T 0124/87 (Copolymere) 09-08-1988
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1. Gemäß Artikel 54 (1) EPU darf nicht patentiert werden, was bereits zum Stand der Technik gehört. Gehört zum Stand der Technik ein Dokument, so muß geprüft werden, ob seine Offenbarung als Ganzes geeignet ist, dem Fachmann den Gegenstand des Schutzbegehrens in den Ansprüchen des angefochtenen Patents in Form einer technischen Lehre kundzutun (vgl. Entscheidungen T 12/81 "Diastereomere", ABl. EPA 1982, 296, Nr. 5 und die Anschlußentscheidung T 198/84 "Thiochlorformiate", ABl. EPA 1985, 209, Nr. 4 der Entscheidungsgründe) (siehe Nr. 3.2 der Entscheidungsgründe).
2. Ist in einer Vorveröffentlichung ein Verfahren zur Herstellung einer Klasse von Verbindungen beschrieben, deren Mitglieder eine beliebige Kombination von Werten bestimmter Parameter haben sollen, die jeweils innerhalb bestimmter Zahlenbereiche liegen, und können alle Mitglieder der so definierten Klasse von Verbindungen anhand dieser Lehre vom Fachmann hergestellt werden, so sind alle diese Mitglieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht worden und gehören damit zum Stand der Technik; ein Anspruch, der eine Klasse von Verbindungen definiert, die sich mit der beschriebenen überschneidet, ist nicht neu. Dies gilt auch dann, wenn in den konkret beschriebenen Beispielen in der Vorveröffentlichung nur Verbindungen hergestellt worden sind, deren Parameter außerhalb der beanspruchten Klasse liegen (s. Nrn. 3.2 bis 3.5 der Entscheidungsgründe). Dies stellt keine Abweichung vom Grundsatz der Auswahlerfindungen dar.
3. Ein in einer mündlichen Verhandlung erstmals vorgebrachtes Argument, bei dem ein bestimmtes, bereits früher vorgelegtes Beweismittel mit einem bestimmten, ebenfalls bereits genannten Dokument verknüpft wird, kann die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114 (2) EPU unberücksichtigt lassen (s. Nr. 4 der Entscheidungsgründe).
Neuheit einer Klasse von Verbindungen, die durch Parameter innerhalb bestimmter Zahlenbereiche definiert sind (verneint)
Argument verspätet vorgebracht
I. Der Hinweis auf die Erteilung des Patents Nr. 0 003 159 auf die europäische Patentanmeldung Nr. 79 300 004.3, die am 3. Januar 1979 eingereicht worden war und die Priorität zweier Voranmeldungen im Vereinigten Königreich vom 6. Januar 1978 und 21. März 1978 in Anspruch nahm, wurde am 19. Januar 1983 im Europäischen Patentblatt 83/3 bekanntgemacht. Der Erteilung lagen vierzehn Ansprüche zugrunde. Anspruch 1 lautete wie folgt:
"1. Copolymer aus Ethylen und mindestens einem -Olefin mit 4 - 10 Kohlenstoffatomen, wobei das Copolymer eine Dichte von etwa 0,940 - 0,960 g/cm3 aufweist, dadurch gekennzeichnet, daß es einen Schmelzindex von 100 - 200 hat"
II. Am 15. Oktober 1983 und 18. Oktober 1983 wurden zwei Einsprüche eingelegt, mit denen der Widerruf des Patents nach Artikel 100 a) EPU beantragt wurde. Die Einsprüche stützten sich unter anderem auf folgende Dokumente: (1) DE-A-2 408 153 (3) Kunststoff-Taschenbuch (1974), Seiten 224, 226 und 227 (7) US-A-3 892 717
III. Mit der am 3. Februar 1987 abgesandten Entscheidung vom 11. November 1986 widerrief die Einspruchsabteilung das Patent. In der angefochtenen Entscheidung wurde die Auffassung vertreten, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung im Hinblick auf die Offenbarung der Entgegenhaltung 1 nicht neu sei. Der Gegenstand eines Erzeugnisanspruches auf ein Copolymer nach dem Hilfsantrag, mit dem der Schmelzindex des Copolymers auf einen Bereich zwischen 104 und 200 beschränkt wurde, wurde zwar für neu, nicht jedoch für erfinderisch erachtet.
