T 0025/08 29-04-2010
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Gleitlager und Windenergieanlage mit einem solchen Gleitlager
Zulässigkeit des Einspruchs bei offenkundiger Vorbenutzung (ja)
Verfahrensmangel (nein)
Zurückverweisung (ja)
I. Die Einspruchsabteilung hat mit der Entscheidung vom 6. November 2007 den Einspruch gegen das europäische Patent No. 1 247 021 als unzulässig verworfen.
II. Das Patent betrifft eine Windkraftanlage. Dessen erteilter Anspruch 1 hat folgenden Wortlaut:
"Gleitlager für die Übertragung hoher Axialkräfte und großer Biegemomente bei geringen Relativbewegungen zwischen den Lagerpartnern, bei dem eine an einem Lagerpartner (4; 104) angeordnete Ringrippe (6; 106) in eine am anderen Lagerpartner (22; 122) vorgesehene Ringnut (24; 124) eingreift, und die Ringrippe (6; 108) auf ihren freien Seitenflächen und ggf. Umfangsflächen mit Gleitbelägen (7, 8: 107, 108) versehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Gleitbeläge (7, 8; 107, 108) segmentartig unterteilt und mit der Rippe (6; 106) fest, aber lösbar verbunden sind".
III. Mit dem am 25. Januar 2005 eingereichten Einspruch ist das Patent in vollem Umfang angegriffen worden. Er wurde auf die Einspruchsgründe der mangelnden Neuheit und der mangelnden erfinderischen Tätigkeit nach Artikel 100 a) EPÜ im Hinblick auf eine offenkundige Vorbenutzung gestützt.
In der Einspruchsfrist sind die folgenden Dokumente eingereicht worden:
E1: Beschreibung der Windkraftanlage SÜDWIND N 3127, Südwind GmbH Windkraftanlagen, 12/94;
E2: 8 Zeichnungen einer Windkraftanlage und eines Azimutlagers;
E3: Kaufvertrag über eine Windkraftanlage Typ Südwind N 3127/40 mp, 7. Juli 1993.
Nach Ablauf der Einspruchsfrist sind weitere Dokumente eingereicht worden, unter anderem Folgende:
E2a: Zeichnung Nr. N3127.2.01.005;
E2b: Zeichnung Nr. N3127.2.01.V2.
Die Einsprechende hat im Einspruchsschriftsatz vorgetragen:
a) "Der Gegenstand des unabhängigen Patentanspruchs 1 war am Prioritätstag dieses Patents nicht mehr neu, weil Gleitlager mit sämtlichen Merkmalen des unabhängigen Patentanspruchs 1 des angefochtenen Patents durch vorbehaltlosen Verkauf von in El beschriebenen Windenergieanlagen mit Gleitlagern gemäß E2 entsprechend dem Vertrag gemäß E3 vor dem Prioritätstag der Öffentlichkeit im Sinne des Artikels 54 EPÜ zugänglich gemacht wurden. Gemäß El erfolgt bei den vor dem Prioritätstag des angefochtenen Patents vorbehaltlos verkauften Windkraftanlagen die Windrichtungsnachführung unter Verwendung eines Gleitlagers (vergleiche El, "Windrichtungsnachführung"). Eine Übersichtsdarstellung der Gleitlager der gemäß E3 vor dem Prioritätstag des angefochtenen Patents vorbehaltlos verkauften Windkraftanlagen ist in der Zeichnung mit der Zeichnungsnummer 3335.2.01.V3 des Anlagenkonvoluts E2 angegeben. Nach der Zeichnungsbeschriftung handelt es sich bei diesem Gleitlager um ein Azimutlager. Nach der Beschreibung des angefochtenen Patents verwirklichen solche Azimutlager von Windkraftanlagen Merkmal 1) des unabhängigen Patentanspruchs 1 des angefochtenen Patents".
