben erläutert (s. Nr. 3.6.7), besteht die "Beschwer" in einem solchen Fall weniger in der Entscheidung der Einspruchsabteilung, sondern vielmehr im (Fort-)Bestand eines Patents, das der Beitretende angeblich verletzt haben soll;

    c) als Verfahrensbeteiligter – auf Wunsch des Beitretenden selbst (nach Zahlung der Einspruchsgebühr): neue Einspruchsgründe können vorgetragen werden.

    3.9.5 Dass einem Dritten, der einem Verfahren vor dem EPA beitritt, bei der Disposition Wahlmöglichkeiten eingeräumt werden, ist nicht unbekannt, wie etwa die drei Optionen zeigen, die Artikel 61 (1) EPÜ dem eigentlichen Erfinder gewährt.

    3.10 Die vorstehende Lösung entspricht der Überlegung in den "Travaux Préparatoires" (BR 144 d/71, Nr. 80), wonach die Stellung des Beitretenden nicht von den anderen Einsprechenden abhängen sollte, wie auch die Beitretende in der mündlichen Verhandlung vor dieser Kammer vorgebracht hat. Eine solche Abhängigkeit aber bestünde, wenn der einzige beschwerdeführende Einsprechende das Beschwerdeverfahren einseitig durch Rücknahme seiner Beschwerde beenden könnte – mit der Konsequenz, dass der Partei, die durch den Fortbestand des Streitpatents am ehesten beschwert wird und daher das größte Interesse an einer Fortsetzung haben dürfte – nämlich dem Beitretenden –, die Fortsetzung verwehrt bliebe. Der Lösungsvorschlag der Kammer hilft weiterhin der anderenfalls unbefriedigenden Situation ab, dass die Stellung eines Beitretenden, sofern sie in Einspruch und Beschwerde nicht dieselbe wäre, von den aleatorischen Unwägbarkeiten nationaler Gesetze und ihrer Anwendung abhinge, wie der vorliegende Fall sehr deutlich zeigt: Im Einspruchsverfahren war ein Beitritt nicht möglich erstens aufgrund des Zeitpunkts, ab dem eine Klage vor einem Zivilgericht nach deutschem Gesetz als rechtshängig gilt, und zweitens, weil das deutsche Gericht geschlagene drei Monate gebraucht hat, um die Klage nach Schweden zu versenden.

    3.11 Die Schlussfolgerung von G 3/04 scheint auch folgender Feststellung von G 1/94 zu widersprechen: Letztere Entscheidung befand, dass Beitretende tatsächlich über mehr – insbesondere materielle – Rechte verfügen als Beschwerdeführer: So können sie neue Einspruchsgründe anführen, die nicht Gegenstand der angefochtenen Entscheidung waren. Wenn die Feststellungen in G 1/94 nicht bestritten werden (und sie werden in G 3/04 sicherlich nicht bestritten, s. Nr. 8 der Entscheidungsgründe), dann erscheint es widersprüchlich, diese weitergehenden materiellen Rechte durch verfahrensrechtliche Überlegungen zu beschneiden, die den Beitretenden offensichtlich in eine erheblich schwächere Verfahrensposition bringen, so schwach, dass sie letztlich zur Zurückweisung seines Einspruchs ohne jede Entscheidung in der Sache – auch nicht zu den zuvor großzügig zugelassenen neuen Einspruchsgründen – führt.

    3.12 Diese Überlegungen bringen die Kammer zu folgender Schlussfolgerung:

    3.12.1 Erstens sollte Artikel 105 (2) EPÜ wie folgt ausgelegt werden:

    Ein zulässiger Beitritt ist wie ein Einspruch zu behandeln und der Beitretende erhält im Verfahren alle Rechte, als sei er von Beginn an Verfahrensbeteiligter gewesen. Dies ergibt sich aus dem fiktiven Konstrukt aus Artikel 105 (1) a) oder b) EPÜ, wonach der Beitretende die Stellung eines Einsprechenden einnimmt, obwohl er seinen Einspruch nach Ablauf der neunmonatigen Frist gemäß Artikel 99 (1) EPÜ einreicht.

