10.8. Unerwarteter Bonuseffekt
10.8.3 Abgrenzung von entscheidenden Wirkungen von rein zufälligen Wirkungen
In T 227/89 stellte die Kammer fest, dass man bei der Beantwortung der Frage, welche Wirkung entscheidend und welche rein zufällig (ein sog. "Extra-Effekt") sei, von einem realistischen Ansatz ausgehen und die relative technische und praktische Bedeutung dieser Wirkung unter den jeweils gegebenen Umständen berücksichtigen müsse (s. auch T 732/89, T 729/90, T 1147/16). Für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit chemischer Stoffe werden auch häufig deren überraschende Eigenschaften herangezogen (s. dazu T 20/83, ABl. 1983, 419).
In T 240/93 bezog sich die Anmeldung auf eine Vorrichtung zur chirurgischen Behandlung von Geweben durch Hyperthermie, die mit einer Hitzeabschirmung ausgestattet war. Die Anmeldung war von der Prüfungsabteilung mit der Begründung zurückgewiesen worden, dass die kurze Behandlungsdauer von nur einer Stunde und weitere sich aus der Verwendung von Kühlmitteln ergebende vorteilhafte Wirkungen lediglich Extra-Effekte seien. Die Kammer hingegen war der Auffassung, dass in dem streitigen Fall die der Erfindung objektiv zugrunde liegende Aufgabe in der Bereitstellung einer Vorrichtung zur wirksamen kurzfristigen therapeutischen Behandlung einer gutartigen Hyperplasie der Prostata bestand. Angesichts der vielen beachtlichen praktischen Vorteile, die eine einstündige Hyperthermie-Behandlung für den Patienten mit sich bringe, könne die kurze Behandlungsdauer nicht lediglich als "Extra-Effekt" abgetan werden, sondern sei für die Erfindung ausschlaggebend und stelle die Ausgangsbasis für die objektive Aufgabenstellung dar.
In T 2015/20 hieß es in der Anmeldung, dass überraschenderweise festgestellt worden sei, dass Aclidinium bei der Behandlung von Atemwegserkrankungen, am wirksamsten sei, wenn eine nominelle Aerosoldosis von rund 400 μg per Inhalation verabreicht werde. D1 offenbarte ein bis zwei Formulierungen mit 100 μg Aclidiniumbromid, enthielt aber keinen Hinweis auf eine optimierte Dosis von 400 μg. D2 war eine kurze Zusammenfassung eines Versuchs, bei dem COPD-Patienten eine Einzeldosis von 100, 300 oder 900 μg Aclidiniumbromid verabreicht worden war, führte jedoch nach Auffassung der Kammer eher weg von der optimierten Dosis von 400 μg für die Behandlung einer chronischen Krankheit wie Asthma. Sie kam daher zu dem Schluss, dass der in Anspruch 1 definierte Gegenstand nicht das naheliegende Ergebnis von Routineversuchen war, sondern vielmehr das unerwartete Ergebnis einer Studie, und befand ihn somit für erfinderisch.