T 1163/98 30-01-2002
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Werkzeug mit hochbelastbaren Wirk(Arbeits-)flächen
Ausreichende Offenbarung
Ausführbarkeit (nein)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung des EPA vom 23. Juli 1998, mit der die europäische Patentanmeldung 93 107 142.7 auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 8, eingereicht mit Schreiben vom 6. August 1997, zurückgewiesen wurde.
II. Die Prüfungsabteilung begründete ihre Entscheidung damit, daß die Erfindung nicht so deutlich und vollständig offenbart sei, daß ein Fachmann sie ausführen könne. Die Anmeldung erfülle somit nicht die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ. Unter anderem wurde die Druckschrift
D1: Chen Ren-wu, et al.,: "The Microstructure and Mechanism of the Formation of the CVD TiC Coating Layer on Steel Substrate", in Advances in Surface Treatments, A. Niku-Lari, volume 1, Pergamon Press, 1984, Seiten 139 bis 145
in Betracht gezogen.
III. In seiner Beschwerdebegründung vertrat der Beschwerdeführer (Patentanmelder) die Ansicht, daß dem auf dem speziellen genannten technischen Gebiet tätigen Durchschnittsfachmann aus der Offenbarung der Patentanmeldung eine hinreichende Lehre vermittelt werde, so daß er unter Zuhilfenahme seines Fachwissens die Erfindung ausführen könne. Zum Beleg dieses allgemeinen Fachwissens wurde unter anderem auf die folgenden Druckschriften hingewiesen:
D2: Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen, Nr. 2244, 1972, Dr. Keller: "Vergleichsuntersuchungen an gas-, bad- und ionitrierten Maschinenteilen", Seiten 8 bis 21
D3: Karlheinz Schmitt-Thomas: "Metallkunde für das Maschinenwesen", Band I, Springer Verlag 1988, Seiten 138 bis 155, 239 bis 254.
IV. In dem der Ladung zur mündlichen Verhandlung beigefügten Bescheid äußerte die Kammer nach einer vorläufigen Bewertung der Sachlage Zweifel an der Ausführbarkeit des Anmeldungsgegenstands, da aufgrund der Vielzahl der in der Anmeldung genannten unspezifischen Aussagen und Begriffe nicht erkennbar sei, mit welchen Verfahrensschritten das beanspruchte Werkzeug hergestellt werden könne.
V. Am 30. Januar 2002 fand vor der Beschwerdekammer eine mündliche Verhandlung statt. Der Beschwerdeführer beantragte, die Zurückweisungsentscheidung der Prüfungsabteilung aufzuheben und ein Patent auf der Basis der Ansprüche 1 bis 8, eingereicht mit Schreiben vom 6. August 1997, zu erteilen.
Anspruch 1 lautet wie folgt:
"1. Werkzeug mit hochbelastbaren Wirk(Arbeits)flächen, mit mindestens einer
- auf härtbarem Stahl,
- mittels eines Hochtemperatur-CVD-Verfahrens aufgebrachter,
- Hartstoffschicht, bestehend aus
- Karbiden, Nitriden, Boriden, Oxiden der Metalle der IV bis VI Gruppe des periodischen Systems in beliebiger Zusammensetzung,
- einer mit Kohlenstoff und/oder Stickstoff und/oder Bor angereicherter Diffusionszone im härtbaren Stahl, die unmittelbar unter der mindestens einen aufgebrachten Hartstoffschicht liegt, wobei
- die mindestens eine Hartstoffschicht durch differenzierte Keimbildungsdichte in der Diffusionszone (längs unterschiedlich aktivierter Korngrenzen), unterschiedlich rasch aufwächst, wodurch sich
- etwa 100.000 bis 1 Million mikroskopisch kleine Flachmulden pro Quadratzentimeter bilden, deren Tiefe ca. 25 % bis 40 % der Gesamtschichtstärke, maximal jedoch 3 bis 4 m, beträgt und deren flächige Ausdehnung etwa 300 m2 bis 30 m2 umfaßt; und
- die Flachmulden durch Überstromschwellen miteinander netzartig verbunden sind."
