9.2.12 Beurteilung von Merkmalen, die sich auf mathematische Algorithmen beziehen
In T 107/87 befand die Kammer, dass eine Datencodierungsregel zur Identifizierung und Eliminierung statistischer Redundanz zur Lösung einer technischen Aufgabe beiträgt, wenn sie dazu verwendet wird, die Menge der zu speichernden oder zu übertragenden Daten zu reduzieren. Das heißt, wenn ein computerimplementiertes Verfahren Schritte zur verlustfreien Kompression und Dekompression von Zwischenergebnissen umfasst, mit denen der erforderliche Speicherplatz reduziert werden soll, so würden zumindest diese Schritte einen technischen Beitrag leisten. Die Umsetzung der Codierungsregel wäre normalerweise weiterhin algorithmisch (s. auch T 650/13).
In T 1242/04 (ABl. 2007, 421) bezog sich die Erfindung auf ein System zur Bereitstellung produktspezifischer Daten in einer Servicestation. Da die Ansprüche eine zentrale Datenbank zur Aufnahme des Soll-Zustands und einen Archivspeicher zur Aufnahme des Ist-Zustands aufwiesen, die rechnertechnisch miteinander kommunizieren, bejahte die Kammer den technischen Charakter.
In T 1924/17 sah die Kammer keinen Grund, warum relationale Datenbankmanagementsysteme nichttechnisch sein sollen, wenn anerkannt ist, dass Datenbankmanagementsysteme allgemein technisch sind. Die Kammer war nicht der Auffassung, dass Merkmale, die in (relationalen) Datenbankmanagementsystemen implementiert sind, allein schon durch diese Tatsache und ungeachtet ihrer Natur zum technischen Charakter einer Erfindung beitragen. Die Kammer befasste sich mit Entscheidungen zum Zugang zu Datenbankmanagementsystemen (T 1242/04 (ABl. EPA 2007, 421), T 279/05, T 862/05, T 658/06, T 1500/08, T 963/09, T 104/12, T 1965/11) und zur Informationsabfrage (T 1569/05, T 1316/09, T 309/10, T 2230/10, T 598/14). Vor dem Hintergrund dieser Entscheidungen fasste die Kammer in T 1924/17 zusammen, dass strukturierte deklarative Abfragen, die zum Abrufen von Daten verwendet werden, die in einem relationalen Datenbankmanagementsystem verwaltet werden, in der Regel eine präzise, formal definierte Semantik aufweisen und das Datenbankmanagementsystem dann in der Folge die spezifizierten Daten abruft. Sie erklärte, dass relationale Datenbankmanagementsysteme solche Abfragen typischerweise durch Bestimmung eines Plans zur effizienten Durchführung von Abfragen erledigen, der auf Kostenschätzungen für die erforderlichen internen Operationen des Computersystems basiert. Solche Datenbankmanagementsysteme sind Software-Plattformen für die zentralisierte Datenkontrolle. Diese Plattformen weisen häufig Merkmale mit technischem Charakter auf, weil sie auf der Grundlage von technischen Überlegungen entworfen wurden, die die effiziente Nutzung des Computersystems als technisches System betreffen. Informationsabfragesysteme müssen typischerweise formal eine semantische Ähnlichkeit von Dokumenten berechnen, was nach allgemeiner Einschätzung nichttechnische Überlegungen beinhaltet und auf subjektiven Kriterien sowie dem Inhalt (der Semantik) der abzurufenden Dokumente basiert (siehe auch T 598/14; T 2401/22).
In T 279/05 betraf die Erfindung die Bestimmung von verfügbaren Flugzeugsitzplätzen. Sie umfasste eine Mischung aus technischen Aspekten, wie z. B. Server, und nichttechnischen Aspekten, wie z. B. die Verfügbarkeit von Flugzeugsitzplätzen oder Ertragsmanagement. Datenbankabfragen wurden von der Kammer als Gebiet der Technik angesehen.
