J 0008/81 (Gebührenrückerstattung europ. Recherchenbericht) 30-11-1981
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1. Eine Entscheidung des Europäischen Patentamts kann, aber sollte nicht, in einem Dokument erlassen werden, das seiner Form nach nur ein Bescheid zu sein scheint. Ob ein Dokument eine Entscheidung oder einen Bescheid darstellt, hängt von der Substanz seines Inhalts und nicht von seiner Form ab.
2. Seit der Änderung des Artikels 10 GebO am 14. September 1979 ist es nicht mehr mÖglich, die Gebühr für einen europäischen Recherchenbericht zurückzuerstatten, wenn dieser sich auf einen internationalen Recherchenbericht stützt, der nach den Bestimmungen des PCT von einer anderen Internationalen Recherchenbehörde als dem EPA erstellt worden ist.
Form der Entscheidungen
Internationale Anmeldung
Internationaler Recherchenbericht
Rückerstattung der Gebühren für den europäischen Recherchenbericht
I. Am 17. Dezember 1979 reichte die Beschwerdeführerin beim Patent- und Warenzeichenamt der Vereinigten Staaten eine internationale Anmeldung nach dem Zusammenarbeitsvertrag ein und bestimmte dabei 16 Staaten, darunter acht Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens.
II. Am 18. Juni 1980 erstellte das Patent- und Warenzeichenamt der Vereinigten Staaten als Internationale Recherchenbehörde einen Recherchenbericht für die internationale Anmeldung.
III. Am 25. September 1980 reichte die Beschwerdeführerin eine europäische Patentanmeldung ein, für die sie die Priorität der internationalen Anmeldung beanspruchte und drei Vertragsstaaten des Europäischen Patentübereinkommens benannte, von denen zwei auch in der internationalen Anmeldung bestimmt worden waren. Zusammen mit der europäischen Patentanmeldung reichte die Beschwerdeführerin eine Kopie des für die internationale Anmeldung erstellten Recherchenberichts ein. Die Gebühr für den europäischen Recherchenbericht wurde ordnungsgemäß entrichtet.
IV. Der einzige Grund, warum die europäische Patentanmeldung eingereicht wurde, war der, daß die Beschwerdeführerin in der internationalen Anmeldung einen in der europäischen Patentanmeldung benannten Staat nicht bestimmen konnte, weil dieser Staat den Patentzusammenarbeitsvertrag noch nicht ratifiziert hatte.
V. Mit Schreiben vom 29. September 1980 beantragten die Vertreter der Beschwerdeführerin eine teilweise Rückerstattung der Gebühr für den europäischen Recherchenbericht mit der Begründung, daß das Europäische Patentamt sich auf den für die internationale Anmeldung erstellten Recherchenbericht stützen könne. Es wurde eine Ermäßigung um 20% als angemessen vorgeschlagen, da eine solche Ermäßigung zugebilligt worden wäre, wenn die europäische Anmeldung die internationale Anmeldung in der regionalen Phase und nicht eine unabhängige Anmeldung gewesen wäre, für die die Priorität der internationalen Anmeldung beansprucht wird.
VI. In einem Bescheid vom 23. April 1981 schrieb die Eingangsstelle wie folgt: In Beantwortung Ihres Schreibens vom 29. September 1980 betreffend die obenerwähnte europäische Patentanmeldung teilen wir Ihnen folgendes mit: Im vorliegenden Fall müssen wir Ihren Antrag auf teilweise Rückerstattung der europäischen Recherchengebühr zurückweisen, da der Beschluß des Verwaltungsrats, die Recherchengebühr um 1/5 zu ermäßigen, nur zusätzliche europäische Recherchenberichte nach Artikel 157 (2) a) des Übereinkommens betrifft, das heißt die Behandlung einer internationalen Anmeldung in der regionalen Phase."
VII. Am 23. Juni 1981 legte die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen "die Entscheidung vom 23. April 1981" ein, beantragte ihre Aufhebung und eine zumindest teilweise Rückerstattung der Gebühr für den europäischen Recherchenbericht. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wurde ebenfalls beantragt. Die Beschwerdegebühr war ordnungsgemäß entrichtet worden.
VIII. Am 9. Juli 1981 bestätigte die Eingangsstelle den Eingang der Beschwerde und wies auf die Notwendigkeit hin, die Beschwerde schriftlich zu begründen.
IX. Mit Schreiben vom 3. Juli 1981 fragten die Vertreter der Beschwerdeführerin bei der Eingangsstelle an, ob sie zu Recht eine Beschwerde gegen die "Entscheidung" eingereicht hätten, und wiesen darauf hin, daß sie bereit seien, von dem Vorliegen einer beschwerdefähigen Entscheidung auszugehen.
