T 3020/19 23-02-2022
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ACHSANBINDUNG
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag, Hilfsantrag I, Hilfsantrag II (nein)
Zulassung des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags IV - (ja)
Änderung des Beschwerdevorbringens - (nein)
Neuer Einwand in der mündlichen Verhandlung - außergewöhnliche Umstände (nein)
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent EP 2 844 499 widerrufen wurde, Beschwerde eingelegt.
II. Die Einspruchsabteilung war der Auffassung, dass der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag neu sei unter anderem gegenüber dem Dokument
E5 (WO 2010/059037 A), aber ausgehend von E5 nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe. Dies gelte auch für den Gegenstand der Ansprüche 1 des mit Schreiben vom 17. September 2019 eingereichten Hilfsantrags I und des in der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags IV. Hilfsantrag II, der ebenfalls mit Schreiben vom 17. September 2019 eingereicht wurde, und der auch in der mündlichen Verhandlung eingereichte Hilfsantrag III wurden im Sinne der Regel 80 EPÜ nicht ins Verfahren zugelassen.
III. Am 23. Februar 2022 wurde vor der Beschwerdekammer mündlich verhandelt.
Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) beantragte die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt aufrechtzuerhalten (Hauptantrag), hilfsweise das Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage eines der Hilfsanträge I oder II, eingereicht mit der Beschwerdebegründung, oder des Hilfsantrags IV, eingereicht während der mündlichen Verhandlung, aufrechtzuerhalten.
Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Der erteilte Anspruch 1 in der Merkmalsgliederung der Beschwerdeführerin lautet wie folgt:
1.1 Achsanbindung, insbesondere für Nutzfahrzeuge,
umfassend ein Lenkerelement (2) und ein
Spannelement (4),
1.2 wobei das Lenkerelement (2) einen konkav gekrümmten
lenkerseitigen Anbindungsbereich (22) und, an den
lenkerseitigen Anbindungsbereich (22) grenzend,
einen lenkerseitigen Befestigungsbereich (24)
aufweist,
1.3 wobei das Spannelement (4) einen spannseitigen
Anbindungsbereich (42), welcher dem lenkerseitigen
Anbindungsbereich (22) gegenüberliegend angeordnet
ist, und einen spannseitigen Befestigungsbereich
(44) aufweist,
1.4 wobei ein Befestigungselement (6) vorgesehen ist,
welches in je einem lenkerseitigen und einem
gegenüberliegenden spannseitigen
Befestigungsbereich (24, 44) eingreift und diese
gegeneinander zwingt, um einen Achskörper (10)
kraftschlüssig an der Achsanbindung festzulegen,
1.5 wobei der lenkerseitige Anbindungsbereich (22)
einen Ellipsen- oder Kreisbogen beschreibt, der in
einem ersten Zustand des lenkerseitigen
Anbindungsbereiches (22) einen ersten Bogenwinkel
(alpha1) aufspannt oder
1.6 einen polyedrischen Abschnitt aufweist, der der in
einem ersten Zustand des lenkerseitigen Anbindungs-
bereiches (22) einen ersten Bogenwinkel (alpha1)
aufspannt,
dadurch gekennzeichnet, dass
1.7 in einem zweiten Zustand des lenkerseitigen
Anbindungsbereiches (22) ein zweiter Bogenwinkel
(alpha2) das 1,01- bis 1,5-fache des ersten
Bogenwinkels (alpha1) beträgt."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag I wurde inhaltlich dahingehend geändert, dass der erteilte Anspruch 1 um die folgenden Merkmale ergänzt wurde (Nummerierung der Merkmale durch die Kammer hinzugefügt):
1.8 wobei der lenkerseitige Anbindungsbereich (22) und/
oder der spannseitige Anbindungsbereich (42)
zylinderförmig ausgebildet sind, und
1.9 wobei die Anbindungsbereiche (22, 42) eine
Erstreckung (L) längs der Zylinderachse aufweisen,
die in einem Verhältnis von 0,5 bis 3 zu einem
Krümmungsradius des lenkerseitigen
Anbindungsbereiches (22) steht.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II wurde im Vergleich zu Anspruch 1 des Hilfsantrags I noch um das folgende, zwischen die Merkmale 1.7 und 1.8 eingeschobene Merkmal ergänzt:
1.7a wobei der erste Zustand der Zustand ist, in
welchem das Lenkerelement (2) nicht mit dem
Spannelement (4) verbunden ist, und wobei der
zweite Zustand der montierte Zustand der
Achsanbindung ist, in welchen der Achskörper (10)
zwischen Lenkerelement (2) und Spannelement (4)
festgelegt ist,
Der einzige unabhängige Anspruch 1 des Hilfsantrags IV unterscheidet sich von Anspruch 1 des Hauptantrags inhaltlich nur darin, dass im Kennzeichen das folgende Merkmal ergänzt wurde:
1.8' wobei das Spannelement (4) an den Enden des
spannseitigen Anbindungsbereiches (42) einen Vor-
und/oder Rücksprung (46) aufweist, der in einen
korrespondierenden Rück- und/oder Vorsprung (26)
des Lenkerelements (2) formschlüssig eingreift.
V. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
Zur Veränderung des Öffnungswinkels des lenkerseitigen Anbindungsbereichs beim Übergang vom demontierten in den montierten Zustand sei im Stand der Technik nichts gesagt.
Erteilter Anspruch 1 - erfinderische Tätigkeit
Dem Dokument E5 fehle es an einer Offenbarung der Merkmale 1.5, 1.6 und 1.7.
In sämtlichen Ausführungsbeispielen (z. B. Fig. 4, 5) und der Beschreibung sei zwar eine "curved portion" offenbart und auch eine "concave contact surface", also ein gekrümmter lenkerseitiger Anbindungsbereich und somit kein Anbindungsbereich in Form eines Polyeders gemäß Merkmal 1.6. Merkmal 1.5 fordere keine einfache Krümmung, sondern spezielle Ausgestaltungen in Form eines Ellipsen- oder Kreisbogens. Ein Kreisbogen weise dabei an jeder Stelle den identischen Radius auf. Merkmal 1. 5 sei der perspektivischen schematischen Ansicht der Fig. 5 nicht zu entnehmen; es bestehe keine Veranlassung, dort einen Ellipsen- oder Kreisbogen vorzusehen. Ein Kreisbogen sei auch nicht aus Fig. 4 ableitbar. Es werde zwar eine "contact region 45" beschrieben, die "essentially complementary" sei zur äußeren Kontur des Achskörpers (S. 17, Z. 13 ff.). Dieser sei aber nur als "round" (nicht: "circular") offenbart, d. h. es bestehe keine Veranlassung zu einer kreisförmigen Ausgestaltung. Es fehle ein Nachweis zum behaupteten Stand des Fachwissens. Selbst wenn man rund und kreisförmig gleichsetze, offenbare E5 nur eine im Wesentlichen komplementäre Ausbildung, was gewisse Abweichungen zulasse.
