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J 0016/90 (Wiedereinsetzung) 06-03-1991
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Der Großen Beschwerdekammer werden Rechtsfragen darüber vorgelegt, ob Artikel 122 EPÜ (Wiedereinsetzung) anwendbar ist einerseits in Fällen betreffend europäische Patentanmeldungen und andererseits in Fällen betreffend internationale Anmeldungen (sog. "Euro-PCT-Anmeldungen"), nämlich Wiedereinsetzung
1. in die Fristen für die Zahlung von Anmeldegebühr, Recherchengebühr und Benennungsgebühr nach Artikel 78 (2) und 79 (2) bzw. für die Zahlung der "nationalen Gebühr" nach Artikel 158 (2) EPÜ und
2. in die Frist für die Stellung des Prüfungsantrags nach Artikel 94 (2) bzw. Artikel 150 (2), Satz 4 EPÜ.
Geltungsbereich von Artikel 122(5) EPÜ
Vorlage an die Grosse Beschwerdekammer
I. Für die europäische Patentanmeldung Nr. 89 111 906.7, die keine PCT-Anmeldung ist, wurden die am 9. Oktober 1989 fälligen Gebühren für Anmeldung, Recherche, elf Benennungen und die Zuschlagsgebühr nach Regel 85a (neue Fassung) EPÜ nicht gezahlt. Ein Antrag auf Wiedereinsetzung nach Artikel 122 EPÜ wurde durch Entscheidung der Eingangsstelle des EPA vom 27. März 1990 als unzulässig zurückgewiesen, weil hier eine Wiedereinsetzung nach Artikel 122 (5) EPÜ ausgeschlossen sei. Mit dem am 11. November 1989 eingegangenen Wiedereinsetzungsantrag war geltend gemacht worden, daß die Grundfrist in Folge finanzieller Schwierigkeiten und die Nachfrist in Folge plötzlicher Erkrankung versäumt worden sei. Durch ein ärztliches Attest vom 11. Oktober 1989 wurde eine vor dem 2. Oktober bestehende und voraussichtlich bis 16. Oktober andauernde Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung war ein Scheck über alle nachzuzahlenden Gebühren und die Wiedereinsetzungsgebühr beigefügt.
II. Gegen die Entscheidung vom 27. März 1990 erhob der Anmelder am 22. Mai 1990 unter Zahlung der Gebühr Beschwerde und begründete diese zugleich wie folgt: Die angefochtene Entscheidung, die sich auf die Entscheidung J 18/82 (ABl. EPA 1983, 441) stütze, entspreche nicht mehr der aktuellen Entscheidungspraxis. Mittlerweile sei bei vergleichbaren Gebührenzahlungen durch die Entscheidung J 22/88 (ABl. EPA 1990, 244) bezüglich sog. Euro-PCT-Anmeldungen die Wiedereinsetzung als grundsätzlich zulässig anerkannt. Die in den Artikeln 158 (2) und 78 (2) EPÜ genannten Sachverhalte seien analog und gleichrangig. Deswegen entspreche es der Billigkeit, daß auch im vorliegenden Fall die Wiedereinsetzung nicht grundsätzlich ausgeschlossen werde.
III. Der Vertreter des Beschwerdeführers beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Wiedereinsetzung in die Nachfrist nach Regel 85a EPÜ. Zur Ergänzung seines Wiedereinsetzungsantrags reichte er eine ausführlichere ärztliche Bescheinigung über den Gesundheitszustand des Beschwerdeführers in der fraglichen Zeit (02.10. - 16.10.1989) nach. Darin wird bestätigt, daß der Anmelder in dieser Zeit bettlägerig war.
1. Für die Entscheidung über die zulässige Beschwerde kommt es auf die Rechtsfrage an, ob eine Wiedereinsetzung in die Frist nach Regel 85a EPÜ im Hinblick auf Artikel 122 (5) EPÜ überhaupt möglich ist. Erst danach wäre zu prüfen, ob die Zulässigkeitserfordernisse von Artikel 122 (2) und (3) EPÜ erfüllt sind. Als letztes wäre schließlich zu entscheiden, ob der Antrag auf Wiedereinsetzung begründet, also die gebotene Sorgfalt im Sinne von Artikel 122 (1) EPÜ beachtet ist.
1.1 Die Eingangsstelle des EPA als Erstinstanz hat sich lediglich mit der erstgenannten Rechtsfrage befaßt und diese verneint. Sie ist logisch richtig vorgegangen, indem sie weitere Fragen als die des Ausschlusses nach Artikel 122 (5) EPÜ nicht geprüft hat.