b) Danach machte sie Ausführungen, aus welchen Zeichnungsblättern des insgesamt acht Seiten aufweisenden Dokumentes E2, die einzelnen Merkmale des Anspruches 1 entnehmbar wären.
c) Außerdem führte sie aus: "Ergänzend wird Beweis angetreten für die im Zusammenhang mit der Konstruktion der Azimutlager der vorbenutzten Windkraftanlagen und dem vorbehaltlosen Verkauf sowie die Ausstellung derartiger Windkraftanlagen vor dem Prioritätstag des angefochtenen Patents durch Benennung des Herrn Dr. Ralf Hemmen, Dorfstr. 48, D-17291 Neuenfeld, als Zeugen".
IV. In der Entscheidung hat die Einspruchsabteilung zum Gegenstand der Vorbenutzung Folgendes ausgeführt:
"Hier bestehen große Zweifel seitens der Einspruchabteilung, dass innerhalb der Einspruchsfrist diese Bedingung [d.h. was benutzt worden ist] erfüllt worden ist. Die Beschreibung El bezieht sich auf eine Windenergieanlage vom Typ 3127 sowie der Kaufvertrag. Die Zeichnungen jedoch beziehen sich auf eine Anlage vom Typ 3335 und nicht 3127. Innerhalb der Einspruchsfrist ist nicht dargestellt worden, wie Teile der Anlage vom Typ 3335 auch in einer Anlage vom Typ 3127 zur Verwendung gekommen sein könnten. Das Angebot eines Zeugens ist in dieser Hinsicht wenig hilfreich, da der Zeuge keine neuen Fakten herbeibringen kann. Er kann nur die angebrachten Tatsachen neu bestätigen, T241/99. Die Einsprechende hat zwar, nachdem der Patentinhaber die Zulässigkeit in Zweifel gezogen hatte, weitere Zeichnungen eingereicht, die in der Tat der Anlage vom Typ 3127 entsprechen; ob diese Zeichnungen ein segmentiertes Azimutlager zeigen, spielt für die Zulässigkeit des Anspruchs keine Rolle. Wenn ein Einspruch auf offenkundige Vorbenutzung beruht, müssen die Fakten lückenlos nachgewiesen werden (T472/92)".
V. Die Einsprechende hat gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung am 9. Januar 2008 Beschwerde eingelegt und am 10. Januar 2008 die Beschwerdegebühr bezahlt. Die Beschwerdebegründung ist am 17. März 2008 eingegangen.
In einem Bescheid hat die Kammer den Parteien ihre vorläufige Auffassung mitgeteilt, dass der Einspruch zulässig erscheine, dass das Verfahren vor der Einspruchsabteilung auch keine Verfahrensmängel erkennen ließe und dass sie beabsichtige, die Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur Prüfung der Begründetheit des Einspruchs zurückzuverweisen.
VI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte, die Entscheidung der Einspruchsabteilung aufzuheben und den Einspruch an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen, hilfsweise eine mündliche Verhandlung anzuberaumen. Darüber hinaus beantragte sie, die Beschwerdegebühr wegen schwerwiegender Verfahrensfehler der Einspruchsabteilung zurück zu zahlen.
VII. Demgegenüber beantragte der Beschwerdegegner (Patentinhaber), die Beschwerde mangels Zulässigkeit zu verwerfen oder sie zurückzuweisen.
VIII. Die Beschwerdeführerin hat Folgendes vorgetragen:
Der Einspruch sei im Hinblick auf die Dokumente E1, E2, E3 und dem angebotenen Zeugenbeweis ausreichend substantiiert und somit zulässig.