VI. Der Beschwerdeführer argumentierte wie folgt:
Die Anmeldung betreffe ein Werkzeug mit hochbelastbaren (Reib-)Flächen, wie sie z. B. bei Ziehwerkzeugen oder Pressen erforderlich sind, die aus einem härtbaren Stahlsubstrat und einer mittels eines Hochtemperatur- CVD-Verfahrens aufgebrachten Hartstoffschicht aus Karbiden, Nitriden, Boriden und/oder Oxiden bestehen. Der wesentliche Gesichtspunkt liege dabei darin, daß das beanspruchte Werkzeug keine glatte Oberfläche besitze, sondern mikroskopisch kleine, netzartig miteinander verbundene Flachmulden aufweise, wodurch bessere Benetzungs-, Spreitungs- und Tragbedingungen für das erforderliche Schmiermittel geschaffen würden. Durch die in den Mikro-Flachmulden enthaltenen Schmiermitteldepots werde die spezifische Festkörperreibung, z. B. während des Preß- oder Ziehvorgangs, entscheidend reduziert, so daß die insgesamt resultierenden Reibkräfte und der Verschleiß vermindert und der Wirkungsgrad der Gleitpaarung gesteigert werde.
Alle in der Patentanmeldung genannten technischen Verfahrenschritte und Maßnahmen richteten sich an den Durchschnittsfachmann für chemische Dampfphasenabscheidung, den die gemachten Angaben zusammen mit seinem Grundlagenwissen in die Lage versetzen, das in Anspruch 1 beanspruchte Werkzeug mit seiner spezifischen Oberflächenstruktur herzustellen. Da es sich im vorliegenden Fall um ein forschungsnahes technisches Gebiet handele, sei der in Frage kommende Fachmann als hochspezialisierter Hochschulingenieur mit vertieften Kenntnissen auf dem Gebiet der Werkstofftechnik anzusehen, dessen Wissen es erlaube, die Verfahrensbedingungen im Hinblick auf das angestrebte Ergebnis gezielt zu verändern. Eine weitergehende detaillierte Offenbarung des Herstellungsverfahrens sei deshalb nicht erforderlich gewesen.
Bereits die Ansprüche vermittelten dem Fachmann zahlreiche Hinweise über die Herstellung des beanspruchten Werkzeugs. So müsse bei dem verwendeten härtbaren Stahlsubstrat auf die Einhaltung einer speziellen "Snyder-Graff-Zahl" geachtet werden, einer Kenngröße, die ein Maß für die vorhandene Kristallitmenge im Substrat darstelle und die Anzahl und Ausbildung der Flachmulden entscheidend bestimme. Entscheidend sei aber auch die Bereitstellung einer mit den Leichtelement C, N, B oder O angereicherten Diffusionszone an der Substratoberfläche vor der CVD- Beschichtung. Beim nachfolgenden Abscheidungsprozeß der Hartstoffe entleere sich dieses zuvor in der Substratoberfläche aufgefüllte Reservoir an C, N, B, O wieder, und zwar vorzugsweise entlang der Korngrenzen und Stoßstellen zwischen mehreren Körnern. Dadurch ergäben sich an diesen Störstellen im Gefüge für die Abscheidung der Hartschicht bevorzugte Keimbildungsbedingungen vorlägen. An den Korngrenzenstoßstellen, wo drei Gefügekörner aufeinandertreffen, entstünden gegenüber dem sonstigen Schichtwachstum auf der Stahlsubstratoberfläche erhöhte Bereiche abgeschiedenen Hartstoffs, welche die beanspruchte Schichttopographie mit kuppenförmigen Schichterhöhungen über den Korngrenzenstoßstellen und Überstromschwellen über den Korngrenzen entstehen lasse. Die im einzelnen bei dem Beschichtungsvorgang ablaufenden Diffusionsprozesse über die Oberfläche, die Korngrenzen und das volle