1.2 Die Juristische Beschwerdekammer legt jedoch die Rechtsfrage, ob eine Wiedereinsetzung ausgeschlossen ist, der Großen Beschwerdekammer vor. Dies setzt nach Artikel 112 (1) a) EPÜ voraus, daß die vorlegende Beschwerdekammer eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer "für erforderlich" hält. Dazu genügt es nicht, daß die vorzulegende Frage von allgemeinem Interesse ist. Ihre Beantwortung muß für die Entscheidung des Beschwerdefalles auch notwendig sein. Im Gegensatz zur Erstinstanz muß daher die Juristische Beschwerdekammer vor einer Vorlage prüfen, ob sie nicht die Frage des Ausschlusses nach Artikel 122 (5) EPÜ dahingestellt sein lassen kann, weil die Beschwerde auch aus anderen Gründen zurückzuweisen wäre.
1.3 Wenn es nicht auf die Frage des Ausschlusses der Wiedereinsetzung nach Artikel 122 (5) EPÜ ankäme, würde die Juristische Beschwerdekammer der vorliegenden Beschwerde wohl stattgeben. Die Zulässigkeitserfordernisse von Artikel 122 (2) und (3) EPÜ sind erfüllt. Durch die beiden ärztlichen Bescheinigungen ist Arbeitsunfähigkeit und Bettlägerigkeit des Anmelders in der kritischen Zeit nachgewiesen. Daher würde die Juristische Beschwerdekammer die Wiedereinsetzung - ihre Möglichkeit nach Artikel 122 (5) EPÜ vorausgesetzt - ohne weitere Beweiserhebung gewähren.
2. Der Beschwerdeführer begehrt Wiedereinsetzung in die Frist nach Regel 85a EPÜ. Bei den Fristen der Regeln 85a und 85b EPÜ handelt es sich um sogenannte "Nachfristen", die selbst in Artikel 122 (5) EPü nicht erwähnt, aber auf dort genannten sog. "Grundfristen" bezogen sind. Für die Juristische Beschwerdekammer ist es eindeutig, daß die Frage der Wiedereinsetzbarkeit der Nachfristen abhängt von der Wiedereinsetzbarkeit der Grundfristen, auf die sie bezogen sind. Andernfalls wäre durch die Regeln 85a und 85b EPÜ nicht nur eine "Nach"-Frist geschaffen, sondern eine Wiedereinsetzung eröffnet, wo sie vom Übereinkommen ausgeschlossen ist. Dies konnte und wollte der Verwaltungsrat der EPO mit der Schaffung dieser Regeln nicht tun (Grundsätzliches zum Wesen der Nachfristen siehe in J 4/86, ABl. EPA 1988, 119 Begründung Nr. 4). Die beiden Nachfristen sind sowohl bei europäischen Patentanmeldungen wie bei internationalen Anmeldungen nach Artikel 153 (1) EPÜ, mit denen ein europäisches Patent begehrt wird, anwendbar (letztere auch "Euro-PCT- Anmeldungen" genannt). Die Anwendbarkeit der ursprüglich nur für europäische Anmeldungen geschaffenen Regeln 85a und 85b EPÜ auf internationale Anmeldungen ergab sich schon aus früherer Rechtssprechung (zuletzt J 12/87, ABl. EPA 1989, 366). In der seit 1. April 1989 geltenden Neufassung dieser Regeln (ABl. EPA 1989, 1) ist dies nun ausdrücklich gesagt. Die Wiedereinsetzbarkeit in die Nachfrist hängt somit nicht davon ab, ob es sich um eine europäische oder eine internationale Anmeldung handelt, wohl aber davon, ob diejenige Grundfrist einer Wiedereinsetzung zugänglich ist, auf die sich einerseits bei europäischen, andererseits bei internationalen Anmeldungen die Nachfrist bezieht. Die Tatsache, daß sich die genannten Nachfristen seit der Neufassung der Regeln 85a und 85b EPÜ nicht mehr unmittelbar an die Grundfristen anschließen, sondern durch Mitteilungen ausgelöst werden, ändert ihre rechtliche Beziehung zu der jeweiligen Grundfrist nicht (vgl. aber nachfolgend Nr. 6.1).
