9.2.12 Beurteilung von Merkmalen, die sich auf mathematische Algorithmen beziehen
Wie bereits unter I.D.9.2.4 in diesem Kapitel dargelegt, hat sich die Große Beschwerdekammer in G 1/19 grundsätzlich zur Patentierbarkeit von Simulationen geäußert. Demnach kann für die Zwecke der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit eine computerimplementierte Simulation eines technischen Systems oder Verfahrens, die als solche beansprucht wird, durch Erzeugung einer technischen Wirkung, die über die Implementierung der Simulation auf einem Computer hinausgeht, eine technische Aufgabe lösen. Für diese Bewertung ist es keine hinreichende Bedingung, dass die Simulation ganz oder teilweise auf technische Prinzipien gestützt wird, die dem simulierten System oder Verfahren zugrunde liegen. Seitdem hat sich die Rechtsprechung der Beschwerdekammern mit der Umsetzung der G 1/19 befasst. Die entsprechenden Entscheidungen werden im Folgenden dargestellt.
(i) Rechtsprechung nach G 1/19: technische Wirkung verneint
In T 1371/16 wandte die Kammer G 1/19 an. Der Anspruch betraf eine Vorrichtung zum computergestützten Entwurf einer Leitungsführung eines Kabelbaums, die als Endergebnis "Daten einer korrigierten Leitungsführung" ausgibt. Der beanspruchte Gegenstand entsprach folglich einer computerimplementierten Simulation eines technischen Systems. Die Kammer verwies auf die in G 1/19 aufgestellten Kriterien, wonach es, wenn ein beanspruchtes Verfahren zu einer Reihe von numerischen Werten führt, von der weiteren Verwendung dieser Daten abhängt, ob die resultierende technische Wirkung bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit berücksichtigt werden kann. Wenn diese weitere Verwendung im Anspruch nicht zumindest implizit angegeben ist, wird sie für diesen Zweck außer Acht gelassen. Berechnete numerische Daten, die das physikalische Verhalten eines in einem Computer modellierten Systems widerspiegeln, können normalerweise nicht den technischen Charakter einer Erfindung begründen, selbst wenn das berechnete Verhalten das Verhalten des der Simulation zugrunde liegenden realen Systems adäquat widerspiegelt. Solche berechneten Wirkungen können nur in Ausnahmefällen als implizite technische Wirkungen angesehen werden. Der Beschwerdeführer hatte unter Verweis auf G 1/19 argumentiert, dass im Anspruch zumindest implizit eine weitere Verwendung des entworfenen Kabelbaums mit Auswirkungen auf die physische Realität angegeben sei und dass demnach die in G 1/19, Nr. 137 der Gründe, formulierten Anforderungen erfüllt seien. Die Kammer war davon nicht überzeugt. Sie entschied, dass die durch die Vorrichtung nach Anspruch 1 erzeugten Daten nicht auf einen weiteren technischen Zweck beschränkt sind und nicht zu einer "impliziten" technischen Wirkung beitragen.
In T 3226/19 war der Anspruch auf die Berechnung numerischer Daten zur Möglichkeit in einem Behältersystem für eine objektive Variable über verschiedene Zeithorizonte gerichtet, gab aber keine weitere Verwendung der berechneten Daten an. Die Kammer stellte fest, dass der Anspruchsgegenstand weder implizit noch explizit auf eine weitere technische Verwendung der berechneten numerischen Daten beschränkt war. Andere Verwendungen, etwa in der Verwaltung, fielen ebenfalls in den Geltungsbereich des Anspruchs. Das Argument des Beschwerdeführers, das beanspruchte Verfahren habe einen technischen Zweck, weil es eine technische Variable aus einem technischen System bestimme, sei nur dann zutreffend, wenn das Verfahren als Messverfahren angesehen werde, was aus Sicht der Kammer nicht der Fall war.
