T 0019/97 (Abtrennen von Alkoholen/COGNIS) 31-07-2001
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Verfahren zum destillativen Abtrennen von Alkoholen
Zulässigkeit der Beschwerde (ja)
Übertragung der Einsprechendenstellung (ja)
Hauptantrag - Neuheit (verneint)
Hilfsantrag - Neuheit (bejaht)
Erfinderische Tätigkeit (bejaht)
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung vom 24. Oktober 1996, mit der der Einspruch gegen das europäische Patent Nr. 0 493 495 (Anmeldenummer 90 914 721.7), das auf der Grundlage von acht Ansprüchen erteilt worden war, zurückgewiesen wurde.
Ansprüche 1 und 3 lauteten wie folgt:
"1. Verfahren zum destillativen Abtrennen von Alkoholen mit Kettenlängen bis 30, insbesondere zwischen 8. und 18 Kohlenstoffatomen, aus einem Gemisch von Alkylglycosiden und bei der Herstellung dieser Alkylglycoside nicht umgesetzten Alkoholen, wobei die Alkohole in zwei Stufen abgetrennt werden, dadurch gekennzeichnet, daß in der ersten Stufe ein Fallfilmverdampfer und in der zweiten Stufe ein Dünnschichtverdampfer eingesetzt wird."
"3. Verfahren nach Anspruch 1, gekennzeichnet durch einen Betriebsdruck des Fallfilmverdampfers von 1 bis 20. mbar, insbesondere 3 bis 10 mbar."
Ansprüche 2 und 4 bis 8 bezogen sich auf besondere Ausführungsformen des Verfahrens nach Anspruch 1.
II. Nach Auffassung der Einspruchsabteilung war der Gegenstand der erteilten Ansprüche 1 bis 8 neu im Hinblick auf die folgende kollidierende Entgegenhaltung:
(5) EP-0 362 671 (= WO 90/03977 = EP-0 437 460, die inhaltsgleichen Mitglieder der selben Patentfamilie mit Priorität DE 3833780)
und erfinderisch im Hinblick auf die Entgegenhaltung:
(2) EP-A1-0 092 876,
die den nächstliegenden Stand der Technik darstellte, mit Rücksicht auch auf die folgenden Entgegenhaltungen:
(3) Ullmanns Encyklopädie der technischen Chemie, 4. Auflage, Band 2, Verfahrenstechnik I (Grundoperationen) Verlag Chemie, Weinheim/Bergstr. 1972, Seiten 650 bis 663;
(4) Winnacker-Küchler "Chemische Technologie", Band 1, Allgemeines, 4. Auflage, Herausgeber: Prof. Dr. H. Harnisch et al., Carl Hanser Verlag München Wien 1984, Seiten 364 bis 366;
(6) DE-A-3 723 826.
III. Mit Schreiben vom 23. Februar 2001 legten die zugelassenen Vertreter der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) eine notarielle Bescheinigung über die Namensänderung der Beschwerdeführerin (seit 1. Februar 1999 Degussa-Hüls AG, vormals Hüls AG) und eine auf sie lautende Vollmacht dieser Gesellschaft vom 8. Januar 2001 (0-95002 EP) vor. Der beantragten Umschreibung zur Namensänderung der Beschwerdeführerin wurde stattgegeben.
IV. In ihrer Mitteilung vom 20. Juni 2001 hat die Beschwerdekammer die zur Diskussion stehenden Fragen dargelegt.
V. Mit Schreiben vom 28. Juni 2001 beantragten die bestellten zugelassenen Vertreter der Beschwerdeführerin die Übertragung der Stellung der Einsprechenden von der Degussa-Hüls AG auf die Sasol Germany GmbH. Diesen Schriftsatz unterzeichneten die zugelassen Vertreter sowohl im Namen der Firma Degussa-Hüls AG als auch für die Sasol Germany GmbH unter Bezugnahme auf die schon vorgelegte Vollmacht vom 8. Januar 2001 der Firma Degussa-Hüls AG und unter Berufung auf die Allgemeine Vollmacht Nr. 43639 der Firma Sasol Germany GmbH.
VI. In einem Bescheid vom 9. Juli 2001 äußerte die Kammer Bedenken hinsichtlich des Übergangs der Einsprechendenstellung auf die Firma Sasol.
