T 1069/96 10-05-2000
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Fahrzeug mit Ladefläche
Prüfung des Einspruchs - Zulässigkeit (bejaht)
Entscheidung über die Beschwerde - Zurückverweisung (bejaht)
I. Auf die europäische Patenanmeldung Nr. 89 108 971.6 wurde das europäische Patent Nr. 0 343 516 erteilt. Anspruch 1 lautet wie folgt:
"Fahrzeug mit wenigstens einer durch einen Hubarm (3) höhenverstellbaren Ladefläche (2), wobei ein Ende des Hubarms mit der Ladefläche in Verbindung steht und das andere Ende sich mittels einer Laufrolle in einer Führung (7) verschiebbar abstützt, und mit einer Verriegelung zum Verriegeln des verschiebbaren Endes des Hubarms, die eine durch eine Kolben-Zylinder-Einheit von einer Arretier- in eine Lösestellung und zurück bewegbare Raste und eine an der Führung befestigte Aufnahme umfaßt, in die die Raste in der Arretierstellung eingreift, dadurch gekennzeichnet, daß die Raste als Arretierbolzen (4) und die Aufnahme als Lochreihe (5) ausgebildet sind, und daß die Lochreihe (5) in der Führung (7) selbst ausgebildet ist, und daß der Arretierbolzen (4) sich im Inneren der Laufrolle (8) befindet."
II. Ein von der Beschwerdeführerin (Einsprechenden) gegen das Patent eingelegter, auf Einspruchsgründen gemäß Artikel 100 a) EPÜ beruhender Einspruch, in dem zum Stand der Technik im wesentlichen auf eine angebliche offenkundige Vorbenutzung verwiesen wird, wurde mit der am 25. Oktober 1996 zur Post gegebenen Entscheidung als unzulässig verworfen.
Zum Nachweis einer angeblichen offenkundigen Vorbenutzung der Gegenstände der Patentansprüche des Streitpatents wurden innerhalb der Einspruchsfrist die folgenden Unterlagen vorgelegt:
D1:
Zwei als "spécifications techniques reprenant la commande du client, établies le 9 janvier 1985, signées FITY" bezeichnete, von der Firma Lohr S.A. (Beschwerdeführerin) ausgestellte Entwicklungsaufträge für den Kunden (client) "Auto Convoy (USA)" betreffend ein Zugfahrzeug ("camion") und einen Anhänger ("remorque"), Type TA 8/4 USA 35;
D2/1, D2/2:
Zwei als "factures à la société LOHR US portant les visas des douanes françaises pour le camion et la remorque : chachets des 25 novembre 1985 et 10. décembre 1985" bezeichnete Ausfuhrerklärungen über einen Fahrzeugtransporter vom Typ TA 8/4 ES 35 und einen Fahrzeugtransporter-Anhänger vom Typ TA 8/4 USA 35;
D3, D3', D3":
Kopie einer Zeichnung ("copie d'un plan daté du 15. mars 1985 signé SCHEER") in 3 Exemplaren, von denen eines (D3') eine verkleinerte Kopie eines Ausschnitts ("Coupe DD") der vollständigen Zeichnung D3 darstellt;
D4, D5, D6, D7:
Kopien von Firmendruckschriften der Fa. Lohr, bezeichnet als "notices en englais pour ces véhicules : utilisation - entretien - pièces détachées", die jeweils die Titelseite eines Benutzerhandbuchs mit den Seiten 1, 2, 9 und 10 (D5), eines Wartungshandbuchs mit den Seiten 3, 10 und 11 (D6) und eines Ersatzteilhandbuchs mit den Seiten 3, 4. (D7) bzw. weiterer Seiten 5, 31, 32 und 35 (D4) eines Ersatzteilhandbuches umfassen;
D8/1 bis D8/4:
4. Blätter mit jeweils einer Farbreproduktion eines Fahrzeugtransportzuges, die als "reproduction couleur du convoi tel qu'exploité commercialement aux USA, montrant la marque du constructeur LOHR et l'identité de l'utilisateur" bezeichnet werden.
Nach Ablauf der Einspruchsfrist reichte die Beschwerdeführerin noch weitere Beweismittel ein.