In T 2660/18 berief sich der Beschwerdeführer auf die Entscheidung T 625/11, in der die Kammer zu dem Schluss gelangt war, dass die Ermittlung eines Grenzwerts für einen ersten Betriebsparameter dem Anspruch einen technischen Charakter verlieh, der über die bloße Interaktion zwischen dem Algorithmus der numerischen Simulation und dem IT-System hinausging. Die Art des so identifizierten Parameters sei nämlich "eng verbunden" mit dem Betrieb eines Kernreaktors, unabhängig davon, ob dieser Parameter in einem Reaktor faktisch genutzt werde oder nicht (T 625/11, Nr. 8.4 der Gründe). Die Kammer in T 2660/18 war der Ansicht, dass im vorliegenden Fall durch die Funktionalität des Verfahrens keine technische Wirkung erzielt wurde, da das Verfahren lediglich einen Teststabmusterentwurf (d. h. eine Brennstabbündelkonfiguration) und Daten erzeugte, "die auf Grenzen hinweisen, die durch den vorgeschlagenen Teststabmusterentwurf während der Simulation verletzt wurden". Im Gegensatz zu T 625/11 werde hier kein mit dem Betrieb eines Kernreaktors "eng verbundener" Parameter ermittelt. Ein Stabmusterentwurf diene offenbar nichttechnischen Zwecken, z. B. Studienzwecken. Dabei handle es sich um "andere relevante Verwendungszwecke als den, den sie in einer technischen Vorrichtung haben", sodass die technische Wirkung nicht über im Wesentlichen den gesamten Schutzbereich der beanspruchten Erfindung erreicht werde (G 1/19).
Die Daten, "die auf Grenzen hinweisen, die durch den vorgeschlagenen Teststabmusterentwurf während der Simulation verletzt wurden", spiegelten das physikalische Verhalten eines der Simulation zugrunde liegenden realen Systems nicht oder zumindest nicht vollständig wider (G 1/19).
Die Kammer stellte fest, dass aufgrund der Breite des Wortlauts von Anspruch 1 des Hauptantrags das erhaltene Stabmuster jede beliebige Anzahl von Grenzen in nahezu unbegrenztem Umfang verletzen konnte. Es handelte sich also nicht um einen "Ausnahmefall", in dem berechnete Wirkungen als implizite technische Wirkungen angesehen werden konnten.
In T 2014/21 wies die Kammer darauf hin, dass die Entwicklung eines Modells eine rein gedankliche Tätigkeit ist (vgl. G 1/19). Die Verbesserung eines solchen Modells, z. B. in Bezug auf die Genauigkeit, sei ebenfalls eine rein gedankliche Tätigkeit und entspreche folglich einer nichttechnischen Aufgabe.
In T 2594/17 und T 2607/17 ging es um die Simulation und den Entwurf eines virtuellen Schweißverfahrens für Ausbildungszwecke. Der Beschwerdeführer hatte argumentiert, dass das beanspruchte System virtuelle Schweißteile bearbeite und somit Teil eines Virtual-Reality-Systems (VRAW-System) sei, bei dem es sich um ein technisches System handle. Es bilde eine "Rückkopplungskomponente" des VRAW-Systems, mit der sich prüfbare virtuelle Schweißnähte von besserer Qualität erzielen ließen. Diese könnten beispielsweise in eine simulierte Brücke integriert werden, und die Prüfung könnte Simulationen der Brücke im Zeitverlauf umfassen, um abzuschätzen, ob die Qualität der Schweißnaht die Lebensdauer der Brücke beeinflussen würde. Die Kammer vertrat die Auffassung, dass die Ansprüche keine Verbindung oder Beziehung zwischen dem beanspruchten System und dem VRAW-System definierten oder nahelegten und dass es keine Rückkopplungsschleife gab. Es bestand also kein direkter kausaler Zusammenhang zwischen den Simulationsergebnissen und dem Testsystem. Nach G 1/19 ist es keine hinreichende Bedingung, dass die Simulation ganz oder teilweise auf technische Prinzipien gestützt wird, die dem simulierten System oder Verfahren zugrunde liegen. Selbst eine Durchführung der computersimulierten Prüfung der virtuellen Schweißnaht im Rahmen einer Computersimulation einer Brücke (wobei die Brücke unbestreitbar ausreichenden technischen Charakter hat) hätte keinen Einfluss auf die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit der Merkmale der beanspruchten Erfindung gehabt. Zusammenfassend stellte die Kammer fest, dass sich das beanspruchte System von einem notorisch bekannten Universalrechner dadurch unterschied, dass es dazu konfiguriert war, Bilder von virtuellen Schweißnähten, von virtuellen Prüfungen dieser virtuellen Schweißnähte und von den Ergebnissen der virtuellen Prüfungen an diesen virtuellen Schweißnähten anzuzeigen. Anhand dieser Ergebnisse konnte es auch eine Bedingung für das Bestehen/Nichtbestehen festlegen.
