T 0128/87 10-08-1989
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Verpackungsvorrichtung
Erfinderische Tätigkeit (ja)
inventive step (yes)
I. Auf die am 23. Juni 1980 angemeldete und am 04. Februar 1981 veröffentlichte europäische Patentanmeldung Nr. 80 103 498.4 ist am 06. Juli 1983 das europäische Patent Nr. 0 023 264 erteilt worden.
II. Gegen das erteilte Patent hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) Einspruch eingelegt und beantragt, das Patent zu widerrufen, da der Gegenstand des Patents nach den Artikeln 52 bis 57 EPÜ nicht patentfähig sei.
Zur Stützung ihres Einspruchs verweist sie zunächst auf die DE-B-2 430 497 und stellt später richtig in
(A) DE-A-2 430 497
sowie auf die
(B) US-A-3 491 504.
III. Mit Zwischenentscheidung vom 13. Februar 1987 hat die Einspruchsabteilung festgestellt, daß der Aufrechterhaltung des Patents mit den Unterlagen der Mitteilung gemäß Regel 58 (4) EPÜ vom 25. September 1986 Einspruchsgründe nach Artikel 100 EPÜ nicht entgegenstünden.
IV. Gegen die Zwischenentscheidung hat die Beschwerdeführerin (Einsprechende) am 26. März 1987 Beschwerde eingelegt und diese begründet sowie die Gebühr rechtzeitig entrichtet, vgl. Zwischenentscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.2.1 vom 03. Juni 1988, "Entscheidungsformel".
Die Beschwerdeführerin beantragt die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und das nachgesuchte Patent zu widerrufen, wobei als Beschwerdegründe mangelnde Offenbarung des beanspruchten Gegenstandes und Naheliegen desselben geltend gemacht wurden.
V. Mit Bescheid gemäß Artikel 110 (2) EPÜ vom 09. Mai 1989 hat die Beschwerdekammer mangelnde Abgrenzung mit Blick auf die Druckschrift (A) festgestellt und u. a. die Streichung eines abhängigen Anspruchs sowie Anpassungen bzw. Klarstellungen der Beschreibung gefordert.
VI. Daraufhin reicht die Beschwerdegegnerin Unterlagen im Sinne des vorgenannten Bescheides ein.
Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"1. Verpackungsvorrichtung für eine mit einer Oberfolie (19) zu verschließende Verpackung, mit einer rahmenartig ausgebildeten und mit einem eigenen Antrieb (29) versehenen Schweißvorrichtung (16, 17) zum Verschweißen einer Unter-und der Oberfolie (2, 19), von denen zumindest die Unterfolie (2) behälterartig verformt ist und von einer Kette (7) an den Seiten gehalten durch die Verpackungsvorrichtung (37) transportiert wird, und mit einer Evakuierungskammer, die zwei relativ zueinander in vertikaler Richtung verstellbare kastenartige Hälften (38, 39) hat, wobei eine Hälfte die Schweißvorrichtung (17) aufnimmt und die obere Hälfte (38) der Evakuierungskammer an der Einlaufseite ihres an der gegenüberliegenden Hälfte (39) anliegenden Randes eine Ausnehmung (45) aufweist, in die eine mit einer Zuführleitung verbundene Düsenleiste (35) zwischen die Unterfolie (2) und Oberfolie (19) liegend eingreift und relativ zu den beiden Hälften der Evakuierungskammer (38, 39) beweglich ist und bei geöffneter Evakuierungskammer einen Abstand sowohl zur unteren als auch zur oberen Kammerhälfte hat, dadurch gekennzeichnet, daß die eine Hälfte (38) der Evakuierungskammer ortsfest und die andere Hälfte (39) heb- und senkbar ist und daß die die Unterfolie (2) transportierende Kette (7) zumindest im Bereich der Verpackungsvorrichtung (37) relativ zur ortsfest angeordneten Hälfte (38) der Evakuierungskammer mittels eines Antriebes (15) für die Kettenführungen (8) heb- und senkbar angeordnet ist."
Diesem Anspruch folgen abhängige Ansprüche 2 und 3. Die geltende Beschreibung ist an diese Ansprüche angepaßt sowie weitgehendst im Sinne des Bescheides vom 09. Mai 1989 gehalten.
Die Beschwerdegegnerin beantragt die Aufrechterhaltung des Patents in diesem Umfange.