X. Am 19. August 1981 ging die Beschwerdebegründung ordnungsgemäß ein. Die Beschwerdeführerin machte darin geltend, daß sie nach dem Beschluß des Verwaltungsrats vom 14. September 1979 über die Herabsetzung der Recherchengebühr für den europäischen Recherchenbericht Anspruch auf Erstattung von 20% der Gebühr habe, weil entsprechend der Definition der "internationalen Anmeldung" in Artikel 2 (vii) PCT eine europäische Patentanmeldung, in der die Priorität einer internationalen Anmeldung beansprucht wird, als internationale Anmeldung im Sinne des Artikels 150 (2) EPÜ angesehen werden könne. Sie machte geltend, es sei ungerecht, einen Anmelder zu bestrafen, der zusätzlich zu einer internationalen Anmeldung eine europäische Patentanmeldung verwenden müsse, um Staaten zu benennen, die den Patentzusammenarbeitsvertrag zwar unterzeichnet, aber noch nicht ratifiziert hätten. Sie machte ferner geltend, daß Artikel 10 GebO eine Rückerstattung im Falle einer europäischen Patentanmeldung ermögliche, für die die Priorität einer früheren Anmeldung beansprucht werde, zu der das EPA einen Recherchenbericht erstellt habe. Wenn die frühere Anmeldung eine internationale Anmeldung sei, die bei einem Anmeldeamt eingereicht worden sei, für das das EPA als Internationale Recherchenbehörde tätig werde, könne der Anmelder die Rückerstattung erreichen; ein Anmelder amerikanischer Nationalität mit Wohnsitz in den Vereinigten Staaten könne jedoch seine Anmeldung nicht bei einem solchen Anmeldeamt einreichen und werde also bestraft, wenn der Beschluß des Verwaltungsrats vom 14. September 1979 nicht zu seinen Gunsten ausgelegt werden könne.
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ; sie ist daher zulässig.
2. Der Bescheid der Eingangsstelle vom 23. April 1981 stellt eine Entscheidung der Eingangsstelle im Sinne der Artikel 21 und 106 EPÜ dar, da er eine klare Zurückweisung des Antrags der Beschwerdeführerin auf teilweise Rückerstattung der Gebühr für den europäischen Recherchenbericht zum Gegenstand hat; er ist auch, wie Regel 68 (2) EPÜ verlangt, mit einer Begründung versehen.
3. In Übereinstimmung mit der üblichen Praxis des Europäischen Patentamts hätte der Inhalt des Bescheids als Entscheidung gekennzeichnet werden müssen, um die im Übereinkommen und in der Ausführungsordnung klar durchgeführte Unterscheidung zwischen Entscheidungen und Mitteilungen aufrechtzuerhalten (siehe z.B. Regeln 68 und 70 EPÜ). Das Schreiben hätte auch nach Regel 68 (2) EPÜ eine Beschwerdebelehrung und einen Hinweis auf die Artikel 106 bis 108 EPÜ enthalten müssen. Die Tatsache, daß es den Erfordernissen der Regel 68 (2) EPÜ nicht voll entsprochen hat, bedeutet jedoch nicht, daß das Schreiben nur ein Bescheid gewesen ist. Ob ein vom Europäischen Patentamt herausgegebenes Dokument eine Entscheidung oder einen Bescheid darstellt, hängt von der Substanz seines Inhalts und nicht von seiner Form ab. Die Vertreter der Beschwerdeführerin haben das Schreiben zu Recht als eine beschwerdefähige Entscheidung behandelt.
4. Die Behauptung der Beschwerdeführerin, daß ihre europäische Patentanmeldung im Sinne des zehnten Teils des Europäischen Patentübereinkommens (Art. 150 bis 158) als internationale Anmeldung angesehen werden könne, kann jedoch nicht anerkannt und muß zurückgewiesen werden. Eine Anmeldung kann nur dann eine "internationale Anmeldung nach dem Patentzusammenarbeitsvertrag" sein, wenn sie entsprechend den Bestimmungen dieses Vertrags eingereicht worden ist, was bei der europäischen Patentanmeldung der Beschwerdeführerin nicht der Fall war (Art. 2 (vii) PCT; Art. 150 (2) Satz 1 EPÜ). Das Argument, daß Artikel 150 (2) EPÜ weiter gefaßt sei als Artikel 150 (3) EPÜ hilft der Beschwerdeführerin nicht. Artikel 150 (3) EPÜ sieht lediglich vor, daß bestimmte internationale Anmeldungen als europäische Patentanmeldungen gelten. Die Beschwerdeführerin versucht, die umgekehrte Folgerung zu ziehen, die jedoch gegen Artikel 2 (vii) PCT und Artikel 150 (2) EPÜ verstößt.
5. Es ist festzuhalten, daß der Verwaltungsrat am 14. September 1979 zwei zusammenhängende Beschlüsse gefaßt hat (siehe ABl EPA 1979, 368, 369). Zum einen beschloß er, die in Artikel 157 (2) b) EPÜ vorgesehene Recherchengebühr für internationale Anmeldungen, für die ein internationaler Recherchenbericht von einem der drei aufgeführten Ämter einschließlich des Patent- und Warenzeichenamts der Vereinigten Staaten erstellt worden ist, um ein Fünftel herabzusetzen. Zum andern änderte der Verwaltungsrat Artikel 10 GebO u. a. durch Streichung des früheren Artikels 10 (2), der gelautet hatte: "Die Recherchengebühr kann ganz oder teilweise zurückerstattet werden, wenn der europäische Recherchenbericht auf einen internationalen Recherchenbericht gestützt wird, den das Amt oder eine andere internationale Recherchenbehörde nach Maßgabe des PCT erstellt hat."
Die Streichung des früheren Artikels 10 (2) zeigt in Verbindung mit dem ersten Beschluß, daß die Beschränkung des Umfangs der Rückerstattungsmöglichkeiten nach dem 14. September 1979 bewußt beschlossen worden ist. Es ist daher nicht möglich, den ersten Beschluß oder den geänderten Artikel 10 entsprechend den von den Vertretern der Beschwerdeführerin vorgetragenen Überlegungen zur "Billigkeit" auszulegen. Mangels einer Grundlage in der Gebührenordnung kann die Beschwerde keinen Erfolg haben.
6. Da die Beschwerde keinen Erfolg hat, kann dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ nicht stattgegeben werden.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Eingangsstelle des Europäischen Patentamts vom 23. April 1981 und der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr werden zurückgewiesen.