T 0042/84 (Aluminat-Spinell) 23-03-1987
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1. Da die Richtlinien nicht rechtsverbindlich sind, gilt es nicht als Verfahrensmangel im Sinne der Regel 67 EPÜ, wenn sich die Prüfungsabteilungen nicht daran halten, sofern sie damit nicht gleichzeitig gegen eine Verfahrensregel oder einen Verfahrensgrundsatz verstossen, der im EPÜ oder in seiner Ausführungsordnung verankert ist.
2. Das Versäumnis des Amts, der Entscheidung den Wortlaut der Artikel 106 bis 108 EPÜ beizufügen, macht die Entscheidung nicht ungültig und stellt auch keinen wesentlichen Verfahrensmangel dar.
Zurückverweisung zur weiteren Entscheidung
Erweiterung (verneint)
Rechtsverbindlichkeit - Richtlinien
Beschwerdegebühr/Rückzahlung (verneint)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (verneint)
Missachtung der Bitte des Anmelders um telephonische Benachrichtigung durch die Prüfungsabteilung/wesentlicher Verfahrensmangel (verneint)
Unterlassene Beifügung des Wortlauts der Artikel 106 bis 108 EPÜ zur Entscheidung des Amts/wesentlicher Verfahrensmangel (verneint)
I. Die am 29. Dezember 1980 eingereichte europäische Patentanmeldung Nr. 80 304 734.9 wurde unter der Nummer 33424 veröffentlicht.
II. In ihrem ersten Bescheid erhob die Prüfungsabteilung den Einwand, daß einige der in dem ursprünglich eingereichten Anspruch 1 ausdrücklich beanspruchten Alternativverfahren im Hinblick auf die Entgegenhaltungen DE-A-2 119 897 und US-A-4 147 763 nicht neu seien und daß es den übrigen an erfinderischer Tätigkeit mangle.
III. Daraufhin ersetzte die Anmelderin den ursprünglichen Anspruchssatz durch einen neuen mit den Ansprüchen 1 bis 13 und reichte gleichzeitig geänderte Beschreibungsseiten ein.
IV. In einem zweiten Bescheid wies die Prüfungsabteilung unter anderem darauf hin, daß die neuen Ansprüche 2, 4 und 6 neue Gegenstände enthielten und deshalb gegen Artikel 123 (2) EPÜ verstießen.
V. In ihrer Erwiderung auf diesen Bescheid bestritt die Anmelderin dies; sie hielt die Ansprüche 4 bis 13 unverändert aufrecht, reichte jedoch neue Ansprüche 1 bis 3 ein. Sie bat den Prüfer, sich mit ihrem Vertreter telefonisch in Verbindung zu setzen, falls es noch etwas zu besprechen gebe.
VI. Bevor die Prüfungsabteilung am 11. Oktober 1983 die Entscheidung zur Zurückweisung der Anmeldung erließ, fand jedoch keine weitere Rücksprache zwischen dem Prüfer und dem Vertreter der Anmelderin mehr statt. Der Entscheidung lagen die am 11. Mai 1983 eingereichten Ansprüche 1 bis 3 und die am 15. September 1982 eingereichten Ansprüche 4 bis 13 zugrunde. Die Zurückweisung wurde damit begründet, daß die Ansprüche 4 und 6 neue Gegenstände enthielten, so daß ein Verstoß gegen Artikel 123 (2) EPÜ vorliege.
VII. Die Anmelderin hat am 26. November 1983 gegen diese Entscheidung Beschwerde eingelegt und am 28. Januar 1984 eine Begründung nachgereicht. Die Beschwerdegebühr wurde ordnungsgemäß entrichtet.
VIII. Ferner ist die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ beantragt worden.
(...)
4. Deshalb kann weder bei Anspruch 4 noch bei Anspruch 6 des Hauptantrags billigerweise davon ausgegangen werden, daß er eine Erweiterung enthält; die angefochtene Entscheidung muß deshalb aufgehoben werden.
5.(...)