Weil das Zeugenangebot der Einsprechenden von der Einspruchsabteilung nicht zugelassen worden ist, hätte sie ihr das rechtliche Gehör nach Art. 113 in Verbindung mit Art. 117 EPÜ verweigert. Einen weiteren schwerwiegenden Verfahrensfehler sieht sie darin, dass die Einspruchsabteilung die Zeichnungen E2a und E2b nicht als Beweismittel zur Substantiierung des Einspruchs zugelassen hat. Diese Druckschriften seien mit der Eingabe vom 23. Januar 2006 zur Akte gegeben worden. Durch die Nennung der Druckschrift E2 im Einspruchsschriftsatz, seien auch die Zeichnungen E2a und E2b innerhalb der Einspruchsfrist angegeben worden. Aus der Nummerierung der Zeichnungen würde deutlich, dass diese klar dem fristgerecht angegebenen Anlagenkonvolut E2 zuzuordnen seien.
IX. Der Beschwerdegegner argumentierte wie folgt:
a) Zur Zulässigkeit der Beschwerde
Der Einspruch wurde von der Idaswind GmbH & Co. KG eingelegt, die Beschwerde hingegen von der Idaswind Ingenieurgesellschaft mbH. Es sei aus dem gesamten Handelsregister B des Amtsgerichts Rostock nicht erkennbar, wie und unter welchen Umständen die Idaswind Ingenieurgesellschaft mbH Rechtsnachfolgerin des vormaligen Unternehmens Idaswind GmbH & Co. KG geworden sein könnte. Deshalb sei die Idaswind Ingenieurgesellschaft mbH nicht am Einspruchsverfahren beteiligt gewesen. Da sie folglich auch nicht beschwert sei, wäre die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Auch sei die Entscheidung der Einspruchsabteilung rechtskräftig geworden, da die Einsprechende Idaswind GmbH & Co. KG keine Beschwerde eingelegt hätte.
b) Zur Zulässigkeit des Einspruchs
Die Einspruchsabteilung hätte den Einspruch zu Recht mangels ausreichender Substantiierung als unzulässig verworfen, denn die von der Einsprechenden vorgelegten Unterlagen sowohl bezüglich der Tatsachenbehauptungen, die eine offenkundige Vorbenutzung belegen sollten, als auch der Beweismittel seien mängelbehaftet gewesen, was einzig und allein in der Verantwortung der Einsprechenden läge. Insbesondere hätte die Einsprechende keinen zweifelsfreien, lückenlosen Nachweis der offenkundigen Vorbenutzung erbracht, der es dem Europäischen Patentamt und dem Patentinhaber erlaubt hätte, den behaupteten Widerrufsgrund ohne eigene Ermittlungen zu prüfen.
Am Ende der Einspruchsfrist, also am 28. Januar 2005, sei es nicht ersichtlich gewesen, wie die Windkraftanlage N3127 gemäß Anlage E1 in Verbindung steht mit den Zeichnungen eines Gleitlagers mit der Nummer N3335 gemäß Anlage E2. Es wäre pure Spekulation, sich über einen etwaigen Zusammenhang zwischen den Dokumenten E1, E2 und E3 irgendwelche weiteren Gedanken zu machen. Der Einspruch wäre am Ende der Einspruchsfrist nicht schlüssig und überzeugend dargelegt gewesen.
Das Zeugenangebot im Einspruchsschriftsatz sei weder deutlich noch begründet, sondern lediglich diffus und völlig inhaltslos. Es würde weder ein Beweisthema genannt noch irgendein konkreter Sachverhalt, den der Zeuge beweisen soll. Deshalb hätte die Einspruchsabteilung dieses Beweisangebot zu Recht nicht verwertet, denn ein Zeuge könne keine neuen Fakten herbeibringen, er könne nur vorgetragene Tatsachen bestätigen.