Die Einsprechende habe im Einspruchsschriftsatz anerkannt, dass Merkmal 1.7 in der E5 nicht explizit beschrieben sei, und mangelnde erfinderische Tätigkeit zu argumentieren versucht. Merkmal 1.7 ergebe sich auch nicht inhärent aus E5. In Bezug auf Fig. 4 sei gesagt (S. 17, Z. 27 und 28), dass das Spannelement 46 als Feder ausgebildet sein könne, sich also bei Anziehen der Schrauben verforme, nicht das Lenkerelement 41. Die von der Einsprechenden zitierte Offenbarung (Seite 19, bezogen auf Fig. 5), wonach das Lenkerelement aus Federstahl (was aber nicht offenbart sei) und das Spannelement aus Guss (wobei wie für das Lenkerelement aber auch "forging" vorgeschlagen werde) ausgebildet sei, lasse keinen Schluss auf ein Verformungsverhalten des Lenkerelements bei der Montage zu. Dieses hänge von vielen Parametern ab, vom Material, auch von weiteren Nachbehandlungen und den Materialstärken. In Fig. 5 der E5 sei zudem das Spannelement 56 dünner ausgebildet und werde sich bei Zugbelastung verformen.
Der beanspruchte Bereich des 1,01- bis 1,5-fachen Bogenwinkels sei eine Auswahlerfindung, für die gemäß der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (T 279/89, bestätigt in T 261/15) bestimmte Kriterien zu erfüllen seien. Die Frage sei, ob diese Auswahl erfinderisch sei und einen erfinderischen Effekt habe, der aus E5 nicht nahegelegt sei. Auch wenn der Lenker vertikal an das Achsrohr angepresst werden solle, sei der lenkerseitige Anbindungsbereich gemäß E5 (siehe Fig. 5, 7, 8; auch Fig. 4) nicht dazu ausgelegt verformt zu werden, da er den dicksten/stärksten Bereich des Federlenkers bilde und zudem einen abgesetzten Materialsteg aufweise. Dies deute eher darauf hin, dass das Spannelement beim Verspannen tangential belastet werde. Fig. 4 zeige rechts zudem eine gerade Anlegekante des Spannelements, was eine Verformung zusätzlich verhindere. Auch sei das Element 46, 461 aus Fig. 4 als Feder ausgebildet (siehe S. 17, Z. 28) und werde sich beim Anziehen der Schrauben verformen, nicht das Lenkerelement 41. Die geringe Materialdicke der in E5 gezeigten Schrauben oder Bügel sei auch nicht in der Lage, eine Verformung hervorzurufen. Aufgrund der in E5 verdickt ausgeführten Bereiche bestehe für den Fachmann keine Veranlassung, diese abweichend davon konträr zu gestalten und zum Gegenstand von Anspruch 1 zu gelangen. Da in E5 der Kontaktbereich des Lenkerelements 41 gemäß Fig. 4 "komplementär" zur Außenkontur des Achskörpers 10 sei, erfolge beim Anziehen der Schrauben kein Anschmiegen, wie von der Beschwerdegegnerin behauptet.
Die unterscheidenden Merkmale verlangten eine gewisse Geometrie für den Bereich, der den Kontakt zur Achse herstelle. Es solle eine drehfeste Verbindung mit großer Kraftübertragungsfläche bereitgestellt werden, wobei ein Bereich der Bogenwinkel beansprucht werde, in der keine Rissbildung (bei auf Zug belasteten Federlenkern, anders als bei Gussteilen) stattfinde. Die Aufgabe sei, eine Achsanbindung bereitzustellen, die einer Rissbildung entgegenwirke und gleichzeitig eine große Verformung und Kraftübertragung erlaube, um so eine gute Anbindung an das Achsrohr zu erreichen.
E5 zeige im Ausführungsbeispiel der Figur 3 eine "projection" (siehe S. 16, Z. 30) zur Festlegung des Lenkers am Achsrohr durch eine andere Maßnahme, die von den Merkmalen 1.5 und 1.7 wegführe. Zwar seien auch im Streitpatent Vorsprünge gezeigt, aber das System gemäß Anspruch 1 funktioniere auch ohne diese. Fig. 6 der E5 zeige Adapterelemente 60, die (S. 19, 1. Absatz) für eine exakte Kontaktierung zwischen Lenker und Achsrohr sorgten, also eine Lösung, um offensichtlich vorhandene Geometrieunterschiede auszugleichen. Anspruch 1 verlange eine Kreisform schon im ersten Zustand, und durch Zug werde dann eine Anpressung an das Achsrohr erreicht. Eine geeignete Bemessung der entsprechenden Parameter (Material, Wandstärke im Bereich des lenkerseitigen oder spannseitigen Anbindungsbereichs, Angriffspunkte und Kraftanzugsmoment der Befestigungselemente sowie Umschlingungswinkel) stelle keine routinemäßige Handlung des Fachmanns dar, um zu dem beanspruchten Bogenwinkelverhältnis zu gelangen. Aus Dokument E5 abzuleiten, dass sich auf jeden Fall eine 1%-ige Verformung einstellen würde, beruhe auf einer rückschauenden Betrachtungsweise. Insbesondere vor dem Hintergrund des Fachgebiets - Längslenker für Nutzfahrzeuge - sei eine solche Verformung bereits eine sehr große, weit über das in dem Fachgebiet akzeptable Maß hinausgehende Formänderung. Eine 1%-ige Verformung des Lenkerelements sei nicht nahegelegt.