VII. In Beantwortung des Bescheides hat die Beschwerdeführerin mit am 23. Juli 2001 eingegangenem Telefax folgende Übertragungsvorgänge dargelegt, um die beantragte Übertragung der Stellung als Einsprechende zu rechtfertigen:
a) Übertragung des Geschäftsbereichs Tenside der Hüls AG auf ihre 100%ige Tochter, der Contensio Chemicals GmbH (Marl). Hierzu wurden Auszüge des Gesellschafterbeschlusses der Contensio Chemicals GmbH zur Kapitalerhöhung durch Sacheinlage vom 23. Dezember 1997 und des Einbringungsvertrages vom 23. Dezember 1997 vorgelegt. Letzterer bestimmte den Eintritt der Rechtswirkung zum 31. Dezember 1997, 24:00 Uhr.
b) Weiterverkauf u. a. des Geschäftsbetriebs Tenside (Marl) der Contensio Chemicals GmbH an die RWE-DEA AG für Mineraloel und Chemie. Hierzu wurden Auszüge aus einem Kauf- und Abtretungsvertrag zwischen u. a. der Contensio Chemicals GmbH und der RWE-DEA AG für Mineraloel und Chemie vom 13. Mai 1998 eingereicht. Der Eintritt der Rechtswirkung war mit Wirkung zum 1. Juli 1998 vorgesehen.
c) Übertragung des gesamten Chemiegeschäfts der RWE-DEA AG für Mineraloel und Chemie, das unter der Firma Condea Chemie GmbH geführt wurde, auf die Sasol Ltd., Südafrika. Gegenstand der Übertragung war u. a. der Teilbetrieb in Marl betreffend Forschung und Entwicklung, Marketing und Produktion von Alkanolaminen, Alkylphenolen, Butylglykolen/-Acetaten, Ethoxylaten, Ethylenoxiden, Alkoholen auf Basis von Methylethylester u. a. Hierzu wurden Auszüge aus einer als "Asset and Share Agreement" bezeichneten Vereinbarung sowie der "Notarial Deed" zwischen der RWE-DEA AG für Mineraloel und Chemie und der Sasol Limited vom 8./9. Dezember 2000 vorgelegt. Nach dem "Notarial Deed" gehörte der Teilbetrieb Marl zu den "Sold Operations" "consisting of the chemical business divisions" der RWE-DEA AG für Mineraloel und Chemie. Ferner wurde eine Erklärung vom 14. März 2001 vorgelegt, die von zeichnungsberechtigten Personen der RWE-DEA AG für Mineraloel und Chemie sowie der Sasol Germany GmbH unterschrieben ist. In dieser Erklärung wird bestätigt, daß das von der RWE-DEA AG für Mineraloel und Chemie unter dem Namen Condea geführte Chemiegeschäft auf die Fa. Sasol Germany GmbH übertragen wurde. Diese sei heute Inhaberin dieses Chemiebetriebs.
VIII. Im Schreiben der zugelassenen Vertreter der Beschwerdeführerin vom 23. Juli 2001 wurde die Richtigkeit der zu den Übertragungsgeschäften gemachten Angaben anwaltlich versichert und die Vertretungsbefugnis für die Firma RWE-DEA Aktiengesellschaft für Mineraloel und Chemie angezeigt.
IX. Eine mündliche Verhandlung fand am 31. Juli 2001 statt. Ein Hilfsantrag und die entsprechend geänderte Seite 2 der Beschreibung wurden eingereicht. Der Anspruch 1 des Hilfsantrages, verglichen mit dem erteilten Anspruch 1, enthielt das Merkmal "bei einem Betriebsdruck von 3 bis 20. mbar" nach dem Wort "Fallfilmverdampfer". In Anspruch 3, verglichen mit dem erteilten Anspruch 3, wurde das Merkmal "...von 1 bis 20 mbar, insbesondere 3. bis 10 mbar" durch das Merkmal "...von 3 bis 10 mbar" ersetzt. Die anderen Ansprüche blieben wie erteilt.
