T 0659/92 (Übertragung der Einsprechendenstellung) 24-10-1994
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1. Erklärt der einzige Beschwerdeführer die Rücknahme der Beschwerde, so ist die Beschwerdekammer befugt, über die zwischen den Parteien strittige Frage zu entscheiden, ob die Rücknahme der Beschwerde rechtswirksam erfolgt ist oder ob das Beschwerdeverfahren deshalb fortzusetzen ist, weil die verfahrensrechtliche Stellung des Einsprechenden im Einspruchsbeschwerdeverfahren und damit die Befugnis, ein Rechtsmittel zurückzunehmen, vor Rücknahme der Beschwerde auf einen Dritten übergegangen war.
2. Die Übertragung der Beteiligtenstellung ist in jeder Lage eines anhängigen Einspruchsbeschwerdeverfahrens zulässig, wenn sie zusammen mit der Übertragung des Geschäftsbetriebs oder Unternehmensteils erfolgt, in dessen Interesse die Beschwerde eingelegt worden ist (vgl. Entscheidung der Großen Beschwerdekammer vom 24.4.1989 - G 4/88 - ABl. EPA 1989, 480, Ziffer 4 der Gründe).
Übertragung der Einsprechendenstellung
Rücknahme der Beschwerde
Rechtskraft
I. Gegen das dem Patentinhaber und Beschwerdegegner (Günter Schweisfurth) mit Wirkung vom 2. Mai 1990 erteilte europäische Patent Nr. 0142132 betreffend ein Massagegerät legte die Koll KG, vertreten durch Dipl.-Ing. Patentanwalt U. Schlagwein, Einspruch ein, den die Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts nach mündlicher Verhandlung mit Entscheidung vom 4. Juni 1992 als unbegründet zurückgewiesen hat. Gegen die den Verfahrensbeteiligten am 5. Juni 1992 zugestellte Entscheidung der Einspruchsabteilung hat der Vertreter der Einsprechenden mit Schriftsatz vom 14. Juli 1992 (eingegangen am 16.7.1992) Beschwerde eingelegt und beantragt, das Streitpatent in vollem Umfang zu widerrufen.
II. Mit eingeschriebenem, mit "Walter Koll" unterzeichneten Brief vom 2. Dezember 1992, der beim Europäischen Patentamt am 4. Dezember 1992 eingegangen ist, erklärte die Koll KG, daß die mit Schriftsatz vom 14. Juli 1992 gegen die Entscheidung des Europäischen Patentamts vom 4. Juni 1992 eingelegte Beschwerde zurückgezogen werde.
III. Mit Schriftsatz vom 21. Dezember 1992 legte der Vertreter der Einsprechenden (Patentanwalt U. Schlagwein) die Kopie einer "Übertragungserklärung" vom 24. April 1992 mit beglaubigter Unterschrift von Herrn Walter Koll vor, wonach dieser u. a. den "Einspruch gegen das Schweisfurth-Patent EP- 0142132 "Massagegerät"", auf Herrn Gerhard Arnold, Wiesbaden überträgt, und beantragte, das Beschwerdeverfahren im Namen des letzteren weiterzuführen, da die Koll KG nicht mehr berechtigt gewesen sei, die Beschwerde zurückzuziehen.
Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 1992 reichte Patentanwalt U. Schlagwein eine am 22. Dezember 1992 notariell beglaubigte Abschrift der "Übertragungserklärung" vom 24. April 1992 sowie eine von Gerhard Arnold, Wiesbaden unterzeichnete Vollmacht zu den Akten.
IV. Zur Begründung seines Antrags auf Fortführung des Beschwerdeverfahrens hat Patentanwalt U. Schlagwein ausgeführt, Walter Koll habe am 24. April 1992 sämtliche Schutzrechte, die Kosmetikroller zum Gegenstand haben, auf Gerhard Arnold übertragen. Herr Koll habe sämtliche Aktivitäten auf dem Gebiet der Lizenzvergabe für Kosmetikroller aufgegeben und diese mit den Schutzrechten auf Herrn G. Arnold übertragen. Damit sei auch der auf die Vermarktung der Schutzrechte gerichtete Geschäftsbetrieb sowie Einspruch und Beschwerde im vorliegenden Verfahren auf den Erwerber übergegangen. Das Beschwerdeverfahren müsse von demjenigen fortgeführt werden, der im Besitz der konkurrierenden Schutzrechte sei. Über das Vermögen der Koll KG sei zwischenzeitlich Konkurs eröffnet worden.
