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J 0027/01 (Unzulässiger Wiedereinsetzungsantrag/SULZER CHEMTECH) 11-03-2004
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Verfahren zur Herstellung von aus Kunst-, Zell- oder Holzstoff bestehenden Formteilen mit Hohlräumen
Frist für Wiedereinsetzungsantrag
Wegfall des Hindernisses
Sorgfaltspflichten des Einzelanmelders
I. Die dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegende Patentanmeldung Nr. 98 946 251.0 wurde am 29. Juli 1998 als internationale Anmeldung nach dem PCT eingereicht.
II. Die dritte Jahresgebühr wurde nicht entrichtet.
III. Mit Schreiben vom 1. März 2001 (EPA Form 2524) teilte der Formalprüfer der Prüfungsabteilung dem Anmelder gemäß Regel 69 (1) EPÜ mit, daß die europäische Patentanmeldung wegen Nichtzahlung der dritten Jahresgebühr als zurückgenommen gelte. Diese Mitteilung wurde dem Anmelder an seinen Wohnsitz in Österreich zugestellt.
IV. Mit einem vom 24. Juli 2001 datierten, am 25. Juli 2001 aus Indien an das EPA gesandten Fax beantragte der Anmelder die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und entrichtete die dritte Jahresgebühr mit Zuschlagsgebühr und die Wiedereinsetzungsgebühr.
Zur Begründung trug er vor, er habe die Überweisung der dritten Jahresgebühr mit Zuschlag nach Erhalt des Schreibens des EPA vom 1. März 2001 am 25. März 2001 über seine indische Bank veranlaßt. Nach Erhalt eines weiteren Schreibens des EPA vom 22. Juni 2001 habe er festgestellt, daß die Bank den Auftrag nicht ausgeführt habe. Die Bank habe ihm dann auf Nachfrage mitgeteilt, daß die Überweisung devisenrechtlich nicht möglich sei. Durch seinen ständigen beruflichen Aufenthalt in Indien sei es zu unerwarteten Verzögerungen des Schriftverkehrs gekommen. Er habe das Patent auch in anderen Ländern angemeldet und es sei für ihn eine strategische Katastrophe, wenn die europäische Anmeldung auf Grund der Schwierigkeiten mit der indischen Bank zu einem Erlöschen der Rechte in Europa führen würde.
V. Der Formalprüfer der Prüfungsabteilung stellte in einer Entscheidung nach Regel 69 (2) EPÜ vom 31. August 2001 fest, daß die Anmeldung nach Artikel 86 (3) EPÜ als zurückgenommen gelte und wies den Antrag auf Wiedereinsetzung als unzulässig zurück.
Zur Begründung führte er aus, der Anmelder habe die Mitteilung gemäß Regel 69 (1) EPÜ gemäß seinen eigenen Angaben spätestens am 25. März 2001 erhalten. Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei erst am 25. Juli 2001 und damit nicht innerhalb der in Artikel 122 EPÜ vorgeschriebenen Frist von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses, sondern verspätet eingereicht worden.