X. Bezüglich der Neuheit des erteilten Anspruchs 1 (Hauptantrag), trägt die Beschwerdeführerin mit Hinweis auf verschiedene Entscheidungen der technischen Beschwerdekammern (T 904/91 vom 18. Januar 1995, T 739/93 vom 6. April 1995, T 305/87, ABl. EPA 1991, 429, T 124/87, ABl. EPA 1989, 491, T 666/89, ABl. EPA 1993, 495) im wesentlichen vor, daß aus der Entgegenhaltung (5) die beanspruchte Kombination eines Fallfilmverdampfers (F) in der ersten Stufe mit einem Dünnschichtverdampfer (D) in der zweiten Stufe eines Verfahrens zum destillativen Abtrennen von Alkoholen direkt zu entnehmen sei. Somit sei der Gegenstand des Anspruchs 1 durch die genannte Entgegenhaltung neuheitschädlich getroffen. Dies gelte auch für den geänderten Anspruch 1 des Hilfsantrages, da das Merkmal "3 bis 20 mbar" vom Fachmann in der Entgegenhaltung (5) mitgelesen werde, weil ihm allgemein bekannt sei, daß Betriebsdrucke unter 5 mbar für Fallfilmverdampfer weniger geeignet sind (siehe z. B. Entgegenhaltung (4), Seite 365).
Bezüglich der erfinderischen Tätigkeit stelle die Entgegenhaltung (2), die sich mit einem Abdestillationsverfahren im Labormaßstab befaßt, den nächstliegenden Stand der Technik dar. Durch die Lehre dieser Entgegenhaltung sei der Fachmann für das destillative Abtrennen von Alkoholen allgemein auf die Verwendung von Filmverdampfern in einem zweistufigen Verfahren hingewiesen. Beispiel V darin beschreibe die Durchführung des Verfahrens mit der Kombination D + D bei einer Temperatur von 120 oC und einem Druck von ungefähr 23 mbar (= 2cm Hg Druck). Um die zugrundeliegende technische Aufgabe zu lösen, nämlich vom Labormaßstab zum Produktionsmaßstab zu wechseln und die Geräte günstig und wirtschaftlich einzusetzen, wäre der Fachmann entweder durch Entgegenhaltung (4) (siehe Seite 364) oder durch Entgegenhaltung (6) (siehe Spalte 11) ohne weiteres auf die Idee gekommen, in der ersten Stufe, anstatt D, F einzusetzen. Die Verwendung von F in der ersten Stufe, in der noch keine hochviskosen Bedingungen herrschen, werde in der Entgegenhaltung (6) der Verwendung von D gleichgestellt und liege daher für den Fachmann auch aus Kostenüberlegungen nahe.
XI. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerin hätte der Fachmann aus den vier in der Entgegenhaltung (5) erwähnten möglichen Kombinationen nicht gerade die Kombination F + D wie beansprucht hergeleitet, weil diese Entgegenhaltung konkret nur die Kombinationen D + D und D + K (K = Kurzwegverdampfer) offenbarte. Der Fachmann hätte die Kombination F + D auch nicht ernsthaft in Erwägung gezogen, weil die Entgegenhaltung (5) Vakuumdestillationsmethoden empfehle, worin Vakuumbereiche von 0.01 bis 1 mbar (siehe Spalte 10, Zeilen 25 bis 30) oder von nur einigen mbar (siehe Spalte 11, Zeilen 51 bis 55) verwendet werden, und solche niedrigen Betriebsdrucke bekanntlich (siehe z. B. Entgegenhaltung (4)) für F weniger geeignet seien (loc. cit. Seite 365). Die beanspruchte Kombination F + D stelle daher eine Auswahl aus zwei unabhängigen Listen dar (siehe T 24/95 vom 21. Oktober 1998, T 12/81, ABl. EPA 1982, 296). Deswegen sei das beanspruchte Verfahren gegenüber der Entgegenhaltung (5) neu.
Hinsichtlich der erfinderischen Tätigkeit hätte der Fachmann, von einer Kombination der Lehren der Entgegenhaltungen (2) und (6) ausgehend, zweimal eine Auswahl treffen müssen, da die Entgegenhaltung (2) lediglich das wiederholte (zweimalige) Einsetzen eines Dünnschichtverdampfers (x2 D) beschreibe und die Entgegenhaltung (6) die Kombination D + K als bevorzugt darstelle. Unter diesen Umständen wäre der Fachmann nicht unmittelbar auf die Idee gekommen, die Kombination F + D in einem Abdestillationsverfahren zu verwenden.
