3.4.4 Defizitäre Begründung
Nach der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (T 292/90; T 951/92; T 740/93; T 698/94; T 278/00, ABl. 2003, 546; T 70/02; T 963/02; T 897/03; T 763/04; T 316/05; T 1366/05; T 1612/07; T 1870/07; T 1997/08; T 2366/11 und T 1787/16) sollte eine Entscheidung auf die für die Entscheidung maßgeblichen Tatsachen, Beweismittel und Argumente eingehen und die logische Kette enthalten, die zur Bildung des Urteils geführt hat.
Dennoch finden sich vereinzelt Entscheidungen, die auch eine defizitäre Begründung ausreichen lassen, solange diese überhaupt eine Begründung darstellt. Die Kammer hielt in T 856/91 auch eine unvollständige und mangelhafte Begründung für ausreichend im Sinne der R. 68 (2) EPÜ 1973. In T 1231/03 wurde entschieden, dass die angefochtene Entscheidung eine wertende Stellungnahme zu den wesentlichen umstrittenen Schlüsselpunkten enthielt und somit ausreichend begründet sei. Sachliche Mängel der Entscheidung (Lücken in der Argumentationslinie, falsche Formulierung der technischen Aufgabe und mutmaßliche Fehlbeurteilungen) wären in diesem Fall kein Verstoß gegen R. 68 (2) EPÜ 1973. In T 647/93 (ABl. 1995, 132) waren die von der Prüfungsabteilung in ihrer Zurückweisungsentscheidung angeführten Gründe etwas "undurchsichtig" und ohne Grundlage im EPÜ 1973. Selbst wenn die Entscheidungsbegründung zu wünschen übrig lasse, so die Kammer, heiße dies aber noch nicht, dass die Entscheidung überhaupt keine Begründung im Sinne von R. 68 (2) EPÜ 1973 enthalte oder ein wesentlicher Verfahrensmangel vorliege. In T 1621/21 war die angefochtene Entscheidung nach Auffassung der Kammer mit einem schwerwiegenden Mangel behaftet, denn die Prüfungsabteilung hatte weder klar zwischen technischen und nicht technischen Merkmalen des Anspruchs 1 unterschieden noch den Aufgabe-Lösungs-Ansatz korrekt angewandt oder erklärt, warum sie diesen nicht angewandt hatte. Dennoch entschied die Kammer, dass die Entscheidung, auch wenn die Begründung der Prüfungsabteilung schwerwiegende Mängel aufwies, für die Zwecke der R. 111 (2) EPÜ nicht als unbegründet anzusehen war.
In T 374/12 befand die Kammer, dass anders als in T 856/91 und T 1231/03, bei denen jeweils lediglich eine Lücke innerhalb der Begründung vorhanden war, in der angefochtenen Entscheidung die Erörterung der von der Einsprechenden als wesentlich erachteten Angriffslinie gänzlich fehlte. Auch in T 1747/06 befand die Kammer, dass der ihr vorliegende Fall anders gelagert sei als der in T 856/91, da hier überhaupt keine Begründung gegeben worden war. Zu weiteren Fällen, in denen gar keine als Begründung anzusehende Ausführung vorlag, s. dieses Kapitel III.K.3.4.4 c) "Fehlende Begründung der Entscheidung".
In T 2461/10 stellte die Kammer fest, dass eine fehlerhafte Beurteilung von Sachfragen durch die Prüfungsabteilung von solchen Fällen abzugrenzen ist, in denen die Prüfungsabteilung ihre Entscheidung ohne jede Rechtsgrundlage auf einen nicht bestehenden Zurückweisungsgrund stützt. Nur in letzterem Fall läge ein wesentlicher Verfahrensmangel vor.
Diese Abgrenzung der noch zulässigen, aber mangelhaften Begründung zur nicht mehr vorhandenen Begründung wird jedoch nicht stets vorgenommen. In der überwiegenden Rechtsprechung gilt das bereits unter Kapitel III.K.3.4.3 ausgeführte Erfordernis einer ausreichenden Begründung (T 292/90; T 951/92; T 740/93; T 698/94; T 278/00, ABl. 2003, 546; T 70/02; T 963/02; T 897/03; T 763/04; T 316/05; T 1366/05; T 1612/07; T 1870/07; T 1997/08 und T 2366/11).