III. Die Beschwerdeführerin hat gegen die o. g. Entscheidung am 9. Dezember 1996 Beschwerde eingelegt und gleichzeitig die Beschwerdegebühr bezahlt. Die Beschwerdebegründung ist am 21. Februar 1997 eingegangen.
In einem Bescheid vom 28. Oktober 1998 hat die Beschwerdekammer den Beteiligten mitgeteilt, daß die an sich knappen Angaben zu den vorgebrachten Tatsachen und Beweismitteln aus dem Einspruchsschriftsatz ausreichen dürften, um die Erfordernisse gemäß Regel 55 c) EPÜ, letzter Teilsatz (Bedingung 3) zu erfüllen und daß folglich mit einer Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und einer Zurückverweisung an die erste Instanz zur weiteren Prüfung des Einspruchs zu rechnen sei.
IV. Die Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung, die Anerkennung der Zulässigkeit des Einspruchs und die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung.
Sie erklärt sich im Prinzip mit den Ausführungen im Bescheid der Beschwerdekammer einverstanden und erwartet die Weiterbearbeitung des Einspruchs vor der Einspruchsabteilung. Weiterhin verweist sie insbesondere auf ihre Ausführungen in der Einspruchsbegründung und die zahlreichen zusammen mit dieser eingereichten Beweisstücke und widerspricht der Argumentation der Beschwerdegegnerin. Im übrigen sollte es nach ihrer Ansicht noch möglich sein, weitere Ermittlungen anzustellen und im Bedarfsfalle noch Zeugen und zusätzliche Erklärungen einzubringen. Sie verweist auch auf eine notariell bestätigte Erklärung des Mr Brewer vom 7. Juni 1993 (D9) (erstmals eingegangen im Einspruchsverfahren am 12. Oktober 1993).
V. Die Beschwerdegegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde und die Bestätigung der Unzulässigkeit des Einspruchs, hilfsweise die Zurückverweisung der Angelegenheit an die Einspruchsabteilung zur materiell-rechtlichen Entscheidung.
Sie ist der Auffassung, daß sich beim Studium der innerhalb der Einspruchsfrist vorgelegten Beweisstücke D1 bis D8, auf die im Einspruchsschriftsatz zur Begründung der mangelnden Neuheit nur pauschal verwiesen sei, eine Reihe von Unklarheiten ergäben, die es unmöglich machten, die behauptete offenkundige Vorbenutzung zu überprüfen. Es sei an keiner Stelle ausgeführt, in welchem der Beweisstücke die im Einspruchsschriftsatz genannten technischen Merkmale offenbart seien. Es werde somit der Patentinhaberin und der Einspruchsabteilung überlassen, von sich aus und durch eigene Ermittlung den behaupteten Einspruchsgrund abschließend zu prüfen. Nach den Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, Teil D, IV, 1.2.2.1e (alte Fassung) seien jedoch, als eine Bedingung für die Zulässigkeit des Einspruchs, die technischen Zusammenhänge und die daraus von der Einsprechenden gezogenen Folgerungen darzulegen und eine entsprechende Begründung des Einspruchs so abzufassen, daß der Patentinhaber und die Einspruchsabteilung den behaupteten Widerrufsgrund ohne eigene Ermittlung abschließend prüfen können. Diese Bedingung sei nicht erfüllt, da die nötige Substantiierung des vorgebrachten Einspruchsgrundes (Neuheit) fehle. Auf der Grundlage des Einspruchsschriftsatzes sei die Feststellung des Datums, des Gegenstandes und der Umstände der Benutzung ohne weitere Ermittlungen nicht möglich. Das dritte Erfordernis c) nach Regel 55 EPÜ, worüber es eine ausführliche Rechtsprechung gebe, sei daher nicht erfüllt und der Einspruch sei somit nicht zulässig.
1. Aus den vorstehenden Absätzen II bis IV folgt, daß die Beschwerde den Artikeln 106 bis 108 und der Regel 64 EPÜ entspricht; sie ist zulässig.
2. Zulässigkeit des Einspruchs
2.1. Gemäß Artikel 99 (1) EPÜ ist der Einspruch innerhalb von 9 Monaten nach der Bekanntmachung des Hinweises auf die Erteilung des europäischen Patents schriftlich einzureichen und zu begründen.