XII. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents sowie die Übertragung der Stellung der Einsprechenden von der Firma Degussa-Hüls AG auf die Firma Sasol Germany GmbH, hilfsweise auf die Firma RWE-DEA Aktiengesellschaft für Mineraloel und Chemie festzustellen.
Die Beschwerdegegnerin beantragte die Beschwerde zurückzuweisen (Hauptantrag) oder die Entscheidung aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag und einer angepaßten Beschreibung aufrechtzuerhalten.
Zulässigkeit der Beschwerde
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ und ist daher zulässig.
Das Einlegen der Beschwerde und deren Begründung erfolgte im Namen und in Vollmacht der Firma Hüls AG, deren Einspruch mit der angegriffenen Entscheidung zurückgewiesen wurde. Die Umfirmierung der Einsprechenden in Degussa-Hüls AG im Lauf des weiteren Beschwerdeverfahrens ist für die Zulässigkeit der Beschwerde ohne rechtliche Bedeutung. Die rechtliche Identität der Firma Hüls AG als juristische Person änderte sich weder durch die Namensänderung noch durch die Aufnahme der Degussa AG durch Verschmelzung.
Übertragung der Einsprechendenstellung
2. Aufgrund der von der Firma Degussa-Hüls AG mit Schreiben vom 28. Juni 2001 beantragten Übertragung der Stellung als Einsprechende auf die Firma Sasol Germany GmbH ist zu prüfen, ob und ab wann diese Gesellschaft anstelle der Degussa-Hüls AG Partei des Beschwerdeverfahrens wurde.
Mit der Entscheidung G 4/88 der Großen Beschwerdekammer (ABl. EPA 1989, 480) ist anerkannt, daß die Stellung des Einsprechenden als Partei übertragen werden kann, wenn der Einspruch als zum Geschäftsbetrieb des Einsprechenden gehörend zusammen mit jenem Bereich dieses Geschäftsbetriebes an einen Dritten übertragen oder abgetreten wird, auf den sich der Einspruch bezieht.
Weitergehende prozessuale Anforderungen zur Wirksamkeit der Übertragung der Verfahrensstellung des Einsprechenden werden von der Großen Beschwerdekammer nicht genannt.
Aus den Gründen dieser Entscheidung lassen sich keine Gesichtspunkte herleiten, die eine mehrfache rechtsgeschäftliche Übertragung der Einspruchsstellung im Rahmen einer Rechtsnachfolgerkette ausschließen, sofern nur jeder einzelne Übertragungsakt den Anforderungen der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer genügt. Unter Bezugnahme auf diese Entscheidung der Großen Beschwerdekammer wurde auch das Recht, Beschwerde einzulegen, als mit dem (Teil-) Geschäftsbetrieb übertragbar angesehen (T 563/89 vom 3. September 1991, Ziffer 1.1 der Gründe).
3. Dieser Rechtsprechung folgend hält die Kammer eine Übertragung der Beteiligtenstellung in jeder Lage eines anhängigen Einspruchsbeschwerdeverfahrens für zulässig, wenn sie zusammen mit der Übertragung des Geschäftsbetriebs oder Unternehmensteils erfolgt, in dessen Interesse die Beschwerde eingelegt worden ist.
Die Beschwerdeführerin Degussa-Hüls AG hat substantiiert dargelegt, daß der im streitgegenständlichen Verfahren eingelegte Einspruch ihrem Geschäftsbereich Tenside zugeordnet war und durch jeweils rechtsgeschäftliche Übertragung mit diesem Teilbetrieb zunächst als Sacheinlage in die Firma Contensio GmbH eingebracht wurde, sodann durch Weiterverkauf mit Wirkung zum 1. Juli 1998 an die Firma RWE-DEA AG für Mineraloel und Chemie in deren das Chemiegeschäft führenden Tochtergesellschaft Condea GmbH und schließlich durch Weiterveräußerung an die Firma Sasol Limited, Südafrika, in deren Tochtergesellschaft Sasol Germany GmbH eingebracht wurde.
Diese materiellrechtliche Übertragungskette wurde durch die spätere, zum Verfahren mitgeteilte, Namensänderung der Firma Hüls AG in Degussa-Hüls AG nicht unterbrochen.