VI. Gegen diese Entscheidung legte der Anmelder am 2. November unter gleichzeitiger Entrichtung der Beschwerdegebühr Beschwerde ein und begründete die Beschwerde zugleich wie folgt:
Seit Anfang des Jahres 2001 habe er sich ständig beruflich in Indien aufgehalten. Den aus der Prüfungsakte ersichtlichen Hinweis des Formalsachbearbeiters der Prüfungsabteilung vom 5. September 2000 auf die Fälligkeit der dritten Jahresgebühr am 31. Juli 2000 sowie darauf, daß diese Gebühr noch mit einem Zuschlag innerhalb von sechs Monaten ab Fälligkeit gezahlt werden könne (EPA Form 2522), habe er nicht erhalten. Auf den Erhalt einer solchen Mitteilung habe er aber vertraut. Von der Mitteilung gemäß Regel 69 (1) EPÜ habe er erst kurz vor dem 25. März 2001 Kenntnis erhalten. Zu diesem Zeitpunkt habe ihn seine Frau telefonisch, allerdings nur davon informiert, daß eine Mitteilung des EPA gekommen sei, daß die dritte Jahresgebühr für die Anmeldung nicht rechtzeitig gezahlt worden sei. Er habe zu diesem Zeitpunkt somit nicht gewußt, daß es sich bei der Mitteilung des Amtes bereits um eine Mitteilung eines Rechtsverlusts nach Regel 69 (1) EPÜ gehandelt habe. Er habe dann seiner indischen Bank sofort den Auftrag zur Zahlung der dritten Jahresgebühr mit Zuschlag gegeben. Die Höhe der Gebühren habe er dem Internet entnommen. Dieser Auftrag sei aber nicht ausgeführt worden, ohne daß ihm dies mitgeteilt worden sei. Die Mitteilung des Amtes gemäß Regel 69 (1) EPÜ habe er erst von seiner Frau angefordert, nachdem er ein weiteres Schreiben des EPA am 22. Juni 2001 erhalten habe. Er habe dann festgestellt, daß die indische Bank seinen Überweisungsauftrag vom 25. März 2001 nicht ausgeführt habe und habe die Zahlung erneut veranlaßt. Durch seine dienstliche Abwesenheit in Indien seit Jahresbeginn habe er Schreiben des Amtes nie direkt persönlich erhalten, sondern sie seien von seiner Frau oder Tochter angenommen worden, die jedoch die Tragweite der Mitteilungen nicht hätten abschätzen können.
VII. In einem Zwischenbescheid legte die Kammer ihre vorläufige Ansicht dar, daß der Wiedereinsetzungsantrag nicht innerhalb der Frist des Artikels 122 (2) EPÜ gestellt worden sei, daß der Anmelder jedoch auch nichts dazu vorgetragen habe, daß er die Frist zur Zahlung der Jahresgebühren trotz Beobachtung der erforderlichen Sorgfalt versäumt habe.
VIII. In Antwort auf diesen Bescheid führte die nunmehrige Beschwerdeführerin, auf die die Patentanmeldung im Verlauf des Beschwerdeverfahrens umgeschrieben worden ist, ergänzend folgendes aus:
Der an die Sorgfaltsverpflichtungen des früheren Anmelders anzulegende Maßstab habe sich daran zu orientieren, daß dieser Anmelder ein Einzelerfinder sei, daß er aufgrund seines längeren beruflichen Aufenthalts in Indien nur periodisch in Kontakt mit seiner Heimat habe treten können, daß die Anmelde- und Erteilungsverfahren seiner Patentanmeldungen nur einen kleinen Teil dieses Informationsaustauschs ausmachten, und auch daran, daß der Anmelder ein Laie in Patentfragen sei, der sich die Hilfe eines berufsmäßigen Patentvertreters nicht habe leisten können. Der Anmelder habe nicht gewußt, daß für die Anmeldung Jahresgebühren ab dem dritten Jahr zu zahlen seien. Aus seiner Sicht sei das nicht einfach zu verstehen. Daher habe er die Bedeutung der Mitteilung vom 1. März 2001 nicht richtig erkannt. Zum Wegfall des Hindernisses gehöre auch, daß der Anmelder wisse, daß eine Frist von zwei Monaten zu laufen beginne. Diese Kenntnis könne von einem Laien nicht erwartet werden. Der Ernst der Lage sei dem Anmelder erst mit Erhalt des weiteren Schreibens des EPA am 22. Juni 2001 klar geworden. Im vorliegenden Fall würden Interessen der Öffentlichkeit durch eine Wiedereinsetzung nicht berührt. Das Nichtbezahlen einer Jahresgebühr könne für einen Dritten wohl kaum bedeuten, daß der als Anmelder auftretende Erfinder auf die Rechte an seiner Anmeldung verzichten wolle. Vielmehr sei klar, daß es sich um ein unbeabsichtigtes Versäumnis handeln müsse.
