2. Prioritätsrecht des Anmelders oder seines Rechtsnachfolgers
2.1. Allgemeines
Nach Art. 87 (1) EPÜ geht ein Prioritätsrecht, d. h. das Recht, den Anmeldetag einer infrage kommenden "Erstanmeldung" oder "früheren Anmeldung" als Prioritätstag für eine europäische Patentanmeldung zu beanspruchen, auf den Erstanmelder zurück (T 205/14, zitiert von der Großen Beschwerdekammer in G 1/22 und G 2/22, ABl. 2024, A50, Nr. 83 der Gründe). Nach Art. 87 (1) EPÜ kommt das Prioritätsrecht auch dem "Rechtsnachfolger" desjenigen zu, der die Erstanmeldung eingereicht hat. Mit dem Verweis auf den "Rechtsnachfolger" wird zugebilligt, dass das Prioritätsrecht als Rechtsanspruch vom ursprünglichen Anmelder auf einen Dritten übergehen kann (s. z. B. T 62/05, T 5/05, T 382/07, T 1933/12 und T 517/14).
Der Kammer in T 205/14 zufolge ist es allgemein anerkannt, dass das Prioritätsrecht unabhängig von der prioritätsbegründenden ersten Anmeldung und auch für nur ein Land bzw. nur einige Länder an einen Dritten übertragen werden kann (T 62/05). Es ist ein unabhängiges Recht, bis es für eine oder mehrere jüngere Anmeldungen in Anspruch genommen wird, für die es zu einem akzessorischen Recht wird, und es ist als solches vom Recht auf das Patent zu unterscheiden, welches entweder aus dem materiellen Recht oder aus der Stellung als Anmelder der ersten Anmeldung erwächst (T 205/14 mit weiteren Verweisen; s. auch T 969/14 und T 1201/14 mit weiteren Verweisen).
Die Kammer in T 969/14 befand unter Verweis auf die Entscheidung G 1/15 der Großen Beschwerdekammer ("Teilpriorität", ABl. 2017, A82), dass einmal anerkannte Teilprioritätsrechte gesondert übertragbar sein müssen. Dies hat jedoch Folgen für das verbleibende Prioritätsrecht, weil dem Übertragenden nur ein eingeschränktes Recht verbleibt. Zu Teil- und Mehrfachprioritäten siehe auch Kapitel II.D.6.