3. In der Frage der Wiedereinsetzbarkeit der Grundfristen hat die Rechtsprechung der Juristischen Beschwerdekammer zu einer unterschiedlichen Behandlung von europäischen und internationalen Anmeldungen geführt. Hier sind insbesondere folgende Entscheidungen zu nennen: J 6/79, ABl. EPA 1980, 225 betreffend Prüfungsantrag; J 5/80, ABl. EPA 1981, 343 betreffend Eingangsgebühren; J 12/87, ABl. EPA 1989, 366 betreffend Eingangsgebühren, welche die Wiedereinsetzung bei internationalen Anmeldungen gewährten; J 12/82, ABl. EPA 1983, 221 betreffend Prüfungsantrag; J 18/82, ABl. EPA 1983, 441 betreffend Eingangsgebühren; J xx/87, ABl. EPA 1988, 177 betreffend Prüfungsantrag, welche die Wiedereinsetzung bei europäischen Anmeldungen ausschlossen.
Aus diesen Entscheidungen ergibt sich eine Unterschiedlichkeit der Behandlung sowohl hinsichtlich der Fristen zur Zahlung sogenannter "Eingangs-Gebühren" (einerseits für europäische Anmeldungen nach Artikel 78 (2) und 79 (2) EPÜ; andererseits für internationale Anmeldungen nach Artikel 158 (2) und Regel 104b (1) EPÜ) wie für die Fristen zur Stellung des Prüfungsantrags (einerseits für europäische Anmeldungen Artikel 94 (2) EPÜ; andererseits für internationale Anmeldungen Artikel 150 (2) EPÜ).
3.1 Es ist daher verständlich, daß der Beschwerdeführer im vorliegenden Fall - unter Berufung auf die Billigkeit - eine Anwendung der früheren Rechtsprechung bezüglich internationaler Anmeldungen auch auf europäische Anmeldungen fordert. Die Beschwerdekammer kann sich über dieses Argument nicht hinwegsetzen, ohne sich mit der Unterschiedlichkeit in der bisherigen Behandlung europäischer und internationaler Anmeldungen zu befassen und ihre bisherige Rechtsprechung zu überprüfen. Das Ergebnis einer solchen Überprüfung könnte zu drei verschiedenen Ergebnissen führen:
3.1.1 Die Unterschiedlichkeit könnte als rechtmäßig zu bestätigen sein, sofern die auf internationale Anmeldungen bezogenen Fristen wesensmäßig als etwas anderes angesehen werden als die auf europäische Anmeldungen bezogenen Fristen. Damit allein wäre wohl noch keine befriedigende Antwort auf die vom Beschwerdeführer gestellte Frage nach der Billigkeit der Unterscheidung getroffen, insbesondere, wenn man in Betracht zieht, daß beide Gruppen von Anmeldern die Nachfristen nach Regel 85a und Regel 85b EPÜ genießen und die Zahlungsfristen für die PCT-Anmelder sogar noch später ablaufen als für die Anmelder europäischer Patentanmeldungen.
3.1.2 Die Unterschiedlichkeit könnte als ungerechtfertigt angesehen werden mit der Folge, daß auch die auf internationale Anmeldungen bezogenen Fristen von der Wiedereinsetzung ausgeschlossen werden. Dies würde bedeuten, daß eine Ausschlußnorm - nämlich Artikel 122 Abs. 5 EPÜ - auf internationale Ameldungen ausgedehnt wird. Der hierbei zu beachtende Artikel 48 (2) a) PCT gebietet bei Fristüberschreitungen Entschuldigungsgründe zuzulassen, die nach nationalem bzw. regionalem Recht (vgl. Art. 2 x) PCT) zugelassen sind. Zu den "Entschuldigungsgründen" gehört nach Regel 82bis.2) PCT auch die Wiedereinsetzung. Als "Fristüberschreitung" können alle Versäumnisse angesehen werden, die im Zuge des sog. "Eintritts in die regionale Phase" nach Artikel 22 und 39 PCT vorkommen können, einschließlich der Frist zur Stellung des Prüfungsantrags, weil diese (vgl. Art. 150 (2), Satz 4 EPÜ) mit den letztgenannten Vorschriften des PCT in Beziehung steht. Artikel 48 (2) a) PCT dürfte eine analoge Anwendung von Artikel 122 (5) EPÜ auf internationale Anmeldungen wohl nicht schlechthin ausschließen. Dies dürfte hinsichtlich der dort genannten "Frist des Artikels 87 (1) EPÜ" - also der Prioritätsfrist - gelten. Für internationale Anmeldungen gilt nämlich nicht das Prioritätsrecht der Artikel 87 ff. EPÜ, sondern nach Artikel 8 (2) a) PCT dasjenige von Artikel 4 der Stockholmer Fassung der Pariser Verbandsübereinkunft zum Schutz des gewerblichen Eigentums.