In T 2852/19 bezog sich die Erfindung auf die Optimierung der Belegung einer Veranstaltung. Damit sollte vermieden werden, dass Plätze leer bleiben, wenn Besucher den Veranstaltungsort nicht rechtzeitig erreichen können. Die Erfindung schlug vor, automatisch festzustellen, ob sich die Besucher einer Veranstaltung innerhalb eines definierten Bereichs in einer bestimmten Entfernung zum Veranstaltungsort aufhalten. Zu diesem Zweck wurden GPS-Daten von den Mobiltelefonen der Besucher genutzt. Wenn sich die Ticketkäufer kurz vor Beginn der Veranstaltung nicht innerhalb des Bereichs befanden, wurde ihnen eine Benachrichtigung geschickt, und im Falle einer Absage wurde ihr Ticket weiterverkauft.
Aus Sicht der Kammer gab es hier zwei Wirkungen: (i) die Optimierung der Sitzplatzbelegung, die als technisch angesehen wurde, und (ii) die Steigerung des Gewinns durch den Wiederverkauf von Sitzplätzen kurz vor Veranstaltungsbeginn für den Fall, dass ein Besucher seine Teilnahme absagte, die als nichttechnisch angesehen wurde. Die Kammer entschied, dass T 279/05 nicht anwendbar ist, da die dynamische Anpassung des überwachten Bereichs bereits aus dem Stand der Technik bekannt war. Siehe auch T 2879/18.
In T 697/17 erklärte die Kammer, dass in der Entscheidung T 388/04 (ABl. EPA 2007, 16) Gegenstände oder Tätigkeiten, die nach Art. 52 (2) EPÜ und Art. 52 (3) EPÜ vom Patentschutz ausgeschlossen sind, "auch dann ausgeschlossen bleiben, wenn sie die Möglichkeit implizieren, dass nicht angeführte technische Mittel verwendet werden" (Nr. 3 der Gründe). Dies sei jedoch nicht der Fall, wenn der beanspruchte Gegenstand nicht nur "die Möglichkeit […], dass nicht angeführte technische Mittel verwendet werden", sondern de facto den Einsatz konkreter technischer Mittel impliziere. In der Entscheidung T 650/13 vertrat die Kammer beispielsweise die Auffassung, dass das Verfahren nach Anspruch 1 nicht ausgeschlossen ist, weil das "Übertragen des Symbols in einem Codewort an einen Dekodierer" den Einsatz technischer Mittel impliziert (Nr. 6.1 der Gründe). In T 697/17 befand die Kammer, dass die Durchführung eines in einem relationalen Datenbanksystem ausgeführten Verfahrens die Verwendung eines Computersystems impliziert. Daher könne das beanspruchte Verfahren nicht als rein abstraktes Verfahren angesehen werden, sondern als Verfahren, das technische Mittel verwendet. Die Kammer wies ferner darauf hin, dass es in der Rechtsprechung mehrere Beispiele gibt, in denen Merkmale eines Datenbanksystems bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit als technische Aspekte berücksichtigt wurden (T 1242/04, T 1025/08, T 1500/08, T 1414/10, T 1924/17). In diesem Zusammenhang stellte die Kammer fest, dass die Beschreibung eines technischen Merkmals auf einem hohen Abstraktionsniveau nicht notwendigerweise den technischen Charakter des Merkmals aufhebt.