IX. Eine mündliche Verhandlung hat vor der Kammer am 11. März 2004 stattgefunden.
X. In der mündlichen Verhandlung vor der Kammer legte die Beschwerdeführerin ein Schreiben des früheren Anmelders an den Vertreter der Beschwerdeführerin vom 14. Februar 2004 und einen von dem früheren Anmelder erstellten Zeitplan seiner Arbeitseinteilung 2001 vor und führte dazu folgendes aus:
Die berufliche Tätigkeit des früheren Anmelders sei im Jahr 2001 so gestaltet gewesen, daß er sich jeweils drei Wochen in Indien aufgehalten habe, dann sei er jeweils für drei Tage, nämlich Dienstag, Mittwoch und Donnerstag bei seinem Arbeitgeber in Schwaig gewesen. Die verbleibenden Wochenenden habe er bei seiner Familie in Graz verbracht, so auch die Ostertage 2001. Der frühere Anmelder sei in diesen Tagen jedoch durch die Vielzahl der zu erledigenden Dinge zu belastet gewesen, um sich mit der Mitteilung des Amtes vom 1. März 2001 zu befassen.
XI. Die Beschwerdeführerin hat beantragt, dem Antrag auf Wiedereinsetzung stattzugeben und die Feststellung der Prüfungsabteilung, daß die Anmeldung als zurückgenommen gilt, aufzuheben.
1. Die Beschwerde wurde form- und fristgerecht eingelegt und ausreichend begründet und ist zulässig.
2.1. Die dem vorliegenden Verfahren zugrundeliegende Patentanmeldung Nr. 98 946 251 wurde am 29. Juli 1998 als internationale Anmeldung nach dem PCT eingereicht. Gemäß Artikel 86 (1), Satz 2, Regel 37 (1), Satz 1 EPÜ wurde die dritte Jahresgebühr am 31. Juli 2002 fällig. Die Frist gemäß Artikel 86 (2) EPÜ zur Zahlung der Jahresgebühr mit Zuschlag lief am 31. Januar 2001 ab. Die dritte Jahresgebühr wurde mit Zuschlag am 25. Juli 2001 entrichtet.
2.2. Gemäß Artikel 86 (3) EPÜ gilt die Europäische Patentanmeldung als zurückgenommen, wenn die Jahresgebühr und gegebenenfalls die Zuschlagsgebühr nicht rechtzeitig entrichtet werden. Da diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt waren, ist die vom Formalprüfer der Prüfungsabteilung in seiner Entscheidung festgestellte Rechtsfolge, daß die Europäische Patentanmeldung Nr. 98 946 251.0 als zurückgenommen gilt, eingetreten.
2.3. Die Beschwerdeführerin kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, der frühere Anmelder (im folgenden: Anmelder) habe auf die ihm nach seiner Behauptung nicht zugegangene Mitteilung des Amtes über die Fälligkeit der Jahresgebühr vertraut. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist diese Mitteilung eine freiwillige Dienstleistung des Amtes, aus deren Unterbleiben der Anmelder keine Ansprüche herleiten kann, weil der Anmelder selbst dafür sorgen muß, daß die Jahresgebühren für europäische Patentanmeldungen rechtzeitig entrichtet werden, unabhängig davon, ob er die Jahresgebührenmitteilung tatsächlich erhält (J 12/84, ABl. EPA 1985, 108, Nr. 4 der Entscheidungsgründe, siehe auch J 27/90, ABl. EPA 1993, 422, Nr. 2.3 der Entscheidungsgründe).
3. Jedoch kann gemäß Artikel 122 (1) EPÜ der Anmelder, der trotz Beobachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert worden ist, gegenüber dem Europäischen Patentamt eine Frist einzuhalten, auf Antrag wieder in den vorigen Stand eingesetzt werden. Gemäß Artikel 122 (2) EPÜ ist der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses schriftlich einzureichen.