Der Sachvortrag der Beschwerdeführerin bezieht sich insbesondere auf die Übertragung des jeweiligen Teilbetriebs Tenside bzw. Chemie als Ganzes ähnlich einer (Teil-) Gesamtrechtsnachfolge und nicht nur auf die Übertragung einzelner gewerblicher Schutzrechte (vgl. T 659/92, ABl. EPA 1995, 519), so daß die in der Entscheidung G 4/88 (supra) geforderten materiell-rechtlichen Voraussetzungen zur Übertragung der Einspruchsstellung für jeden oben aufgeführten Übertragungsakt schlüssig dargelegt sind.
4. Die ordnungsgemäße Parteistellung der Einsprechenden ist als allgemeine Verfahrensvoraussetzung von Amts wegen zu prüfen und betrifft die Zulässigkeit der weiteren Verfahrenshandlungen, insbesondere das Recht der Firma Sasol Germany, in der mündlichen Verhandlung wirksam Anträge als Beschwerdeführerin zu stellen.
Sind Verfahrenstatsachen von Amts wegen zu prüfen, reicht der bloße schlüssige Sachvortrag der Einsprechenden zum Nachweis nicht aus. Die Kammer muß vielmehr aufgrund der vorgelegten Beweismittel vom Vorliegen des behaupteten Sachverhalts überzeugt sein, ist aber nicht an bestimmte förmliche Beweismittel gebunden (Artikel 117 (1) EPÜ).
Aufgrund der von der Einsprechenden im Verfahren vorgelegten Auszüge der Vertragsurkunden, der gemeinsamen Erklärung der Zeichnungsberechtigten für die Firmen RWE-DEA Aktiengesellschaft für Mineraloel und Chemie sowie der Sasol Germany GmbH vom 14. März 2001 in Verbindung mit der anwaltlichen Versicherung zur Richtigkeit der vorgetragenen Übertragungstatsachen vom 23. Juli 2001 ist die Kammer davon überzeugt, daß die den rechtsgeschäftlichen Übertragungsgeschäften zugrundeliegenden Vorgänge stattgefunden haben. Für die Kammer ergeben sich keine Anhaltspunkte, daß die Rechtsgeschäfte rechtlich nicht wirksam vollzogen wurden, auch wenn aus Gründen einer vertraglichen Geheimhaltungsverpflichtung die Verträge nur in Auszügen vorlagen. Die in der Entscheidung G 4/88 (supra) genannten materiellrechtlichen Voraussetzungen zur Übertragung der Einspruchsstellung von der Einsprechenden Firma Degussa-Hüls AG auf die Firma Sasol Germany GmbH liegen daher vor.
5. Die materiellrechtliche Übertragung der Stellung der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) als akzessorisch mit einem Teilbetrieb verbundenem Recht ist von ihrer prozessualen Wirksamkeit im gegenständlichen Verfahren zu unterscheiden. Letzteres muß als prozessuales Formerfordernis von der Stellung eines entsprechend begründeten Antrags im Verfahren abhängig gemacht werden. Aus Gründen der prozessualen Rechtssicherheit darf sich ein aufgrund rechtsgeschäftlicher Übertragung vorgenommener Parteiwechsel nicht außerhalb des Verfahrens ohne formelle Kenntnis der Kammer vollziehen und kann auch nicht mit Rückwirkung erfolgen, da sonst Verfahrenshandlungen oder Entscheidungen ohne Beteiligung der neuen Einsprechenden als allein berechtigte Partei vorgenommen werden oder ergehen könnten. Ein Parteiwechsel konnte im Verfahren daher erst dann eintreten, als die Rechtsnachfolge gegenüber der Kammer beantragt und nachgewiesen worden war, weil nur dann für die Kammer feststand, wer nunmehr (neue) Einsprechende (Beschwerdeführerin) und damit Partei war. Dieses formelle Erfordernis für einen vereinbarten Parteiwechsel, der auf der Übertragung eines Teilbetriebs beruht, ergibt sich daher schon aus allgemeinen Verfahrensgrundsätzen. Zum selben Ergebnis gelangt die Entscheidung T 870/92 vom 8. August 1997 (dort Ziff. 3.1) in Anwendung der Regeln 20 (3) und 61 EPÜ, die unmittelbar nur die Wirkung eines Rechtsübergangs auf Seiten des Patentanmelders oder Patentinhabers regeln.