Die Beschwerdeführerin teilt auf den Bescheid vom 09. Mai 1989 bzw. auf die diesbezügliche Stellungnahme der Beschwerdegegnerin mit, daß der Haupteinwand gegen den vorstehend zitierten Anspruch 1 derjenige gemäß Artikel 123 EPÜ sei.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 sowie Regel 64 EPÜ; sie ist zulässig. Was die Frage der rechtzeitigen Zahlung der Beschwerdegebühr anbelangt, darf auf die Zwischenentscheidung der Technischen Beschwerdekammer 3.2.1 vom 03. Juni 1988 verwiesen werden, die sich ausschließlich mit dieser Frage beschäftigt und diesbezüglich zu einem positiven Ergebnis kommt.
2. Da die Beschwerde hauptsächlich darauf gestützt wird, daß das Erfordernis des Artikels 123 EPÜ nicht erfüllt sei, ist diese für den Bestand des Patents entscheidende Frage zuerst zu untersuchen.
2.1. Anspruch 1 stellt eine Zusammenfassung von Merkmalen aus den ursprünglichen Ansprüchen 1, 2 und 3 dar. Aus abgrenzungstechnischen Gründen wurde das Merkmal, wonach die Hälfte "38" der Evakuierungskammer ortsfest, die Hälfte "39" jedoch heb- und senkbar ist, im Oberbegriff des Anspruchs 1 dahingehend verallgemeinert, daß von einer relativen Verstellbarkeit der besagten Teile in vertikaler Richtung die Rede ist, während im Kennzeichen von Anspruch 1 der ursprüngliche Wortlaut belassen wurde.
Zum Kennzeichenmerkmal des Anspruchs 1 "mittels eines Antriebes (15) für die Kettenführungen" wird auf die ursprünglichen Ansprüche 2 und 3 verwiesen, die beide auf den damaligen Anspruch 1 rückbezogen sind, wobei Anspruch 2 von der Halterung der Kette "7" in Führungen, die heb- und senkbar sind, spricht, während in Anspruch 3 die Rede ist von "Einrichtungen (15) zum Heben und Senken der Führungen".
Ergänzend wird Bezug genomen auf die ursprünglichen Figuren 1 bis 4, aus denen ganz klar ersichtlich ist, daß die "Einrichtungen (15) zum Heben und Senken der Führungen" nichts anderes sind als "Antriebe", da der Fachmann einseitig beaufschlagbare Zylinder mit Federrückstellung schlechthin als Antriebe bezeichnen kann.
Aus der Tatsache, daß die Kettenführungen im geltenden Anspruch 1 das Bezugszeichen "8", in den ursprünglichen Ansprüchen 2 und 3 hingegen "12, 13; 27, 28" tragen, kann ebenfalls nichts Nachteiliges gegen die Beantwortung der Frage der ausreichenden Ursprungsoffenbarung hergeleitet werden, da Bezugszeichen nach Regel 29 (7) EPÜ ohnehin zu keiner Einschränkung des Anspruches herangezogen werden dürfen. Außerdem wird noch auf Spalte 3 Zeilen 6 bis 8 hingewiesen.
Die vorstehende Feststellung der Kammer, wonach "Einrichtungen zum Heben und Senken der (Ketten)-Führungen" zurecht als "Antriebe" bezeichnet werden dürfen, findet ihre Stütze nicht nur in den ursprünglichen Figuren, sondern auch in der ursprünglichen Beschreibung, vgl. S. 2, Z. 27 mit 29 und S. 3, Z. 6 mit 9, wonach diese Einrichtungen z. B. pneumatische oder hydraulische Zylinder sein können. Derlei Bautele als "Antrieb" zu bezeichnen, ist nach Auffassung der Kammer allgemein üblich.
Zusammenfassend kommt die Kammer daher zu der Überzeugung, daß Anspruch 1 dem Erfordernis des Artikels 123 (2) EPÜ genügt. Gleiches gilt für die Ansprüche 2 und 3, die den ursprünglichen Ansprüchen 3 und 4 entsprechen.
2.2. Der geltende Anspruch 1 ist durch die Aufnahme des Merkmals, wonach die Kette und mit ihr die Kettenführungen mittels eines Antriebes heb- und senkbar sind, gegenüber dem erteilten Anspruch 1 weiter eingeschränkt worden, da im erteilten Anspruch 1 lediglich von einer heb- und senkbaren Kette die Rede ist. Damit verstößt Anspruch 1 nach Auffassung der Kammer auch nicht gegen die Bedingungen des Artikels 123 (3) EPÜ.
Für die geltenden Ansprüche 2 und 3 gilt das vorstehend Gesagte, da in Anspruch 2 anstelle des erteilten Wortes "Einrichtungen" lediglich in Anlehnung an den Wortlaut des Anspruchs 1 abgestellt ist auf "Antriebe" und da Anspruch 3 dem erteilten Anspruch 3 unmittelbar entspricht.