Auch wenn man zugunsten des Anmelders davon ausgeht, daß er an der rechtzeitigen Entrichtung der dritten Jahresgebühr gehindert war, weil er dies entweder vergessen hat, z. B. infolge seines beruflichen Wechsels nach Indien, oder er, wie die Beschwerdeführerin zuletzt im Beschwerdeverfahren ausgeführt hat, überhaupt nicht gewußt haben sollte, daß für eine Europäische Patentanmeldung ab dem dritten Jahr im voraus Jahresgebühren zu entrichten sind, so fehlt es im vorliegenden Fall jedenfalls an der zuletzt genannten Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Wiedereinsetzungsantrages gemäß Artikel 122 (2) EPÜ. Der Wiedereinsetzungsantrag vom 25. Juli 2001 wurde nicht innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses gestellt.
3.1. Nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern fällt, wenn die Fristversäumung auf einem Irrtum über Tatsachen beruht, das Hindernis im Sinne von Artikel 122 (2), Satz 1 EPÜ an dem Tag weg, an dem der Anmelder den Irrtum hätte bemerken müssen (T 840/94, ABl. EPA 1996, 680, Nr. 2. der Entscheidungsgründe, J 27/90, ABl. EPA 1993, 422, Nr. 2.4 der Entscheidungsgründe, J 5/94 vom 28. September 1994, Nr. 2.2 der Entscheidungsgründe).
Hat der Anmelder eine Frist aus Unkenntnis oder Unachtsamkeit versäumt, so entfällt das Hindernis für die Vornahme der versäumten Handlung in der Regel jedenfalls dann, wenn der Anmelder durch eine Mitteilung des Amtes nach Regel 69 (1) EPÜ über das Versäumnis informiert wird (J 7/82, ABl. EPA 1982, 391, Nr. 3 der Entscheidungsgründe).
Für den Zeitpunkt, in dem das Hindernis als weggefallen anzusehen ist, kommt es auf den Zeitpunkt des tatsächlichen Eingangs der Mitteilung beim Anmelder an (st. Rspr., siehe J 7/82, a. a. O, Nr. 4. der Entscheidungsgründe).
Der Anmelder wurde nach eigenem Bekunden kurz vor dem 25. März 2001 von seiner Frau telefonisch über den Eingang einer Mitteilung des Amtes betreffend die nicht rechtzeitige Zahlung von Jahresgebühren informiert. Der Formalprüfer ist daher zu Recht davon ausgegangen, daß der Anmelder diese Mitteilung des Amtes nach Regel 69 (1) EPÜ jedenfalls am 25. März 2001 an seinem Wohnsitz in Österreich erhalten hatte.
3.2. Der Anmelder hat sich darauf berufen, daß er die Kenntnis von einer Fristversäumnis nicht bereits durch den Eingang der Mitteilung an seinem Wohnsitz in Österreich erlangt habe, weil er selbst dort infolge seines ständigen beruflichen Aufenthalts in Indien nicht anwesend gewesen sei und seine Frau ihn von dem Inhalt des Schreibens nur telefonisch und nur unvollständig informiert habe. Er sei deshalb davon ausgegangen, daß es sich lediglich um eine Jahresgebührenmahnung handele, so daß er die Zahlung noch wirksam vornehmen könne. Das Hindernis sei deshalb nicht vor dem 22. Juni 2001 weggefallen, dem Tag des Eingangs eines weiteren Schreibens des Amtes zur Rückzahlung der Prüfungsgebühr, das ihn dazu veranlaßt habe, die Regel 69 (1) Mitteilung von seiner Frau anzufordern.
3.3. Die Kammer kann sich dieser Argumentation nicht anschließen.
3.3.1. Zwar mögen von einem Einzelanmelder nicht dieselben umfänglichen Rechtskenntnisse erwartet werden können wie von einem berufsmäßigen Vertreter und auch nicht das Vorhandensein einer etablierten Büroorganisation wie bei einem berufsmäßigen Vertreter. Jedoch treffen auch den Einzelanmelder Sorgfaltspflichten im Verfahren. Deshalb hat ein Einzelanmelder, der sich nicht der Hilfe eines berufsmäßigen Vertreters bedient, sich im Rahmen seiner Möglichkeiten selbst darauf einzurichten, daß er die im Lauf des Erteilungsverfahrens notwendigen Handlungen ordnungs- und fristgemäß vornehmen kann, um Rechtsverluste zu verhindern. Er kann sich weder generell auf Rechtsunkenntnis berufen, noch darf er zumutbare Vorkehrungen zur Fristwahrung unterlassen (J 5/94, Nr. 3.1 der Entscheidungsgründe).