Diese Unterschiede betrafen lediglich den kognitiven Inhalt der Bilder und wurden von der Kammer nicht als technische Merkmale angesehen.
T 1892/17 betraf die Simulation eines elektrischen Leistungssystems zum Optimieren des Verbrauchs von elektrischer Leistung. Anspruch 1 unterschied sich vom nächstliegenden Stand der Technik dadurch, dass charakteristische Zeitverläufe des Verbrauchs von elektrischer Leistung durch die einzelnen Verbraucher bestimmt wurden und angepasst an diese Verläufe ein Plan für das Zuteilen elektrischer Leistung an die Verbraucher auf der Grundlage dieser Kurven erstellt wurde. Die Kammer war der Ansicht, dass sich Anspruch 1 nicht auf eine Simulation als solche bezog. Die beanspruchte Datenverarbeitung bzw. Simulation basiere vielmehr auf (realen) Messungen der verbrauchten elektrischen Leistung in einem technischen System, aus denen sich ein Plan und eine Prognose ergäben, die keine rein virtuelle Wirkung erzeugten. Daher sei Anspruch 1 auf eine Lehre zum technischen Handeln beschränkt, die die bestimmte technische Verwendung der berechneten charakteristischen Zeitverläufe, des Plans und der Prognose beinhaltet. Bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit – die von der Kammer anerkannt wurde – wurden alle beanspruchten Verfahrensschritte berücksichtigt.
In T 1035/18 bezog sich die Erfindung auf eine Simulation zur Schätzung der Netto-Solarenergieproduktion für Luftphotovoltaiksysteme. Auf der Grundlage verschiedener ermittelter Werte für die Sonneneinstrahlung wurden Treibstoffeinsparungen geschätzt. Aus Sicht der Kammer war die Frage, ob der vorliegende Fall dem Fall in T 1227/05 ähnelt oder nicht, irrelevant, da T 1227/05 nun durch G 1/19 überholt sei. Ob eine Simulation zum technischen Charakter des beanspruchten Gegenstands beiträgt, hänge nach G 1/19 nicht von dem Grad ab, in dem die Simulation die "Realität" abbildet, und auch nicht von der Technizität des simulierten Systems. Entscheidend sei, ob die Simulation einen Beitrag zur Lösung einer technischen Aufgabe leistet. Die Kammer vertrat die Auffassung, dass die Schätzung der Treibstoffeinsparungen für einen Flug eine nichttechnische Verwaltungstätigkeit ist, die z. B. für Geschäftsentscheidungen genutzt werden kann. Daher haben Schätzungen keinen "impliziten technischen Nutzen".
In T 2220/22 betraf die Anmeldung die Optimierung der Form eines dreidimensionalen Modells für Stahlblechkonstruktionen in der Automobilindustrie. Die Kammer vertrat die Auffassung, dass eine potenzielle technische Wirkung als Ergebnis einer bestimmten "impliziten" Verwendung der Ausgangsdaten bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit nur dann Berücksichtigung finden kann, wenn die Ausgangsdaten keine anderen relevanten nichttechnischen Verwendungszwecke haben (G 1/19). Vorliegend würden die Ausgabedaten jedoch dem Benutzer angezeigt und könnten beispielsweise in einem iterativen Entwurfsverfahren verwendet werden, das eine nichttechnische, kognitive Tätigkeit ist (G 1/19). Darüber hinaus seien die Ausgabedaten nicht unmittelbar für den Bau einer Fahrzeugstruktur aus Stahlblech verwendbar, da der Bau einer solchen Struktur in der Regel weitere Schritte, einschließlich kognitiver Schritte, erfordere.