Bei dieser Sachlage ist nach Auffassung der Kammer der Schutzbereich der Ansprüche im (Einspruchs)Beschwerdeverfahren nicht erweitert worden.
3. Die Neuheit des Gegenstandes des Anspruchs 1 ist unstrittig, sie wird auch von der Beschwerdeführerin nicht in Frage gestellt, so daß sich hierzu weitere Ausführungen erübrigen.
4. Hinsichtlich der Frage der erfinderischen Tätigkeit ist folgendes festzustellen:
4.1. Ausgangspunkt der Erfindung ist die Druckschrift (A). Demgegenüber liegt der Erfindung die Sp. 1, Z. 55 bis 62 der Streitpatentschrift 0 023 264 entnehmbare Aufgabe zugrunde, nämlich die gattungsgemäße Verpackungsvorrichtung so auszubilden, daß auch bei nur einer beweglichen Vakuumkammerhälfte diese für die Herstellung von Verpackungen geeignet ist, bei denen sowohl die Unter- als auch die Oberfolie behälterartig verformt ist.
Diese der Streitpatentschrift entnehmbare Aufgabe ist als die objektiv verbleibende Aufgabe anzusehen.
4.2. Zur Lösung dieser Aufgabe ist gemäß Kennzeichenteil des Anspruchs 1 vorgesehen, daß
die eine Hälfte (38) der Evakuierungskammer ortsfest und die andere Hälfte (39) heb- und senkbar ist, wobei die Kette (7) zumindest im Bereich der Verpackungsvorrichtung (37) relativ zur ortsfest angeordneten Hälfte (38) der Evakuierungskammer heb- und senkbar angeordnet ist und ein Antrieb (15) an den Kettenführungen (8) der Kette (7) angreift.
Es ist unmittelbar erkennbar, daß Anspruch 1 diese Aufgabe vollständig löst, da zum einen eine Hälfte der Evakuierungskammer ortsfest und nur die andere Hälfte heb-und senkbar ausgebildet ist und da zum anderen die Kette ebenfalls heb- und senkbar ist, so daß sowohl die Ober- als auch Unterfolie behälterartig verformt sein können, ohne den Folientransport in irgendeiner Weise zu behindern.
4.4. Die Druckschrift (A) kann dem Fachmann keinen Hinweis zur Auffindung der beanspruchten Aufgabenlösung geben, da deren Vorrichtung ganz auf zwei verfahrbare Kammerhälften und eine nicht höhenverstellbare Kette "15, 16" abgestellt ist, vgl. Anspruch 1, S. 6 Abs. 1 und S. 7 Abs. 2 was die Ausbildung der Evakuierungskammer anbelangt bzw. S. 6 letzte Zeile und S. 7 Abs. 1 sowie Figur 3 was die Ketten anbelangt. Eine gewisse Gemeinsamkeit mit dem Gegenstand des Anspruchs 1 ergibt sich lediglich aus dem Umstande, daß gemäß S. 1 Z. 5 von (A) beide Folienbänder behälterartig verformt sein können. Ansonsten betrifft die Druckschrift (A) etwas grundlegend Anderes, nämlich die beschleunigte Bedampfung und Evakuierung von Verpackungen sowie die dazu erforderliche Ausbildung und Anordnung der Düsenleiste "17", vgl. insbes. Figuren 1 und 3 bis 7 von (A). Das beim Streitpatent angesprochene Problem mit nur einer beweglichen Hälfte der Evakuierungskammer behälterförmig ausgebauchte Unter- und Oberfolien sicher durch die Verpackungseinrichtung zu führen, wird beim Vorhalt (A) ebensowenig angesprochen wie beim Vorhalt (B).
4.5. Bei (B) sind schalenförmige Träger "102" auf einer umlaufenden Kette "100" befestigt; in diese Träger werden Schalen "104" eingelegt, die das zu verpackende Gut aufnehmen, vgl. Fig. 11 bis 13 von (B).
