R 0012/09 03-12-2009
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Metallischer Werkstoff auf Nickelbasis und Verfahren zu dessen Herstellung
I. Am 29. Juli 2009 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Überprüfung der Entscheidung der Beschwerdekammer 3.2.08 vom 30. April 2009 in der Sache T 1727/07 eingereicht. Dieser Antrag beruft sich auf drei Verstöße gegen Artikel 113 EPÜ (Artikel 112a (c) EPÜ). Sollte die Große Beschwerdekammer diesem Antrag nicht im schriftlichen Verfahren stattgeben, wurde eine mündliche Verhandlung beantragt. Mit Bescheid vom 3. September 2009 wurde der Antragstellerin die Besetzung der Großen Beschwerdekammer mitgeteilt und mit Schreiben vom 29. September 2009 wurde sie zu einer mündlichen Verhandlung geladen, die am 13. November stattfand.
II. Zu Beginn der mündlichen Verhandlung reichte die Antragstellerin einen vom 13. November 2009 datierten schriftlichen Antrag auf Ablehnung aller Mitglieder der Kammer ein. Auf Aufforderung durch den Vorsitzenden trug der Vertreter der Antragstellerin mündlich die Begründung dieses Ablehnungsantrags vor und beantwortete anschließend Fragen, die von der Kammermitgliedern insbesondere zu dessen Zulässigkeit gestellt wurden. Danach erklärte der Vorsitzende die sachliche Debatte bezüglich der Zulässigkeit des Ablehnungsantrags für beendet, unterbrach die mündliche Verhandlung und teilte mit, dass das Verfahren schriftlich fortgesetzt werde. Nach dem Ende der Debatte hat die Antragstellerin ein weiteres Schreiben, datiert vom 23. November 2009, zur Klarstellung zweier Punkte in Zusammenhang mit ihrem Ablehnungsantrag eingereicht. Die vorliegende Zwischenentscheidung beschränkt sich auf die Frage der Zulässigkeit des vorliegenden Antrags auf Ablehnung.
III. Der Ablehnungsantrag der Antragstellerin hat folgenden Wortlaut:
"(1) die Mitglieder der Großen Beschwerdekammer in der Sache R 12/09 werden gemäß Artikel 24(3) EPÜ abgelehnt, da sie durch ihre Eigenschaft als Mitglieder einer Technischen bzw. der Juristischen Beschwerdekammer bei der Erledigung der Sache R 12/09 zwangsläufig ein persönliches Interesse haben und bei der Erledigung der Sache R 12/09 zwangsläufig eine Besorgnis der Befangenheit anzunehmen ist;
(2) die Große Beschwerdekammer wird in der Sache R 12/09 mit Mitgliedern der Großen Beschwerdekammer besetzt wird [sic], die nicht Mitglieder einer Technischen bzw. der Juristischen Beschwerdekammer sind; und
(3) es wird, sollte die Große Beschwerdekammer den Anträgen unter (1) und (2) nicht im schriftlichen Verfahren stattgeben, eine mündliche Verhandlung anberaumt."
IV. Die Antragstellerin hat im Schreiben vom 13. November 2009 zu diesem Antrag im wesentlichen wie folgendes ausgeführt:
(1) Der Antrag auf Ablehnung sei zulässig. Gegen seine Zulässigkeit würde nach Artikel 24 (3) EPÜ nur sprechen, dass die Antragstellerin bereits Verfahrenshandlungen vorgenommen hätte, obwohl sie den Ablehnungsgrund kannte. Dies sei aber nicht der Fall, denn der Antragstellerin sei die Besetzung der Großen Beschwerdekammer, also der Grund für den Antrag auf Ablehnung, erst am 3. September 2009 und somit nach der Einreichung ihres Überprüfungsantrags bekannt geworden. Im Übrigen konnte und durfte die Antragstellerin davon ausgehen, dass die Große Beschwerdekammer entsprechend dem EPÜ besetzt wird.