Hilfsanträge I und II - erfinderische Tätigkeit
Die Einspruchsabteilung habe in ihrer Entscheidung über Hilfsantrag IV (dessen Anspruch 1 die Merkmale 1.8, 1.9 des jetzigen Hilfsantrags I aufweise) festgestellt (siehe Abschnitt 13.3), dass aus den Bildern von E5 deutlich zu erkennen sei (z. B. Fig. 5), dass die dargestellten Anbindungsbereiche eine zylindrische Form aufweisen würden, was sich aufgrund einer Verschiebung der jeweiligen Kontur entlang der Breite der Achsanbindung ergebe. Dies sei an keiner Stelle in E5 offenbart. Sie habe (siehe Seite 18) auch auf Skizzen des Anbindungsbereiches mit verschiedenen Verhältnissen von Breite (Erstreckung L) zu Durchmesser verwiesen, obwohl ein Verhältnis der Breite zum Radius beansprucht werde. Ihre Auffassung, dass in Fig. 5 der E5 deutlich erkennbar sei, dass "die Achsanbindung von E5 eindeutig zwischen den zwei Extremen" liege, widerspreche jeder Rechtsprechung. In Fig. 5 sei das hintere Ende des Lenkerelements und somit nicht der gesamte Anbindungsbereich erkennbar, also auch nicht die Erstreckung L. Der perspektivischen und schematischen Darstellung der Fig. 5 seien keine Größenverhältnisse entnehmbar (vgl. T 748/91, wobei die darin auf Seite 12 genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien).
Das beanspruchte Verhältnis sei auch nicht nahegelegt. Damit werde ein Lenker erreicht, der vollflächig und kraftschlüssig auf dem Achsrohr aufliege, wobei neben dem Kraftschluss auch das Gewicht eine Rolle spiele (zur Aufgabe siehe Streitpatent, Absatz [0008]). Das Verhältnis einer Erstreckung zum Krümmungsradius werde in E5 nicht thematisiert, da E5 Alternativlösungen zeige (Fig. 3: "projection 11"; oder Adapterelement 60 zur Verbesserung der Anbindung). Es gebe keine Veranlassung, ein Verhältnis der Erstreckung längs der Zylinderachse zum Krümmungsradius zu bedenken und zu optimieren. Fig. 5 könne der Fachmann nicht umsetzen bzw. nachbauen, da er nicht wisse, wo der Lenker aufhöre. Es gebe auch ungleichmäßig breite Lenker. Somit müsse der Fachmann erfinderisch tätig werden, da keine technische Zeichnung vorliege.
In Hilfsantrag II werde mit dem zusätzlichen Merkmal des Anspruchs 1 der beanspruchte Gegenstand nur klarer definiert, d. h. die Situation ändere sich nicht.
Hilfsantrag IV
In Hilfsantrag IV seien gegenüber Hilfsantrag I die unabhängigen Ansprüche 1, 2, 4 und 5 gestrichen worden sowie der abhängige Anspruch 11, da der verbleibende unabhängige Anspruch 1 die Merkmale dieses abhängigen Anspruchs enthalte.
Dieser unabhängige Anspruch sei seit Einreichung der Beschwerdebegründung in 2020 immer Teil des Verfahrens gewesen. Er stelle auch eine angemessene Reaktion auf den Verlauf der mündlichen Verhandlung dar. Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV sei eine Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 7 und im Einspruchsschriftsatz (siehe Seite 26) und auch in der Beschwerdeerwiderung der Einsprechenden nicht angegriffen worden, so dass die Vorlage gerechtfertigt sei. Er sei bereits im Einspruchsverfahren als unabhängiger Gegenstand gesehen und beansprucht worden, und die Einsprechende sei nicht abgehalten gewesen, sich mit der damals eingereichten Anzahl von Ansprüchen auseinanderzusetzen. Da gegen die Patentfähigkeit nichts vorgebracht worden sei, sei Hilfsantrag IV verfahrensökonomisch eine unmittelbar und prima facie gewährbare Lösung, die keine komplexen neuen Fragen aufwerfe (siehe T 2284/12, wonach Hilfsanträge auf ausführliche Erläuterungen hin in der mündlichen Verhandlung eingereicht und zugelassen worden seien; auch T 995/18, wonach eine Streichung keine Änderung des Beschwerdevorbringens darstelle).
VI. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin kann wie folgt zusammengefasst werden:
Der Stand der Technik beschreibe Achsanbindungen in ihrem Funktionszustand, also nur das fertige Produkt, und zeige deshalb keine Merkmale verfahrenstechnischer Art (vorher/nachher) wie mit Anspruch 1 beansprucht.
Erfinderische Tätigkeit ausgehend von E5
Gemäß Streitpatent seien die Begriffe "Ellipsenbogen" oder "Kreisbogen" weit und dahingehend auszulegen, dass der lenkerseitige Anbindungsbereich nur "in etwa" eine Ellipsen- oder Kreisbogenform beschreibe. Merkmal 1.5 folge aus der Beschreibung der E5, wonach der Lenker der Form des Achskörpers folge, um einen gleichmäßigen Kontakt und so eine geringere Belastung des Achskörpers zu gewährleisten (S. 15, Z. 38 - S. 16, Z. 3). Zudem seien das Lenkerelement und der Achskörper komplementär ausgebildet (S. 17, Z. 13 ff.). Eine kreisrunde Ausführungsform der Lenkeranbindung sei in Fig. 3 und 4 gezeigt, aber auch zu Fig. 5 beschrieben (ausdrücklich offenbart sei auf S. 19, Z. 14-15: "in one possible embodiment, the contact surface 55 ... is adapted to an axle tube having an outer diameter of 146 mm").
In Bezug auf Merkmal 1.7 sei an mehreren Stellen in E5 offenbart, dass es um einen Federlenker bzw. Federarm gehe (siehe Ansprüche 7, 14, 31, 46; oder S. 4, Z. 16), d. h. durch Schmieden zu einem Federstahl hergestellt, wie für das Lenkerelement 51, 71 beschrieben. Für den Federlenker sei Federstahl essentiell, da er sich verformen solle und sich auch verformen werde. Das gegenüberliegende Spannelement 56, 76 sei hingegen in E5 beschrieben als - unter anderem - durch Gießen hergestellt (S. 19, Z. 35 ff.). Bei der so offenbarten Kombination eines Lenkers aus Federstahl und einem Gussteil verhalte sich das Gussteil im Vergleich zum Federarm weitgehend starr. Die Verformung finde primär am Lenkerelement 51, 71 statt, sobald die Verschraubung angezogen würde.