Artikel 101 (1) EPÜ fordert die Prüfung der Zulässigkeit des Einspruchs bevor seine materiell-rechtliche Prüfung erfolgt, und Regel 55 EPÜ gibt die für die Zulässigkeitsprüfung auf den Inhalt der Einspruchsschrift anzuwendenden Vorschriften an.
2.1.1. Die Vorschriften nach den Absätzen a), b) und d) der Regel 55 EPÜ sind im vorliegenden Fall eingehalten und es wurden diesbezüglich auch keine Beanstandungen vorgetragen.
2.2. Der Absatz c) nach Regel 55 EPÜ benennt die folgenden Erfordernisse für den Einspruchsschriftsatz (Numerierung hinzugefügt):
(I) "eine Erklärung darüber, in welchem Umfang gegen das europäische Patent Einspruch eingelegt"
(II) "und auf welche Einspruchsgründe der Einspruch gestützt wird,"
(III) "sowie die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel."
2.2.1. In dem am 3. Mai 1993 eingegangenen Einspruchsschriftsatz wurde unter den Punkten 1.A/B und 2.C/D der Widerruf des Streitpatents beantragt und die Neuheit bzw. die erfinderische Tätigkeit des beanspruchten Gegenstandes bestritten.
Die o. g. Erfordernisse (I) und (II) der Regel 55 c) EPÜ sind daher erfüllt.
2.3. Angabe der Tatsachen und Beweismittel, Substantiierung des Einspruchs (Regel 55 c) EPÜ, Erfordernis (III))
Die angefochtene Entscheidung ist im wesentlichen damit begründet worden, daß das dritte Erfordernis nach Regel 55 c) EPÜ, nämlich die "Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel", nicht erfüllt sei.
2.3.1. Im vorliegenden Fall stützt sich die Einspruchsbegründung im wesentlichen auf die Geltendmachung einer angeblichen offenkundigen Vorbenutzung.
Ein solcher auf eine offenkundige Vorbenutzung gestützter Einspruch erfüllt nach ständiger Rechtsprechung der Beschwerdekammern (vgl. T 328/87, ABl. EPA 1992, 701, Punkt 3.3; T 93/89, ABl. EPA 1992, 718, Punkt 8.1; T 538/89, Mitt. 1994, 16, Punkte 2.3.1, 2.6; T 522/94, ABl. EPA 1998, 421, Punkt 12) dann die dritte Bedingung für die Zulässigkeit gemäß Regel 55 c), wenn die innerhalb der Einspruchsfrist zur behaupteten offenkundigen Vorbenutzung geltend gemachten Tatsachen und genannten Beweismittel für jedes der folgenden Kriterien A), B) und C) aus der Sicht des Durchschnittsfachmanns soweit verständlich sind, daß eine Untersuchung bzw. Prüfung der materiell-rechtlichen Begründetheit des Vorbringens dahingehend erfolgen kann,
A) ob der Zeitpunkt bzw. der Zeitraum der Vorbenutzung vor dem maßgeblichen Zeitpunkt stattgefunden hat (wann hat die Vorbenutzung stattgefunden),
B) ob Übereinstimmung (Wesensgleichheit) zwischen dem Gegenstand der Benutzung und dem Gegenstand des Streitpatents vorliegt (was ist benutzt worden) und
C) ob die zur Feststellung der Offenkundigkeit (Zugänglichmachung) des benutzten Gegenstandes vorgesehenen Umstände der Benutzung erkennbar sind (wo, wie und durch wen ist sie erfolgt).
2.3.2. In der deutschen Fassung der Richtlinien für die Prüfung im EPA (Teil D, Kapitel IV, 1.2.2.1, V), 2. Absatz) ist in diesem Zusammenhang zur Regel 55 c) (dritte Bedingung) u. a. angegeben, daß die Begründung so abzufassen ist, "daß der Patentinhaber und die Einspruchsabteilung den behaupteten Widerrufsgrund ohne eigene Ermittlungen abschließend prüfen können". In der englischen bzw. französischen Fassung wird hingegen nur das Wort "prüfen" angeführt ("as to enable ... to examine ... " bzw. "doit permettre ... d'examiner ... ").