(2) Zur Begründung des Antrags (1):
Vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass es für eine Ablehnung ausreiche, wenn eine theoretische Möglichkeit bestehe, dass ein persönliches Interesse eines Mitglieds vorliege bzw. die Besorgnis der Befangenheit bestehe, ohne dass dies objektiv oder subjektiv beim tatsächlich entscheidenden Mitglied nachzuweisen wäre (siehe T 1028/96).
Es liege in der Natur des Überprüfungsverfahrens, dass die Große Beschwerdekammer, insbesondere wenn der Überprüfungsantrag auf den Grund von Artikel 112a (2) c) EPÜ, also einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Wahrung des rechtlichen Gehörs, gestützt werde, Grundsätze und Kriterien festlegen müsse, wann ein solcher schwerwiegenden Verstoß vorliege. Hinzu komme, dass die von der Großen Beschwerdekammer im Rahmen eines solchen Überprüfungsverfahrens derartig festgelegten Grundsätze und Kriterien nicht mehr in Frage gestellt werden könnten und daher quasi Gesetzescharakter hätten.
Sei nun die Große Beschwerdekammer mit Mitgliedern besetzt, die gleichzeitig auch Mitglieder einer Technischen Beschwerdekammer oder der Juristischen Beschwerdekammer seien, legten solche Mitglieder der Großen Beschwerdekammer die Grundsätze und Kriterien fest, nach denen in Zukunft mit großer Wahrscheinlichkeit überprüft werde, ob sie selbst einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Wahrung des rechtlichen Gehörs begangen haben.
Anders ausgedrückt legten also Mitglieder der Großen Beschwerdekammer, die gleichzeitig auch Mitglieder einer Technischen oder der Juristischen Beschwerdekammer seien, die Überprüfungsmaßstäbe fest, nach denen sie selbst überprüft würden und zwar im Hinblick darauf, eines der fundamentalsten rechtsstaatlichen Prinzipien verletzt zu haben.
In Bezug auf die Fragestellung und Entscheidung eines Überprüfungsverfahrens nach Artikel 112a EPÜ habe dies eine ganz andere Qualität, als die Fragestellungen und Entscheidungen, mit denen sich die Große Beschwerdekammer bisher zu befassen hatte, nämlich lediglich die Frage, welche Alternative einer Auslegung des Übereinkommens in Zukunft anzuwenden sei.
Wenn also Mitglieder der Großen Beschwerdekammer, die gleichzeitig auch Mitglieder einer Technischen oder der Juristischen Beschwerdekammer seien, die Maßstäbe für ihre eigene Überprüfung festlegten, dann seien sie durch die Festlegung solcher Grundsätze und Kriterien unmittelbar in ihren eigenen persönlichen Sphären berührt. Denn es werde wohl kein Mitglied einer Beschwerdekammer geben, das nicht persönlich davon berührt werde, dass ihm/ihr ein Verstoß gegen eines der fundamentalsten rechtsstaatlichen Prinzipien nachgewiesen werde.
Es sei demnach zumindest theoretisch davon auszugehen, dass bei solchen Mitgliedern ein persönliches Interesse an dem Ausgang des Überprüfungsverfahrens vorliege, dahingehend, dass die Grundsätze und Kriterien für einen solchen Verstoß so hoch angesetzt würden, dass es gar nicht zu einem solchen Verstoß kommen könne.
Weiter sei zu berücksichtigen, dass ein Mitglied der Großen Beschwerdekammer, das auch Mitglied einer Technischen oder der Juristischen Beschwerdekammer sei, sich tagtäglich im Umfeld aller Mitglieder der Beschwerdekammern bewege. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass er/sie, falls er/sie Mitgliedern einer Beschwerdekammer einen Verstoß gegen eines der fundamentalsten rechtsstaatlichen Prinzipien attestiere, in diesem Umfeld auf erhebliche, insbesondere emotionale Widerstände stoßen würde. Unter solchen Bedingungen sei eine freie Entscheidung nicht möglich. Es müsse daher auch von einer Besorgnis der Befangenheit ausgegangen werden.
