T 0489/93 (Fristversäumung/ELECTRONICS) 25-02-1994
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Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Versäumung der Frist zur Einlegung der Beschwerde
Beachtung aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt (nein)
Rückzahlung der Beschwerdegebühr (ja)
Restitutio - all due care (no) - clarity and unambiguity of a communication - professional representative
Form of appeal - admissible (no)
Reimbursement of appeal fee (yes)
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Beschwerde der Anmelderin der Europäischen Patentanmeldung 87 901 616.0 gegen den Patenterteilungsbeschluß des Europäischen Patentamtes vom 29. April 1991. Die Beschwerde ist am 10. Dezember 1991 eingelegt und begründet worden. Auch die Beschwerdegebühr wurde gleichzeitig entrichtet. Die Beschwerdeführerin hat zugleich Wiedereinsetzung in die versäumte Beschwerdefrist beantragt, den Antrag begründet und die Wiedereinsetzungsgebühr entrichtet.
II. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags trägt die Beschwerdeführerin im wesentlichen vor, der Hinweis im Bescheid (EPO Form 2504) des EPA vom 17. Mai 1991, mit dem sie aufgefordert wurde, die zur beantragten Umschreibung noch fehlenden Unterlagen vorzulegen, habe nur so verstanden werden können, daß das Verfahren zunächst unterbrochen wird, bis die zweimonatige Frist abgelaufen ist, und daß dann eine erneute Entscheidung seitens des EPA getroffen wird. In der Folge dieser einzig sinnvollen Auslegung habe eine Angestellte des Vertreters der Beschwerdeführerin eine (letzte) Frist für die Veröffentlichung der Patenterteilung zum 17. Oktober 1991 notiert. Am 10. Oktober 1991 habe der Vertreter der Beschwerdeführerin erstmals erfahren, daß die Veröffentlichung bereits am 5. Juni 1991 erfolgt sei. Der Irrtum über die "Verschiebung" des Veröffentlichungsdatums sei für die Vertreter der Beschwerdeführerin unvermeidbar gewesen. Sie hätten sich auf eine korrekte Fristberechnung der hoch qualifizierten Hilfskraft, Frau Aureli, verlassen können.
III. Hinsichtlich ihrer Beschwerde trägt die Beschwerdeführerin vor, sie sei zulässig und begründet. An den Erteilungsbeschluß und die daran anknüpfende Bekanntmachung im Europäischen Patentblatt seien Fristen zur Weiterführung der nationalen Phasen des Europäischen Patents geknüpft. Ein zu früher und unerwarteter Erteilungsbeschluß wie im vorliegenden Fall führe unweigerlich zur Gefahr des Rechtsverlustes durch das Nichteinhalten von Folgefristen vor den nationalen Ämtern. Durch die vorliegend zu frühe Erteilung sei die Frist zur nationalen Weiterführung in einigen Vertragsstaaten nicht eingehalten worden. Hierdurch sei die Beschwerdeführerin beschwert. Aus den gleichen Erwägungen sei der Antrag auf erneute Veröffentlichung der Patenterteilung auch begründet.
IV. Während der mündlichen Verhandlung erklärte der Vertreter sich einverstanden mit dem Gebrauch der deutschen Sprache in der Entscheidung.
V. Die Beschwerdeführerin hat die Wiedereinsetzung in die Beschwerdefrist gemäß Artikel 108 EPÜ beantragt. Darüber hinaus beantragte sie die erneute Erteilung des Patents mit den vorliegenden Unterlagen und erneuter Veröffentlichung im Europäischen Patentblatt.
1. Die Frist für die Einlegung einer Beschwerde gemäß Artikel 108 und Regel 78 (3) EPÜ gegen den Patenterteilungsbeschluß vom 29. April 1991 lief am 9. Juli 1991 ab. Deshalb ist die am 10. Dezember 1991 eingelegte Beschwerde gegen den Patenterteilungsbeschluß verspätet.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist zulässig, Artikel 122 (2) EPÜ. Die Beschwerdeführerin hat erstmals am 10. Oktober 1991 erfahren, daß die Veröffentlichung der Patenterteilung bereits am 5. Juni 1991 erfolgt war. Der am 10. Dezember 1991 beim EPA eingegangene Wiedereinsetzungsantrag ist daher rechtzeitig gestellt. Mit dem Antrag hat die Beschwerdeführerin zugleich die versäumte Handlung, die Einlegung der Beschwerde, nachgeholt.