Korn seien dem Fachmann aus seinem Grundstudium, z. B. aus den Druckschriften D2 und D3, hinreichend bekannt. Die Bereitstellung der Diffusionszone und die CVD- Abscheidung würden in derselben Vorrichtung durchgeführt, wobei eine gewisse zeitliche Nähe zwischen beiden Schritten erforderlich sei. Es bedürfte für den Fachmann deshalb lediglich noch einiger zumutbarer Orientierungsversuche, welche auch gelegentliche Fehlschläge miteinschlössen, um auf der Grundlage der vermittelten Lehre die geeigneten Verfahrensparameter herauszufinden und mit einem relativ geringen und zumutbaren Versuchsaufwand das beanspruchte Werkzeug herstellen zu können. Der Anspruchsgegenstand sei somit im Sinne von Artikel 83 EPÜ ausreichend offenbart.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Ausreichende Offenbarung; Ausführbarkeit der Erfindung; Artikel 83 EPÜ
2.1. Neben dem Erfordernis der Neuheit und des Vorliegens einer erfinderischen Tätigkeit entsprechend den Artikeln 52 bis 57 EPÜ ist die ausreichende Offenbarung und die Wiederholbarkeit einer Erfindung eine wesentliche Voraussetzung für die Erteilung eines Patents. Bei der Beantwortung der Frage, ob eine Erfindung im Sinne von Artikel 83 EPÜ ausreichend offenbart ist, muß der Gesamtinhalt der Patentanmeldung, d. h. die Beschreibung, die Ansprüche und die Zeichnungen in Betracht gezogen werden. Dabei ist zu berücksichtigen, daß die Offenbarung sich an den maßgeblichen Fachmann richtet, und ob dieser durch die offenbarte Lehre in die Lage versetzt wird, die Erfindung unter Zuhilfenahme seines allgemeinen Fachwissens auszuführen ohne dabei zu Maßnahmen greifen zu müssen, die sein fachmännisches Können übersteigen. Auch fordert das EPÜ nach Regel 27 (1) e), daß wenigstens ein Weg zur Ausführung der beanspruchten Erfindung im einzelnen anzugeben ist. Dies kann, wo es angebracht ist, durch Beispiele oder unter Bezugnahme auf Zeichnungen geschehen.
2.2. Da Anspruch 1 auf ein Werkzeug mit einer in besonderer Weise ausgeprägten Oberflächenstruktur gerichtet ist, die sich nicht in einfacher Weise, sondern erst durch ein gezieltes CVD-Verfahren ergibt, wird der Fachmann in der Beschreibung nach einem Herstellungsverfahren und den verfahrenstechnisch kritischen Parametern suchen, die er zu beachten und einzuhalten hat, um das beanspruchte Werkzeug erfolgreich verwirklichen zu können. Dabei wird er sich zunächst auf die Nacharbeitung eines oder mehrerer Ausführungsbeispiele konzentrieren, die ihm alle wesentlichen und notwendigen Verfahrensparameter, welche ihn ohne Umwege zum Erfolg führen, nennen. Ein solcher Weg, etwa in Form eines detaillierten nacharbeitbaren Beispiels, zur Herstellung des beanspruchten Werkzeugs mit seiner speziell ausgebildeten Oberflächenstruktur bietet die Anmeldung jedoch nicht.
Zwar wird in Spalte 8 zum besseren Verständnis der Erfindung auf ein in einer Zeichnung dargestelltes "Ausführungsbeispiel" Bezug genommen, jedoch erschöpft sich dieses in der schematischen zeichnerischen Darstellung und Beschreibung eines Schnittes durch ein erfindungsgemäßes fertig beschichtetes Gleitlager mit mehreren Hartstoffschichten. Hinweise darauf, mit welchen Maßnahmen dieses "Ausführungsbeispiel" erzeugt wurde, fehlen aber in der Beschreibung.
