T 0383/03 (Verfahren zur Haarentfernung/THE GENERAL HOSPITAL CORP) 01-10-2004
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I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung vom 25. November 2002, die europäische Patentanmeldung Nr. 02 076 295.1 zurückzuweisen.
Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß die Ansprüche 1 bis 19 nicht gewährbar seien, da sie am lebenden menschlichen oder tierischen Körper vorgenommene Verfahren zur chirurgischen Behandlung beträfen, die nach Artikel 52 (4) EPÜ nicht als gewerblich anwendbare Erfindung gelten.
II. Am 6. Januar 2003 legte die Beschwerdeführerin (Anmelderin) Beschwerde gegen diese Entscheidung ein und entrichtete am selben Tag die Beschwerdegebühr. Am 26. März 2003 reichte sie die Beschwerdebegründung ein.
III. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Anmeldung auf der Grundlage der mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche 1 bis 18 (nachfolgend als Hauptantrag bezeichnet) oder auf der Grundlage der hilfsweise ebenfalls mit der Beschwerdebegründung eingereichten Ansprüche 1 bis 11 weiterzubehandeln. Außerdem beantragte sie hilfsweise eine mündliche Verhandlung.
IV. Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Kosmetisches Verfahren zum gleichzeitigen Entfernen einer Mehrzahl von Haaren von einem Hautbereich, wobei sich jedes Haar in einem sich von einer Oberfläche in die Haut hinein erstreckenden Follikel befindet, wobei das Verfahren folgendes umfaßt:
a) Positionieren eines Elements über der Hautoberfläche in dem genannten Hautbereich, durch das eine optische Strahlung hindurchgeleitet werden kann, und
b) Applizieren optischer Strahlung einer ausgewählten Wellenlänge und einer ausgewählten Fluenz durch das Element auf den genannten Hautbereich für eine Dauer von 5 bis 200 ms."
Die Ansprüche 2 bis 18 hängen von Anspruch 1 ab.
V. Die Beschwerdeführerin brachte folgendes vor:
In T 182/90 sei anerkannt worden, daß Verfahren, die unter den Begriff der "medizinischen Behandlung" fielen, dennoch patentierbar sein könnten, und nichts in dieser Entscheidung spreche gegen die Patentierbarkeit der vorliegenden Erfindung. Es bestehe auch kein öffentliches Interesse daran, das beanspruchte Verfahren von der Patentierbarkeit auszunehmen.
Die Erfindung beziehe sich ausschließlich auf die Entfernung von Haaren zu kosmetischen Zwecken. Ein kosmetisches Verfahren könne zwar chirurgischen Charakter haben, doch sei das erfindungsgemäße Verfahren weder ein Behandlungs- noch ein chirurgisches Verfahren im Sinne des Artikels 52 (4) EPÜ. Die Tatsache, daß unerwünschte Behaarung medizinisch bedingt sein könne, verleihe der Behandlung noch keinen therapeutischen Charakter, denn durch das Verfahren werde nicht die medizinische Ursache der unerwünschten Behaarung behandelt. Das beanspruchte Verfahren sei nicht-invasiv und nicht "chirurgischer" als die Haarentfernung durch Epilation.
Die Prüfungsabteilung habe nicht begründet, warum das Verfahren von einer medizinisch geschulten Person durchgeführt werden müsse, doch sei die Frage, wer das Verfahren ausführen könne, unerheblich für die Frage der Patentierbarkeit nach Artikel 52 (4) EPÜ, dessen Ausschlußbestimmung eng ausgelegt werden sollte.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Obwohl die Ansprüche auf ein kosmetisches Verfahren zum gleichzeitigen Entfernen einer Mehrzahl von Haaren von einem Hautbereich gerichtet sind, heißt es in der angefochtenen Entscheidung, daß sich die Ansprüche auf Verfahren zur chirurgischen Behandlung des lebenden menschlichen oder tierischen Körpers bezögen und daher nicht gewerblich anwendbar seien. Die erste Instanz verwies auf die Entscheidungen T 182/04 (ABl. EPA 1994, 641) und T 1077/93 und stützte ihre Feststellung auf die Auslegung des Begriffs "chirurgische Behandlung" als gewollte, nicht unerhebliche physische Einwirkung. Nach ihrem Verständnis schlössen medizinische Behandlungen auch Behandlungen zu anderen Zwecken als Heilzwecken ein, so etwa kosmetische Behandlungen. Dementsprechend wies sie die Anmeldung nach Artikel 52 (4) EPÜ zurück.