(3) Zur Begründung des Antrags (2):
Zur Vermeidung, dass theoretisch ein persönliches Interesse oder die Besorgnis der Befangenheit vorliege, sei die Große Beschwerdekammer für Überprüfungsfälle mit Mitgliedern zu besetzen, die nicht gleichzeitig Mitglieder einer Technischen oder der Juristichen Beschwerdekammer seien.
Die ergebe sich auch unmittelbar aus dem Europäischen Patentübereinkommen. Nach Artikel 22 (2), Satz 2 und 3 EPÜ setze sich die Große Beschwerdekammer in Überprüfungsverfahren aus drei oder fünf Mitgliedern zusammen, wobei ein rechtskundiges Mitglied den Vorsitz führe.
Damit Artikel 24 (1), erste Alternative, EPÜ, genüge getan werde und somit Ablehnungen nach Artikel 24 (3) EPÜ vermieden werden, dürften die Mitglieder der Großen Beschwerdekammer in Überprüfungsverfahren keine Mitglieder einer Technischen oder der Juristischen Beschwerdekammer sein. Demnach kämen als Mitglieder der Großen Beschwerdekammer in Überprüfungsverfahren der Vorsitzende der Großen Beschwerdekammer und die derzeit 17 rechtskundigen Mitglieder nach Artikel 11 (5) EPÜ in Frage.
Hieran ändere im Übrigen auch Regel 109 (2) a) und b) EPÜ nichts, die ein technisch vorgebildetes Mitglied verlange, das zwangsläufig ein Mitglied einer Technischen Beschwerdekammer sein müsse. Denn nach Artikel 164 (2) EPÜ gingen bei mangelnder Übereinstimmung zwischen Vorschriften des Übereinkommens und der Ausführungsordnung die Vorschriften des Übereinkommens vor. Eine mangelnde Übereinstimmung zwischen Artikel 24 (1) und (3) EPÜ und Regel 109 (2) a) und b) EPÜ liege aber offensichtlich vor. Denn das nach Regel 109 (2) a) und b) EPÜ verlangte technisch vorgebildete Mitglied führe, wie ausgeführt, zwangsläufig zu einem Konflikt mit Artikel 24 EPÜ.
Auch der Geschäftsverteilungsplan müsse selbstverständlich mit dem Europäischen Patentübereinkommen konform sein. Daher könne auch er nicht einer Besetzung der Großen Beschwerdekammer in Überprüfungsverfahren mit Mitglieder entgegenstehen, die keine Mitglieder einer Technischen oder der Juristischen Beschwerdekammer seien.
(4) Zusätzlich zu diesen schriftlichen Ausführungen trug der Vertreter der Antragstellerin an der mündlichen Verhandlung folgendes vor:
Die Antragstellerin anerkenne, dass die Grosse Beschwerdekammer in ihrer gegenwärtigen Besetzung über die Frage der Zulässigkeit des Ablehnungsantrags zu entscheiden habe.
Die Mitglieder der Grossen Beschwerdekammer in ihrer gegenwärtigen Besetzung würden nicht aus persönlichen Gründen abgelehnt. Obwohl Artikel 24 (1) EPÜ auf ein "persönliches Interesse" Bezug nehme, beträfen die Ablehnungsgründe keine spezifischen persönlichen Interessen der drei abgelehnten Mitglieder "im Sinne des Gesetzes". Trotzdem richte sich die Ablehnung nur gegen diese drei Mitglieder und die Antragstellerin brauche nicht Stellung zu nehmen zu der Frage, ob sie auch die drei Ersatzmitglieder ablehnen würde, die im Fall der Zulässigkeit des Antrags über dessen Begründetheit zu entscheiden hätten.