Die Einspruchsabteilung vertrat die Auffassung, daß der Fachmann sofort versuchen würde, das Problem, das auftrete, wenn das im Handel erhältliche Copolymer aus Ethylen und 1-Buten mit einer Dichte von 0,959 g/cm3 und einem Schmelzindex von 85 als Spritzgußharz verwendet werde, durch Senkung der Schmelzviskosität des Copolymers, d. h. durch Erhöhung seines Schmelzindexes, zu lösen. Die Untergrenze von 104 sei im Hinblick auf den in der Entgegenhaltung 1 offenbarten Schmelzindex von 100 für ein Copolymer mit ähnlicher Dichte bedeutungslos. Die Obergrenze des Schmelzindexes von 200 lasse sich durch routinemäßiges Experimentieren ermitteln.
IV. Gegen diese Entscheidung wurde am 2. April 1987 unter Zahlung der vorgeschriebenen Gebühr Beschwerde eingelegt. Die Beschwerdebegründung wurde am 27. Mai 1987 nachgereicht.
Darin und in der mündlichen Verhandlung am 9. August 1988 behauptete die Beschwerdeführerin, der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung sei gegenüber der Offenbarung der Entgegenhaltung 1 neu, da diese die Parameter nicht in der in diesem Anspruch angegebenen erforderlichen Kombination offenbare und auch keinen Hinweis enthalte, der den Leser zu dieser Kombination führen könne. Die Beschwerdeführerin wies ferner darauf hin, daß sich nur zwei der 49 Beispiele in diesem Dokument auf Ethylen/Propen-Copolymere bezögen und daß in den Beispielen als höchster Schmelzindex 24 genannt sei, und zwar für ein Ethylenhomopolymer, das nur in geringer Ausbeute erhalten worden sei. Das genannte Ethylen/Propen-Copolymer habe einen berechneten Propengehalt von ca. 10 Gew.-% gegenüber dem 1-Buten-Gehalt von 0,2 bis 2 Gew.-%, der auf Seite 3, Zeile 1 bis 3 des angefochtenen Patents erwähnt sei. Hinsichtlich der Neuheit bezog sich die Beschwerdeführerin auf eine Entscheidung dieser Beschwerdekammer, T 433/86, veröffentlicht in EPOR (1988), Band 2, Seite 97 bis 104.
Die Beschwerdegegnerin II hielt an ihrer Auffassung fest, daß der Gegenstand des Anspruchs 1 in der erteilten Fassung angesichts der Offenbarung der Entgegenhaltung 1 nicht neu sei. Außerdem brachte sie in der mündlichen Verhandlung das völlig neue Argument vor, daß der Gegenstand des Patents gegenüber der Offenbarung der Entgegenhaltung 7 nicht neu sei, wenn man die Ergebnisse berücksichtige, von denen in der zusammen mit dem Schreiben der Beschwerdeführerin vom 3. April 1984 eingereichten eidlichen Erklärung von Dr. C. T. Elston berichtet werde. Außerdem könne eine Änderung des Schmelzindexes eines bekannten Copolymers, mit der dieses für den gewünschten Zweck geeignet gemacht werden solle, nicht als erfinderisch anerkannt werden. Dies stelle eine Optimierung dar, bei der zwischen dem Vorteil einer besseren Fließfähigkeit infolge höherer Schmelzindizes einerseits und der damit einhergehenden Verschlechterung der physikalischen Eigenschaften andererseits ein Kompromiß geschlossen werden müsse.
(...)
1. Die Beschwerde entspricht den Artikeln 106 bis 108 und Regel 64 EPU; sie ist somit zulässig.
2. Gegen die Ansprüche 1 bis 14 nach dem Haupt- und dem Hilfsantrag bestehen keine formalen Einwände nach Artikel 123 EPU, da beide Anspruchssätze durch die ursprüngliche Offenbarung ausreichend gestützt sind und den Schutzbereich nicht erweitern. Angesichts der nachstehenden Feststellungen bedarf dies keiner weiteren Erklärung.
3. Das angefochtene Patent beansprucht ein Copolymer aus Ethylen und einem -Olefin mit 4 bis 10 Kohlenwasserstoffatomen, wobei das Copolymer eine Dichte von etwa 0,940 bis 0,960 g/cm3 und einen Schmelzindex von 100 bis 200 (Hauptantrag) bzw. 104 bis 200 (Hilfsantrag) aufweist; es beansprucht ferner ein Verfahren zur Herstellung von Behältern mit einer Wandstärke von weniger als 0,7 mm durch Spritzgießen eines solchen Copolymers.