Zulässigkeit der Beschwerde:
1. Der Einspruch wurde von der Idaswind GmbH & Co. KG eingelegt, die Beschwerde hingegen von der Idaswind GmbH. Nach der Rechtsprechung ist ein solcher Wechsel der Einsprechendenstellung dann zulässig, wenn es sich um eine Gesamtrechtsnachfolge handelt (G 4/88, Abl. 1989, 480), und zwar in jeder Lage des Verfahrens (T 659/92, Abl. 1995, 519). Vorliegend hat die Einsprechende durch Vorlage eines Handelsregisterauszuges des Amtsgerichts Rostock vom 15. März 2006 nachgewiesen, daß die vormaligen drei Kommanditisten der Idaswind GmbH & Co. KG ihre Anteile im Wege der Einzelrechtsnachfolge an die persönlich haftende Idaswind GmbH übertragen haben, was zum Erlöschen der GmbH & Co. KG geführt hat. Da die Idaswind GmbH das Handelsgeschäft der GmbH & Co. KG ausweislich des Handelsregisterauszuges ohne Liquidation übernommen hat, liegt insoweit eine Gesamtrechtsnachfolge vor. Die beschwerdeführende Idaswind GmbH ist mithin zur Einlegung der Beschwerde in vorliegendem Verfahren aktivlegitimiert gewesen.
2. Da die Kammer auch hinsichtlich der weiteren Erfordernisse der Artikel 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ 1973, die gemäß J 10/07 (Abl. 2008, 567) anwendbar sind, keine Bedenken hat, ist die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt worden und somit zulässig.
Zulässigkeit des Einspruchs:
3. Der Einspruch ist am 25. Januar 2005 eingelegt worden, das heißt vor dem Inkrafttreten des revidierten europäischen Patentübereinkommens am 13. Dezember 2007. Da die Befugnis zu einer Verfahrenshandlung auf der Grundlage des zum Zeitpunkt dieser Handlung geltenden Rechts zu entscheiden ist (T 1366/04 v. 16. April 2008, Gründe 1.2; nicht im Abl. veröffentlicht), gelten für die Beurteilung der Zulässigkeit des Einspruchs die Rechtsvorschriften des EPÜ 1973, im vorliegenden Fall also insbesondere der Regel 55 c).
4. Der Einspruch ist nach Art. 99 (1) Satz 1 und 2 EPÜ 1973 innerhalb der Einspruchsfrist zu begründen. Nach Regel 55 c) EPÜ 1973 muss die Einspruchsschrift eine Erklärung darüber enthalten
(a) in welchem Umfang gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt und
(b) auf welche Einspruchsgründe der Einspruch gestützt wird, sowie
(c) die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel.
Erfüllt der Einspruch diese Erfordernisse nicht, ist er nach Regel 56 (1) EPÜ 1973 als unzulässig zu verwerfen und zwar in jedem Stadium des Verfahrens (T 289/91, Abl. 1994,649).
4.1 Die Voraussetzungen (a) und (b) sind erfüllt, weil in der Einspruchsschrift beantragt wurde, das europäische Patent 1 247 021 in vollem Umfang zu widerrufen, weil dessen Gegenstand gemäß Art. 100 a) EPÜ nicht patentfähig sei, insbesondere nicht neu und nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhend.
4.2 Zu Voraussetzung (c) der Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel
4.2.1 Dazu sind in der Rechtssprechung der Beschwerdekammern die folgenden Grundsätze angegeben worden (für eine anschauliche Zusammenfassung, siehe T 426/08 v. 1.12.08, nicht im Abl. veröffentlicht):
Die Einspruchsschrift muss vom Inhalt her geeignet sein, das Vorbringen des Einsprechenden objektiv verständlich zu machen (T 222/85, Abl. 1988,128). Dazu müssen die Einwände so deutlich dargelegt und begründet werden, dass sowohl für den Patentinhaber als auch für die Einspruchsabteilung ohne weitere Ermittlungen verständlich ist (T 2/89, Leitsatz 1; Abl. 1991,51), welcher Sachverhalt als der Aufrechterhaltung des Patent entgegenstehend angesehen wird (siehe T538/89 v. 2.1.1991, Gründe 2.3; nicht im Abl. veröffentlicht).
a) Die Tatsachen, also behauptete Sachverhalte, die gegebenenfalls durch Beweismittel zu belegen sind, sind so deutlich anzugeben, dass sich dem Fachmann ohne weitere Ermittlungen der technische Zusammenhang zwischen einem entgegengehaltenen Stand der Technik und dem beanspruchten Gegenstand erschließt. Wie detailliert diese Angaben sein müssen, hängt vom Fall ab, das heißt, der Art der Entgegenhaltung und der Komplexität des beanspruchten Gegenstandes. Eine detaillierte Angabe ist jedenfalls für das erforderlich, was sich dem Fachmann aus dem Beweismittel nicht unmittelbar und eindeutig erschließt.