Die in Merkmal M1.7 genannte Untergrenze ("das 1,01-fache") komme einer fast schon vernachlässigbaren, minimalen Verformung von nur 1 % gleich, so dass ein Unterschied zwischen dem ersten und zweiten Bogenwinkel kaum erkennbar sei (siehe Darstellung auf S. 4 der Beschwerdeerwiderung). Dies sei wichtig vor dem Hintergrund, dass bei E5 das Lenkerelement ein Federlenker sei. Die Formänderung bei Verspannen des Lenkers um die runde Achse sei ein für den Fachmann offensichtlicher, da zwangsläufiger Effekt und müsse in dem Rahmen bleiben, dass nur eine elastische und nicht bereits eine plastische Verformung eintrete. Bei Anziehen der Bolzen oder Bügel in E5 werde die beanspruchte Untergrenze erreicht. Der Gegenstand von Anspruch 1 sei damit nicht erfinderisch gegenüber E5.
Federstahl zeige eine geringe Neigung zu Sprödbruch und damit zur Rissbildung, wie von der Beschwerdeführerin behauptet, d. h. die von ihr formulierte Aufgabe stelle sich nicht. Merkmal M1.5 sei in E5 beschrieben und nur Merkmal 1.7 nicht offenbart. E5 schweige sich über einen ersten und zweiten Zustand aus, beschreibe aber die Montage. Der Fachmann entnehme seinem Fachwissen, dass es bei der Montage zu einer Verformung kommen müsse, und gelange so zum Gegenstand von Anspruch 1. Fig. 5 der E5 zeige die Achsanbindung ohne Achsrohr, wobei ein Spiel vorhanden sei. Bei Anziehen der Bolzen komme es zu einer Umformung um das Achsrohr herum, also zu einem "Anschmiegen", wobei sich die Kontaktfläche um mindestens 1 % vergrößere.
Hilfsanträge I und II - erfinderische Tätigkeit
Die Darstellung auf Seite 18 der angefochtenen Entscheidung zeige in Draufsicht nur die Breite des beanspruchten Bereiches, d. h. welche Fläche für Verhältnisse L/R im Bereich von 0,5 bis 3 abgedeckt werde (wobei die untere Skizze fehlerhaft sei und um die Hälfte schmaler sein müsse). Es sei möglich, Größenverhältnisse aus Figuren herauszulesen, wenn es sich - wie bei den Detailzeichnungen aus E5 - nicht um schematische Zeichnungen handele (selbst wenn es keine technische Zeichnungen seien). Der Fachmann könne daraus entnehmen (das Verhältnis L/R gemäß Fig. 5 liege bei etwa 1,6), wie etwas ungefähr gestaltet sein solle. Der Fachmann würde immer zu einem Verhältnis innerhalb des beanspruchten Bereiches greifen. Er würde L nicht zu klein wählen, um eine Verformung des Achsrohres zu vermeiden (wie auch in E5), aber auch nicht zu groß, um Material und damit Gewicht zu sparen. Dies sei ein dem Fachmann vertrauter Optimierungsprozess (wie auch im Streitpatent im Übergang von Spalte 3 zu Spalte 4 angesprochen), wobei er ausgehend von E5 in etwa in der Mitte des beanspruchten Bereiches landen würde. Das Vorsehen weiterer Maßnahmen stehe dem nicht entgegen (siehe auch Streitpatent, Anspruch 12: Verschweißen).
Mit dem zusätzlichen Merkmal des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag II entstehe keine geänderte Situation.
Hilfsantrag IV
Gegen Hilfsantrag IV bestünden keine formalen Einwände, aber es werde ein Verspätungseinwand geltend gemacht, da Hilfsantrag IV schon früher hätte gestellt werden können.
Anspruch 1 des Hilfsantrags IV sei im Verfahren bisher nie diskutiert worden. Er sei prima facie nicht gewährbar und sollte in der mündlichen Verhandlung materialrechtlich diskutiert werden, z. B. gegenüber Fig. 5 der E5. Aufgrund der Fülle von Ansprüchen, insbesondere der Explosion des Prüfstoffes im Einspruchsverfahren (erteilt: Anspruch 1 mit abhängigen Ansprüchen 2 bis 13; erweitert im Einspruchsverfahren auf Ansprüche 1 bis 17 mit mehreren nebengeordneten Ansprüchen), sei es der Einsprechenden bisher nicht zumutbar gewesen, zu jedem einzelnen Anspruch Stellung zu nehmen. Mit Blick auf die Verfahrensökonomie hätte ein einziger unabhängiger Anspruch 1 ausgereicht. Daher habe man sich primär auf den Anspruch konzentriert, der angreifbar erschien. Der nunmehr einzige unabhängige Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV sei ausreichender Grund dafür, jetzt auch mangelnde erfinderische Tätigkeit zu argumentieren. Im Einspruchsschriftsatz sei zwar nichts zum erteilten Anspruch 7 gesagt worden. Dies besage aber nicht, dass keine Bedenken gegen diesen Anspruch bestünden. Auch im Beschwerdeverfahren gelte der Amtsermittlungsgrundsatz, d. h. die Kammer müsse materialrechtliche Fragen im Blick haben.
1. Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag
1.1 Der Gegenstand des erteilten Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag beruht ausgehend von E5 als nächstliegendem Stand der Technik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
1.2 Der erteilte Anspruch 1 umfasst mit den Merkmalen 1.5 und 1.6 zwei alternative Ausführungsformen, wobei die Diskussion zur erfinderischen Tätigkeit sich auf die Ausführungsform gemäß Merkmal 1.5 beschränkte.
Unstrittig offenbart Dokument E5 (siehe Fig. 5) eine Achsanbindung, die ein Lenkerelement (trailing arm 51), ein Spannelement (support part 56) sowie (siehe S. 18, Z. 5: bolts (not illustrated)) ein Befestigungselement gemäß den Merkmalen 1.1 bis 1.4 des Anspruchs 1 wie erteilt. Die Einspruchsabteilung (siehe Punkt 3.2.1 der angefochtenen Entscheidung, wobei Bezug genommen wurde auf entsprechende Elemente der in Fig. 4 gezeigten Ausführungsform) und auch die beschwerdeführende Patentinhaberin haben einen Unterschied gegenüber Dokument E5 in den Merkmalen 1.5 und 1.7 gesehen.