Für den Umstand, dass die aktuellen Verfahren zur Behandlung von Überprüfungsanträgen für den Gesetzgeber schon immer absehbar gewesen seien und dass die einzigen für die Antragstellerin akzeptierbaren Mitglieder der Grossen Beschwerdekammer keine technischen Mitglieder umfassten, trage nicht die Antragstellerin die Verantwortung. Es sei nicht ihr Fehler, wenn die Implementierung von Artikel 112a EPÜ nicht richtig durchdacht und "schlampig" durchgeführt worden sei. Was die auf der Grundlage des beanstandeten Verfahrens bereits entschiedenen Fälle betreffe, sei es nicht das Problem der Antragstellerin, dass sich die betroffenen Parteien nicht beklagt hätten.
(5) In der weiteren schriftlichen Eingabe vom 23. November 2009 führte die Antragstellerin zudem folgendes aus:
Gemäß dem EPÜ müsse ein Ablehnungsantrag, damit er zulässig sei, nicht begründet werden. Anders als im Fall eines Einspruchs gegen ein Europäisches Patent oder einer Beschwerde gegen eine erstinstanzliche Entscheidung, in der das EPÜ zur Zulässigkeit derselben explizit eine Begründung verlange, sei eine Begründung für die Zulässigkeit eines Ablehnungsantrag nach dem EPÜ gerade nicht erforderlich. So sei nach Artikel 24 (3) EPÜ ein Ablehnungsantrag nur unzulässig, wenn der Antragssteller bereits Verfahrenshandlungen vorgenommen habe, obwohl er den Ablehnungsgrund kannte. Die Regelung, dass keine Begründung des Ablehnungsantrags zu seiner Zulässigkeit erforderlich sei, mache auch Sinn. Denn es solle nach dem EPÜ gerade nicht sein, dass Personen, gegen die sich der Ablehnungsantrag richte, auch materiell über diesen Ablehnungsantrag entscheiden dürften (siehe Artikel 24 (4) EPÜ).
Zur Frage, ob in der Begründung für den Ablehnungsantrag gegen das Gesetz argumentiert wurde, werde noch einmal darauf hingewiesen, dass dem gerade nicht der Fall sei, sondern allenfalls die derzeitige Implementierung des Übereinkommens, der Ausführungsordnung und des Geschäftsverteilungsplans ein Problem darstelle, da derzeit alle technisch vorgebildeten Mitglieder der Großen Beschwerdekammer zwangsläufig auch Mitglieder einer Technischen Beschwerdekammer seien und nach Regel 109 (2) EPÜ für die Besetzung der Großen Beschwerdekammer ein technisch vorgebildetes Mitglied erforderlich sei. Es wäre ohne Änderung des Übereinkommens und ohne Änderung der Ausführungsordnung möglich, die Große Beschwerdekammer in Verfahren nach Artikel 112a EPÜ mit Mitgliedern zu besetzen, die gerade keine Mitglieder einer Technischen oder der Juristischen Beschwerdekammer seien.
1. Gemäß seinem Wortlaut findet Artikel 24 EPÜ sowohl Anwendung auf die Mitglieder der Beschwerdekammern als auch auf die Mitglieder der Grossen Beschwerdekammer und für letztere folglich in ihren beiden Funktionen, nämlich in ihrer Funktion nach Artikel 112 EPÜ und in der ihnen später zusätzlich übertragenen Funktion nach Artikel 112a EPÜ. Es sind auch schon entsprechende Ablehungsanträge gegen Mitglieder der Grossen Beschwerdekammer wegen Besorgnis der Befangenheit gestellt worden. Wie die jüngere Rechtsprechung der Grossen Beschwerdekammer zeigt, wurde etwa entschieden, dass ein Antrag auf Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit nach Artikel 24 EPÜ nicht allein auf die Tatsache gestützt werden kann, dass ein Mitglied der Grossen Beschwerdekammer als Mitglied einer Beschwerdekammer bereits mit der Problematik befasst war, die Gegenstand der Vorlage ist (siehe G 1/05 vom 7. Dezember 2006, ABl. EPA 2007, 362, Punkt 27 der Gründe; G 2/08 vom 15. Juni 2009, Punkt 4.2 der Gründe). Obschon diese Rechtsprechung für den vorliegenden Fall zwar von Interesse, aber nicht unmittelbar relevant ist, zeigt sich darin doch ein gewisser Unterschied zwischen den Ablehnungsgründen, die von einer Partei unter Artikel 24 EPÜ geltend gemacht und denjenigen, die tatsächlich als solche anerkannt werden.