    3.12.2 Wird zweitens der Beitritt im Beschwerdestadium zugelassen und gilt der Beitretende als vollberechtigter Einsprechender (in Einklang mit der oben beschriebenen Rechtsprechung), so ist es unbillig, von ihm das Unmögliche zu verlangen, nämlich rückwirkend als Verfahrensbeteiligter aufzutreten, der auch am früheren Verfahren beteiligt war, damit er die Erfordernisse von Artikel 107 Satz 1 oder Satz 2 EPÜ erfüllt.

    3.12.3 Ausgehend von dem Vorstehenden sollten die Erfordernisse von Artikel 107 EPÜ allein aufgrund der sich aus Artikel 105 EPÜ ergebenden Rechtsfiktion als durch den Beitretenden erfüllt gelten, sodass er entweder "Verfahrensbeteiligter, der durch eine Entscheidung beschwert ist" wird oder "übriger Verfahrensbeteiligter".

    3.12.4 Das Erfordernis der Beschwer bleibt bestehen, und die erwartete Beschwer kann auch sehr direkt definiert werden. Hierzu muss der Beitretende bisher kein Verfahrensbeteiligter gewesen sein; es genügt, die Beschwer materiellrechtlich als den Fortbestand des Patents zu definieren, das der Beitretende angeblich verletzt.

    3.12.5 Dementsprechend muss der Beitretende je nach Ergebnis der angefochtenen Entscheidung, wie oben ausgeführt, unter den ihm offenstehenden Rollen die Beteiligtenstellung wählen können, in der er dem Verfahren beitreten will. Insbesondere muss er Gelegenheit erhalten, im gegebenen Fall seine eigene Beschwerde einzulegen – selbstverständlich nach Entrichtung der Beschwerdegebühr.

    3.12.6 Dies scheint die aufgeworfenen verfahrensrechtlichen Probleme im Beschwerdeverfahren zu lösen: Die Beteiligtenstellung aller Beteiligten wäre klar definiert und entspräche den üblichen Beteiligtenstellungen, die Rücknahme der Beschwerde anderer Beteiligter würde den beschwerdeführenden Beitretenden nicht beeinträchtigen, und das Verfahren könnte fortgeführt werden, als sei nichts Ungewöhnliches geschehen (bis auf eine mögliche Zurückverweisung im Falle der Erhebung neuer Einspruchsgründe, doch auch dies ist aus verfahrenstechnischer Sicht nichts Außergewöhnliches). Auch die Behandlung neuer Einspruchsgründe ohne Zurückverweisung ist nicht unmöglich, auch nicht, wenn neue Eingaben aufgrund des Zeitpunkts ihrer Einreichung formal unter die Bestimmungen von Artikel 13 (2) VOBK fielen (s. Artikel 14 VOBK).

    3.13 Der Verfügungsgrundsatz steht nicht im Widerspruch zur Beschwerdeführerstellung des Beitretenden.

    3.13.1 Die Vorlageentscheidung, die zu G 3/04 führte, formulierte die Vorlagefrage wie folgt: "Kann nach Rücknahme der einzigen Beschwerde das Verfahren mit einem während des Beschwerdeverfahrens Beigetretenen fortgesetzt werden?" (Hervorhebung durch die Kammer). Diese "einzige Beschwerde" kann natürlich auch als "die einzig verbliebene Beschwerde" interpretiert werden, wenn im ursprünglichen Verfahren mehrere Beschwerden eingelegt, aber dann zurückgenommen wurden, sodass nur noch eine Beschwerde anhängig ist, wenn sich die entscheidende Verfahrensfrage nach der Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens stellt.