1.2.1 Die Beschwerdegegnerin führt eine Textstelle in E5 in Bezug auf das Ausführungsbeispiel gemäß Fig. 5 an, wonach die Kontaktfläche des Lenkerelements an ein Achsrohr mit einem Außendurchmesser von 146 mm angepasst ist (S. 19, Z. 14-15: "in one possible embodiment, the contact surface 55 of the curved portion 54 of the trailing arm 51 is adapted to an axle tube having an outer diameter of 146 mm"). Eine vergleichbare Offenbarung bezüglich Fig. 5 besagt (siehe S. 18, Z. 35-38: "... the curved portion 54 with the concave contact surface 55 of the trailing arm 51 may be designed to bear directly against an axle body having a specific diameter, for example 146 mm or 127 mm"), dass die konkave Kontaktfläche des Lenkerelements zur Anlage an einen Achskörper mit einem spezifischen Durchmesser von z. B. 146 mm oder 127 mm ausgelegt sein kann. Nach Auffassung der Kammer kann aus der Angabe eines Achsrohrs bzw. Achskörpers mit einem spezifischen (Außen-)Durchmesser auf einen kreisrunde Ausbildung des Achskörpers geschlossen werden, wobei dies auch explizit in Anspruch 4 der E5 offenbart ist ("the axle body has a substantially circular cross section at the location of the clamping arrangement").
Aus Sicht der Kammer spezifiziert Merkmal 1.5 nun den lenkerseitigen Anbindungsbereich vor der Montage des Lenkerelements dahingehend, dass er - in einer Ausführungsform - einen Kreisbogen mit einem ersten Bogenwinkel aufspannt. In E5 wird an den genannten Offenbarungsstellen zu Fig. 5 ausgeführt, dass die Kontaktfläche des Lenkerelements mit dem Achskörper an den Außendurchmesser des Achskörpers angepasst ist bzw. zur Anlage an den Achskörper ausgelegt sein kann. Die Kammer kann der Beschwerdeführerin insoweit folgen, dass damit nicht notwendigerweise eine direkte und unmittelbare Offenbarung für einen lenkerseitigen Anbindungsbereich in Form eines Kreisbogens (mit einem bestimmten Radius) gegeben ist, wie mit Merkmal M1.5 gefordert.
1.2.2 Weiterhin stellt die Kammer fest, dass hinsichtlich Merkmal M1.7 E5 in Bezug auf das Ausführungsbeispiel gemäß Fig. 5 ein durch Schmieden hergestelltes flexibles Lenkerelement 51 offenbart (S. 19, Z. 27-30) und damit einen Federlenker, wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen. Das gegenüberliegende Spannelement 56 kann dabei auch durch Schmieden oder aber als Gussteil hergestellt sein (S. 19, Z. 35-36). Eine Kombination aus einem flexiblen Federlenker sowie einem Spannelement als Gussteil geht nach Auffassung der Kammer demnach bereits aus E5 hervor, insbesondere da die angeführten Passagen im Zusammenhang gelesen (s. S. 19, Z. 21-37) den Vorteil eines in hohen Stückzahlen und damit - trotz des teuren Schmiedeprozesses - mit niedrigen Produktionskosten hergestellten universalen Lenkerelements in Verbindung mit einem (angepasst an spezifische Achsaufhängungen) applikationsspezifischen, in kleineren Stückzahlen mittels des preiswerteren Gussverfahrens hergestellten Spannelements beschreiben. Allerdings beschreibt E5 in Bezug auf Fig. 5 keine Details zur Montage der Achsanbindung, so dass eine Veränderung des Bogenwinkels des lenkerseitigen Anbindungsbereiches in einem zweiten Zustand (z. B. nach der Montage) im Sinne von Merkmal 1.7 nicht aus E5 hervorgeht. Dies war im Übrigen auch nicht strittig zwischen den Parteien.
1.2.3 Die Kammer folgt der Beschwerdeführerin darin, dass mit den unterscheidenden Merkmalen 1.5 und 1.7 eine drehfeste Verbindung mit großer Kraftübertragungsfläche bereitgestellt werden soll. Allerdings ist nicht notwendigerweise (wie behauptet) von einer Zugbelastung und einer damit verbundenen Gefahr der Rissbildung für den Federlenker bei der Montage auszugehen. Wie im Streitpatent ausgeführt (Anspruch 3; siehe auch Hilfsantrag I, Anspruch 2), führt die Montage zu einer Verkleinerung des Krümmungsradius des lenkerseitigen Anbindungsbereiches. Ein flexibel ausgebildetes Lenkerelement - wie in E5 in Bezug auf Fig. 5 offenbart (siehe weiter oben) - kann insbesondere für eine solche Verformung ausgelegt sein.
Ausgehend von E5 stellt sich damit die Aufgabe, eine Achsanbindung bereitzustellen, die eine große Kraftübertragung erlaubt und damit eine gute Anbindung an den Achskörper ermöglicht.
1.2.4 Um bei der Montage der in E5 in Fig. 5 gezeigten Achsanbindung an einen Achskörper oder an ein Achsrohr eine möglichst große Kraft übertragen zu können, ist - nach Auffassung der Kammer - eine gute Anpressung bei möglichst großer Kontaktfläche zwischen Lenkerelement, Spannelement und Achskörper erforderlich. Bei einem Achskörper mit kreisförmigem Querschnitt, wie in E5 gezeigt, ist die Wahl eines kreisbogenförmigen lenkerseitigen Anbindungsbereiches als naheliegend zu betrachten, insbesondere da in E5 bereits gefordert ist (siehe S. 15, Z. 38 - S. 16, Z. 3; eine gleichlautende Passage findet sich in der Beschreibung der Fig. 5, S. 18, Z. 11-16), dass bei Befestigung an dünnwandigen Hohlachsen die Last gleichmäßig in alle Richtungen verteilt werden soll, damit der Achskörper rund bleibt. Für die in E5 angedachte vorteilhafte Kombination eines Federlenkers, also eines flexiblen Lenkerelements und eines eher starren Gussteils als Spannelement, ist die Gefahr einer Verformung des Achskörpers beim Verspannen gerade dann als gering einzuschätzen, wenn das Lenkerelement durch bloße Änderung des Krümmungsradius beim Verspannen an das Achsrohr angelegt und angepresst wird, was bei einem flexiblen Lenkerelement wie in E5 offenbart auch vorteilhaft möglich ist. Damit ist eine Ausführung gemäß Merkmal 1.5 für den Fachmann naheliegend, wie auch von der Einspruchsabteilung bereits festgestellt.