2. Gemäß Artikel 122 EPÜ kann die Beschwerdeführerin in den vorigen Stand eingesetzt werden, wenn sie oder ihr Vertreter trotz aller nach den gegebenen Umständen gebotenen Sorgfalt verhindert waren, die Beschwerdefrist gemäß Artikel 108 S. 1 EPÜ einzuhalten.
3. Wie sich aus dem Vortrag des Vertreters der Beschwerdeführerin ergibt, ging der Erteilungsbeschluß (EPO Form 2006) betreffend die europäische Patentanmeldung 87 901 616.0 vom 29. April 1991 am 3. Mai 1991 beim italienischen Vertreter der Beschwerdeführerin ein. Am selben Tag ist der Antrag auf Umschreibung auf den Rechtsnachfolger, den der italienische Vertreter am 2. Mai 1991 diktiert hatte, an das Europäische Patentamt abgesandt worden. Daraufhin erhielt der italienische Vertreter am 21. Mai 1991 die Mitteilung des EPA (EPO Form 2504) vom 17. Mai 1991, in der sich der Hinweis befand, daß im Fall der Nichtbehebung der Mängel des Umschreibungsantrags innerhalb der angegebenen Frist das Verfahren mit dem ursprünglichen Anmelder/Patentinhaber/Einsprechenden fortgesetzt wird.
4. Der Bescheid des EPA vom 17. Mai 1991 ist, wie sich aus dem Sachvortrag der Beschwerdeführerin ergibt, ausschließlich von der Sekretärin ihres italienischen Vertreters, Marialuisa Aureli, bearbeitet worden. Durch die eidesstattliche Versicherung vom 6. Dezember 1991 ist glaubhaft gemacht worden, daß Frau Aureli den oben genannten Hinweis im Bescheid des EPA vom 17. Mai 1991 dahingehend verstanden hat, daß das Datum der Veröffentlichung verlegt worden sei und diese nicht vor dem 17. Juli 1991, zwei Monate nach dem Datum des EPA- Bescheides, erfolgen würde. Auf Grund dieser Annahme hat Frau Aureli Fristnotierungen vorgenommen, welche die Ursache der vorliegenden Fristversäumung waren.
5. Die Kammer vermag der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht zu folgen, das Amt habe eine mißverständliche Auskunft gegeben, mit der Folge, daß aus dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes die Veröffentlichung des Patents als unwirksam angesehen und eine erneute Veröffentlichung veranlaßt werden müsse. Der Hinweis im Bescheid des EPA vom 17. Mai 1991, daß im Fall der Nichtheilung der Mängel das Verfahren mit dem bisherigen Anmelder/Patentinhaber/Einsprechenden weitergeführt wird, kann wohl kaum in der Weise mißverstanden werden, daß hiermit eine Verschiebung des durch den Patent- erteilungsbeschluß festgelegten Veröffentlichungsdatums gemeint war. Eine Verlegung dieses Datums, wie von der Beschwerdeführerin angenommen, ist im Bescheid vom 17. Mai 1991 weder ausdrücklich erwähnt, noch läßt sie sich ihm implizit entnehmen. Darüber hinaus sollte es jedem klar sein, daß eine ein Verfahren (hier: Prüfungsverfahren) abschließende Entscheidung dieses Verfahren auch beendet, es sei denn eine eine aufschiebende Wirkung herbeiführende Beschwerde wird eingelegt. Nach Auffassung der Kammer handelt es sich daher um eine rechtsirrige Auslegung eines mit Bezug auf Anträge auf Umschreibung geläufigen und eindeutigen vorgedruckten Bescheides des EPA, die weder die Beschwerdeführerin noch ihren Vertreter entlasten kann (vgl. hierzu J 1/89 ABl. EPA 1992, 17).