3.3.2. Wer von seinem Wohnsitz länger abwesend ist, hat die Obliegenheit, dafür Sorge zu tragen, daß rechtserhebliche Schriftstücke ihm derart weitergeleitet werden, daß er deren Inhalt in den gegebenen technischen Möglichkeiten angemessener Frist zur Kenntnis nehmen kann.
Die hierfür erforderlichen Vorkehrungen verlangen keine Rechtskunde. Die Wahrung solcher Sorgfalt im Rechtsverkehr kann deshalb auch vom rechtsunkundigen Anmelder verlangt werden. Auch kann es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kein Grund für die Herabsetzung der Anforderungen an die vom Anmelder bei der Verfolgung seiner Patentanmeldung zu fordernde Sorgfalt sein, daß der Anmelder darüberhinaus auch noch andere rechtserhebliche Post zu beachten gehabt haben mag.
Die Weiterleitung eingehender Post vorzusehen, stellt bei den heutigen Kommunikationsmöglichkeiten, jedenfalls solange man sich nicht an einem vollständig abgelegenen Ort befindet, weder ein technisches noch ein wirtschaftlich unzumutbares Problem dar. Der Anmelder hielt sich in einer größeren Stadt in Indien auf und war dort, wie aus seinem Sachvortrag und seinem Verhalten im Verfahren hervorgeht, ganz offensichtlich in der Lage, sich der Mittel des Internets und des Faxes zu bedienen und er besaß auch eine E-Mail Adresse. An seinem Wohnsitz in Österreich eingehende Schriftstücke des Amtes, zumal wenn es sich - wie bei der Regel 69 (1) - Mitteilung - um nicht besonders umfangreiche Schriftstücke handelte, hätten ihm also ohne weiteres und ohne ins Gewicht fallende Verzögerungen oder unzumutbare Kosten nach Indien weitergeleitet werden können, so daß er sich über ihren Inhalt vollumfänglich hätte selbst informieren können. Wen Pflichten im Rechtsverkehr treffen, der darf sich jedenfalls bei längerer Abwesenheit von seinem Wohnsitz nicht auf mündliche Berichte über eingegangene Schriftstücke von Personen verlassen, von denen er selbst der Auffassung ist, daß sie die Bedeutung der Schriftstücke nicht einzuschätzen vermögen. Das gilt erst recht, wenn sich die Schriftstücke, wie der Anmelder vorgetragen hat, auf wirtschaftlich und beruflich besonders wichtige Angelegenheiten beziehen, so daß ein eintretender Rechtsverlust einer Katastrophe gleichkommt, wie es der Anmelder formuliert hat.
3.3.3. Hätte der Anmelder sich die Regel 69 (1) Mitteilung nachsenden lassen, so hätte er durch einfaches Lesen ihres Inhalts festgestellt, daß die Frist zur Entrichtung der dritten Jahresgebühr, auch mit Zuschlag, bereits versäumt war und daß seine Anmeldung bereits als zurückgenommen galt. Aus dem Schreiben war damit klar ersichtlich, daß hinsichtlich der dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegenden Anmeldung ein weitergehender Handlungsbedarf bestand, als nur Gebühren zu entrichten. In der Mitteilung wird außerdem in einem eigenen Absatz deutlich auf die Möglichkeit und die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie darauf hingewiesen, daß nach Artikel 122 EPÜ Fristen und Formerfordernisse zu beachten sind.