In T 279/21 bezog sich die Erfindung auf ein zentrales Steuerungssystem zur Bereitstellung von automatisierter Interaktion in Echtzeit und zur durch Statusübergang gesteuerten Verarbeitung von (Daten-)Objekten. Allgemeiner formuliert, stellte die Erfindung ein System bereit, das in der Lage war, die externen und/oder internen Faktoren, die sich auf die Verarbeitung eines Objekts innerhalb eines Arbeitsablaufs auswirken können, flexibel zu erfassen, und das durch extern oder intern auftretende Randbedingungen oder Vorgaben besser steuerbar war. Außerdem konnte es insbesondere ohne menschliche Interaktion dynamisch auf veränderliche umgebungsbezogene oder interne Bedingungen oder Messparameter reagieren, die zu Beginn des Arbeitsablaufs möglicherweise nicht bekannt oder vorhersehbar waren. Die Prüfungsabteilung hatte argumentiert, dass sich der beanspruchte Gegenstand auf abstrakte Konzepte zur Informationsmodellierung auf Metasprachebene im Rahmen von Arbeitsabläufen bezieht. Sie hatte darauf hingewiesen, dass der Entwurf und die Modellierung von Arbeitsabläufen für Geschäftsprozesse Tätigkeiten auf dem Gebiet geschäftlicher Methoden darstellen.
Der Beschwerdeführer hatte behauptet, dass mit der Feststellung in G 1/19 (siehe z. B. Nr. 51 der Gründe), wonach jede über die Implementierung des Verfahrens in einem Computer hinausgehende technische Wirkung für die erfinderische Tätigkeit in Betracht kommen könne, alles gemeint sei, was über ein 1:1-Mapping zwischen der Implementierung und einem Schritt der implementierten Geschäftsmethode hinausgehe. Mit anderen Worten sei jeder Gegenstand, der sich nicht einem Schritt der Geschäftsmethode zuordnen lässt, technisch. Die Kammer räumte ein, dass die "Implementierung" einer Geschäftsmethode ein gewisses Mapping zwischen nichttechnischen Schritten der Geschäftsmethode und ihrer technischen Umsetzung erfordert. Die Entscheidung G 1/19, Nr. 51 der Gründe, äußerte sich zu diesem Mapping zumindest in der Vorwärtsrichtung, indem sie das Erfordernis der technischen Wirkung in eine "über die einfache oder nicht näher spezifizierte Implementierung der Simulation in einem Standardcomputersystem hinausgehende technische Wirkung" umformulierte. Somit könne auch ein 1:1-Mapping erfinderisch sein, wenn es nicht "einfach" (z. B. keine Standardprogrammierung oder routinemäßige Änderung der verwendeten technischen Mittel) oder "nicht näher spezifiziert" (z. B. nicht nur ein "Mittel zum [Durchführen des Schritts]") ist. Nach Ansicht der Kammer ist es jedoch nicht sinnvoll, bei der Suche nach einem Mapping in umgekehrter Richtung von der "Implementierung" zum Schritt einer Geschäftsmethode vorzugehen, da die Schritte der nichttechnischen Tätigkeit nicht ausdrücklich angegeben werden müssen. Sie umfassten sämtliche Schritte, zu denen eine Geschäftsperson in einem nichttechnischen Workflow gelangen würde. Dies wurde so gehandhabt, dass das Mapping der Implementierung auf die Wirkung des Schritts betrachtet wurde und geprüft wurde, ob der Schritt einen technischen Charakter hat oder unter das fällt, was die Geschäftsperson als Teil des nichttechnischen Verfahrens ansehen würde. Anders ausgedrückt, handelte es sich um den üblichen COMVIK-Ansatz, bei dem die Wirkung eines Merkmals betrachtet wird, um eine technische Aufgabe aufzuwerfen, die einfach in der Implementierung des Merkmals bestehen könnte, für das das oben erwähnte Mapping in Vorwärtsrichtung im Sinne von G 1/19 gilt. Im vorliegenden Fall bestand die Wirkung des Merkmals der "Betriebsetiketten" in der Festlegung von Geschäftsbedingungen, um zu ermitteln, ob eine bestimmte Aufgabe ausgeführt werden soll oder nicht. Dies entsprach natürlich einem nichttechnischen Schritt des Workflow-Systems, nämlich der Verfolgung des Status eines Prozesses. In Bezug auf das Mapping zur Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit wurde die Implementierung in der Verwendung von "Betriebsetiketten" gesehen, die sich zwar einer Klassifizierung als "nicht näher spezifiziert" entzieht aber gewiss als "einfach" anzusehen ist.