In T 1272/20 stimmte die Kammer mit dem Beschwerdeführer darin überein, dass T 598/14 nicht zum Ausdruck bringt, dass jede Art und Weise, in der ein Computer eine Suche durchführt, allein deshalb nichttechnisch ist, weil das Ergebnis eine "bessere Suche" ist. Die Kammer widersprach der Prüfungsabteilung, dass nur die "physikalischen Merkmale" des Anspruchs oder nur die Merkmale "computerimplementiert", "Datenbank" und "Links" einen technischen Beitrag im Kontext des Anspruchs 1 darstellten. Der Anspruch spezifiziere ein computerimplementiertes Verfahren zur Suche nach persönlichen Informationen, wenn ein Benutzer eine Internetsuche durchführt. Das beanspruchte Verfahren sah vor, Daten aus dem Internet und aus einer separaten Datenbank (der "persönlichen Datenbank") abzurufen und dem Benutzer Suchergebnisse und Links für den Zugriff auf einige dieser Suchergebnisse zu präsentieren. Ferner umfasste es Schritte, die eine Benutzerinteraktion mit dem Computersystem beschrieben: Empfangen einer Benutzerauswahl eines der Links und Abrufen der entsprechenden Daten. Diese Merkmale trugen zur technischen Wirkung des Datenabrufs in einem Computersystem bei. Eine technische Einschränkung bestand darin, dass die Aufzeichnungen in einer persönlichen Datenbank gespeichert waren, die von der Suchmaschine nicht durchsucht werden konnte. Obwohl die Entscheidung, statt der vollständigen Aufzeichnungen nur eine Vorschau davon zu präsentieren, nichttechnischer Natur ist, waren technische Überlegungen involviert. Links wurden in der angefochtenen Entscheidung als technisch angesehen. Die bloße Tatsache, dass zumindest einige dieser technischen Merkmale notorisch bekannt oder generisch spezifiziert gewesen sein könnten oder dass einige technische Aspekte implizit aus dem Anspruch hervorgehen könnten, bedeute nicht, dass der entsprechende Gegenstand keinen technischen Beitrag leisten könne. Entscheidend sei, ob die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien erfüllt waren.
In T 873/19 vertrat die Kammer die Auffassung, dass die Verringerung der Anzahl mehrerer Tabellen, die bei der Abfrage der Attribute für eine bestimmte Business-Objekt-Instanz (BOI) verarbeitet werden müssen, ein technischer Effekt ist.
In T 366/20 bezog sich die Anmeldung auf Vorrichtungen und Verfahren zur Verwaltung der Identität von Medieninhaltsdaten. Der Beschwerdeführer hatte argumentiert, die zu lösende objektive technische Aufgabe bestehe darin, "an einem Clientknoten ein effizienteres nicht dupliziertes Herunterladen und einen Dateiidentitätsabgleich bereitzustellen". Die Kammer stellte fest, dass Anspruch 1 nicht definiert, wie die von einem Serverknoten empfangene "erste Masterkennung" dem "ersten Satz von Metadaten", den der Client diesem Serverknoten zur Verfügung stellt, entspricht. Da die erste Masterkennung allein auf der Grundlage der Metadaten bestimmt zu werden schien und die Metadaten möglicherweise unvollständig oder unrichtig oder für den Medieninhalt anderweitig nicht identifizierend waren oder Unterschiede im tatsächlichen Inhalt der Medieninhaltsdateien (z. B. aufgrund verschiedener Versionen desselben Liedes, Films usw.) nicht erfassten, schien das Ergebnis des beanspruchten Verfahrens im Hinblick auf die Erkennung von doppelten Medieninhaltsdateien über den gesamten Geltungsbereich des Anspruchs im Wesentlichen unvorhersehbar zu sein. Darüber hinaus definierte der Anspruch nicht, welche "Verarbeitung" der ersten Masterkennung durchgeführt wird, um festzustellen, ob eine zweite Masterkennung in der Datenbank der lokalen Identifizierungsdaten und Metadaten gespeichert ist, die mit der ersten Stammkennung übereinstimmt. Da es keine technische Wirkung über den gesamten beanspruchten Bereich gab, wurde auch kein technisches Problem über den gesamten beanspruchten Bereich gelöst, und folglich mangelte es dem beanspruchten Verfahren an erfinderischer Tätigkeit.