Die Kammer teilt diese Auffassung aus den folgenden Gründen nicht.
3. Nach Artikel 52 (4) EPÜ gelten Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers nicht als gewerblich anwendbar.
3.1 Die Beschwerdekammern haben den Begriff "medizinische Behandlung" definiert als jede bewußte und gewollte, nicht unerhebliche physische oder psychische, unmittelbare oder mittelbare Einwirkung eines Menschen auf einen anderen Menschen mit Mitteln und Methoden der medizinischen Wissenschaft, wobei es keine Rolle spielt, ob die Behandlung von einem Arzt oder Nichtarzt vorgenommen wird; sinngemäß gilt dies auch für die Einwirkung auf ein Tier (T 182/90, ABl. EPA 1994, 641). Die Kammern haben außerdem versucht zu bestimmen, welche Behandlungsverfahren unter den Artikel 52 (4) EPÜ fallen.
a) In der Entscheidung T 36/83 (ABl. EPA 1986, 295), in der es um die Gewährbarkeit eines Anspruchs auf die kosmetische Anwendung von Thenoylperoxid ging, hieß es, daß die kosmetische Anwendung eines Erzeugnisses, das daneben auch therapeutisch anwendbar sei, nicht unter das Patentierungsverbot nach Artikel 52 (4) EPÜ falle. In T 144/83 (ABl. EPA 1986, 301) kam die Kammer zu dem Schluß, daß das Patentierungsverbot des Artikels 52 (4) EPÜ nicht auf Behandlungsverfahren angewandt werden dürfe, die ihrem Charakter nach nicht therapeutisch seien, und die Patentierbarkeit der beanspruchten Erfindung (eines Verfahrens zur Verbesserung der körperlichen Erscheinung eines nicht von Opiaten abhängigen Säugetiers, bei dem zur Gewichtsreduzierung ein bestimmtes Erzeugnis in einer festgelegten Dosis oral verabreicht wird) außer Zweifel stehe, weil sie in Unternehmen angewendet werden könne, die sich die Verschönerung des menschlichen oder tierischen Körpers zum Ziel gesetzt haben. Daß ein chemischer Stoff sowohl eine kosmetische als auch eine therapeutische Wirkung habe, wenn er zur Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers verwendet wird, mache die kosmetische Behandlung nicht unpatentierbar.
b) In T 182/90 (ABl. EPA 1994, 641) befand die Kammer, daß der Begriff "Chirurgie" eine Behandlung durch manuelle und instrumentelle Verfahren impliziere und der Begriff "chirurgische Behandlung" ganz offenbar einen Bedeutungswandel erfahren habe und heutzutage auch besondere Behandlungsverfahren umfassen könne, die nicht auf die Gesundheit des menschlichen oder tierischen Körpers gerichtet seien. Die Kammer führte weiter aus, daß im heutigen medizinischen und juristischen Sprachgebrauch auch unter den nicht der Heilung dienenden Behandlungsverfahren eine chirurgische Behandlung verstanden werde, wenn sie sich der Chirurgie bedienten. Einige dieser Verfahren sind bereits in der nationalen Rechtsprechung erörtert und vom Patentschutz ausgeschlossen worden (vgl. R. Moufang, "Medizinische Verfahren im Patentrecht", GRUR Int. 1992, S. 10 - 24, insbesondere S. 19).
In T 35/99 (ABl. EPA 2000, 447) vertrat die Kammer die Auffassung, daß die Formulierung "Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers" alle (ihrem Wesen nach) chirurgischen oder therapeutischen Verfahren umfasse, die als solche am menschlichen oder tierischen Körper durchgeführt werden könnten. Die Kammer bestätigte ferner, daß - was das Europäische Patentübereinkommen angehe - dem Ausschluß dieser Erfindungen vom Patentschutz nach Artikel 52 (4) EPÜ eindeutig die grundsätzliche Überlegung zugrunde liege, daß die Personen, die diese Verfahren als Teil der medizinischen Behandlung von Menschen oder Tieren anwenden, darin nicht durch Patente behindert werden sollten. Angesichts dieser eindeutigen, bewußten Entscheidung des Gesetzgebers könnten die Begriffe "chirurgisch" und "Behandlung" in Artikel 52 (4) EPÜ nicht als zwei voneinander getrennte Ausschlußkriterien aufgefaßt werden. Von der Patentierbarkeit ausgenommen sei jede chirurgische Tätigkeit, unabhängig davon, ob sie allein oder in Kombination mit anderen medizinischen oder nichtmedizinischen Maßnahmen ausgeführt werde (siehe Leitsatz).
