1.4. Überprüfungen der Gültigkeit des Prioritätsrechts im Prüfungs- und im Einspruchsverfahren

In der Regel wird die Gültigkeit eines Prioritätsrechts im Prüfungsverfahren vor dem EPA nicht nachgeprüft. Das Prioritätsrecht muss jedoch geprüft werden, wenn ein Stand der Technik relevant ist, der im Sinne von Art. 54 (2) EPÜ der Öffentlichkeit am oder nach dem beanspruchten Prioritätstag und vor dem Anmeldetag (Prioritätsintervall) zugänglich gemacht worden ist, oder wenn der Inhalt der europäischen Patentanmeldung ganz oder teilweise mit dem Inhalt einer anderen europäischen Patentanmeldung im Sinne von Art. 54 (3) EPÜ übereinstimmt, wobei für diese andere Anmeldung ein Prioritätstag beansprucht wird, der innerhalb des vorgenannten Zeitraums liegt (EPÜ Richtlinien F‑VI, 2.1 – Stand April 2025). Im Einspruchsverfahren gilt dies, wenn im Rahmen eines Einspruchsgrunds nach Art. 100 a) EPÜ Stand der Technik entgegengehalten wird, für den der Prioritätstag entscheidend ist (EPÜ Richtlinien D‑III, 5 – Stand April 2025). Das Versäumnis der betreffenden Abteilung, unter diesen Umständen die Gültigkeit eines Prioritätsrechts nachzuprüfen, wurde als wesentlicher Verfahrensmangel gewertet (vgl. T 16/89, T 737/95, T 2170/08). Hinsichtlich der Veröffentlichungen im Prioritätsintervall s. auch G 3/93 (ABl. 1995, 18), die in Kapitel II.D.6.1. zusammengefasst ist.