3.1.3 Schließlich ist ein dritter Weg denkbar. Aus den soeben genannten Gründen stellt sich die Frage, ob die Wiedereinsetzung nicht auch für europäische Patentanmeldungen zu gewähren sei, d. h. ob die Norm des Artikels 122 (5) EPÜ nicht auf dem Wege einer Rechtsfortbildung "praeter legem" als auch auf europäische Patentanmeldungen nicht anwendbar zu erachten sei. Eine Nichtanwendung einer Rechtsnorm auf einen zweifellos von ihr visierten Sachverhalt stellt einen schwerwiegenden und völlig außerordentlichen Schritt dar und kann nur dann in Frage kommen:
a) wenn die Sachlage, aufgrund derer die Norm erlassen wurde, sich seit deren Erlaß grundlegend verändert hat,
b) wenn sich die der Norm zugrundeliegende Rechtsüberzeugung seit deren Erlaß grundlegend geändert hat. Für letzteres zumindest bestehen vorliegendenfalls Anhaltspunkte. Während das Rechtsinstitut der Wiedereinsetzung nur unter Überwindung von Schwierigkeiten in das Übereinkommen Eingang fand (vgl. Singer in GRUR Int. 1981, 719, 720-722; ferner Münchner Gemeinschaftskommentar, 8. Lieferung, Januar 1986, RN 225 zu Art. 78 EPÜ mit Verweisen), kann man heute im Recht der Vertrags- staaten feststellen, daß Fristversäumnisse der hier in Frage stehenden Art durch Wiedereinsetzung überwindbar sind. Die Patentgesetze von Deutschland (§ 123), Österreich (§§ 129-136) und der Schweiz (Artikel 47) kannten die Wiedereinsetzung vor Unterzeichnung des Übereinkommens schon relativ unbeschränkt. Dänemark (§§ 72, 73), Italien (Artikel 90), Schweden (§ 72) und die Niederlande (Artikel 17 A) führten in den Jahren 1977 bis 1979, d. h. nach Unterzeichnung des Europäischen Übereinkommens entsprechende Normen ein. Großbritannien kennt ein in der Wirkung vergleichbares System der Verlängerung von Fristen. Trotz der verfahrensmäßigen Unterschiede zwischen dem Übereinkommen und den nationalen Patentrechten kann daher von einer gewissen Weiterentwicklung der Rechtsüberzeugungen in den Vertragsstaaten gesprochen werden.
4. Angesichts dessen sieht sich die Kammer außerstande, der gestellten Frage auszuweichen - unter anderem auch deshalb, weil vorliegendenfalls die materiellen Voraussetzungen einer Wiedereinsetzung gegeben scheinen (siehe oben Ziff. 1.3). Angesichts der aufgezeigten Divergenzen in der Rechtsanwendung und angesichts des grundsätzlichen Charakters der Frage erachtet die Kammer es als angezeigt, diese nach Artikel 112 (1) a) EPÜ der Großen Beschwerdekammer zur Beantwortung vorzulegen.
5. Im vorliegenden Beschwerdefall J 16/90 stellt sich die Frage der Unterschiedlichkeit nur hinsichtlich der Fristen für die Zahlung der sog. "Eingangs"-Gebühren. Die Juristische Beschwerdekammer bezieht in ihre Fragestellung auch die Unterschiedlichkeit hinsichtlich der Prüfungsantragsfrist ein. Dies hat seinen Grund vor allem darin, daß in der früheren Rechtsprechung der Juristischen Beschwerdekammer beide Komplexe miteinander verwoben sind (s. die in Nr. 3 zitierten Entscheidungen). Abgesehen davon sind auch Beschwerdefälle anhängig, in denen sich die Frage der Wiedereinsetzbarkeit der Prüfungsantragsfrist bei europäischen Patentanmeldungen direkt oder indirekt stellt. Im Fall J 15/90 wurde ein Wiedereinsetzungsantrag allein aus dem Grunde zurückgewiesen, weil eine Wiedereinsetzung in die Prüfungsantragsfrist bei europäischen Patentanmeldungen durch Artikel 122 (5) EPÜ ausgeschlossen ist. In anderen Fällen wird dies vorausgesetzt, und es geht nur darum, ob die Zahlung der Prüfungsantragsgebühr unter den besonderen Umständen des Falles noch als rechtzeitig angesehen werden kann.