V. Der Beschwerdegegner widerspricht der Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens unter Hinweis auf die rechtswirksam erklärte Rücknahme der Beschwerde. Die am 22. Dezember 1992 beglaubigte Übertragungserklärung habe offensichtlich nur die Unterschrift des Herrn W. Koll, nicht aber die des Herrn G. Arnold getragen. Auch die Vollmacht sei von Herrn Arnold erst am 29. Dezember 1992 unterzeichnet und am 2. Januar 1993 beim Europäischen Patentamt eingereicht worden.
Die rechtsgeschäftliche Übertragung der Einsprechendenstellung sei nur zusammen mit der Übertragung des Geschäftsbetriebs des Einsprechenden möglich. Im vorliegenden Fall liege jedoch lediglich eine Übertragungserklärung von Herrn W. Koll als natürliche Person vor, nicht aber als Komplementär der Koll KG. Das Gesellschaftsvermögen der Koll KG sei nicht übertragen worden. Herr Arnold habe den Geschäftsbetrieb der Koll KG nicht erworben; er schließe zu Unrecht aus der Übertragung der Schutzrechte auf eine Übertragung des Geschäftsbetriebs.
VI. Der Beschwerdegegner hat ein von Herrn Walter Koll an eine Günter Schweisfurth GmbH gerichtetes Schreiben vom 27. August 1993 zu den Akten gereicht, in dem u. a. erklärt wird: "Zu keiner Zeit ist der Geschäftsbetrieb an Herrn Arnold übertragen worden."
VII. Die Kammer hat durch Einsichtsnahme in das Original des in der Prüfungsakte 91101722.6 befindlichen Vertrages zur Übertragung u. a. der Einsprechendenstellung auf Herrn Gerhard Arnold festgestellt, daß die Übertragungserklärung als Unterschriften die Namenszüge "Walter Koll" und "Gerhard Arnold" trägt.
1. Nach der von der Großen Beschwerdekammer in ihrer Entscheidung vom 5. November 1992 bestätigten Praxis der Beschwerdekammern ist, wenn die Entscheidung der Einspruchsabteilung in der Sache durch Rücknahme der Beschwerde des einzigen Beschwerdeführers rechtskräftig wird, das Verfahren, soweit es die durch die angefochtene Entscheidung der 1. Instanz entschiedenen Sachfragen angeht, als beendet anzusehen und einzustellen (G 7 und 8/91, ABl. EPA 1993, 346, 356, Ziffer 2 bis 4, 12 der Gründe). Die Beschwerdekammer bleibt jedoch befugt, über die zwischen den Parteien strittige Frage zu entscheiden, ob die Rücknahme der Beschwerde rechtswirksam erfolgt ist oder ob - wie im vorliegenden Fall geltend gemacht wird - das Beschwerdeverfahren deshalb fortzusetzen ist, weil der Einsprechende seine verfahrensrechtliche Stellung im Einspruchsbeschwerdeverfahren und damit die Befugnis, ein Rechtsmittel zurückzunehmen, auf einen Dritten übertragen hat.
Die Kammer hat im anhängigen Beschwerdeverfahren darüber zu entscheiden, ob der Dritte, der als Rechtsnachfolger in das Beschwerdeverfahren als Beschwerdeführer eingetreten zu sein geltend macht, die Wirksamkeit der Rücknahme der Beschwerde zu Recht bestreitet. Die Entscheidung der Kammer hat insoweit feststellenden Charakter: Stellt sie - gegebenenfalls durch Zwischenentscheidung - fest, daß die Rücknahme der Beschwerde unwirksam ist, so ist das Beschwerdeverfahren fortzusetzen; stellt sie fest, daß die Rücknahme der Beschwerde wirksam ist, so stellt sie das Beschwerdeverfahren - wenn keine weiteren Fragen (z. B. Kostenfragen) anhängig sind - durch Endentscheidung ein.
2. Zur Frage einer rechtsgeschäftlichen Übertragung der Beteiligtenstellung hat die Große Beschwerdekammer entschieden, daß die verfahrensrechtliche Stellung des Einsprechenden, wie mit der Regel 60 (2) EPÜ implizit anerkannt, auf die Erben übergehen könne und daß in entsprechender Weise auch der Eintritt des Gesamtrechtsnachfolgers in die Einsprechendenstellung zulässig sei (G 4/88, Entscheidung vom 24.4.1989, ABl. EPA 1989, 480, Ziffer 4 der Gründe). Ein beim Europäischen Patentamt anhängiger Einspruch könne "als zum Geschäftsbetrieb des Einsprechenden gehörend" zusammen mit jenem Bereich dieses Geschäftsbetriebes an einen Dritten übertragen oder abgetreten werden, auf den sich der Einspruch beziehe. Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung der Großen Beschwerdekammer wurde auch das Recht, Beschwerde einzulegen, als mit dem Geschäftsbetrieb der Einsprechenden übertragbar angesehen (T 563/89, Entscheidung der Beschwerdekammer 3.2.1 vom 3.9.1991, Ziffer 1.1 der Gründe).