Sowohl die bisher als Einsprechende berechtigte Firma Degussa-Hüls AG als auch die Firma Sasol GmbH haben durch ihren gemeinsamen zugelassenen Vertreter die Übertragung der Einspruchsstellung mit Schriftsatz vom 28. Juni 2001 beantragt. Die Beschwerdegegnerin hat gegen den hierzu vorgetragenen Sachverhalt und die Übertragung der Stellung der Einsprechenden keine Einwände erhoben.
Da aber die Beschwerdeführerin erst auf die schriftliche Beanstandung der Kammer vom 9. Juli 2001 die erforderlichen Nachweise mit Telefax vom 23. Juli 2001 der Kammer vorlegte, wurde der beantragte Parteiwechsel auch erst zum 23. Juli 2001 wirksam. Ab diesen Zeitpunkt ist die Firma Sasol Germany GmbH anstelle der Firma Degussa-Hüls AG Einsprechende (Beschwerdeführerin). Die von der Firma Sasol GmbH in der mündlichen Verhandlung durch ihren zugelassen Vertreter gestellten Anträge waren daher zulässig.
6. Auch wenn der Ausspruch der Kammer zum Wechsel der Stellung der Einsprechenden (Beschwerdeführerin) nur noch deklaratorische Bedeutung hat, war dem Antrag auf ausdrückliche Entscheidung hierüber stattzugeben, da die förmliche Feststellung des Parteiwechsels auf einem rechtlich anzuerkennendem Interesse der Beschwerdeführerin beruht. Diese war nicht originär am Verfahren beteiligt und hat ein prozessuales Recht auf Festellung des Zeitpunkts der Wirksamkeit des Parteiwechsels.
Hauptantrag: Neuheit
7. Die Entgegenhaltung (5), die älteres europäisches Recht für das vorliegende Patent darstellt (Artikel 54 (3) EPÜ), beschreibt ein zweistufiges Abdestillationsverfahren, "wobei man in einer ersten Stufe eine Abreicherung des Fettalkoholanteils auf Werte von ca. 40 bis ca. 20 % mit einem Dünnschichtverdampfer oder einem Fallfilmverdampfer durchführt, und wobei diese erste Stufe auch zur Entgasung des Reaktionsgemisches dient. In einer zweiten Stufe wird mit einem Kurzwegverdampfer bzw. einem Dünnschichtverdampfer die weitere Fettalkoholabreicherung auf den gewünschten Endwert eingestellt" (siehe Spalte 11, Zeilen 4 bis 18). In diesem Absatz werden D und F in der ersten Stufe des Verfahrens durch das Wort "oder", und K und D in der zweiten Stufe durch das Wort "bzw." als technisch äquivalent nebeneinander gestellt. Daraus entnimmt der Fachmann direkt die vier möglichen, äquivalenten Ausführungsformen des Verfahrens, nämlich D + K, F + K, D + D und F + D. Die Tatsache, daß die Entgegenhaltung in den Ausführungsbeispielen nur die Kombinationen D + D und D + K beschreibt, kann nicht mit sich bringen, daß der Fachmann die zwei anderen Kombinationen nicht in Erwägung ziehen würde, weil diese explizit als Teil der gesamten Lehre erwähnt sind und auch technisch sinnvoll, durchführbar und völlig im Rahmen seines Fachwissens liegen. Eine Auswahl aus zwei unabhängigen Listen liegt daher nicht vor. Diese Schlußfolgerung ist völlig in Einklang mit der Rechtsprechung der Beschwerdekammern (siehe z. B. die oben zitierten Entscheidungen T 12/81, T 904/91, T 739/93, T 305/87, T 124/87, T 666/89). Somit ist der Gegenstand des Anspruchs 1 gegenüber der Entgegenhaltung (5) unter Artikel 54 (3) EPÜ nicht neu, und aus diesem Grund kann dem Hauptantrag nicht stattgegeben werden.
Hilfsantrag
Artikel 123 (2) EPÜ
8. Anspruch 1 des Hilfsantrags unterscheidet sich vom erteilten Anspruch 1 durch das Merkmal "bei einem Betriebsdruck von 3 bis 20 mbar", das dem erteilten Anspruch 3 entnommen ist. Die Beschwerdeführerin hatte keine Einwände unter Artikel 123 (2) EPÜ gegen den eingeführten Betriebsdruckbereich. Die Kammer ist auch der Meinung, daß die besagte Änderung Artikel 123 (2)-konform ist.
