7. Erfolgserwartung, insbesondere auf dem Gebiet der Gen- bzw. Biotechnologie
7.3. Vom Zufall abhängige technische Gebiete und Elemente der Überraschung
In T 737/96 gelangte die Kammer zu der Auffassung, dass der Versuch einer Bewertung der Erfolgsaussichten in einem vom Zufall abhängigen technischen Gebiet wie der Mutagenese, bei der Resultate von Zufallsereignissen abhängig sind, nicht sinnvoll ist. Dies hängt mit der Tatsache zusammen, dass der Fachperson bewusst ist, dass, sofern die Entwicklung eines spezifischen Selektionsverfahrens nicht möglich ist, was im Fall des Streitpatents nicht der Fall war, Ausdauer und Glück die ausschlaggebenden Faktoren für den Erfolg sind, da sich Mutationsereignisse jeder Form von Steuerungsmöglichkeiten entziehen. Unter solchen Umständen ist die Erfolgserwartung wie in einem Lotteriespiel immer irrational zwischen null und sehr hoch anzusiedeln, und eine rationale Bewertung auf der Grundlage technischer Fakten ist nicht möglich (s. auch T 645/02, T 694/92, ABl. 1997, 408).
In T 1231/01 befand die Kammer, dass die Isolierung eines bestimmten Virusstamms, der für einen bestimmten Zweck nützlich ist, ein Verfahren mit Zufallscharakter ist. Die Fachperson, die versucht, diese Aufgabe zu lösen, muss mit einer großen Anzahl von Fehlversuchen rechnen, wobei sie dabei von gar keinen bis hin zusehr hohe Erwartungen haben kann. Unter diesen technischen Umständen ist die tatsächliche Isolierung eines Virus, das in der Tat die gewünschten Eigenschaften aufweist, eine Überraschung. Die Kammer kam zu dem Schluss, dass die Isolierung der spezifischen Viren des Anspruchs 1, die wirksam als Impfstoffe gegen den PRRS-Virus eingesetzt werden können, Elemente der Überraschung aufweist, die die Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit rechtfertigen.
In T 775/08 befand die Kammer, dass im Einklang mit der oben genannten Rechtsprechung zur Anwendung von Zufallsverfahren die tatsächliche Isolierung einer Glyphosat toleranten Luzernepflanze mit den gewünschten Eigenschaften, die Elemente der Überraschung enthält, im vorliegenden Fall die Anerkennung der erfinderischen Tätigkeit rechtfertigen könnte. Die Frage war, ob die beanspruchte Glyphosate tolerante Luzerne diese Elemente der Überraschung aufweist oder nicht. S. auch T 2239/08 und T 915/10. In T 3103/19 stellte die Kammer fest, dass keine Elemente der Überraschung im Sinne der oben genannten Rechtsprechung vorliegen und der relevante Gegenstand daher keine erfinderische Tätigkeit beinhaltete.