Regel 55 c) verlangt die "Angabe" der zur Begründung vorgebrachten Beweismittel in der Einspruchsschrift. Die Beweismittel können noch nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereicht werden (T 234/86, Abl. 1989, 79 und T 538/89, supra). Deshalb kann es bei der Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs nicht auf den Inhalt der Beweismittel zum Nachweis von Tatsachen ankommen (T 426/08, Gründe 5.1.3, supra), und ob das Einspruchsvorbringen "schlüssig" ist, dass also das als richtig unterstellte Vorbringen den gestellten Antrag rechtfertigt. Diese Frage stellt sich erst bei der Beweiswürdigung, das heißt der Feststellung, ob die Beweismittel die behaupteten Tatsachen auch wirklich beweisen und ist der Prüfung der materiell-rechtlichen Begründetheit des Einspruchs vorbehalten, die gemäß Art. 101 (1) EPÜ 1973 erst dann erfolgen darf, wenn feststeht, dass der Einspruch zulässig ist.
b) Wird ein Einspruch zur Begründung mangelnder Patentfähigkeit - wie im vorliegenden Fall - auf eine Vorbenutzung gestützt, so müssen innerhalb der Einspruchsfrist alle zur Ermittlung
- des Zeitpunkts,
- des Gegenstands und
- der Umstände
der Vorbenutzung dienlichen Tatsachen sowie die zur Begründung vorgebrachten Beweismittel angegeben werden (T 328/87, Leitsatz 1; Abl. 1992,701).
Eine abstrakte Angabe des Gegenstandes der Vorbenutzung reicht in der Regel nicht aus. Vielmehr muss dies so detailliert erfolgen, dass der Patentinhaber und die Einspruchsabteilung beurteilen können, ob der Gegenstand der Vorbenutzung mit dem beanspruchten Gegenstand identisch oder vergleichbar ist. Wenn der Sachverhalt für den Fachmann aus sich heraus unmittelbar verständlich ist, können solche Angaben jedoch auch unterbleiben (T 1069/96 v. 10.5.2000, Nr. 2.3.3; nicht im Abl. veröffentlicht).
Daraus ergibt sich also, dass die innerhalb der Einspruchsfrist gemachten Angaben zur behaupteten offenkundigen Vorbenutzung für jedes der Kriterien Zeitpunkt, Gegenstand und Umstände der Benutzung aus der Sicht des Fachmannes soweit verständlich sein müssen, dass die Prüfung ihrer materiell-rechtlichen Begründetheit erfolgen kann. Die angegebenen Beweismittel können dabei noch nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgelegt werden. (T 426/08, Nr. 5.1.3, Seite 23; supra).
4.2.2 Ein derart substantiierter Einspruch ermöglicht es dem Patentinhaber angemessen auf die Einwände reagieren zu können, also entweder mit Gegenargumenten oder durch Änderungen des Patentes, und der Einspruchsabteilung, seine materiell-rechtliche Begründetheit ohne eigene Ermittlungen (siehe T 538/89, Nummer 2.6, supra) zu prüfen.
4.3 Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall
4.3.1 Zum Gegenstand der Benutzung
a) Als Tatsachenbehauptung hat die Einsprechende vorgetragen, dass die im Dokument E1 beschriebene Windenergieanlage Gleitlager gemäß Dokument E2 aufgewiesen hätte.