In T 775/97 hielt die Kammer unter Bezugnahme auf G 5/83, Nummer 22 der Entscheidungsgründe fest, daß es Zweck von Artikel 52 (4) EPÜ sei, die nicht-kommerziellen und nicht-industriellen Tätigkeiten auf dem Gebiet der Human- und Veterinärmedizin von patentrechtlichen Beschränkungen freizuhalten, und daß diese Vorschrift, was das Patentierungsverbot für Verfahren zur chirurgischen oder therapeutischen Behandlung des menschlichen oder tierischen Körpers betreffe, aus gutem Grund keinen Unterschied zwischen Therapie und Chirurgie mache, denn beide dienten demselben Zweck, nämlich der Wiederherstellung oder Erhaltung der Gesundheit des Körpers, an dem sie vorgenommen würden, und eine erfolgreiche Behandlung erfordere häufig eine Kombination beider Behandlungsarten. Bei der Beurteilung, ob ein bestimmtes Anspruchsformat als solches nach Artikel 52 (4) EPÜ gewährbar sei, müßten für chirurgische und therapeutische Verfahren dieselben Kriterien angewandt werden.
c) Auch wenn aus den oben angeführten Entscheidungen hervorgeht, daß Behandlungsverfahren, die nicht der Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit eines Menschen oder eines Tiers dienen, patentierbar sein können, ist die Sachlage nicht so eindeutig, wenn die Behandlung manuelle und/oder instrumentelle Verfahren einschließt (chirurgische Behandlung).
Daher ist zu prüfen, ob Artikel 52 (4) EPÜ darauf abzielt, diese Art von Einwirkung generell vom Patentschutz auszuschließen, oder ob die Entscheidung, welche Einwirkungen vom Patentschutz ausgenommen sind, von einer therapeutischen Wirkung abhängt, was z. B. in T 329/94 (ABl. EPA 1998, 241, Nr. 5 der Entscheidungsgründe) ausgeführt wurde. Die Antwort auf diese Frage ist um so wichtiger, als der Begriff "chirurgisch" einen Bedeutungswandel erfahren hat, wie in T 182/90 festgestellt wurde.
3.2 Die Klärung dieser Frage erfordert eine weitere Auslegung, und dazu muß auf die "ratio legis" des Artikels 52 (4) EPÜ Bezug genommen werden.
a) Wie aus den vorbereitenden Arbeiten ersichtlich ist, war es der Wille des Gesetzgebers, Heilverfahren der Human- oder Veterinärmedizin einschließlich Diagnostizierverfahren von der Patentierbarkeit auszunehmen. Ziel dieser Vorschrift ist laut 11821/IV/64-F "indiquer l'exception des méthodes curatives du corps humain ou des animaux y compris les méthodes de diagnostic" bzw. laut 11821/IV/64-D, daß "Heilmethoden der Human- und Veterinärmedizin einschließlich diagnostischer Verfahren vom Begriff der Erfindung ausgenommen sind". Eine englische Fassung dieses Dokuments existiert nicht. In BR/219/72 heißt es im Zusammenhang mit einer Debatte über die Behandlung von Tieren: "der Text besage ... lediglich, daß man alle therapeutischen Behandlungen an Tieren von der Patentierbarkeit ausschließen will; Ziel dieser Bestimmung sei es, die Patentierbarkeit von Behandlungen auszuschließen, die als Maßnahmen zur Heilung von Tieren oder zur Linderung ihrer Leiden verstanden werden." Im Falle von Menschen wurde die Intention nie in Frage gestellt, woraus sich schließen läßt, daß die Vorschrift bei Menschen dasselbe Ziel verfolgte (siehe Benkard, EPÜ, Art. 52 Rdnr. 230).