    3.13.2 Die Große Beschwerdekammer befand, dass der Verfügungsgrundsatz als wichtiger Verfahrensgrundsatz bei der Frage nach den Verfahrensrechten des Beitretenden ebenfalls zu berücksichtigen sei. Die Große Beschwerdekammer verwies auf die Entscheidung G 2/91 (ABl. EPA 1992, 206), Nummer 6.1 der Entscheidungsgründe, in der – obwohl sie sich nicht auf einen möglichen Beitritt nach Artikel 105 EPÜ bezog – festgestellt wurde, dass nach der Rücknahme der Beschwerde die übrigen Verfahrensbeteiligten das Verfahren nicht fortsetzen können und dieses somit beendet ist (G 3/04, Nr. 7 der Entscheidungsgründe). Der Verfügungsgrundsatz wurde unter Verweis auf andere Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer weiter erörtert (G 3/04, Nrn. 8 und 9 der Entscheidungsgründe).

    3.13.3 Im vorliegenden Fall zieht die Kammer keineswegs die Gültigkeit der genannten Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer in Zweifel (weder von G 2/91 noch von G 8/91 (ABl. EPA 1993, 346) oder von G 9/92 (ABl. EPA 1994, 875). Die Rechte eines Beschwerdeführers, wie sie sich aus dem Verfügungsgrundsatz ergeben, sind jedoch differenzierter zu betrachten.

    3.13.4 Sicherlich verfügt in manchen Verfahrenssituationen ein alleiniger Beschwerdeführer über eine gewisse Kontrolle über die Fortsetzung des Verfahrens. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ein Beschwerdeführer stets mehr Kontrolle über das Verfahren hat als andere Beteiligter. Im Allgemeinen können in Einspruchsverfahren, in denen das Patent in geänderter Fassung aufrechterhalten wurde, sowohl der Patentinhaber als auch der Einsprechende Beschwerde einlegen. Mehrere Einsprechende können einzeln gegen die Entscheidung, ihren Einspruch zurückzuweisen, Beschwerde einlegen. In all diesen Situationen kann nicht behauptet werden, ein bestimmter Beschwerdeführer habe das Beschwerdeverfahren "in Gang gesetzt" und die späteren Beschwerdeführer seien zum bereits anhängigen Verfahren "dazugestoßen". Die Rechte der einzelnen Beschwerdeführer sind praktisch unabhängig vom Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde (sofern alle Vorgaben zu Fristen, Gebühren etc. eingehalten werden). Ihre Beschwerden werden in einem gemeinsamen Verfahren behandelt (Art. 10 (1) VOBK). In diesem Fall kann ein Beschwerdeführer nicht sicher sein und insbesondere nicht darauf vertrauen, dass das Beschwerdeverfahren (und damit auch das Einspruchsverfahren) durch die Rücknahme seiner Beschwerde endet. Denn die anderen Verfahrensbeteiligten können anhängige und von ihm unabhängige Rechtsanträge vertreten, über die zu entscheiden ist.

    3.13.5 Andererseits hat die Einlegung einer Beschwerde im Einspruchsverfahren nicht nur die verfahrensrechtliche Wirkung, dass das Beschwerdestadium beginnt, sondern auch die, dass das Einspruchsverfahren in der Sache anhängig bleibt. Eben diese fortbestehende Anhängigkeit des materiellrechtlichen Einspruchsverfahrens berechtigt den Beitretenden, dem Verfahren als Beteiligter mit eigenen, unabhängigen Anträgen beizutreten. Nach einem Beitritt unterscheidet sich die Situation in der Sache daher nicht erheblich von einer Konstellation mit mehreren Beschwerdeführern und zeigt, dass Beschwerdeführer regelmäßig hinnehmen müssen, dass die Rücknahme der eigenen Beschwerde nicht zur Beendigung des Verfahrens führt. Darüber hinaus müssen die Parteien regelmäßig darauf vorbereitet sein, Beschwerden einzulegen, ohne vorab zu wissen, ob sie alleiniger "Herr des Verfahrens" sein werden oder die Rechte anderer Beteiligter sie daran hindern können, das Beschwerdeverfahren einseitig zu beenden. Ursprüngliche Beschwerdeführer können das Verfahren dabei selbstverständlich für sich jederzeit auf eigene Entscheidung beenden.