Die einzelnen Merkmale des Anspruches 1 werden in drei Zeichnungsblättern des insgesamt acht Zeichnungsblätter umfassenden Dokuments E2, den dort dargestellten Bauteilen zugeordnet. Diese Zeichnungsblätter, das heißt die zwei Blätter umfassende Gesamtzeichnung 3335.2.01. V3 und Zeichnungsblatt 3335.2.01.011, sind technische Zeichnungen, denen der Fachmann unmittelbar und eindeutig die hinsichtlich des Anspruches 1 relevanten Teile des Gleitlagers entnehmen kann.
Der Gegenstand der Vorbenutzung ist somit so detailliert angegeben, dass geprüft werden kann, ob er mit dem beanspruchten Gegenstand übereinstimmt oder vergleichbar ist.
b) Als Beweismittel für diese Tatsachenbehauptung, hat die Einsprechende im Einspruchsschriftsatz nicht nur die Dokumente E1 und E2, sondern auch Zeugenbeweis angeboten.
Zeugen sind ein zulässiges Beweismittel gemäß Art. 117 (1) d) EPÜ 1973. Ihre Funktion ist es, behauptete Sachverhalte aus persönlicher Kenntnis darzulegen. Im vorliegenden Fall war der Zeuge zur Konstruktion der Azimutlager der verkauften Windenergieanlage nach Dokument E1 angegeben worden (dies ergibt sich jedenfalls aus dem betreffenden Absatz in der Einspruchsschrift, auch wenn dieser grammatikalisch nicht vollständig ist), also zu der in der Einspruchsschrift behaupteten und vom Patentinhaber bestrittenen Tatsache, dass die verkaufte Windenergieanlage nach Druckschrift E1 Gleitlager nach Druckschrift E2 aufwies. Der Zeuge war demnach nicht, wie von der Einspruchsabteilung ausgeführt, dazu angegeben, neue Fakten herbeizubringen, sondern lediglich dazu, behauptete Tatsachen zu bestätigen.
c) Die Kammer kommt somit zu dem Ergebnis, dass alle zur Ermittlung des Gegenstandes der Vorbenutzung erforderlichen Tatsachen und Beweismittel innerhalb der Einspruchsfrist angegeben worden sind.
4.3.2 Zum Zeitpunkt bzw. Zeitraum und den Umständen der Vorbenutzung
a) Als Tatsachenbehauptung hat die Einsprechende im Einspruchsschriftsatz vorgetragen, dass das Gleitlager gemäß Dokument E2 vor dem Prioritätstag des angefochtenen Patents durch vorbehaltslosen Verkauf der Windenergieanlage nach E1 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden ist.
b) Zum Nachweis dieser Tatsachenbehauptung hat sie innerhalb der Einspruchsfrist als Beweismittel Dokument E3 vorgelegt und den Zeugen zum vorbehaltlosen Verkauf derartiger Windkraftanlagen benannt.
c) Damit ist es der Einspruchsabteilung und dem Patentinhaber möglich, den Zeitpunkt bzw. Zeitraum und die Umstände der behaupteten Vorbenutzung zu prüfen. Auch die dazu erforderlichen Tatsachen und Beweismittel sind deshalb innerhalb der Einspruchsfrist angegeben worden.
4.3.3 Der Beschwerdegegner hat dagegen angeführt, dass die Rechtsprechung im Falle einer eigenen Vorbenutzung einen lückenlosen Nachweis der offenkundigen Vorbenutzung fordert. Dies ist zwar zutreffend, betrifft aber nicht die Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs sondern die Prüfung seiner materiell-rechtlichen Begründetheit.
4.3.4 Die Einspruchsabteilung hat die Unzulässigkeit des Einspruchs in der Entscheidung damit begründet, dass in der Einspruchsfrist nicht dargestellt worden sei, wie Teile der Anlage vom Typ 3335 (also gemäß Dokument E2) auch in einer Anlage vom Typ 3127 (also gemäß den Dokumenten E1 und E3) zur Verwendung gekommen sind.