2.3. Der Fachmann wird deshalb weiter in der Anmeldung nach verfahrenstechnisch wesentlichen Merkmalen, die er bei der Herstellung des beanspruchten Werkzeugs zu beachten hat, suchen. Der Beschreibungseinleitung ist zu entnehmen, daß der durchschnittlichen Größe der Substratkristalle eine wichtige strukturierende Funktion zukommt, denn durch sie wird die Anzahl der beim CVD-Beschichten gebildeten Flachmulden/cm2 und die flächige Ausdehnung derselben entscheidend bestimmt (siehe Beschreibung, Spalte 3, Zeilen 17 bis 40). Eine vorausgehende Härtungsbehandlung des Stahlsubstrats muß also darauf abzielen, eine bestimmte Korngröße, ausgedrückt durch die Synder-Graff-Zahl (= gemittelte Länge der Substratkristalle über 5 inch Länge) zwischen ca. 7 bis 22 einzustellen. Allerdings ist die Einhaltung einer bestimmten Snyder-Graff-Zahl nach der Härtung nicht die einzige Kenngröße zum Erreichen der gewünschten Flachmuldendichte, denn diese wird auch durch die gewählten thermischen Bedingungen des CVD- Prozesses in gewissen Grenzen beeinflußt (siehe Beschreibung, Spalte 3, Zeilen 48 bis 55). Da das Hochtemperatur-CVD-Verfahren bei einer Temperatur von mehr als 800 C vorgenommen wird, bei der auch umfangreiche Kristallumwandlungen bei den Stählen ablaufen (siehe Beschreibung, Spalte 1, Zeilen 32 bis 39), muß sich der Fachmann auf die Suche nach einer geeigneten Stahlzusammensetzung für das Substrat machen, welches nach der Härtung und auch während des Hochtemperatur-CVD Prozesses die gewünschte Snyder-Graff-Kornzahl aufweist. Dabei hat er auch zu berücksichtigen, daß vorhandene Legierungselemente, wie etwa Chrom, Vanadium oder Titan, nicht mit den Leichtelementen reagieren und dadurch die im folgenden Schritt vorzunehmende Ein- und Ausdiffusion der Leichtelemente C, N, B, O über die Korngrenzen und Stoßstellen be- oder gar verhindern. Eine geeignete oder besonders bevorzugte Stahlzusammensetzung aus der Vielzahl der im Stand der Technik zur Verfügung stehenden Werkzeugstähle nennt die Patentanmeldung nicht.
2.4. Selbst wenn der Fachmann ein geeignetes Stahlsubstrat ausgewählt hat, so bietet ihm die Beschreibung keine Angaben darüber, welche Kriterien für die Bereitstellung einer "angereicherten Diffusionszone" in der Substratoberfläche zu erfüllen sind. Es wird dabei nicht in Frage gestellt, daß die die Diffusion im einzelnen bestimmenden Mechanismen wie Korngrenzen- oder Volumendiffusion dem Fachmann aus seinem Grundlagenstudium oder aus den Druckschriften D2 und D3 hinlänglich bekannt sind. Allerdings bleibt es im vorliegenden Fall völlig offen, in welchen Mengen, d. h. mit wieviel Prozent (oder ppm) C, N, B oder O die Substratoberfläche angereichert werden muß oder, als Alternative, wie lange bei einer geeigneten Temperatur und einem gewählten Partialdruck das oder die jeweiligen Leichtelemente in die Substratoberfläche eindiffundieren müssen, um das "Oberflächendepot" in ausreichendem Maße für den darauffolgenden CVD-Beschichtungsvorgang aufzufüllen. Daß die Herstellung der erfindungsgemäß erforderlichen "angereicherten Diffusionszone" nicht ganz und gar unkritisch ist, sondern im Gegenteil eine wesentliche Voraussetzung für die Ausbildung der Flachmuldenstruktur ist, kann den während des Prüfungsverfahrens vorgetragenen Ausführungen des Anmelders entnommen werden (siehe dazu Entscheidung der Prüfungsabteilung, Seite 3, Punkt 2.3; Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. Juli 1998, Seite 1, Absatz 3). Dort hat der Anmelder angegeben, welche Verfahrensparameter er für geeignet erachtet und daß die Behandlungszeit unter anderem auch von der Rauhigkeit des Stahlsubstrats abhängig sei. Auch unterscheide sich die Einstellung einer "angereicherten Diffusionszone" von einer üblichen Karburierung oder Nitrierung dahingehend, daß sie nicht zu intensiv vorgenommen werden dürfe, denn dies führe zu einer unerwünschten Verteilung der Leichtelemente in der Diffusionszone. Die erfindungsgemäß "angereicherte Diffusionszone" sei deshalb entscheidend für die erfolgreiche Ausbildung der Flachmuldenstruktur der abgeschiedenen Hartstoffe. Es bleibt dem fachmännischen Leser der Anmeldung jedoch verschlossen, worin sich die beanspruchte "angereicherte" Diffusionszone von einer "üblichen" Karburierung oder Nitrierung unterscheidet.