Neuheit
9. Obwohl die Kombination F + D in der Entgegenhaltung (5) offenbart ist (siehe Punkt 11 oben), kann die Kammer die Ansicht der Beschwerdeführerin nicht teilen, daß der Fachmann das Merkmal "bei einem Betriebsdruck von 3 bis 20. mbar" aus dieser Entgegenhaltung mitlesen würde. In der Entgegenhaltung werden an verschiedenen Stellen unterschiedliche Druckbereiche angegeben: in der Spalte 10, Zeile 29 wird ein Vakuumbereich von "0,01 bis 1. mbar" allgemein für die geeigneten Vakuumdestillations-Methoden erwähnt; in der Spalte 11, Zeile 53, werden Drucke "von nur einigen mbar" in Zusammenhang mit D erwähnt; in der Spalte 12, Zeile 12 wird auf einen Bereich "von 10-1 bis 10-4 mbar" in Zusammenhang mit Wischfilmverdampfern, insbesondere mit K hingewiesen; im Beispiel 1 bzw. 2 werden die Bereiche "0,1 bis 0,01 mbar" bzw. "0,5 bis 1 mbar" angegeben; im Beispiel 3, worin die Kombination D+K ausgeführt wird, wird für D der Wert "8 mbar" und für K der Wert "0,075 mbar" angegeben. Somit sind keine expliziten Angaben über den bei F anzuwendenden Betriebsdruckbereich aus der Entgegenhaltung zu entnehmen. Die Tatsache, daß bekanntlich - wie von beiden Parteien angegeben - für F niedrigere Betriebsdrucke weniger geeignet sind, kann nicht als Grund dienen, um in der Entgegenhaltung (5) den bestimmten Bereich "von 3 bis 20 mbar" mitzulesen, weil erstens "weniger geeignet" nicht zwangsläufig "ungeeignet" bedeutet, und zweitens, wie schon ausgeführt, der genannte Bereich aus der Entgegenhaltung in ihrer Gesamtheit nicht zu entnehmen ist.
Erfinderische Tätigkeit
10. Nach Auffassung der Beschwerdeführerin stellt die Entgegenhaltung (2), die in den Beispielen eine zweistufige Destillation der höheren Alkohole beschreibt, wobei in beiden Stufen D zum Einsatz kommt, den nächstliegenden Stand der Technik dar. Ihrer Meinung nach liegt die Verwendung von F anstatt D in der ersten Stufe für den Fachmann, der zu einem Produktionsmaßstab wechseln will, aus wirtschaftlichen Gründen nahe, insbesondere im Hinblick auf die Entgegenhaltung (6).
11. Wie nachstehend dargelegt, kann die Kammer den Argumenten der Beschwerdeführerin nicht folgen.
12.1. Zuerst, betreffend der Auswahl des nächstliegenden Standes der Technik, ist folgendes anzumerken:
a) Abgesehen davon, daß eine genaue Abgrenzung zwischen Labor- und Produktionsverfahren nicht möglich ist, ist eine solche Abgrenzung für die Diskussion der erfinderischen Tätigkeit auch nicht notwendig, da das Verfahren nach Anspruch 1 nicht ausschließlich Produktionsverfahren, sondern auch Laborverfahren miteinschließt.
b) Jedenfalls dann, wenn der Maßstabfaktor bei der Wahl des besten Ausgangspunkts für die Bewertung der erfinderischen Tätigkeit betrachtet wird, ist die Entgegenhaltung (2) weniger geeignet als die Entgegenhaltung (6), da diese der beanspruchten Erfindung am nächsten kommt. Nach der gängigen Praxis der Beschwerdekammern hat man bei der Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit von demjenigen Stand der Technik auszugehen, der dem Anspruchsgegenstand am nächsten kommt (siehe z. B. T 939/92, ABl. EPA 1996, 309). Während sich die Entgegenhaltung (2) - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - im wesentlichen mit Laborverfahren befaßt und - wie von der Beschwerdegegnerin vorgetragen - kein echtes zweistufiges Verfahren im Sinne des Streitpatents beschreibt, befaßt sich dagegen die Entgegenhaltung (6) mit einem Verfahren im Produktionsmaßtab und beschreibt ein echtes zweistufiges Verfahren (D + K oder F + K; siehe Spalte 11, Zeile 3 bis Spalte 12, Zeile 9). Deswegen stellt nach Auffassung der Kammer die Entgegenhaltung (6) den richtigen Ausgangspunkt für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit dar.