b) Diese "ratio legis" des Artikels 52 (4) EPÜ wurde in der Entscheidung G 1/83 (ABl. EPA 1985, 60, Nr. 22 der Entscheidungsgründe) und der Rechtsprechung der Beschwerdekammern mehrfach bestätigt, wo es heißt, daß dem Ausschluß der in Artikel 52 (4) EPÜ genannten Verfahren von der Patentierbarkeit eindeutig die grundsätzliche Überlegung zugrunde liege, daß diejenigen, die diese Verfahren als Teil der medizinischen Behandlung von Menschen oder Tieren anwenden, darin nicht durch Patente behindert werden sollen (siehe die oben angeführten Entscheidungen sowie T 116/85 (ABl. EPA 1989,13); T 24/91 (ABl. EPA 1995, 512); T 329/94 (ABl. EPA 1998, 241)).
Das Patentierungsverbot zielt erkennbar darauf ab, heilende Tätigkeiten zu schützen. Wie der BGH in seinem Beschluß X ZB 20/99 vom 28. November 2000 erklärt hat, muß sich der Arzt frei für die am besten geeignete Maßnahme zur Behandlung seines Patienten entscheiden können.
In der angeführten Rechtsprechung finden sich zahlreiche Definitionen dafür, was unter einer Heilbehandlung zu verstehen ist. Zusammenfassend läßt sich sagen, daß Heilbehandlungen all jene Behandlungen sind, die der Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit, der physischen Unversehrtheit oder des physischen Wohlergehens einer Person (sowie der Vorbeugung gegen Krankheiten) dienen. Dasselbe gilt für die Behandlung von Tieren.
c) Daraus folgt, daß der Gesetzgeber nur diejenigen therapeutischen oder chirurgischen Behandlungen von der Patentierbarkeit ausnehmen wollte, die geeignet sind oder potentiell geeignet sind, die Gesundheit, die physische Unversehrtheit oder das physische Wohlergehen eines Menschen oder eines Tiers zu erhalten oder wiederherzustellen und Krankheiten vorzubeugen.
3.3 Artikel 52 (4) EPÜ ist eine Ausnahmeregelung und somit einem allgemeinen Rechtsgrundsatz zufolge eng auszulegen (siehe T 385/86, ABl. EPA 1988, 308 und die oben angeführte Rechtsprechung). Dabei sollte kein Unterschied gemacht werden zwischen Behandlungen ohne und Behandlungen mit chirurgischem Schritt (siehe auch T 35/99, T 775/97).
Auch wenn der Begriff "chirurgische Behandlung" im heutigen medizinischen Sprachgebrauch Behandlungen mit einschließt, die nicht auf die Gesundheit von Mensch oder Tier gerichtet sind, fallen diese dann nicht unter das Patentierungsverbot, wenn sie nicht von der "ratio legis" des Artikels 52 (4) EPÜ erfaßt sind.
So wie dieser Grundsatz in der Rechtsprechung bei Behandlungen mit rein kosmetischer Wirkung ohne chirurgischen Schritt bereits anerkannt wurde (siehe oben), muß er auch für chirurgische Behandlungen gelten.
3.4 Somit fallen chirurgische Behandlungen, die eindeutig weder geeignet noch potentiell geeignet sind, die Gesundheit, die physische Unversehrtheit oder das physische Wohlergehen von Menschen oder Tieren zu erhalten oder wiederherzustellen, nicht unter das Patentierungsverbot des Artikels 52 (4) EPÜ.
4. Wie unter Nummer 3 ausgeführt, ist das beanspruchte Verfahren nur dann patentierbar, wenn es eindeutig nicht potentiell geeignet ist, die Gesundheit, die physische Unversehrtheit oder das physische Wohlergehen eines Menschen oder eines Tiers zu erhalten oder wiederherzustellen.
4.1 Die vorliegende Anmeldung betrifft Verfahren zur Haarentfernung mittels optischer Strahlung. Übermäßige Behaarung (Hypertrichose) und/oder unerwünschter Haarwuchs sind geläufige dermatologische wie auch kosmetische Probleme und können durch Vererbung, krankhafte Veränderungen oder endokrinologische Erkrankungen bedingt sein, beispielsweise durch Hirsutismus (hormonbedingte, etwa durch Androgene, verursachte übermäßige Behaarung).