6. ... hält es die Kammer für angezeigt, von ihrer Befugnis nach Artikel 111 EPÜ Gebrauch zu machen und die Angelegenheit zur weiteren Entscheidung an die erste Instanz zurückzuverweisen.
7.(...)
8. Zu dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist zu bemerken, daß eine Rückzahlung nach Regel 67 EPÜ nicht nur voraussetzt, daß die Kammer zugunsten der Beschwerdeführerin entscheidet, sondern auch, daß ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliegt.
9. Die Richtlinien sind, wie aus der allgemeinen Einleitung dazu hervorgeht, nicht rechtsverbindlich. Es gilt also nicht als Verfahrensmangel im Sinne der Regel 67 EPÜ, wenn sich die Prüfungsabteilung nicht daran hält, sofern sie damit nicht gleichzeitig gegen eine Verfahrensregel oder einen Verfahrensgrundsatz verstößt, der im EPÜ oder in seiner Ausführungsordnung verankert ist.
10. Im vorliegenden Fall muß deshalb festgestellt werden, ob der Prüfer tatsächlich einen solchen Verstoß begangen hat, als er sich über die in dem Schreiben vom 3. Mai 1983 geäußerte Bitte des Vertreters der Anmelderin, ihn anzurufen, falls es noch etwas zu besprechen gebe, hinwegsetzte und mit ihm auch sonst nicht mehr in Verbindung trat, bevor die Zurückweisungsentscheidung erlassen wurde.
11. Die Kammer ist davon überzeugt, daß sich die Entscheidung ausschließlich auf Gründe stützt, die der Anmelderin im Bescheid vom 25. Januar 1983 mitgeteilt worden waren und zu denen sie sich somit hatte äußern können, was sie ja auch getan hat. Ihres Erachtens kann der Antrag im Schreiben vom 5. Mai 1983 nicht als Antrag auf eine mündliche Verhandlung nach Artikel 116 EPÜ betrachtet werden. Somit liegt kein Verstoß gegen die Artikel 113 (1) und 116 EPÜ vor.
12. Es gibt sonst nur noch einen Artikel im EPÜ, der im Zusammenhang mit der Prüfung europäischer Patentanmeldungen die Verfahrensweise der Prüfungsabteilung regelt, nämlich Artikel 96 (2) EPÜ; er schreibt vor, daß die Prüfungsabteilung den Anmelder nach Maßgabe der Ausführungsordnung so oft wie erforderlich auffordert, innerhalb einer von ihr zu bestimmenden Frist eine Stellungnahme einzureichen.
Im vorliegenden Fall hat sich die Prüfungsabteilung zweimal mit der Anmelderin in Verbindung gesetzt und sie zur Einreichung einer Stellungnahme aufgefordert, wenn auch der Einwand, auf den sich die Zurückweisung gründete, zwangsläufig erst im zweiten Bescheid erhoben wurde, da er sich gegen eine freiwillige Änderung richtete, die auf den ersten Bescheid hin vorgenommen worden war. Nach Auffassung der Kammer war eine weitere Aufforderung zur Stellungnahme nicht erforderlich, da sowohl die Prüfungsabteilung als auch die Anmelderin ihre Standpunkte in der betreffenden Frage, die sich nicht geändert hatte, bereits dargelegt hatten. Somit lag also auch kein Verstoß gegen Artikel 96 (2) EPÜ vor.
13. Die vom Amt unterlassene Beifügung des Wortlauts der Artikel 106 bis 108 EPÜ zu seiner Entscheidung macht diese weder ungültig, noch stellt sie einen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar. In Regel 68 EPÜ heißt es ausdrücklich, daß die Beteiligten aus der Unterlassung der Rechtsmittelbelehrung, in der sie auch auf die Artikel 106 bis 108 aufmerksam zu machen seien, deren Wortlaut beizufügen sei, keine Ansprüche herleiten können; dies gilt nach Auffassung der Kammer auch für den Fall, daß nur der Wortlaut dieser Artikel nicht beigefügt worden ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
14. Aus diesen Gründen kann dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht stattgegeben werden.