Gemäß Fig. 14 und 15 von (B) können die vorgenannten Schalen "104" auch ersetzt werden durch eine Unterfolie "184", die aber im Gegensatz zum Gegenstand des Anspruchs 1 eben ist. Wenn in (B) von "tray" bzw. von "bottom member of film" die Rede ist, vgl. Sp. 2 Z. 49 oder Sp. 5 Z. 71 oder Sp. 9 Z. 18/19, dann sind damit Einzelteile und keine Folienbahnen wie beim Streitpatent zu verstehen. Durch das Fehlen einer Unter- und einer Oberfolie, die beide behälterförmig ausgebaucht sind, sind beim Gegenstand von (B) die Antriebsketten nicht aktiv angetrieben wie beim Gegenstand des Anspruchs 1, sondern lediglich in Form eines Toleranzausgleiches höhenbeweglich, vgl. Rückstellfeder "152" in Fig. 13 von (B). Der Hub der vorbekannten Ketten ist demzufolge gering und ist nicht mit demjenigen zu vergleichen, der beim Gegenstand des Anspruchs 1 durch die Ausbauchungen sowohl der Unter- als auch der Oberfolie erforderlich ist und der ganz auf die Größe der Ausbauchungen von Unter- und Oberfolie abgestimmt werden kann, da die Kettenführungen "8" und mit ihnen die die Unterfolie transportierende Kette "7" von einem speziell hierfür vorgesehenen Antrieb "15" heb- und senkbar sind.
Selbst wenn in (B) eine Unterfolie "184" anstelle der Schalen "104" Einsatz findet, vgl. Fig. 14/15 von (B), dann ergibt sich aus dieser Tatsache kein verwertbarer Hinweis, der den Fachmann auf die Lehre des Anspruchs 1 hinlenken könnte, denn im Falle der Ausführung nach Fig. 14/15 von (B) entfällt die Kette "100" gemäß Fig. 11 bis 13 von (B); es sind dann ein einfacher Rollgang "180" im Bereich vor der Siegelstation und eine Gleitbahn "182" im Bereich der Siegelstation vorgesehen. Der Rollgang "180" verbietet nach Auffassung der Kammer jede Überlegung dahingehend, daß die Unterfolie "184" mit Ausbauchungen versehen werden könnte.
In (B) werden die Verpackungsteile "versiegelt"; es ist zumindest strittig, ob das Verschweißen gemäß Anspruch 1 mit diesem Versiegeln (Erwärmen der Oberfolie vor bzw. in der Versiegelstation und Anpressen der erwärmten Oberfolie unter Ausnützung des Atmosphärendruckes an das zu verpackende Gut) vergleichbar ist, da das Verschweißen gemäß Streitpatent in einem Schritt erfolgt, ohne daß dazu ein Vakuum auf der einen Seite der Folie und der Atmosphärendruck auf der anderen Seite derselben ausgenützt werden muß. In (B) fehlt weiterhin die Düsenleiste des Streitpatents, so daß (B) auch insoweit bereits hinter dem Oberbegriff des Anspruchs 1 zurückbleibt.
4.6. Zusammenfassend kommt die Kammer zu dem Schluß, daß (A) und (B) weder einzeln noch in Kombination dem Gegenstand von Anspruch 1 aus der Sicht der erfinderischen Tätigkeit entgegenstehen, so daß das Patent auf der Basis der Ansprüche 1 bis 3 des Hauptantrages Bestand haben kann, da der Gegenstand des Anspruchs 1 auch auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ) und da die abhängigen Ansprüche vorteilhafte Ausgestaltungen desselben zum Inhalt haben.
5. Die geltende Beschreibung ist an den Wortlaut des geänderten Patentbegehrens angepaßt und entspricht auch sonst im wesentlichen den Vorschriften des EPÜ.
Offenbar versehentlich wurde in Sp. 1 der Streitpatentschrift der Passus "Eine derartige Verpackungsvorrichtung ist aus der DE-A-2 430 497 bekannt." bei der Überarbeitung der Beschreibung gestrichen bzw. die letzten beiden Zeilen von Sp. 4 der Streitpatentschrift nicht gestrichen, obwohl mit Eingabe vom 06. Juni 1989 neue Patentansprüche vorgelegt wurden. Das Einverständnis der Beschwerdegegerin voraussetzend, Regel 88 EPÜ in Verbindung mit Artikel 114 (1) EPÜ, wurde die Beschreibung im aufgezeigten Sinne berichtigt.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die erste Instanz mit der Auflage zurückverwiesen, das Patent 0 023 264 mit folgenden Unterlagen aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1 bis 3 vom 06. Juni 1989, eingegangen 08. Juni 1989;
Beschreibung Sp. 1 bis 4 vom 06. Juni 1989, eingegangen 08. Juni 1989, mit der Einfügung von "Eine derartige Verpackungsvorrichtung ist aus der DE-A-2 430 497 bekannt." nach Abs. 1 von Sp. 1 bzw. mit der Streichung der letzten beiden Zeilen von Sp. 4 ("Patentansprüche ... mit einer");
Zeichnungen gemäß Patent Nr. 0 023 264.