Während die Ursache der übermäßigen Behaarung eine krankhafte Veränderung oder endokrinologische Erkrankung sein mag, ist die Behaarung als solche nicht schädlich und weder wird mit ihrer Entfernung die Ursache von unerwünschtem Haarwuchs behandelt noch ist die Haarentfernung für die physische Gesundheit der behandelten Person relevant; die Behandlung führt lediglich zu einer ästhetischen Verbesserung des Erscheinungsbilds dieser Person. Die Ansprüche sind auf ein "kosmetisches Verfahren" gerichtet, um hervorzuheben, daß das beanspruchte Verfahren ein verbessertes ästhetisches Erscheinungsbild der behandelten Person bezweckt und nicht die Heilung der ursächlichen Krankheit. Die zugrundeliegende Erkrankung an sich reicht also nicht aus, um das Verfahren als medizinisches Behandlungsverfahren einzustufen.
4.2 Im wesentlichen wird die Aufgabe dadurch gelöst, daß optische Strahlung einer bestimmten Wellenlänge und Fluenz für eine Dauer von 5 bis 200 ms durch das Element auf den betroffenen Hautbereich appliziert wird. Ziel des Verfahrens ist eine Schädigung der Haare und Haarfollikel, ohne das umliegende Gewebe nennenswert zu verletzen. Mit Hilfe der Vorrichtung, die zur Durchführung der Behandlung offenbart ist, werden Haare und Haut mit dem Ziel bestrahlt, die Haare und Haarfollikel zu schädigen, während die Haut gekühlt wird, damit das umliegende Gewebe nicht nennenswert verletzt wird. Dies ist eine nicht unerhebliche gewollte physische Einwirkung und somit als chirurgischer Eingriff zu betrachten.
Obwohl das Verfahren eine gewollte physische Einwirkung auf den Körper beinhaltet, ist es eindeutig nicht potentiell geeignet, die Gesundheit, die physische Unversehrtheit oder das physische Wohlergehen eines Menschen oder eines Tiers zu erhalten oder wiederherzustellen.
Das vorliegende Verfahren gehört - wie z. B. auch Tätowieren und Piercen - zu der Kategorie von Verfahren, die nur zur Verschönerung des menschlichen oder tierischen Körpers dienen und von Unternehmen wie Kosmetikstudios oder Schönheitssalons, die einem gewerblichen Gebiet im Sinne des Artikels 57 EPÜ angehören, durchgeführt werden. Diese Verfahren unterscheiden sich grundlegend von denen, die durchaus zur Verschönerung des menschlichen oder tierischen Körpers, aber auch zur Wiederherstellung der physischen Unversehrtheit des Körpers angewandt werden können, etwa ein Verfahren zur Brustvergrößerung (z. B. nach einer Krebsoperation) oder eine Nasenkorrektur (z. B. nach einem Verkehrsunfall).
Letztere sind von der Patentierbarkeit ausgenommen, weil sie potentiell geeignet sind, die Gesundheit, die physische Unversehrtheit oder das physische Wohlergehen einer Person zu erhalten oder wiederherzustellen, und sich damit von Verfahren unterscheiden, die allein zu ästhetischen und nicht zu medizinischen Zwecken anwendbar sind und gar nicht ausgeschlossen werden müssen, weil sie nicht im Widerspruch zur "ratio legis" des Artikels 52 (4) EPÜ stehen.
Da das vorliegende Verfahren aus den oben dargelegten Gründen eindeutig weder geeignet noch potentiell geeignet ist, die Gesundheit, die physische Unversehrtheit oder das physische Wohlergehen einer Person zu erhalten oder wiederherzustellen, ist es nicht als Verfahren anzusehen, das unter das Patentierungsverbot des Artikels 52 (4) EPÜ fällt.
4.3 Die Ansprüche 2 bis 18 hängen von Anspruch 1 ab und definieren keine weiteren Schritte, aufgrund deren sich das Verfahren eindeutig oder potentiell für die Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit, der physischen Unversehrtheit oder des physischen Wohlergehens einer Person eignen würde.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Prüfung auf Grundlage der Ansprüche 1 bis 18 gemäß Hauptantrag zurückverwiesen.