T 0018/92 30-04-1993
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Form of appeal - withdrawal
Parties to appeal - entitlement to appeal - adversely effected
I. Die Einspruchsabteilung hat durch Entscheidung vom 23. Oktober 1991 das europäische Patent Nr. 0 155 258 gemäß Artikel 102 (1) EPÜ widerrufen.
II. Gegen diese Entscheidung hat die Patentinhaberin eine zulässige Beschwerde eingelegt und zunächst beantragt, die Entscheidung aufzuheben und das Patent in seiner erteilten Fassung oder (gemäß gewissen Hilfsanträgen) im geänderten Umfang aufrechtzuerhalten. Die Beschwerdegegnerin hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt.
III. Nach einer der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung der Kammer gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern hat die Patentinhaberin mit Schreiben vom 22. Januar 1993 erklärt, daß sie weder mit der erteilten Fassung des Patents noch mit irgendeiner anderen Fassung einverstanden sei und selbst den Widerruf des Patents beantrage.
IV. Mit Schreiben vom 2. Februar 1993 wurde der Patentinhaberin von der Geschäftsstelle der Kammer mitgeteilt, daß nach Ansicht der Kammer die obengenannte Erklärung und der zugehörige Antrag in der Wirkung der Rückname der Beschwerde entsprechen und daß das Beschwerdeverfahren damit als beendet anzusehen sei.
V. Mit Schreiben vom 4. März 1993 hat die Patentinhaberin folgendes ausgeführt:
"Auf die Mitteilung der Beschwerdekammer in dieser Angelegenheit vom 2.2.1993 wird der Antrag auf Widerruf des Streitpatents bestätigt und das Einverständnis damit erklärt, daß als Wirkung hiervon das Beschwerdeverfahren beendet wird. Insofern liegt eine Wirkung vergleichbar jener bei Rücknahme der Beschwerde vor.
Allerdings spricht sich die Patentinhaberin vorsorglich dagegen aus, daß der Antrag auf Widerruf tatsächlich der Rücknahme der Beschwerde gleichgesetzt wird: Der Antrag der Patentinhaberin auf Widerruf bedeutet, daß das vorliegende Patent - mit ex tunc-Wirkung - ohne weiteres zu widerrufen ist, wobei die Beschwerdekammer auch von ihrer Befugnis nach Artikel 111 (1) Satz 2 EPÜ Gebrauch machen und den Widerruf des Patents beschließen kann, vgl. auch z. B. T 237/86 (ABl. EPA 1988, 261), d. h. es kann sich eine Zurückverweisung an die Einspruchsabteilung zwecks Widerrufsbeschluß erübrigen. Dabei bleibt die Frage der Richtigkeit oder Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in der Sache selbst unberührt. Im Falle einer Rücknahme der Beschwerde würde jedoch die erstinstanzliche Entscheidung samt Begründung in Rechtskraft erwachsen, und insofern könnte, wenn der Antrag auf Widerruf als Rücknahme der Beschwerde gewertet wird, ein Einverständnis der Patentinhaberin mit dem Ergebnis der Entscheidung der Einspruchsabteilung in der vorliegenden Sache unterstellt werden, was aber tatsächlich nicht zutrifft.
Demgemäß wäre im Hinblick auf die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß Artikel 106 (1) sowie auf die Entscheidungsbefugnis gemäß Artikel 111 (1) EPÜ das vorliegende Patent von der Beschwerdekammer aufgrund des Antrages vom 22.1.1993 zu widerrufen (wobei das Beschwerdeverfahren hiermit beendet wird), nicht jedoch eine Rücknahme der Beschwerde - mit der Folge des In-Rechtskraft-Erwachsen des durch die Einspruchsabteilung ausgesprochenen Widerrufs aufgrund des Einspruchsvorbringens - zu vermuten."
1. Die rechtliche Lage im vorliegenden Fall unterscheidet sich wesentlich von derjenigen in der von der Patentinhaberin zitierten Sache T 237/86 dadurch, daß im vorliegenden Fall das Patent schon von der Einspruchsabteilung widerrufen worden ist, während in der Sache T 237/86 der Einspruch gegen das Patent von der Einspruchsabteilung zurückgewiesen worden war. In einer solchen Situation bedeutet ein Antrag der Patentinhaberin auf Widerruf des Patents, daß sie eine sachliche Änderung in bezug auf das Ergebnis des Einspruchsverfahrens anstrebt, was die Aufhebung der Entscheidung der Einspruchsabteilung voraussetzt und eine neue Entscheidung der Beschwerdekammer notwendig macht.
2. Im vorliegenden Fall beantragt die Patentinhaberin keine sachliche Änderung im Hinblick auf das Ergebnis, sondern nur, daß der Widerruf des Patents durch die Entscheidung der Einspruchsabteilung durch eine entsprechende Entscheidung der Kammer gemäß Artikel 111 (1) EPÜ ersetzt wird. Dies ist aber im Hinblick auf die rechtlichen Wirkungen des Widerrufs gegenstandslos, weil in beiden Fällen die in den Artikeln 64 und 67 EPÜ vorgesehenen Wirkungen der europäischen Patentanmeldung und des darauf erteilten europäischen Patents in dem Umfang, in dem das Patent im Einspruchsverfahren widerrufen ist, als von Anfang an nicht eingetreten gelten (Artikel 68 EPÜ; siehe hierzu auch Rechtsauskunft Nr. 11/82, EPA 1982, 57).
3. Es muß deswegen angenommen werden, daß der Antrag auf Widerruf des Patents durch eine Entscheidung der Kammer im Grunde genommen darauf beruht, daß die Patentinhaberin mit den Gründen der Entscheidung der Einspruchsabteilung nicht einverstanden ist. Es ist aber ein allgemein anerkannter verfahrensrechtlicher Grundsatz, daß eine Partei keinen Rechtsanspruch darauf hat, daß nur die Gründe einer Entscheidung überprüft werden.
4. Unter diesen Umständen kommt nach Ansicht der Kammer die in III genannte Erklärung in ihrer rechtlichen Wirkung einer Rücknahme der Beschwerde gleich.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Sache hat sich durch die in III genannte als Rücknahme der Beschwerde anzusehende Erklärung erledigt; das Patent bleibt widerrufen gemäß der Entscheidung der Einspruchsabteilung.