Die Kammer teilt nicht diese Auffassung, weil sie auf Überlegungen beruht, mit der die Beweismittel E1 und E2 bereits sachlich geprüft wurden. Bei der Prüfung der Zulässigkeit kommt es aber- wie oben ausgeführt - lediglich auf die "Angaben der Tatsachen und Beweismittel" an und nicht auf ihre inhaltliche Würdigung.
4.3.5 Die in der Einspruchsschrift enthaltenen Angaben der Tatsachen und Beweismittel zu Zeitpunkt, Umständen und Gegenstand der Vorbenutzung, erfüllen somit die Erfordernisse von Regel 55 c) EPÜ 1973. Die Einwände der Beschwerdeführerin betreffend der geltend gemachten Vorbenutzung sind so deutlich dargelegt und begründet worden, dass der Patentinhaber angemessen reagieren kann und die Einspruchsabteilung die Prüfung der materiell-rechtlichen Begründetheit des Einspruchs durchführen kann.
4.3.6 Da auch bezüglich der übrigen Zulässigkeitserfordernisse keine Bedenken bestehen, ist der Einspruch zulässig.
5. Regel 55 c) EPÜ 1973 hat, wie in G 9/91 (Abl. 1993,408) festgestellt, eine Doppelfunktion, das heißt, dass sie zum Einen (zusammen mit anderen Bestimmungen) die Zulässigkeit des Einspruchs regelt und zum Anderen den rechtlichen und faktischen Rahmen, innerhalb dessen die materiell-rechtliche Prüfung des Einspruchs grundsätzlich durchzuführen ist, festlegt.
Wenn - wie im vorliegenden Fall - innerhalb dieses Rahmens aber außerhalb der Einspruchsfrist neue Tatsachen und Beweismittel vorgebracht werden, so unterliegt deren Zulassung bei der materiell-rechtlichen Prüfung des Einspruchs, den von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu "verspätetem Vorbringen", also insbesondere der Prüfung der Relevanz des Vorbringens und ob damit ein Verfahrensmissbrauch verbunden ist.
In diesem Zusammenhang weist die Kammer darauf hin, dass die Dokumente E2a und E2b nicht als rechtzeitig eingereicht gelten können. Zum Einen wurden sie circa ein Jahr nach Ablauf der Einspruchsfrist eingereicht und zum Anderen sind sie in der Einspruchsschrift weder ausdrücklich als Bestandteil des rechtzeitig eingereichten Beweismittels E2 erwähnt worden noch als solcher Bestandteil erkennbar.
6. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet, wenn die Beschwerdekammer der Beschwerde stattgibt und die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht. Die letztere Voraussetzung ist im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
Die Feststellungen der Einspruchsabteilung zur Zulässigkeit des Einspruchs beruhen scheinbar auf einer möglichen Fehlinterpretation der Vorschriften der Regel 55 c) und des Artikels 117 (1) d) EPÜ 1973. Eine solche Fehlinterpretation stellt keinen schwerwiegenden Verfahrensmangel dar, der die Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertigen würde.
Die Beschwerdekammer kann auch keinen Verfahrensverstoß darin erkennen, dass die Einspruchsabteilung die verspätet eingereichten Dokumente E2a und E2b bei der Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs nicht berücksichtigt hat.
7. Der Hauptzweck des Beschwerdeverfahrens besteht in der Überprüfung erstinstanzlicher Entscheidungen (G 9/91, Nr 18; supra). Da die angefochtene Entscheidung der Einspruchsabteilung ausschließlich die formale Zulässigkeit behandelt, hält es die Kammer für geboten, die Angelegenheit gemäß Art. 111 (1) EPÜ 1973 für die materiell-rechtliche Prüfung des Einspruches an die Einspruchsabteilung zurück zu verweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die erste Instanz zur weiteren Entscheidung zurückverwiesen.
3. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.