Nach Auffassung der Kammer, für die die Richtlinien nicht verbindlich sind (Art. 23 (3) EPÜ; Verfahrensordnung der Beschwerdekammern, Artikel 15 (2)), fordert die dritte Bedingung der Regel 55 c) EPÜ keine derart vollständige "Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel", daß schon allein auf der Basis dieser Angaben eine abschließende Prüfung möglich ist, zumal gemäß den Richtlinien zu D, IV, 1.2.2.1, V, 6. Absatz die Beweismittel selbst auch noch nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgelegt werden können. Eine abschließende Prüfung kann in der Regel erst dann erfolgen, wenn alle Beweismittel vorliegen.
2.3.3. Als Mindestanforderung müssen die in der Einspruchsfrist vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel so klar und umfangreich sein, daß die o. g. Kriterien A), B) und C) unter Zugrundelegung des Wissens des zuständigen Durchschnittsfachmanns soweit feststellbar sind, daß sie es der Patentinhaberin und der Einspruchsabteilung ermöglichen, ohne eigene Ermittlungen die Einspruchsgründe bezüglich ihrer Stichhaltigkeit (Begründetheit) zu untersuchen.
Diese Mindestanforderungen sind jedoch auch vom Schwierigkeitsgrad der zu entscheidenden Fragen abhängig und von Fall zu Fall verschieden und lassen sich nur aus dem Gesamtzusammenhang des betreffenden Falles heraus bestimmen (vgl. T 222/85, ABl. EPA 1988, 128, Punkt 4, vorletzter Absatz). Um eine solche Untersuchung bzw. Prüfung im Sinne aufgrund der zu den Kriterien A), B) und C) vorgebrachten Behauptungen durchführen zu können, ist es daher in vielen Fällen notwendig, daß der Einspruchsschriftsatz bei den Tatsachenbehauptungen auch konkrete Angaben zum Inhalt der Beweisstücke macht und ggf. deren technischen Offenbarungsinhalt mit der technischen Lehre des Streitpatents vergleicht. Solche Angaben können jedoch bei einfach gelagertem Sachverhalt unterbleiben, wenn dieser für den Durchschnittsfachmann aus sich heraus unmittelbar verständlich ist (vgl. T 28/93 vom 7. Juli 1994, Punkt 4.1, nicht veröffentlicht).
2.3.4. Die Überprüfung der im vorliegenden Fall im Einspruchsschriftsatz (bzw. innerhalb der Einspruchsfrist) angegebenen Tatsachen und Beweismittel (gemäß Regel 55 c) führt zu folgenden Ergebnissen:
2.3.4.1. Angaben über das Datum bzw. den Zeitraum der Vorbenutzung (Kriterium A))
Im Einspruchsschriftsatz sind als Tatsachenbehauptungen
i) die Monate November/Dezember 1985 als Zeitraum für die Auslieferung eines Lastwagens und eines Anhängers (nach USA) mit Verriegelungsständern (nach der Erfindung) sowie
ii) der 25. November und der 10. Dezember 1985 als jeweiliges Datum der Ausfuhrerklärungen D2/1 und D2/2
genannt.
Diese und weitere Datumsangaben sind auch den Beweisstücken zu entnehmen; vgl. die beiden am 9. Januar 1985 ausgestellten Entwicklungsaufträge gemäß D1, die genannten Ausfuhrerklärungen D2/1 und D2/2 mit den Stempeldaten 25. Nov. 85 und 10. Dez. 85) und die Konstruktionszeichnung D3 mit der Signierung vom 15.3.85.
Es sind demnach mit dem am 3. Mai 1993 eingegangenen Einspruchsschriftsatz Tatsachenbehauptungen und nachprüfbare Beweisstücke vorgebracht worden, die eine Untersuchung und vorläufige Feststellung des angeblichen Benutzungszeitraums zulassen. Dabei ist es für die Zulässigkeitsprüfung unerheblich, ob die o. g. Daten schon zu einem schlüssig nachgewiesenen Benutzungszeitraum führen, denn eine solche Untersuchung ist erst bei der materiell-rechtlichen Prüfung des Einspruchs gemäß Artikel 101 (1) EPÜ durchzuführen.
Die Angaben zum Kriterium A) sind demnach auf der Basis der Zulässigkeitsprüfung als ausreichend anzusehen.