2.5. Auch hinsichtlich des nachfolgende Hochtemperatur-CVD-Verfahrens werden dem Fachmann durch die Anmeldung keine technischen Informationen genannt, die ihn zielgerichtet zum Erfolg führen. Zwar erfährt er in Spalte 4, Zeilen 4 bis 24 der Beschreibung, daß sich beim Abscheidungsprozeß über den Korngrenzenstoßstellen infolge schnellerer Diffusion und rascheren Wachstums Flachkuppen und über den Korngrenzen flachwellige Schwellen bilden, die in der Regel nur halb so hoch sind wie die Flachkuppen, jedoch werden ihm keine Verfahrensmaßnahmen an die Hand gegeben, mit denen eine Überhöhung der Flachkuppen von 25 bis 40 % gegenüber den Flachmulden zielsicher erreicht werden kann.
Daß sich auch hier die angestrebte Topographie nicht sozusagen von selbst einstellt, wird durch die Betrachtung von Druckschrift D1, die bereits im Prüfungsverfahren diskutiert wurde, gestützt (siehe Protokoll der mündlichen Verhandlung vor der Prüfungsabteilung vom 9. Juli 1998, Seite 2, Punkt 4). Auch auf dem gemäß D1 im Hochtemperatur-CVD-Verfahren beschichteten Stahlsubstrat T10 hat sich eine uniforme TiC Oberflächenschicht mit einem "konvexen" Netzwerk entlang der Austenit-Korngrenzen ausgebildet (siehe dazu D1, Tabellen 1, 2, Figuren 2 und 3 und dazugehörender Text). Dies deutet auf ein unterschiedliches Aufwachsen der Hartstoffschicht entlang der Korngrenzen und über die Kornmitte hin. Der Anmelder räumte ein, daß sich beim Verfahren nach D1 zwar auch eine Diffusionszone ausbilde, diese jedoch nicht in der Weise angereichert sei, wie es die Anmeldung fordere. Somit werde die beanspruchte Oberflächenstruktur auch nicht erreicht.
2.6. Zusammenfassend ist somit festzustellen, daß der Fachmann zur Herstellung des beanspruchten Werkzeugs
a) ein geeignetes Stahlsubstrat heraussuchen müßte,
b) die Oberfläche dieses Substrates für den nachfolgenden CVD-Beschichtungsvorgang in geeigneter Weise mit einem oder mehreren Leichtmetallen beladen und somit ein "Depot" in Form einer "angereicherten Diffusionszone" bereitstellen müßte und
c) die Abscheidungsbedingungen im nachfolgenden CVD-Verfahren so zu wählen hätte, daß sich die beanspruchte Flachmuldentopographie des Werkzeugs ausbildet.
Da die Anmeldung an keiner Stelle spezifische verfahrenstechnische Daten offenbart oder wenigstens einen Weg zur Ausführung der Erfindung beschreibt, wie dies Regel 27 (1) e) EPÜ fordert, wird der Fachmann zur Durchführung von umfangreichen Testreihen veranlaßt, um auf diese Weise herauszufinden, welche Bedingungen er für die Schritte a) bis c) zur erfolgreichen Herstellung des Werkzeugs mit den Merkmalen nach Anspruch 1 unbedingt einhalten muß. Ein solches Erfordernis zur Durchführung eines aufwendigen und mitunter auch kostspieligen Testprogramms mit zahlreichen Versuchsreihen zur Ermittlung der notwendigen und aufeinander abzustimmenden Parameter übersteigt jedoch den für den Fachmann zumutbaren Aufwand, denn es ist mehr als zweifelhaft, daß die Versuche dem Fachmann rasch ein zuverlässiges Bild über die Herstellbarkeit des beanspruchten Werkzeugs geben.