Die Kammer sieht allerdings auch eine Verformung des flexiblen Lenkerelements im Bereich der Untergrenze des in Merkmal 1.7 beanspruchten Bereiches, also eine Vergrößerung des Bogenwinkels um das 1,01-fache, als eine bei der diskutierten Konstellation (flexibles Lenkerelement, Spannelement als Gussteil) für den Fachmann naheliegende Formänderung bei Verspannung des Lenkerelements (durch Anziehen von entsprechenden Bolzen in Fig. 5) um einen kreisrunden Achskörper (wie in E5 offenbart) an. Zum einen fordert die beanspruchte Untergrenze nur eine äußerst minimale Verformung des Lenkerelements, die bei einem Achsrohrdurchmesser von z. B. 127 mm und einem Bogenwinkel von etwa 180° (wegen b = pi*d*180/360 = pi*d/2) z. B. nur in der Größenordnung von etwa 2 mm (1 % von b) liegen würde. Zum anderen ist es bei einem Bogenwinkel von größer als 180°, der in E5 ebenso wie im Streitpatent (siehe Sp. 8, Z. 52) auch als mögliche Ausführungsform im Zusammenhang mit Fig. 5 vorgeschlagen wird (S. 18, Z. 15-16: "Incidentally, it is also conceivable for the curved portion of the trailing arm to surround the periphery of the axle body over more than 180°."), zwangsläufig erforderlich, dass das Lenkerelement bei der Montage mit einem etwas größeren Krümmungsradius im Vergleich zum Achsrohr ausgeführt ist, so dass beim Verspannen des flexiblen Lenkerelements mit dem eher starren Spannelement aus E5 der Krümmungsradius verkleinert und eine Vergrößerung des Bogenwinkels erreicht wird. Eine 1%-ige Verformung entsprechend der beanspruchten Untergrenze bei der Montage von Lenkerelement und Achsrohr in E5 und Anziehen der Bolzen kann nach Auffassung der Kammer vor diesem Hintergrund keine erfinderische Tätigkeit begründen, zumal der mit Merkmal M1.7 beanspruchte "zweite Zustand" auch nicht näher spezifiziert wird, z. B. bezüglich des Ausgangszustandes vor der Montage (hinsichtlich der Materialwahl, der Geometrie und des Umschlingungswinkels) und auch der Montage selbst (wie dem Kraftanzugsmoment der Befestigungselemente). Ausgehend von E5 wird der Fachmann, wenn er wie in E5 vorgeschlagen einen Bogenwinkel des Lenkerelements von größer als 180° erreichen will, die Parameter des Lenkerelements daher geeignet bemessen, was im Rahmen seiner routinemäßigen Fertigkeiten liegt, und so in naheliegender Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag gelangen.
1.2.5 Die Kammer war nicht überzeugt von den Argumenten der Beschwerdeführerin, dass das in Fig. 5 der E5 dünner ausgebildete Spannelement sich bei Zugbelastung verformen würde und der lenkerseitige Anbindungsbereich des Lenkerelements nicht dazu ausgelegt sei verformt zu werden, da er den dicksten Bereich des Federlenkers bilde und noch einen abgesetzten Materialsteg aufweise. Wie bereits ausgeführt, erfordert gerade die Ausführung mit dem in E5 vorgeschlagenen Bogenwinkel des Lenkerelements größer als 180° zwangsläufig eine Verformung des Lenkerelements, wobei E5 auch explizit eine Ausführungsform mit flexiblem Lenkerarm offenbart. Zudem ist das in Fig. 5 gezeigte Spannelement 56 im Bereich der Befestigungselemente auch dicker ausgeführt und weist zwischen den Befestigungsbereichen 561 auch einen Materialsteg sowie im oberen Bereich Stege 562 zur Befestigung eines Stoßdämpfers auf, so dass bei der angenommenen Materialpaarung (flexibles Lenkerelement und als Gussteil ausgeführtes Spannelement) nichts gegen eine bevorzugten Verformung des Lenkerelements beim Verspannen der Bolzen spricht.
Da die vorstehenden Ausführungen von der zu Fig. 5 in E5 beschriebenen Ausführungsform ausgehen, sind die von der Beschwerdeführerin in Bezug auf die Ausführungsform gemäß Fig. 4 vorgebrachten Argumente unbeachtlich, ebenso die Ausführungen zu dem im Ausführungsbeispiel gemäß Fig. 3 gezeigten Vorsprung (projection). Die in Fig. 6 gezeigten Adapterelemente 60 sind laut E5 (siehe Seite 19, 1. Absatz) für den Fall vorgesehen, dass ein für einen Achskörper von 146 mm Durchmesser gefertigtes Lenkerelement 51 auch bei Achskörpern mit kleinerem Durchmesser von z. B. 127 mm verwendet werden soll. Dies ist ebenfalls unbeachtlich, da E5 wie bereits zu Fig. 5 ausgeführt explizit (Seite 18, Zeilen 35-38) auch ein Lenkerelement 51 zur direkten Anlage an einen Achskörper von 127 mm Durchmesser offenbart.
2. Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag I
2.1 Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag I beruht ausgehend von E5 ebenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ).
2.2 Die zusätzlichen Merkmale 1.8 und 1.9 definieren zylinderförmig ausgebildete lenkerseitige und/oder spannseitige Anbindungsbereiche mit einer Erstreckung (L) längs der Zylinderachse, die in einem Verhältnis von 0,5 bis 3 zu einem Krümmungsradius (R) des lenkerseitigen Anbindungsbereiches steht, wobei offen gelassen ist, ob es sich dabei um den Krümmungsradius vor der Montage oder im montierten Zustand handelt.
2.2.1 Wenn wie vorstehend zum Hauptantrag ausgeführt ein kreisbogenförmiger lenkerseitiger Anbindungsbereich für die Ausführungsform gemäß Fig. 5 der E5 nahegelegt ist, so ist mit gleicher Begründung (wenn also bei Montage des Lenkerelements an einer dünnwandigen Hohlachse mit kreisförmigem Querschnitt die Last gleichmäßig in alle Richtungen verteilt werden soll) ein zylinderförmig ausgebildeter lenkerseitiger Anbindungsbereich für den Fachmann naheliegend, selbst wenn dies nicht explizit in E5 offenbart ist (was im Übrigen die Frage der Neuheit betreffen würde, die ja bereits für Merkmal 1.5 bejaht wurde).
2.2.2 Der beanspruchte Bereich des Verhältnisses L/R der Erstreckung längs der Zylinderachse zum Krümmungsradius ist derart breit, dass der Fachmann beim Versuch, die in Fig. 5 in E5 gezeigte Achsanbindung nachzubauen, in naheliegender Weise ein Verhältnis wählen würde, das in den beanspruchten Bereich fallen würde. Der Bereich des Verhältnisses L/R = 3 ... 0,5 bedeutet bei Umrechnung auf den Durchmesser statt des Radius (R = d/2) einen Bereich L/d = 1,5 ... 0,25. Die untere Grenze bedeutet, dass der Durchmesser viermal so groß ist wie die Länge der Erstreckung längs der Zylinderachse, also ein relativ schmal ausgebildetes Lenkerelement, die obere Grenze hingegen ein gegenüber dem Durchmesser des Achskörpers etwas breiter ausgebildetes Lenkerelement.