12.2. Die Entgegenhaltung (6) beschreibt die Durchführung bei technischen Ansätzen im Produktionsmaßstab einer Abdestillation vorzugsweise nach einem zweistufigen Verfahren, "wobei in einer ersten Stufe eine Abreicherung des Fettalkoholanteils auf Werte von ca. 40 bis ca. 20 % mit einem Dünnschichtverdampfer oder einem Fallfilmverdampfer durchgeführt wird, und wobei diese erste Stufe auch zur Entgasung des Reaktionsgemisches dient. In einer zweiten Stufe wird mit einem Kurzwegverdampfer die weitere Fettalkohol-Abreicherung auf den gewünschten Endwert eingestellt." (siehe Spalte 11, Zeilen 3 bis 13). Besonders bevorzugt ist die 2-Stufen-Anordnung D + K, die hohe Durchsätze in Verbindung mit der gezielten Einstellung des erwünschten Restgehaltes an Fettalkohol im Endprodukt gestattet (siehe Spalte 11, Zeile 46 bis Spalte 12, Zeile 1).
12.3. Im Hinblick auf die Entgegenhaltung (6) ist die zu lösende technische Aufgabe darin zu sehen, ein alternatives Verfahren zu entwickeln.
12.4. Als Lösung dieser Aufgabe wird im Anspruch 1 ein Verfahren vorgeschlagen, worin in der ersten Stufe F und in der zweiten Stufe D verwendet wird.
12.5. Die Entgegenhaltung (6) bietet dem Fachmann keinerlei Anregung, K in der zweiten Stufe durch D zu ersetzen. Die Verwendung von K in der zweiten Stufe ist bei einer 2-Stufen Anordnung ein fester Punkt des beschriebenen Verfahrens, da keine andere Alternative angeboten wird. Die einzige angebotene alternative Möglichkeit ist die Verwendung in der ersten Stufe von F anstatt D, obwohl in einer 2-Stufen-Anordnung die Kombination D + K bevorzugt ist.
12.6. Eine Anregung, das Produktionsverfahren nach der Entgegenhaltung (6) durch das Einsetzen von K in der zweiten Stufe zu ändern, wäre für den Fachmann auch aus den anderen zitierten Entgegenhaltungen (2) oder (4) nicht zu entnehmen gewesen. Entgegenhaltung (2) beschreibt ein Abdestillationsverfahren, wobei D zweimal verwendet wird ("twice"). Diese Entgegenhaltung, insbesondere wenn man sie - wie von der Beschwerdeführerin vorgetragen - als Beispiel eines Laborverfahrens betrachtet, hätte den Fachmann nicht auf die Idee gebracht, die gut funktionierende 2-Stufen-Anordnung D + K in F + D umzugestalten. Die Entgegenhaltung (4) befaßt sich hauptsächlich mit der Einsetzbarkeit von Verdampferbauarten bei verschiedenen Produktionsviskositäten und konnte dem Fachmann allenfalls die Machbarkeit des schon nach der Entgegenhaltung (6) vorgesehenen Austausches D > F bestätigen.
13. Angesichts der obigen Ausführungen ergibt sich der Gegenstand des beanspruchten Verfahrens für den Fachmann nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik. Deswegen ist dem Hilfsantrag stattzugeben.
Anpassung der Beschreibung
14. Gegen die angepaßte Seite 2 der Beschreibung wurden seitens der Beschwerdeführerin keine Einwände erhoben. Die Kammer hat auch keine Einwände dagegen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die Übertragung der Stellung der Einsprechenden von der Firma Degussa-Hüls AG auf die Firma Sasol Germany GmbH wird mit Wirkung vom 23. Juli 2001 festgestellt.
2. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
3. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung zurückverwiesen mit der Auflage, das Patent auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 8 gemäß Hilfsantrag, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, und der Seite 2 der Beschreibung, eingereicht in der mündlichen Verhandlung, im übrigen wie erteilt aufrechtzuerhalten.