In T 687/22 vertrat die Kammer die Auffassung, dass eine Änderung, die allein zur Abgrenzung vom Stand der Technik vorgenommen wird, allenfalls zur Folge hat, dass das Neuheitserfordernis nach Art. 54 EPÜ erfüllt ist. Damit sei jedoch nicht die Übereinstimmung mit Art. 56 EPÜ gewährleistet. Voraussetzung dafür, dass eine Änderung als "sich für den Fachmann in nicht naheliegender Weise [ergebend]" angesehen wird, sei eine erkennbare technische Wirkung, die eine technische Aufgabe glaubhaft löst. Dies gelte zumindest für elektronische Schaltkreise, wie im vorliegenden Fall, wo eine Änderung in der Verarbeitungskette möglicherweise nur die Art und Weise der physischen Verarbeitung von Informationen verändert, ohne notwendigerweise ein greifbares technisches Ergebnis zu beeinflussen.
(ii) Rechtsprechung nach G 1/19: technische Wirkung bejaht
In T 1618/19 bezog sich der beanspruchte Gegenstand auf eine konkrete Vorrichtung, nämlich ein Mischsteuersystem in einer Raffinerie, und ein entsprechendes Verfahren, die eine Vorrichtung bzw. ein Verfahren zur Computermodellierung umfassten. Die Modellierung wurde für einen aktiven Raffinerieprozess in einer realen Raffinerie durchgeführt. Die Speisung des Modells mit den Eingangsparametern (Strömungs- und Produktparameter der vom Splitter zugeführten "Ablaufkomponenten" und Raffinerieproduktverpflichtungen) und die direkte Umsetzung der Simulationsergebnisse ("Mischungsrezepte", "Mischungsereignisse", "Mischungstiming", "Aufteilungsverhältnis") in Ausgangssignale zur Steuerung des Mischers und des Splitters im Raffinerieprozess konnten als technische Eingaben bzw. Ausgaben nach G 1/19, Nr. 85 der Gründe, angesehen werden und waren somit technisch bzw. hatten eine technische Wirkung.
Die Einspeisung von Prozessparametern eines laufenden Prozesses, d. h. des Raffinerieprozesses, in die Simulation und die Umwandlung der berechneten Prozessparameter in Steuersignale waren aus Sicht der Kammer Hinweise auf eine "direkte Verbindung zur physischen Realität" (G 1/19) und auf einen "weiteren technischen Effekt", der über die bloße technische Implementierung des Algorithmus in einem Computer hinausgeht (G 1/19). Es sei folglich unerheblich, ob der abschließende Schritt der Implementierung der Optimierungsergebnisse anhand von Steuersignalen (an den Splitter und den Mischer) ausdrücklich beansprucht wurde (wie in G 1/19 grundsätzlich empfohlen), wenn die Fachperson dem Wortlaut des Anspruchs entnehmen könne, dass die Simulationsergebnisse unmittelbar in Signale zur Steuerung des Splitters und des Mischers umgesetzt werden, wie es hier der Fall sei.
In T 1422/19 maß das beanspruchte Verfahren Rohinformationen über einen laufenden Webbrowser und verarbeitete diese Informationen, um eine Schätzung eines technisch sinnvollen Parameters zu erstellen. Die Kammer vertrat die Auffassung, dass eine solche indirekte Messung in der Regel technischer Natur ist und dass die Suche nach einem Weg zur "Umgehung eines technischen Problems" durchaus die Grundlage für eine patentierbare Erfindung bilden kann.