    3.13.6 Der Verfügungsgrundsatz an sich garantiert Beschwerdeführern also keine Sonderrechte und sollte deshalb einem Beitretenden im Beschwerdeverfahren eine einflussreichere Stellung als die eines Beschwerdegegners nicht verwehren. Verfahrensbeteiligte, d. h. Patentinhaber und Einsprechende, müssen sich bewusst sein, dass das Einspruchsverfahren durch ihre Beschwerde in der Sache anhängig bleibt, und sich darauf einstellen, dass sich ein Beitretender am Verfahren beteiligen kann, was gegebenenfalls ihre Verfahrensmöglichkeiten beeinflusst.

    3.14 Weitere Überlegungen angesichts jüngster Entwicklungen des europäischen Patentsystems

    3.14.1 Beitritte, vor allem im Beschwerdestadium, können den reibungslosen Verlauf eines Verfahrens aus verfahrensökonomischer Sicht durchaus ins Stocken bringen, und es stellt sich die berechtigte Frage, ob die Einführung des Einheitlichen Patentgerichts (EPG) Änderungen in der Behandlung eines Beitritts nicht überflüssig macht. Dieser Ansicht ist die Kammer – nicht zuletzt vor dem Hintergrund der "Travaux Préparatoires" – nicht.

    3.14.2 Verfahren vor dem EPA sind, selbst im Beschwerdestadium, im Wesentlichen Verwaltungsverfahren und als solche einfacher und im Allgemeinen weniger kostenintensiv als "echte" Gerichtsverfahren, unter anderem vor dem EPG. Offenkundig war es die Intention des Gesetzgebers, einer von einer Verletzungsklage bedrohten Partei die Möglichkeit einzuräumen, noch vor dem EPA ein Rechtsbeständigkeitsverfahren anzustrengen, selbst wenn hierzu auch ein dem EPG vergleichbares gemeinsames oder einheitliches Patentgericht verfügbar wäre (BR 144 d/71, Nr. 76 erwähnt ein EU-Patentgericht). Dazu sei gesagt, dass zur Zeit der Verabschiedung des EPÜ die Einführung eines einheitlichen Patentgerichts deutlich realistischer erschien und kaum jemand erwartete, dass die Gründung eines solchen so lange dauern würde. Damit besteht kein Grund zu der Annahme, dass sich die Verfasser des EPÜ ein grundlegend anderes gemeinsames Patentsystem als das aktuelle, in dem das EPG seine Tätigkeit bereits aufgenommen hat, vorgestellt haben. Vielmehr erscheint es wahrscheinlicher, dass das Beitrittsrecht nach Artikel 105 EPÜ bereits mit der Aussicht verankert wurde, dass ein Beteiligter die Gültigkeit eines europäischen Patents mit anderen Mitteln anfechten können würde – und zwar nicht nur vor einzelnen nationalen Gerichten, sondern in einem zentralen Gerichtsverfahren (s. Nr. 76 in BR 144 d/71). Darüber hinaus berücksichtigten die Verfasser des EPÜ ganz spezifisch EPÜ-Vertragsstaaten, die keine EU-Mitglieder waren und vom Konzept eines gemeinsamen Gerichts nicht profitieren könnten. Diese Überlegung scheint heute, da das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen hat und verschiedene andere EU-Mitgliedstaaten sich gegen die Teilnahme am EPG entschieden haben, umso relevanter.