2.2.3 Die von der Beschwerdeführerin zitierte Rechtsprechung zur Entnahme von Größenverhältnissen aus Zeichnungen betrifft die Frage der Neuheit, ist vorliegend also unbeachtlich, da nicht von einer direkten Offenbarung der Merkmale 1.8 und 1.9 in E5 ausgegangen wird. Die Kammer kann der Beschwerdeführerin aber auch nicht darin folgen, dass der Fachmann Fig. 5 aus E5 (aufgrund fehlender Details) nicht nachbauen könne und auch keine Veranlassung habe, das Verhältnis L/R in E5 zu bedenken oder zu optimieren. Zum einen richtet sich die Lehre der E5 an den Fachmann des betreffenden technischen Gebietes, und beim Blick auf die in Fig. 5 gezeigte perspektivische Darstellung einer Achsanbindung kann der Fachmann etwaige fehlende Informationen mit seinem Fachwissen ergänzen. Zudem steht die Frage einer Gewichtsersparnis im Bereich der Fahrzeugtechnik immer im Vordergrund und ist in E5 sogar angedacht (Fig. 9a zeigt eine Lösung zur Materialeinsparung mit einem nicht gleichmäßig breiten Lenkerelement), so dass ein Verhältnis L/R im beanspruchten Bereich im Rahmen von fachüblichen Optimierungen (z. B. bei Auslegung der Achsanbindung für unterschiedliche Lastanforderungen) erreicht würde. In E5 gezeigte Alternativlösungen stehen dem nicht entgegen, zumal auch im Streitpatent ein zusätzliches Verschweißen vorgeschlagen wird.
3. Erfinderische Tätigkeit - Hilfsantrag II
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II weist neben den zusätzlichen Merkmalen 1.8 und 1.9 des Hilfsantrags I das zusätzliche Merkmal M1.7a auf. Dieses definiert den ersten bzw. zweiten Zustand gemäß Merkmal 1.5 bzw. 1.7 als Zustand vor bzw. nach Montage der Achsanbindung, wie bereits bei Diskussion der erfinderischen Tätigkeit des Hauptantrags von der Kammer angenommen.
Damit beruht auch der Gegenstand von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag II mit gleicher Begründung wie bereits zum Hauptantrag und zum Hilfsantrag I ausgeführt nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit (Artikel 56 EPÜ). Die Parteien haben bezüglich Merkmal M1.7a (wie auch im Einspruchsverfahren, siehe angefochtene Entscheidung, Punkt 6.3 zum damaligen 1. Hilfsantrag) auch keine weiteren Argumente vorgebracht.
4. Zulassung des in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer eingereichten Hilfsantrags IV in das Verfahren
4.1 Der in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Hilfsantrag IV wurde in das Beschwerdeverfahren (Artikel 13 (2) VOBK 2020) zugelassen.
4.2 Gemäß Artikel 13 (2) VOBK 2020 bleiben Änderungen des Beschwerdevorbringens eines Beteiligten nach Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung grundsätzlich unberücksichtigt, es sei denn, der betreffende Beteiligte hat stichhaltige Gründe dafür aufgezeigt, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen.
4.3 Die Beschwerdeführerin hat die Entscheidung T 995/18 angeführt, in der die Streichung eines (abhängigen) Anspruchs nicht als Änderung des Beschwerdevorbringens gesehen wurde, da sich dadurch keine geänderte Sachlage ergibt (siehe auch T 1480/16, Punkt 2.3). Vorliegend ist also zunächst zu prüfen, ob eine Änderung gemäß Artikels 13 (2) VOBK 2020 vorliegt, und wenn ja, ob die Beschwerdeführerin stichhaltige Gründe für das Vorliegen außergewöhnlicher Umstände aufgezeigt hat.
4.4 Eine Änderung eines Patents stellt in der Regel eine Änderung des Beschwerdevorbringens dar (siehe J 14/19, Gründe 1.5). In der bisherigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern zu Artikel 13 (2) VOBK 2020 wird daher auch im Grundsatz im Streichen von Verfahrens- bzw. Produktansprüchen eine Änderung des Patents gesehen, außer wenn sich hierdurch keine geänderte Sachlage bzw. keine Neugewichtung des Verfahrensgegenstands ergibt (siehe z. B. T 1569/17, Gründe 4.3.1 und 4.3.2).
4.5 Vorliegend hat die Beschwerdeführerin, nachdem die mit der Beschwerdebegründung ursprünglich eingereichten Hilfsanträge III bis V den unabhängigen Anspruch 1 des Hilfsantrags I bzw. II aufwiesen und damit mit gleicher Begründung nicht gewährbar waren, in der mündlichen Verhandlung vor der Kammer neue Hilfsanträge III und IV eingereicht und abschließend nur den Hilfsantrag IV aufrechterhalten.
Gegenüber dem vorliegenden Hilfsantrag I, der neben dem oben diskutierten Anspruch 1 noch nebengeordnete, unabhängige Ansprüche 2 bis 5 aufweist, wurden im neuen Hilfsantrag IV im Wesentlichen die unabhängigen Ansprüche 1, 2, 4 und 5 gestrichen, so dass in Hilfsantrag IV lediglich ein einziger unabhängiger Anspruch verblieben ist, der dem Anspruch 3 des oben diskutierten Hilfsantrags I entspricht.
4.6 Wie von der Beschwerdeführerin weiter argumentiert, wurde dieser auf einer Kombination der erteilten Ansprüche 1 und 7 beruhende Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag IV schon im Einspruchsschriftsatz (siehe dort Seite 26) nicht angegriffen und - zumindest substantiell - auch nicht mit der Beschwerdeerwiderung der Beschwerdegegnerin, obwohl er bereits in Form des unabhängigen Anspruchs 3 des Hilfsantrags I immer Teil des Verfahrens war. Dies hat die Beschwerdegegnerin auch nicht bestritten.