2.7. Obwohl dem Beschwerdeführer darin zuzustimmen ist, daß ein gewisser Experimentieraufwand dem Fachmann durchaus zuzumuten ist, so muß die Beschreibung dennoch dem Fachmann unter Benutzung seines Fachwissens eine brauchbare Anleitung liefern, die ihn nach Auswertung anfänglicher Fehlschläge oder - bei Zufallsversuchen - mit einer gewissen statistischen Erwartungsquote zwangsläufig und ohne Umwege zum Erfolg führt. Nur dann kann eine Offenbarung als ausreichend betrachtet werden (siehe dazu Entscheidung T 226/85, Punkte 7 und 8 der Entscheidungsgründe). Auch sollten die Regeln für die Abstimmung der Variablen aufeinander, die für die Durchführung des Verfahrens entscheidend sind, der Beschreibung zu entnehmen sein. Ferner sollte diese Anhaltspunkte über den Einfluß einzelner Variablen auf die Eigenschaften des Erzeugnisses enthalten, die den Fachmann in die Lage versetzen, die angestrebten Stoffparameter im Falle eines Fehlschlages rasch und zuverlässig einzustellen (siehe Entscheidung T 14/83, Punkt 6, erster Satz, Punkt 7, zweiter Absatz letzter Satz der Entscheidungsgründe).
Demgegenüber enthält die Beschreibung der strittigen Anmeldung eine Fülle von allgemeinen Aussagen, wie z. B.
- "spezielle substratorientierte Prozeßführung, gestützt auf die unmittelbar vor und während der Schichtabscheidung durchgeführte chemische Variation der Aufwachsbedingungen" (Spalte 2, Zeilen 54 bis 57),
- "Hartstoffe mit spezifischer Keimdichteempfindlichkeit", Spalte 4, Zeilen 9 und 10),
- "zweckmäßige Kombination zusätzlicher Schichten, um die Konturen der Flachmulden gezielt zu erhöhen oder abzuschwächen", Spalte 4, Zeilen 25, 26) usw.
2.8. Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auch die Formulierung in Anspruch 1 mit seinem Merkmal daß "die mindestens eine Hartstoffschicht durch differenzierte Keimbildungsdichte in der Diffusionszone (längs unterschiedlich aktivierter Korngrenzen) unterschiedlich rasch aufwächst, wodurch sich ... Flachmulden bilden" zu betrachten. Eine derart ungenaue Angabe, die auf das anzustrebende Ergebnis gerichtet ist, kann nur dann hingenommen werden, wenn sie so deutlich ist, daß ein Fachmann die in der Anmeldung offenbarte Erfindung ausführen kann. Es ist deshalb erforderlich, daß entweder der Sinn einer solchen Angabe bei der Lektüre der Originalfassung der Patentanmeldung klar erkennbar wird, oder daß der Fachmann ohne weitere Erklärung erkennt, welche Bedingungen zu diesem Ergebnis führen (T 219/85, Punkt 2.3 der Entscheidungsgründe).
Auch die in diesem Zusammenhang vom Beschwerdeführer genannten Entscheidungen T 931/91 und T 107/91 vermögen an dieser Beurteilung der Sachlage nichts zu ändern. In T 931/91 enthielt das Streitpatent zumindest zwei Beispiele, von denen Beispiel 2 von der Einsprechenden nachgearbeitet wurde. Ein gelegentliches Mißlingen bei der Nacharbeitung stellt die Ausführbarkeit der beanspruchten Lehre nicht in Frage, vorausgesetzt, die Versuche halten sich in vertretbaren Grenzen und erfordern keine erfinderische Tätigkeit (siehe T 931/91, Punkt 3.1 und 3.2 der Entscheidungsgründe).
Auch in T 107/91 werden zumindest in einem Beispiel obere und untere Grenzwerte des entscheidenden Parameters (hier: die Geschwindigkeit des Substrats) als Orientierungspunkte angegeben, wobei das Herausfinden der optimalen Werte anderer Parameter in Abhängigkeit von der jeweils benutzten Schmelzzusammensetzung nur als Routineversuche eingestuft wurde (siehe T 107/91, Punkt 2.2 der Entscheidungsgründe).
3. Wie die vorangehenden Betrachtungen zeigen, sind dem Fachmann solche Anhaltspunkte im vorliegenden Streitpatent nicht gegeben. Sie lassen sich unter Zuhilfenahme seines Fachwissens auch nicht unmittelbar daraus herleiten. Der Gegenstand des auf das Produkt gerichteten Anspruchs 1 ist damit nicht ausreichend offenbart. Mithin erfüllt das Streitpatent nicht die Erfordernisse von Artikel 83 EPÜ.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.