In T 182/20 und T 1557/20 betraf die Erfindung die Vorhersage künftiger Fehlfunktionen mechanischer oder elektrischer Bauteile auf der Grundlage der aktuellen Werte eines oder mehrerer Parameter.
Neben der serverbasierten Verarbeitung umfasste das Verfahren nach Anspruch 1 eine Reihe technischer Merkmale. Zum einen handelte es sich um die Messung spezifischer Parameter (z. B. der Temperatur und des Schmiermittelzustands in den Lagern einer Gasturbine), die die Kammer als inhärent technisch ansah (G 1/19, Nr. 85, 99 der Gründe). Außerdem wurden diese Messungen zur Vorhersage spezifischer Fehlfunktionen in bestimmten Bauteilen verwendet (z. B. eines Lagerdefekts in einer Gasturbine oder eines Isolationsdefekts in einem Transformator). Nach Auffassung der Kammer spiegelte die Wahl der Parameter zur Vorhersage der angegebenen Fehlfunktionen technische Überlegungen über die Funktionsweise der beanspruchten mechanischen oder elektrischen Bauteile wider.
Zum anderen waren die mathematischen Berechnungen in Schritt 3) und 4) für sich betrachtet nicht technisch. Diese Berechnungen erzeugten numerische Daten (nämlich die bedingte Wahrscheinlichkeit einer künftigen Fehlfunktion eines elektrischen oder mechanischen Bauteils), und es stellte sich die Frage, ob diese Berechnungen zum technischen Charakter der Erfindung beitrugen. Unter Bezugnahme auf G 1/19 sah die Kammer die durch das Verfahren nach Anspruch 1 erhaltene bedingte Wahrscheinlichkeit als einen indirekten Messwert des physikalischen Zustands (d. h. eines bestimmten Defekts) einer bestimmten physikalischen Einheit (d. h. einer bestimmten mechanischen oder elektrischen Komponente) an. Der mathematische Rahmen im Anspruch basierte auf stochastischer Modellierung und Simulation, insbesondere auf Markow-Ketten, die zur glaubwürdigen Erfassung und Vorhersage der Übergangsdynamik von Systemen auf der Grundlage empirischer Daten anerkannt sind.
In T 1304/22 stellte die Prüfungsabteilung zwar nicht grundsätzlich in Frage, dass Schmerzlinderung eine technische therapeutische Wirkung ist, sie vertrat jedoch die Auffassung, dass eine solche Wirkung im vorliegenden Fall nicht glaubhaft erzielt wurde. Der Hauptstreitpunkt zwischen dem Beschwerdeführer und der Prüfungsabteilung war die Frage, ob "Schmerzlinderung" als technische Wirkung eines Virtual-Reality-Systems, also eines Systems zur "Darstellung von Informationen", anerkannt werden könne und welcher Beweismaßstab für einen glaubhaften Nachweis der technischen Wirkung von "Schmerzlinderung" anzusetzen sei. Aus Sicht der Prüfungsabteilung war jede Wirkung, die erzielt wird, indem einem Patienten eine Szene der virtuellen Realität gezeigt wird, im Gegensatz zur Wirkung von Analgetika psychologisch, subjektiv und spekulativ. Sie stellte den kausalen Zusammenhang zwischen virtueller Realität und Schmerzlinderung in Frage und verwies insbesondere darauf, dass einige Patienten in der Versuchsgruppe keine Linderung ihrer Symptome angaben.
Aus Sicht der Kammer ist es jedoch nicht überraschend, dass nicht alle Patienten in gleicher Weise auf eine Therapie ansprechen. Auch bestehe kein objektiver Grund, die therapeutische Wirkung von virtueller Realität in Frage zu stellen, zumal bereits die von der Prüfungsabteilung angeführten Dokumente des Stands der Technik die Verwendung von Virtual- oder Augmented-Reality-Systemen zu therapeutischen Zwecken offenbarten. Obwohl Anspruch 1 keine Angaben zu den Einzelheiten der jeweiligen "digitalen Modelle" enthielt, entschied die Kammer zugunsten des Beschwerdeführers und bejahte die technische Wirkung und die objektive technische Aufgabe, wie von diesem vorgetragen.