6. Selbst wenn das behauptete Mißverständnis des Bescheides vom 17. Mai 1991 nahelag, hätte dies doch nur dazu führen müssen, daß der Vertreter der Beschwerdeführerin unverzüglich alle geeigneten Schritte unternimmt, um den offensichtlichen Widerspruch zwischen dem im Patenterteilungsbeschluß vom 29. April 1991 genannten Veröffentlichungsdatum und dem vermuteten "neuen" Termin aufzuklären. Durch z. B. eine telefonische Rückfrage beim zuständigen Sachbearbeiter des EPA hätte der entstandene Irrtum aufgeklärt werden können. Es kann aber kein Zweifel bestehen, daß die Überwachung eines so bedeutenden Vorganges, wie es die Änderung des Veröffentlichungsdatums einer endgültigen Patenterteilung darstellt, eine Aufgabe ist, die dem Vertreter der Beschwerdeführerin obliegt. Er kann sich zwar einer Hilfskraft bedienen, zur Notierung von eindeutigen Fristen, muß jedoch sicherstellen, daß die vorausgehend genannte Überwachung durch ihn selbst vorgenommen oder aber der betreffende Vorgang ihm zur Kontrolle vorgelegt wird. Dies ist vorliegend nicht geschehen. Dem Vertreter der Beschwerdeführerin, der den am 3. Mai 1991 eingegangenen Patenterteilungsbeschluß und den kurz bevorstehenden Veröffentlichungstermin kannte, hätte klar sein müssen, daß das Prüfungsverfahren durch diesen Beschluß beendet war, und daß der Antrag auf Umschreibung, soweit damit die Veröffentlichung mit der Nennung des Rechtsnachfolgers beabsichtigt war, unter diesen Umständen nicht mehr möglich war, es sei denn eine Beschwerde wäre eingelegt worden. Hiervon hätte der Vertreter seine Hilfskraft verständigen müssen, was ein eventuelles Mißverständnis der Frau Aureli bei der Prüfung der die Umschreibung betreffenden Bescheide des EPA vermieden hätte. Dieses Mißverständnis ist nämlich nicht nur das Resultat einer einfachen Fristnotierung sondern die Folge der Änderung einer bereits durch eine Entscheidung endgültig festgelegten Frist. Diese aber kann nicht ohne weiteres, d. h. ohne Abklärung mit dem Vertreter, durch eine Sekretärin, vorgenommen werden.
7. Auf Grund der gegebenen Sachlage konnte die Beschwerdeführerin die Kammer nicht davon überzeugen, daß sie beziehungsweise ihr Vertreter bei der Behandlung der vorliegenden Angelegenheit alle nach den Umständen erforderliche Sorgfalt angewendet haben. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die versäumte Frist zur Einlegung der Beschwerde war daher zurückzuweisen. Folglich war die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen, Artikel 108 und Regel 65 (1) EPÜ.
8. Eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr ist im vorliegenden Fall von der Beschwerdeführerin nicht beantragt worden. Dessenungeachtet kann sie von Amts wegen geprüft werden (J 16/82 ABl. EPA 1983, 262). Nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern ist eine Beschwerdegebühr zurückzuzahlen, wenn sie verspätet einbezahlt und daher die Beschwerde gemäß Artikel 108 Satz 2 EPÜ als nicht eingelegt gilt (J 21/80 ABl. EPA 1981, 101; T 287/84 ABl. EPA 1985, 333). Im vorliegenden Fall ist also auch die Zurückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
9. Die Beschwerde war daher als unzulässig zu verwerfen, Regel 65 (1) EPÜ. Der Wortlaut in Regel 65 (1) EPÜ "als unzulässig" ist in einem weiteren Sinn verwendet, d. h. umfaßt sowohl den Fall der existenten (aber "unzulässigen") wie den der nicht existenten Beschwerde.
10. Obwohl die Verfahrenssprache Englisch ist und bleibt, kann diese Entscheidung in Deutsch ergehen, weil die Beschwerdeführerin und einzige Beteiligte am Verfahren ausdrücklich zugestimmt hat (J 18/90, ABl. EPA 1992, 511).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung wird zurückgewiesen.
2. Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.