3.1. In Entgegenhaltung 1 ist ein Verfahren zur Herstellung von Homo- oder Copolymeren aus Ethylen offenbart, bei dem ein auf ein Trägermaterial aufgebrachter Bis(cyclopentadienyl)chrom-II- Katalysator verwendet wird, der mit Ammoniak modifiziert worden ist (vgl. Anspruch 1).
Dieses Verfahren wird auf den ersten Seiten der Beschreibung der Entgegenhaltung 1 ausfUhrlich dargestellt. Auf Seite 8 folgt dann die allgemeine Anweisung, daß Ethylen erfindungsgemäß allein oder zusammen mit -Olefinen mit 3 bis 12 Kohlenstoffatomen polymerisiert werden kann. Daran schließt sich eine Aufzählung von -Olefinen an, die als Comonomere in Frage kommen. Fast alle der aufgeführten Comonomere haben 4 bis 10 Kohlenstoffatome. Es wird dann weiter ausgeführt, daß die mit dem erfindungsgemäßen Verfahren erzielten Polymere eine Dichte von 0,945 bis 0,970 (g/cm3) und Schmelzindizes von "etwa 0,1 bis 100 oder darüber" aufweisen. Es folgen verschiedene Beispiele.
3.2. Zunächst ist zu klären, ob die beanspruchte Erfindung im Hinblick auf die Entgegenhaltung 1 neu ist.
Gemäß Artikel 54 (1) EPU darf nicht patentiert werden, was bereits zum Stand der Technik gehört. Wenn - wie im vorliegenden Fall - zum Stand der Technik ein Dokument gehört, so muß geprüft werden, ob seine Offenbarung als Ganzes geeignet ist, dem Fachmann den Gegenstand des Schutzbegehrens in den Ansprüchen des angefochtenen Patents in Form einer technischen Lehre kundzutun. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern; siehe insbesondere die Entscheidungen T 12/81 "Diastereomere", ABl. EPA 1982, 296, Nummmer 5 und T 198/84 "Thiochlorformiate", ABl. EPA 1985, 209, Nummer 4. Unter Nummer 4 der Entscheidung T 198/84 auf Seite 213 des vorgenannten Amtsblatts heißt es in der englischen Ubersetzung der amtlichen deutschen Fassung wie folgt:
"... whether the state of the art is likely to reveal the content of the invention's subject-matter to the skilled person in a technical teaching."
Nach Ansicht der Kammer wäre folgende Ubersetzung zutreffender:
"... whether the state of the art is such as to make available the subject-matter of the invention to the skilled person in a technical teaching."
Im vorliegenden Fall ist der Gegenstand des angefochtenen Patents ein Copolymer aus Ehtylen und einem -Olefin. Anspruch 1 definiert drei Merkmale dieses Copolymers:
i) Das -Olefincomonomer besitzt 4 bis 10 Kohlenstoffatome.
ii) Das Colypolymer hat eine Dichte der Größenordnung 0,940 - 0,960 g/cm3.
iii) Das Copolymer hat einen Schmelzindex von 100 - 200 (104 - 200 im Hilfsantrag).
Es stellt sich die Frage, ob dieses Copolymer im Hinblick auf die Offenbarung der Entgegenhaltung 1 bereits zum Stand der Technik gehört.
3.3. Zu Merkmal i: Die Verwendung von -Olefincomonomeren mit 3 bis 12 Kohlenstoffatomen ist auf Seite 8 der Entgegenhaltung 1 offenbart. Somit sind alle Comonomere mit dem Merkmal i sowie einige Comonomere mit einer nur knapp außerhalb des beanspruchten Bereichs liegenden Zahl von Kohlenstoffatomen hier offenbart.
Zu Merkmal ii: Der auf Seite 8 der Entgegenhaltung 1 offenbarte Dichtebereich deckt sich fast völlig mit dem nach Merkmal ii.