Dieser Rechtsprechung folgend hält die Kammer eine Übertragung der Beteiligtenstellung in jeder Lage eines anhängigen Einspruchsbeschwerdeverfahren für zulässig, wenn sie zusammen mit der Übertragung des Geschäftsbetriebs oder Unternehmensteils erfolgt, in dessen Interesse die Beschwerde eingelegt worden ist.
3. Im vorliegenden Fall liegt jedoch eine Übertragung des Geschäftsbetriebs des Einsprechenden oder desjenigen Teils des Geschäftsbetriebs, zu dem die mit dem Einspruch zu schützende gewerbliche Schutzrechtsposition gehört, nicht vor. Deshalb kommt entgegen der Auffassung des Erwerbers (Gerhard Arnold) ein Übergang der Beteiligtenstellung der Einsprechenden (Koll KG) im Wege einer Gesamtrechtsnachfolge als "untrennbares Zubehör" (vgl. G 4/88, a. a. O., Ziffer 6 der Gründe) desjenigen Geschäftsbetriebs, in dessen Interesse der Einspruch eingelegt worden ist, nicht in Betracht.
3.1 Die "Übertragungserklärung" vom 24. April 1992 betrifft lediglich eine Reihe gewerblicher Schutzrechte, nämlich Patentanmeldungen, Gebrauchs- und Geschmacksmusteranmeldungen und -hinterlegungen sowie den "Einspruch gegen das Schweisfurth-Patent EP 0142132 "Massagegerät""; die - vertragliche - Übertragung eines Geschäftsbetriebs oder desjenigen Unternehmensteils, auf den sich die fraglichen gewerblichen Schutzrechte beziehen, liegt nicht vor. Dies hat der persönlich haftende Gesellschafter der Einsprechenden, Herr W. Koll, in seinem Schreiben vom 27. August 1993 an den Inhaber des Streitpatents bestätigt.
3.2 Selbst wenn Herr W. Koll - wie vorgetragen worden ist - mit der Übertragung der in der Übertragungserklärung genannten Schutzrechte sämtliche Aktivitäten auf dem Gebiet der Lizenzvergabe für Kosmetikroller aufgegeben hat, so bedeutet dies keineswegs, daß der diesbezügliche Geschäftsbetrieb der Koll KG auf den Erwerber der Schutzrechte, Herrn G. Arnold, übertragen worden ist. Dessen bevollmächtigter Vertreter führt selbst aus, daß die fraglichen Kosmetikroller von der Fa. Cosmetics-Vertrieb Margot Zimmer GmbH, Langenargen, vermarktet werden, was in der Erklärung des Herrn Koll vom 27. August 1993 ebenfalls bestätigt wird.
3.3 Für die Übernahme eines Geschäftsbetriebs im Wege der Gesamtrechtsnachfolge mit allen Rechten und Verbindlichkeiten hätte es einer vertraglichen Vereinbarung mit der Koll KG bedurft. Die einseitige Erklärung des Schutzrechtinhabers, gewerbliche Schutzrechtspositionen und die Einsprechendenstellung bezüglich eines bestimmten Schutzrechtsverfahrens zu übertragen, kann eine Gesamtrechtsnachfolge durch Betriebsübernahme nicht bewirken. Es mag dahinstehen, wann Herr G. Arnold als Erwerber der verschiedenen gewerblichen Schutzrechtspositionen die "Übertragungserklärung" vom 24. April 1992 unterzeichnet hat; notariell beglaubigt wurde am 24. April 1992 nur eine Unterschrift, und zwar die des Herrn W. Koll. Für eine vertragliche Übertragung des Geschäftsbetriebs der Koll KG ergeben sich keine Anhaltspunkte. Eine solche hätte überdies, worauf die Patentinhaberin zu Recht hinweist, von der Gesellschaft, nicht nur von ihrem persönlich haftenden Gesellschafter, vereinbart werden müssen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Der Antrag, das Beschwerdeverfahren fortzusetzen, wird zurückgewiesen.
2. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.