2.3.4.2. Feststellung des Gegenstandes der Benutzung (Kriterium B))
Die in drei verschiedenen Kopien vorgelegten Werkstattzeichnungen D3, D3' und D3" sind für einen Durchschnittsfachmann des betreffenden Fachgebiets aufgrund des leicht verständlichen Inhalts des Streitpatents aus sich heraus bezüglich der in Frage stehenden Merkmale ohne zusätzliche Erläuterungen verständlich, zumal auch die in den Beweisstücken gemäß D4 bis D7 gezeigten, arretierbaren Hubvorrichtungen mit allen Einzelteilen detailliert (teilweise unter Benennung der Einzelelemente) dargestellt sind und im wesentlichen der in den Werkstattzeichnungen gezeigten Konstruktion entsprechen. Vergleiche hierzu z. B. die Figur 2 auf Seite 9 von D5 sowie die einen Ausschnitt aus der Gesamtkonstruktionszeichnung D3 zeigende Kopie D3', in der ohne weiteres der Arretierbolzen und die als Lochreihe ausgebildete Aufnahme für die Verrastung erkennbar sind.
Ein Durchschnittsfachmann ist im vorliegenden, technisch nicht komplizierten Fall auch ohne einen im Einspruchsschriftsatz im einzelnen vorgenommenen Merkmalsvergleich in der Lage, den Gegenstand der behaupteten Vorbenutzung soweit festzustellen, daß ein Vergleich mit dem Gegenstand des Streitpatents in einer späteren materiell-rechtlichen Prüfung möglich ist.
Somit ist der Gegenstand der behaupteten offenkundigen Vorbenutzung auch ohne nähere Erläuterungen im Einspruchsschriftsatz soweit feststellbar, daß eine Untersuchung der angeführten Hubvorrichtung auf Wesensgleichheit mit dem Gegenstand des Streitpatents erfolgen konnte. Das Kriterium B) ist daher ebenfalls erfüllt.
2.3.4.3. Feststellung der Umstände der Benutzung (Kriterium C))
Was die Offenkundigkeit anbelangt, so wird im Einspruchsschriftsatz unter dem Punkt 2., Abschnitt A, zunächst behauptet, daß der Entwicklungsauftrag, die Konzeption im März 1985, der Bau und die Auslieferung in die USA im November/Dezember 1985 eines Lastkraftwagens und eines Anhängers mit verriegelbaren Trägern nach der Erfindung ausreichende Beweise für fehlende Neuheit seien.
Im Anschluß daran werden die Beweismittel (D1 bis D8/4) nacheinander benannt, wie dies unter dem vorstehenden Punkt II aufgelistet ist. Dabei wird im Zusammenhang mit der Benennung der Beweismittel "Farbreproduktion eines Fahrzeugtransportzuges" ausdrücklich darauf hingewiesen, daß dieser in den USA geschäftlich genutzt wurde und daß der Fahrzeugtransporter die Marke des Herstellers "LOHR" und die Identität des Benutzers zeige.
Nach den vorstehenden Tatsachenbehauptungen soll also der angeblich nach der Zeichnung D3 gefertigte Fahrzeugtransporter vom Hersteller LOHR aus Frankreich in die USA ausgeführt worden sein. Unter der weiteren Angabe "geschäftlich genutzt" ist im Falle eines Fahrzeugtransporters nichts anderes zu verstehen als dessen Einsatz zum Transport von Fahrzeugen auf öffentlichen Straßen. Zu Fragen "wie" und "wo" der Benutzungsumstände (Kriterium C)) haben demnach die Tatsachenbehauptungen Stellung genommen. Außerdem sind aus den Farbreproduktionen D8/1 bzw. D8/4 auch die Aufschrift an der Türe des Fahrzeugtransporters "AUTO CONVOY CO DALLAS TEXAS" sowie das Markenzeichen "LOHR" zu entnehmen. Demnach ist die Identität des Benutzers den Beweismitteln entnehmbar. Der angebliche Benutzer Auto Convoy (USA) ist auch in den Entwicklungsaufträgen gemäß D1 als Kunde aufgeführt, so daß die auf den Adressaten "Lohr US, New York- -U.S.A." ausgestellten Ausfuhrerklärungen D2/1, D2/2 für die vorläufige Feststellung der Identität des Benutzers außer Betracht bleiben können.