Zu Merkmal iii: Die im Hauptantrag genannten Copolymere mit einem Schmelzindex von 100 sind auf Seite 8 der Entgegenhaltung 1 konkret erwähnt, da sie punktuell in den Bereich von "etwa 0,1 bis 100 oder darüber" fallen. Beim Hilfsantrag, der einen Schmelzindex im Bereich von 104 bis 200 definiert, hängt die Beantwortung der Frage, ob Schmelzindizes dieses Bereichs in der Entgegenhaltung 1 offenbart sind, von der aus dem Zusammenhang heraus interpretierten eigentlichen Bedeutung der Worte "etwa 0,1 bis 100 oder darüber" ab. Nach Auffassung der Kammer soll damit nicht gesagt werden, daß Polymere mit einem beliebigen Schmelzindex, der bis ins Unendliche reicht, hergestellt werden können. Der Schmelzindex von 100 wurde als konkreter Wert ausgewählt. Somit sollen nach Auffassung der Kammer mit den Worten "oder darüber" eindeutig nur solche Schmelzindizes erfaßt werden, die knapp über 100 liegen, also gewiß bis 110 reichen. Unter dieser Voraussetzung offenbart die Seite 8 der Entgegenhaltung 1 nach Auffassung der Kammer die Herstellung von Polymeren mit einem Schmelzindex von mindestens 104, was der Untergrenze des im Hilfsantrag beanspruchten Bereichs entspricht.
3.4. Bei der beanspruchten Erfindung handelt es sich um eine Klasse von Ethylencopolymeren mit Comonomeren, einer Dichte und einem Schmelzindex, die innerhalb bestimmter Bereiche liegen (s. Nr. 3.2); diese Klasse von Polymeren soll günstige Eigenschaften aufweisen.
Die Entgegenhaltung 1 offenbart ein Verfahren, nach dem eine Klasse von Ethylenpolymeren hergestellt werden kann. Die Polymere sind entweder Homo- oder Copolymere mit Comonomeren, einer Dichte und einem Schmelzindex, die innerhalb bestimmter Bereiche liegen. Aus Nummer 3.3 geht eindeutig hervor, daß zwischen den Comonomer- und Dichtebereichen der Entgegenhaltung 1 und den der beanspruchten Erfindung fast völlige Ubereinstimmung besteht und daß sich die Schmelzindexbereiche überschneiden. Mit anderen Worten, die Entgegenhaltung 1 offenbart bereits Copolymere aus Ethylen und bestimmten -Olefinen, die die in Anspruch 1 des angefochtenen Patents vorgesehenen drei Parameter in Verbindung miteinander aufweisen.
Zwar offenbart keines der in der Entgegenhaltung 1 konkret beschriebenen Beispiele die Herstellung eines der besonderen Copolymere, die zu der in den Ansprüchen des angefochtenen Patents definierten Klasse gehören. Es trifft auch zu, daß a) Ethylenhomopolymere darin bevorzugt werden (vgl. S. 8, Zeile 19), b) die einzigen beiden konkret beschriebenen Copolymere aus Ethylen und Propen hergestellt werden (vgl. Beispiele 28 und 29) und c) daß der höchste in den Beispielen genannte Schmelzindex 24 ist (vgl. Beispiel 27). Die Patentinhaberin hat aber eingeräumt, daß ein Fachmann Copolymere der durch die Ansprüche des Streitpatents definierten Klasse anhand des in der Entgegenhaltung 1 beschriebenen Verfahrens in Verbindung mit seinem allgemeinen Fachwissen ohne weiteres herstellen könne. Unter diesen Umständen ist die Offenbarung der Entgegenhaltung 1 eindeutig nicht auf die besonderen Polymere beschränkt, deren Herstellung in den Beispielen beschrieben ist, sondern umfaßt die allgemeine Klasse der auf Seite 8 der Entgegenhaltung 1 beschriebenen Polymere. Diese allgemeine Klasse von Polymeren ist dem Fachmann auch dann in Form einer technischen Lehre zugänglich gemacht worden, wenn nur die Herstellung bestimmter Polymere dieser Klasse beschrieben worden ist. Die in dem angefochtenen Patent beanspruchten Copolymere machen den Großteil dieser allgemeinen Klasse aus. Nach Uberzeugung der Kammer folgt daraus, daß die erfindungsgemäßen Copolymere zum Stand der Technik gehören und daß deshalb sowohl der Haupt- als auch der Hilfsantrag wegen mangelnder Neuheit zurückgewiesen werden müssen.