6. In einem Zusammenhang mit den der Großen Beschwerdekammer gestellten Rechtsfragen stellen sich jedoch noch zwei Fragen, deren Beantwortung durch die Große Beschwerdekammer wegen des Gesamtzusammenhangs nützlich sein könnte. 6.1 Die erste dieser Fragen betrifft die Wiedereinsetzbarkeit der Nachfristen der Regeln 85a und 85b EPÜ (vgl. oben Nr. 2). Die dort von der Juristischen Beschwerdekammer geäußerte Auffassung ist nicht schlechthin selbstverständlich. Gerade die neue Fassung dieser Regeln, bei der die Nachfrist erst durch eine Mitteilung ausgelöst wird, kann zweifeln lassen, ob diese Nachfristen auch nunmehr noch mittelbar über die Grundfristen von der Ausschlußnorm des Artikels 122 (5) EPÜ erfaßt sind (vgl. hierzu auch Singer, Kommentar zum EPÜ, zu Art. 122, Rdn. 6, S. 568, Abs. 3).
6.2 Bei einer Prüfung der Reichweite des in Artikel 122 (5) EPÜ vorgesehenen Ausschlußes von einer Wiedereinsetzung wäre wohl auch noch an die Fristen für die Zahlung jener Gebühren zu denken, die zu Beginn der internationalen Phase des PCT zu entrichten sind. Dies sind die in Artikel 3 (4) iv) und 4 (2) sowie in den Regeln 14, 15 und 16 PCT vorgesehenen Gebühren, nämlich die Übermittlungsgebühr, die internationale Gebühr, die Recherchengebühr und die Bestimmungsgebühren. Werden diese Gebühren innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht gezahlt, so tritt nach Artikel 14 (3) a) PCT die Rechtsfolge ein, daß die internationale Anmeldung als zurückgenommen gilt und vom internationalen Anmeldeamt für zurückgenommen erklärt wird. Entsprechendes gilt nach Artikel 14 (3) b) PCT bei Nichtzahlung einzelner Bestimmungsgebühren.
Unbeschadet dieser Regelungen, die als "Abbruch" der internationalen Phase (vgl. Gall in GRUR Int. 1981, 417, hier 491) bezeichnet werden können, kann jedoch jedes Bestimmungsamt die Wirkungen der internationalen Anmeldung für seinen Bereich aufrecht erhalten. Dabei ist nach Artikel 48 (2) b) i.V.m. Regel 82bis.2) PCT Wiedereinsetzung zu gewähren, wenn Gründe vorliegen, die nach nationalem Recht als Entschuldigung für die Fristüberschreitung zugelassen sind. Unter "nationalem Recht" ist hier nach Artikel 2 x) PCT das Europäische Patentübereinkommen zu verstehen. Als mögliche "Entschuldigung" kommt hier nur eine Wiedereinsetzung nach Artikel 122 EPÜ unter Berücksichtigung der Ausschlüsse nach Artikel 122 (5) EPÜ in Betracht. Es wird also auf einen Wesensvergleich der in Artikel 122 (5) EPÜ ausdrücklich genannten Zahlungsfristen für europäische Anmeldungen mit einerseits der "nationalen Gebühr" nach Artikel 158 (2), Satz 2 EPÜ und andererseits den vorstehend behandelten, zu Beginn der internationalen Phase des PCT zu zahlenden Gebühren ankommen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Großen Beschwerdekammer werden folgende Rechtsfragen zur Entscheidung vorgelegt:
1. Zur Wiedereinsetzbarkeit von Fristen für Zahlungen, die zu Beginn des Verfahrens vor dem EPA zu zahlen sind:
a) Ist Artikel 122 EPÜ bei europäischen Anmeldungen anzuwenden auf die Fristen der Artikel 78, Absatz 2 und 79, Absatz 2 EPÜ?
b) Ist Artikel 122 EPÜ bei internationalen Anmeldungen anzuwenden auf die Frist zur Zahlung der in Artikel 158 Absatz 2, Satz 2 EPÜ genannten "nationalen Gebühr"?
2. Zur Wiedereinsetzbarkeit von Fristen zur Stellung des Prüfungsantrags:
a) Ist Artikel 122 EPÜ bei europäischen Anmeldungen anzuwenden auf die Frist des Artikels 94, Absatz 2 EPÜ?
b) Ist Artikel 122 EPÜ bei internationalen Anmeldungen anzuwenden auf die in Artikel 150 Absatz 2, Satz 4 EPÜ genannte Frist?