4.7 Somit kann die Kammer in der Stellung des Hilfsantrags IV in der mündlichen Verhandlung mit Rückgriff auf einen im bisherigen Verfahren nie angegriffenen Gegenstand kein geändertes Beschwerdevorbringen erkennen, das im Sinne von Artikel 13 (2) VOBK 2020 nur ausnahmsweise bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände in das Beschwerdeverfahren zugelassen werden kann.
Die Beschwerdegegnerin machte in der mündlichen Verhandlung keine formalen Einwände gegen die Zulässigkeit des Anspruchs 1 gemäß Hilfsantrag IV geltend.
Darüber hinaus stellt vor diesem Hintergrund der bisherige Vortrag der Beteiligten die Grundlage für eine Entscheidung über Hilfsantrag IV zugunsten der Beschwerdeführerin dar und ist geeignet die bisher aufgeworfenen Fragen auszuräumen (prima facie Gewährbarkeit).
5. Neuer Einwand gegenüber Hilfsantrag IV
5.1 Eine erstmalige materialrechtliche Diskussion in der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren in Bezug auf den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags IV wurde von der Kammer nicht in das Verfahren zugelassen (Artikel 13 (2) VOBK 2020).
5.2 Die Zulassung dieses geänderten Vorbringens, das erst in der mündlichen Verhandlung nach der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung erfolgen sollte, unterliegt den Bestimmungen des weiter oben bereits zitierten Artikels 13 (2) VOBK 2020.
5.3 Wie von der Beschwerdegegnerin zugestanden, ist dieser Einwand bisher nie - auch nicht im Verfahren vor der Einspruchsabteilung - vorgebracht worden, obwohl das gemäß der Beschwerdegegnerin relevante Dokument E5 schon im Einspruchsverfahren eingereicht worden ist. Das zur selben Patentfamilie gehörendes Dokument US 2011/227 308 A1 lag sogar schon im Prüfungsverfahren vor (siehe Deckblatt der B-Schrift des Streitpatents).
Außergewöhnliche Umstände, die ein früheres Vorbringen dieses neuen Einwandes hätte verhindern können, kann die Kammer nicht erkennen. Auch die Beschwerdegegnerin hat keine stichhaltigen Gründe vorgebracht, die auf außergewöhnliche Umstände schließen lassen und so die Berücksichtigung neuer Einwände basierend auf E5 hätten rechtfertigen können.
5.4 Das Argument der Beschwerdegegnerin, aufgrund der Fülle von Ansprüchen bzw. der Explosion des Prüfstoffs im Einspruchsverfahren sei es der Einsprechenden bisher nicht zumutbar gewesen zu jedem einzelnen Anspruch Stellung zu nehmen, kann nicht überzeugen.
Im Einspruchsschriftsatz beantragte die Einsprechende den Widerruf des europäischen Patents im Umfang sämtlicher Patentansprüche 1 bis 13. Sie legte neben ihren Argumenten zur mangelnden Neuheit und mangelnden erfinderischen Tätigkeit des unabhängigen Anspruchs 1 allerdings nur dar, warum die Unteransprüche 2-6 und 10-13 aus dem Stand der Technik vorbekannt bzw. nicht erfinderisch seien (siehe dort Seite 23). Insbesondere fehlte es also bereits im Einspruchsschriftsatz an einer substantiierten Argumentation zu einer mangelnden Patentfähigkeit des erteilten Anspruchs 7 (und des von Anspruch 7 abhängigen Anspruchs 8). Auch in ihrer Erwiderung auf das Einreichen von Hilfsanträgen I und II mit ebenfalls jeweils nur 13 Ansprüchen im Einspruchsverfahren (die noch den erteilten abhängigen Anspruch 7 enthielten) ging die Einsprechende nicht auf die Merkmale des erteilten Anspruchs 7 ein.
Auch nachdem die beschwerdeführende Patentinhaberin mit ihrer Beschwerdebegründung Hilfsanträge eingereicht hat, die als Rückfallposition für einen nicht gewährbar erachteten Anspruch 1 wie erteilt mehrere unabhängige Ansprüche - darunter jeweils einen mit den Merkmalen des erteilten Anspruchs 7 eingeschränkten unabhängigen Anspruch - enthielten, hat die Beschwerdegegnerin ihren Vortrag nicht ergänzt. Auch eine unzumutbare "Explosion des Prüfstoffs" wie von der Beschwerdegegnerin behauptet kann die Kammer nicht erkennen, da die zusätzlichen unabhängigen Ansprüche lediglich Merkmale der erteilten Ansprüche aufgreifen.
5.5 Die Beschwerdegegnerin kann sich dabei auch nicht auf den Amtsermittlungsgrundsatz gemäß Artikel 114 (1) EPÜ berufen, da nach ständiger Rechtsprechung das Beschwerdeverfahren, anders als das rein administrative Einspruchsverfahren, als verwaltungsgerichtliches Verfahren weniger auf Ermittlungen ausgerichtet, sondern in erster Linie auf eine Überprüfung der in erster Instanz ergangenen Entscheidung (siehe G 9/91, Gründe Nr. 18). Im Beschwerdeverfahren ist der in Artikel 114 (1) EPÜ verankerte Amtsermittlungsgrundsatz restriktiver anzuwenden als im Einspruchsverfahren. Dieser Ermittlungspflicht sind Grenzen gesetzt, und zwar zunächst nach Artikel 114 (2) EPÜ für den Fall, dass Tatsachen und Beweismittel verspätet vorgebracht werden.
Wie in T 2843/19 zur Zumutbarkeit von "Kaskaden von Argumentationslinien" festgestellt (Orientierungssatz, Punkt 3), trifft die Parteien die Pflicht zur sorgfältigen und beförderlichen Verfahrensführung, aus Gründen der Fairness gegenüber der anderen Partei, aber auch um das Verfahren innerhalb einer angemessenen Verfahrensdauer zum Abschluss zu bringen. Eine Verletzung dieser Pflicht (die bereits Ausdruck findet in dem Artikel 114 (2) EPÜ) in einem sehr späten Verfahrensstadium wird durch Artikel 13 (2) VOBK 2020 sanktioniert.
6. Da somit kein anhängiger Einwand seitens der Beschwerdegegnerin gegen Hilfsantrag IV vorliegt, bietet dieser Antrag die Grundlage für die Aufrechterhaltung des Streitpatents in geändertem Umfang.
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, ein Patent in geänderter Fassung auf der Grundlage des Hilfsantrags IV, erstmals eingereicht in der mündlichen Verhandlung, und einer noch anzupassenden Beschreibung aufrechtzuerhalten.