3.5. Es ist festzuhalten, daß im vorliegenden Fall sowohl die Vorveröffentlichung als auch die beanspruchte Erfindung Klassen von Verbindungen betreffen, die obige Feststellung somit in diesen Zusammenhang zu sehen ist. Der vorliegende Fall ist daher von anderen zu unterscheiden, in denen es zwar auch um die Neuheit geht und in einer Vorveröffentlichung eine Klasse von Verbindungen offenbart ist, wo aber die beanspruchte Erfindung in der Auswahl einer bestimmten Klasse von Verbindungen oder einer bestimmten Verbindung daraus besteht (wie z. B. in der Entscheidung T 7/86 "Xanthine/DRACO" vom 16. September 1987, ABl. EPA 1988, 381).
3.6. Diese Beurteilung steht auch nicht im Widerspruch zu der Entscheidung in der Sache T 433/86 (EPOR (1988), Bd. 2, S. 97 bis 104), da den beiden Entscheidungen ein anderer Sachverhalt zugrunde liegt. Im vorliegenden Fall ist die Kombination der drei Erfordernisse in Anspruch 1 nach dem Haupt- und dem Hilfsantrag eindeutig in der Entgegenhaltung 1 offenbart, während in der Sache T 433/86 im Stand der Technik zwar ein Molekulargewicht von 260 bis 6 500 nur für die Polyether-Komponente offenbart war, nicht jedoch ein Molekulargewichtsbereich von mehr als 1 500 für den Polyetheranteil eines Reaktionsprodukts mit Diphenylmethandiisocyanat (Komponente A), wenn dieses mit einer der erfindungsgemäßen Komponente B ähnlichen Komponente kombiniert wird (vgl. Nr. 9).
4. Wie unter Nummer V erwähnt, brachte die Beschwerdegegnerin II in der mündlichen Verhandlung auch vor, daß die beanspruchte Erfindung im Hinblick auf die Offenbarung der Entgegenhaltung 7 nicht neu sei. Zur Stützung dieses Arguments berief sie sich auf ein Beweismittel, das von der Beschwerdeführerin in einem ganz anderen Zusammenhang im Einspruchsverfahren eingereicht worden war.
Da die Kammer bereits im Hinblick auf die Entgegenhaltung 1 mangelnde Neuheit festgestellt hat, braucht sie das auf die Entgegenhaltung 7 gestützte Vorbringen nicht weiter zu prüfen. Gemäß Regel 55 c) EPU muß die Einspruchsschrift jedoch eine Erklärung darüber, auf welche Gründe der Einspruch gestützt wird, "sowie die Angabe der zur Begründung vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel" enthalten. Im vorliegenden Fall war das in der mündlichen Verhandlung vorgebrachte Argument, das Patent sei gegenüber dem Dokument 7 nicht neu, weder in der Einspruchsschrift noch später angegeben oder auch nur angedeutet worden. In diesem Falle lehnt es die Kammer in Ausübung ihres Ermessens nach Artikel 114 (2) EPU in der Regel ab, das neue Argument zu berücksichtigen, sofern es nicht relevanter als das Vorbringen zu den übrigen Entscheidungsgründen ist.
Das angezogene Beweismittel war zwar bereits früher eingereicht worden, allerdings in einem anderen Zusammenhang. In einem ordnungsgemäß durchgeführten Einspruchsverfahren muß ein Argument, bei dem ein bestimmtes Beweismittel mit einer bestimmten Vorveröffentlichung kombiniert wird, in der Einspruchsschrift oder möglichst rasch danach schriftlich vorgelegt werden, auch wenn sich das Beweismittel und die Vorveröffentlichung bereits in der Einspruchsakte befinden. Daß ein solches Argument erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgetragen wird, ist der Gegenpartei gegenüber unbillig und in der Regel nicht zulässig.
5. Selbst wenn die im Vordergrund stehenden Erzeugnisansprüche des Haupt- und des Hilfsantrags z. B. durch Aufnahme des zusätzlichen Merkmals, daß das Verhältnis zwischen dem Gewichtsmittel des Molekulargewichts und dem Zahlenmittel des Molekulargewichts kleiner als 5 ist (vgl. derzeitiger Anspruch 2), Neuheit erlangten, wäre der Gegenstand der so geänderten Ansprüche wegen mangelnder erfinderischer Tätigkeit nicht patentierbar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.