    3.15 Nach Auffassung der Kammer ergibt sich aus dem Vorstehenden, dass die Beitretende Geske mit der Erhebung ihrer Einspruchsgründe und der korrekten Entrichtung der Einspruchs- und der Beschwerdegebühr innerhalb der Dreimonatsfrist gemäß Artikel 105 EPÜ auch nach der Rücknahme der Beschwerde durch Beurer zur Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens berechtigt ist. Dieses Ergebnis widerspricht jedoch der Entscheidung G 3/04.

    3.15.1 Die Beschwerdegegnerin argumentierte diesbezüglich, dass eine Abweichung von einer Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vorbehaltlich besonderer Umstände nicht möglich sei. Diesem Argument mag in einem Common-Law-System ein gewisses Gewicht zukommen, doch findet es keine Stütze im Europäischen Patentübereinkommen: Gemäß Artikel 112 (3) EPÜ binden Entscheidungen der Großen Beschwerdekammer die Beschwerdekammer nur für den konkreten Fall, mit dem die Große Beschwerdekammer befasst wurde.

    3.16 Notwendigkeit der Entrichtung der Beschwerdegebühr

    3.16.1 Sollte entschieden werden, dass ein Beitretender Anspruch auf die Beschwerdeführerstellung haben kann, scheint folgerichtig auch eine Beschwerdegebühr anzufallen, wenn er dieses Recht wirksam in Anspruch nehmen will. Um Missverständnissen vorzubeugen, sei darauf hingewiesen, dass nicht die Entrichtung der Beschwerdegebühr den Anspruch des Beitretenden auf Beschwerdeführerstellung begründet, sondern Konsequenz der Inanspruchnahme dieses Rechts durch den Beitretenden ist. Der Anspruch auf Beschwerdeführerstellung muss auf anderen Bestimmungen des Übereinkommens und auch anderen Auslegungsmitteln, im vorliegenden Fall den "Travaux Préparatoires" zur Erläuterung der Intention des Gesetzgebers, beruhen. Dementsprechend ist diese Kammer nicht der Auffassung, dass die beiden ursprünglichen Fragen der Vorlageentscheidung T 1007/01, die zu G 3/04 führte, eine Befassung der Großen Beschwerdekammer erfordern.

    3.16.2 Die Kammer schließt jedoch nicht aus, dass die Frage der Fortsetzung des Verfahrens zur Prüfung des Beitritts auch ohne Entrichtung der Beschwerdegebühr behandelt werden kann. Statt dem Beitretenden die offizielle Beschwerdeführerstellung zur Bedingung zu machen, könnte ein anhängiger Beitritt nach Rücknahme aller Beschwerden theoretisch auch zu einer im Wesentlichen automatischen Zurückverweisung des Falls an die Einspruchsabteilung führen. Übrigens zog bereits der Gesetzgeber für den Fall einer Beitrittserklärung im Beschwerdestadium eine im Wesentlichen automatische Zurückverweisung in Betracht (s. BR 144 d/71, Nr. 81).

    4. Aus diesen Gründen entscheidet die Kammer, die Große Beschwerdekammer mit der Rechtsfrage in der Entscheidungsformel zu befassen. Die Formulierung "alle Beschwerden" ist dabei so zu verstehen, dass sie sämtliche Beschwerdekonstellationen abdeckt unabhängig von der Zahl der ursprünglichen Beteiligten – ob nur einer oder mehrere –, die Beschwerde einlegen, sodass die Vorlagefrage auch den Fall der "einzigen Beschwerde" im Sinne von G 3/04 umfasst.

    Entscheidungsformel

    Aus diesen Gründen wird entschieden:

    Der Großen Beschwerdekammer werden gemäß Art. 112 (1) a) EPÜ und Art. 21 VOBK folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:

    Kann nach der Rücknahme aller Beschwerden das Verfahren mit einem während des Beschwerdeverfahrens beigetretenen Dritten fortgesetzt werden? Kann insbesondere der Dritte die Stellung eines Beschwerdeführers erlangen, die der Stellung eines Beschwerdeberechtigten im Sinne von Artikel 107 Satz 1 EPÜ entspricht?

     

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