Daß der Anmelder nach seinem Vortrag auch nach dieser Mitteilung des Amtes nicht wußte, daß die Frist zur Entrichtung der Jahresgebühren bereits versäumt war, war somit allein die Folge davon, daß er bewußt darauf verzichtet hatte, sich vom Inhalt der Mitteilung selbst zu überzeugen. Wenn sich ein für die Betreuung seiner Anmeldung allein verantwortlicher Anmelder so nachlässig verhält, hat er die Folgen seines Versäumnisses selbst zu tragen und kann nicht später Rechte daraus herleiten wollen, daß er das Wissen, das der Inhalt der Mitteilung vermittelt, nicht gehabt habe (Siehe T 840/94, ABl. EPA 1996, 680, Leitsatz und Nr. 3 der Entscheidungsgründe).
3.3.4. Folglich ist das Hindernis für die Entrichtung der dritten Jahresgebühr durch den Anmelder an dem Tag weggefallen, an dem der Anmelder die Regel 69 (1) Mitteilung erhalten hätte, hätte er sie sich an seinen ständigen Aufenthaltsort in Indien nachschicken lassen. Es ist nicht erforderlich, hierfür einen genauen Zeitpunkt festzulegen. Es liegt auf der Hand, daß selbst bei einer großzügigen Bemessung der Postlaufzeit nach Indien ab dem 25. März 2001, d. h. dem Tag, an dem die Mitteilung des Amtes vom Rechtsverlust am Wohnsitz des Anmelders in Österreich eingegangen war, der Wiedereinsetzungsantrag vom 25. Juli 2001 nicht innerhalb von zwei Monaten nach Wegfall des Hindernisses im Sinne von Artikel 122 (2) EPÜ gestellt worden ist.
3.3.5. Aus dem unter 3.3.3 a. E. genannten Grund würde man zu diesem Ergebnis auch dann gelangen, wenn man für die Frage nach dem Zeitpunkt des Wegfalls des Hindernisses den ergänzenden Tatsachenvortrag der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung zugrunde legen würde, der frühere Anmelder habe sich über die Osterfeiertage 2001, das waren der 13.-16. April, bei seiner Familie in Graz aufgehalten, und habe aber in diesen Tagen wegen Überlastung keine Zeit gehabt, sich mit dem Schreiben des Amtes vom 1. März 2001 zu befassen.
3.3.5. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin spielt es für die Frage, wann das Hindernis im Sinne von Artikel 122 (1) EPÜ weggefallen ist, keine Rolle, ob der Anmelder gewußt hat oder nicht, daß die Frist für die Stellung des Wiedereinsetzungsantrages zwei Monate beträgt. Für den Beginn des Laufes der Frist zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrages kommt es nach dem klaren Wortlaut des Artikels 122 (1) EPÜ allein auf den Zeitpunkt an, in dem das Hindernis für die Vornahme der versäumten Handlung weggefallen ist.
3.3.6. Umstände, die es unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes als geboten erscheinen lassen würden, den Wiedereinsetzungsantrag des Anmelders als rechtzeitig gestellt anzusehen, sind nicht ersichtlich. Deshalb geht die Argumentation der Beschwerdeführerin, die Kammer solle Nachsicht üben, weil das Nichtbezahlen einer Jahresgebühr für Dritte wohl kaum bedeuten könne, daß der als Anmelder auftretende Erfinder auf die Rechte an seiner Patentanmeldung verzichten wolle, ins Leere. Sie ist jedoch auch inhaltlich unzutreffend, weil bekannt ist, daß die Nichtzahlung von Jahresgebühren häufig als ein Mittel benutzt wird, um die Anmeldung fallenzulassen, ohne sie förmlich zurücknehmen zu müssen (Schulte, Patentgesetz mit EPÜ, 6. Aufl. 2001, Rdnr. 8 zu § 17).
3.3.7. Der Formalprüfer der Prüfungsabteilung hat deshalb den Wiedereinsetzungsantrag des Anmelders zurecht als unzulässig zurückgewiesen und zutreffend festgestellt, daß die Europäische Patentanmeldung Nr. 98 946 251.0 als zurückgenommen gilt.
Der Beschwerde muß daher der Erfolg versagt bleiben.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.