Die auf einem Großteil der Beweisstücke ersichtlichen Typenangaben TA 8/4 ES A 35 bzw. TA 8/4 USA 35 bzw. "Système MS" bzw. "Système de levage MS" sowie die allen Dokumenten zu entnehmende Tatsache, daß es sich um in die USA gelieferte Fahrzeugtransporter mit Anhänger handelt, lassen zumindest eine prinzipielle Überprüfung zu, wie der angeblich gelieferte bzw. verkaufte Fahrzeugtransporter im Hinblick auf die hier interessierenden Merkmale beschaffen war.
Die behaupteten Umstände der Benutzung (wie, wo, und durch wen) sind somit dem Einspruchsschriftsatz zu entnehmen und es wurden hierfür Beweismittel D1 bis D8 vorgelegt, die eine weitere Untersuchung, ob diese Behauptungen sachlich zutreffen, ermöglichen.
Das Kriterium C) ist daher ebenfalls erfüllt.
2.3.4.4. Ergänzend ist zu bemerken, daß bei einer solchen Untersuchung es ohne Bedeutung ist, ob die vorgelegten Beweisstücke die Tatsachenbehauptungen lückenlos und schlüssig zu begründen vermögen. Es genügt vielmehr, daß ein hinreichender Zusammenhang zwischen den Beweisstücken und den Behauptungen erkennbar ist, der eine Untersuchung zuläßt.
Die Untersuchung der Zulässigkeit des Einspruchs ist grundsätzlich zu unterscheiden von der Untersuchung der materiell-rechtlichen Begründetheit des Einspruchs. Wie schon in der Beschwerdekammerentscheidung T 234/86, ABl. EPA 1989, 79, Punkt 2.2 festgestellt wurde, verlangt keine Vorschrift des EPÜ, daß das Einspruchsvorbringen in sich schlüssig sein muß, um die Zulässigkeit des Einspruchs zu garantieren. Nach Auffassung der Kammer genügt es, daß die innerhalb der Einspruchsfrist gemachten Angaben zur behaupteten offenkundigen Vorbenutzung für jedes der vorgenannten Kriterien A), B) und C) (siehe den vorstehenden Punkt) die im Absatz 2.3.3 definierten Voraussetzungen erfüllen. Die angegebenen Beweismittel können dabei auch noch nach Ablauf der Einspruchsfrist vorgelegt bzw. ergänzt werden.
Zusammenfassend reichen nach Überzeugung der Beschwerdekammer die an sich knappen Angaben zu den vorgebrachten Tatsachen und Beweismitteln des Einspruchsschriftsatzes im vorliegenden Fall aus, um die Erfordernisse gemäß Regel 55 c), letzter Teilsatz EPÜ (gemäß dem o. g. Punkt 2.3.1 der Entscheidung) zu erfüllen.
2.4. Dem Antrag der Beschwerdeführerin, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und die Zulässigkeit des Einspruchs festzustellen, ist somit stattzugeben.
3. Zurückverweisung an die erste Instanz
Die Einspruchsabteilung hat die geltend gemachte offenkundige Vorbenutzung materiell-rechtlich noch nicht dahingehend geprüft, ob sie dem geltenden Patentbegehren patenthindernd entgegensteht. Die zur Zulässigkeit des Einspruchs gemachten Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung sind allenfalls als Teilergebnis einer materiell-rechtlichen Untersuchung der Begründetheit anzusehen. Nachdem die angefochtene Entscheidung ausschließlich die formale Zulässigkeit behandelt, hätte eine Überprüfung der Begründetheit des Einspruchs durch die Kammer zwangsläufig einen Instanzverlust zur Folge, der im Hinblick auf den Antrag der Beschwerdeführerin, die Sache an die erste Instanz zurückzuverweisen, mit dem Grundsatz der Billigkeit nicht vereinbar wäre. In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern (vgl. z. B. T 273/84, ABl. EPA 1986, 346, Punkte 6 und 7) macht die Kammer von der ihr in Artikel 111 (1) EPÜ eingeräumten Befugnis Gebrauch, die Sache zur materiell-rechtlichen Prüfung (auf Patentfähigkeit) an die Einspruchsabteilung zurückzuverweisen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Sache wird an die Einspruchsabteilung zur weiteren Prüfung zurückverwiesen.