J 0016/82 (Hilfsperson - Ersatzkraft) 02-03-1983
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1. "Hilfsperson" im Sinne der Entscheidung der Juristischen Beschwerdekammer J_05/80 vom 7.Juli 1981 (Amtsblatt EPA 1981, S. 343) ist auch eine Ersatzkraft, die eine Hilfsperson im Falle von Urlaub, Krankheit oder sonstiger Verhinderung vertritt. An die Auswahl, Unterweisung und Überwachung der Ersatzkraft sind die selben Anforderungen zu stellen wie an die Hilfsperson selbst.
2. Ergibt sich endgültig, daß eine Beschwerde wegen nicht rechtzeitiger Zahlung der Beschwerdegebühr als nicht eingelegt gilt, so ist die Beschwerdegebühr von Amts wegen zurückzuzahlen (im Anschluss an J_21/80 vom 26. Februar 1981 in Amtsblatt EPA 1981 S. 102).
Hilfsperson - Ersatzkraft
Hilfsperson - Wiedereinsetzung - Sorgfaltspflicht
Ersatzkraft - Wiedereinsetzung
Sorgfaltspflicht der Hilfspersonen - Wiedereinsetzung
Rückzahlung der Beschwerdegebühr
I. Die Beschwerde richtet sich gegen die Entscheidung der Eingangsstelle des Europäischen Patentamts vom 14. Mai 1982, mit der ein Antrag des Mitanmelders und gemeinsamen Vertreters der Anmelder (R. 100) auf nachträgliche Anerkennung einer Priorität zurückgewiesen wurde. Der Vertreter hat die angefochtene Entscheidung am 17. Mai erhalten; gem. Regel 78 (3) EPÜ gilt sie als am 24. Mai zugestellt. Die Beschwerde ging mit einer Begründung am 4. Juni 1982 beim EPA ein. Eine Beschwerdegebühr wurde zunächst nicht gezahlt.
II. Mit Schreiben des Berichterstatters der Beschwerdekammer vom 29. Oktober 1982 wurde der Vertreter darauf aufmerksam gemacht, daß die Beschwerdegebühr nicht gezahlt wurde, die Beschwerde daher gem. Artikel 108 Satz 2 EPÜ als noch nicht, damit als nicht eingelegt gelte und die Möglichkeit bestehe, gem. Artikel 122 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen.
III. Mit Schreiben vom 11. November 1982, eingegangen am 12. November 1982, stellte der Vertreter einen solchen Antrag und zahlte mit beigefügtem Scheck die Gebühren für die Beschwerde und den Wiedereinsetzungsantrag. Zur Begründung führte er aus, daß er der Buchhaltung seiner Firma einen Auftrag zur Zahlung der Gebühr gegeben habe, der Auftrag jedoch nicht erledigt worden sei. Die Leiterin der Buchhaltung sei nämlich in Urlaub gewesen und von einer Ersatzkraft vertreten worden. Dieser Ersatzkraft sei "inzwischen -auch wegen anderer nachgewiesener Unzuverlässigkeiten - gekündigt" worden. Vom Berichterstatter darauf aufmerksam gemacht, daß dieser Sachvortrag keine Grundlage für eine Wiedereinsetzung biete, führte der Vertreter weiter aus, daß die für das Versäumnis verantwortliche Ersatzkraft alle "Zuverlässigkeitsvoraussetzungen" zu bieten schien, da sie als Urlaubsvertretung auch für die gesamte Buchhaltung eines Unternehmens von etwa 60 Mitarbeitern zuständig gewesen sei. Die Ersatzkraft habe "aufgrund ihrer Ausbildung und bisherigen Tätigkeit alle Voraussetzungen für eine korrekte Abwicklung der ihr gestellten Aufgaben" geboten.
1. Das sachliche Beschwerdevorbringen kann erst dann geprüft werden, wenn feststeht, daß eine Beschwerde nach Artikel 106 EPÜ ff. vorliegt und daß sie nach Artikel 110 (1) EPÜ zulässig ist.
2. Zu den Voraussetzungen einer rechtswirksamen Beschwerde gehört, daß die Beschwerdegebühr innerhalb der nach Artikel 108 EPÜ vorgeschriebenen 2-Monatsfrist entrichtet wurde. Andernfalls gilt die Beschwerde nach Artikel 108 Satz 2 EPÜ nicht als eingelegt (siehe Entscheidung der JurBK J 21/80 vom 26. Februar 1981, ABl. EPA 1981, 101).
3. Unbestritten wurde die Beschwerdegebühr erst 3 Monate nach Ablauf der 2-Monatsfrist gezahlt, nämlich erst dann, als der Beschwerdeführer vom Berichterstatter auf das Fehlen der Beschwerdegebühr und die Möglichkeit der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in diese Frist hingewiesen worden war. Da nur dann eine rechtswirksame Beschwerde vorliegt, wenn dem vom Beschwerdeführer gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung stattgegeben werden kann, ist zuerst diese Frage zu prüfen.
4. Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist innerhalb der vorgeschriebenen 2-Monatsfrist unter Zahlung der Wiedereinsetzungsgebühr gestellt worden und enthält eine Begründung (Art. 122 (2). (3) EPÜ).
5. Der Antrag ist nur dann begründet, wenn nach vorgetragenen und glaubhaft gemachten Tatsachen Anmelder und Vertreter alle nach den Umständen gebotene Sorgfalt aufgewendet haben, um die Zahlungsfrist einzuhalten. Hat der Anmelder oder Vertreter Handlungen, die er gegenüber dem EPA durchzuführen hat, einer Hilfsperson übertragen, so wird ihm ein Fehlverhalten dieser Hilfspersonen nur bei Vorliegen ganz bestimmter, von ihm selbst zu erfüllender Voraussetzungen nicht angelastet: Er muß die Hilfsperson sorgfältig ausgewählt, sie mit ihren Aufgaben vertraut gemacht und bei deren Ausführung in vernünftigem Umfang überwacht haben (vgl. Entscheidung der Kammer J 05/80 vom 7. Juli 1981 in ABl. EPA 1981.343, Leitsatz III).
6. Diese Voraussetzungen müssen auch in bezug auf eine Ersatzkraft gefordert werden, die die Hilfsperson im Falle von Urlaub. Krankheit oder sonstiger Verhinderung vertritt. Die Notwendigkeit, daß Hilfspersonen vertreten werden müssen, kehrt nach allgemeiner Lebenserfahrung mit gewisser Regelmäßigkeit wieder. Daher muß der Anmelder bzw. Vertreter im Verhinderungsfall einer qualifizierten Hilfsperson entweder eine gleich qualifizierte Ersatzkraft zur Verfügung haben oder aber selbst die der Hilfsperson übertragene Arbeit übernehmen.
7. Der Berichterstatter hat in einem Bescheid den Beschwerdeführer auf die Voraussetzungen hingewiesen, die für eine Wiedereinsetzung erforderlich sind. Aus den Ausführungen der Beschwerdeführer ergibt sich jedoch nicht, daß diese Voraussetzungen in bezug auf die Ersatzkraft erfüllt waren. In der unter Nr. 5 genannten Entscheidung wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, daß diese Anforderungen nicht nur an die Auswahl, sondern auch an die Unterweisung und Überwachung der Hilfsperson gestellt werden; dies gilt nicht für irgendwelche Arbeiten, sondern für Arbeiten, die das Patentwesen betreffen. Es muß daher eine eingehende Unterweisung und vor allem im Einarbeitungsstadium eine Überwachung tatsächlich stattgefunden haben. Es genügt nicht, daß die Hilfsperson bei der Betrauung mit den Arbeiten aufgrund ihrer Ausbildung und der bisherigen Tätigkeit zuverlässig erschien, denn dies ist eine normale Voraussetzung für die Beschäftigung einer Arbeitskraft.
8. Aus vorstehenden Gründen kann nicht festgestellt werden, daß der Vertreter und Mitanmelder alle nach den gegebenen Umständen gebotene Sorgfalt i. S. v. Artikel 122 (1) EPÜ beachtet hätte. Die Beschwerdeführer können somit nicht in die versäumte Frist für die Zahlung der Beschwerdegebühr wieder eingesetzt werden.
9. Da eine Wiedereinsetzung somit nicht stattfinden kann, gilt die Beschwerde gem. Artikel 108 Satz 2 EPÜ als nicht eingelegt. Artikel 108 Satz 2 EPÜ ist entsprechend seiner Entstehungsgeschichte in Zusammenhang mit Satz 1 in dem Sinne zu verstehen. daß die Beschwerde nicht als eingelegt gilt, wenn die Beschwerdegebühr nicht innerhalb der in Satz 1 genannten Beschwerdefrist entrichtet worden ist (siehe auch die bereits unter Nr. 2 erwähnte J 21/80 vom 26. Februar 1981. ABl. EPA 1981, 101).
10. Gilt eine Beschwerde gem. Artikel 108 Satz 2 EPÜ deswegen als nicht eingelegt, weil die Beschwerdegebühr erst nach Ablauf der Beschwerdefrist gezahlt wurde, so kann der mit der Zahlung der Gebühr verfolgte Zweck nicht mehr erreicht werden. Die Beschwerdegebühr ist daher zurückzuzahlen, ohne daß es einer besonderen Anordnung der Beschwerdekammer bedarf.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird wie folgt entschieden:
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde gegen die Entscheidung der Eingangsstelle des Europäischen Patentamts vom 14. Mai 1982 gilt als nicht eingelegt.