2. Wie die Antragstellerin selbst eingeräumt hat (siehe Punkt IV(4), supra), ist die Zulässigkeit ihres Ablehnungsantrags eine Frage, über die die Grosse Beschwerdekammer in ihrer ursprünglichen Besetzung zu entscheiden hat. Die Antragstellerin vertritt dabei die Ansicht, hinsichtlich der Frage der Zulässigkeit habe sie nur zu zeigen, dass sie keine Verfahrenshandlungen vorgenommen habe, nachdem sie den Ablehnungsgrund kannte (Artikel 24 (3) EPÜ, zweiter Satz). Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall erfüllt (siehe Punkte IV(1) und (5), supra).
Die Grosse Beschwerdekammer stimmt dem insofern zu, als im vorliegenden Fall kein entsprechender Grund für die Unzulässigkeit vorliegt. Doch erschöpft sich die Frage der Zulässigkeit nicht in der Prüfung dieser Voraussetzung, sondern schließt auch die Frage ein, ob der Antrag auf Ablehnung ausreichend substantiiert wurde. Die Antragstellerin versucht in ihrem Schreiben vom 23. November 2009 nachträglich zu argumentieren, dass eine ausreichende Begründung keine Voraussetzung für die Zulässigkeit eines Ablehnungsantrags sei, weil dies zur Folge hätte, dass die abgelehnten Mitglieder auch materiell über den Antrag entscheiden würden (siehe Punkt IV(5), supra). Nach der Meinung der Grossen Beschwerdekammer beruht dieses Argument auf einem Missverständnis: zu entscheiden, ob ein Ablehnungsantrag ausreichend substantiiert ist, heißt lediglich darüber zu entscheiden, ob der Antrag den minimalen Anforderungen an eine sachliche Begründung genügt, nicht jedoch, ob die Gründe überzeugen. Dieser Gesichtspunkt wird in Punkt 2 der Entscheidung T 1028/96 (ABl. EPA 2000, 475), auf die sich die Antragstellerin beruft, zutreffend in der deutschen Übersetzung wie folgt zusammengefasst: " Das EPÜ verlangt jedoch in aller Regel, dass Einwände begründet, d.h. Tatsachen und Argumente zu ihrer Stützung angegeben werden, auch wenn dies in Artikel 24 (3) EPÜ nicht ausdrücklich angegeben ist. Daraus ergibt sich zum einen, dass eine Ablehnung, die auf rein subjektiven, unbegründeten Zweifeln basiert, die nur in der Vorstellung des betreffenden Beteiligten existieren, als unzulässig zurückgewiesen werden sollte. Zum anderen ist auch eine Ablehnung unzulässig, die durch die vorgelegten Tatsachen und Beweismittel nicht gestützt wird. So schließt die Hürde, die ein Beteiligter nehmen muss, der die Zusammensetzung der Kammer in Frage stellt, auch diese formale Voraussetzung ein." (Hervorhebung hinzugefügt)
Was die Substantiierung anbelangt, muss sich die Kammer deshalb davon überzeugen, dass der Ablehnungsantrag auf "Tatsachen und Beweismitteln" beruht, die zumindest zeigen, dass es sich bei dem Ablehnungsgrund um einen vom Gesetz als solchen anerkannten Grund handelt.
3. Der Ablehnungsantrag der Antragstellerin stützt sich ausschließlich auf die Tatsache, dass alle drei für die Offensichtlichkeitsprüfung ihres Überprüfungsantrags bestimmten Mitglieder der Grossen Beschwerdekammer gemäß Regel 109 (2) (a) EPÜ auch Mitglieder von Technischen Beschwerdekammern oder der Juristischen Beschwerdekammer sind. Die Antragstellerin hat klargestellt, dass sie keinerlei Beanstandung gegen die drei Mitglieder aufgrund ihres persönlichen Verhaltens oder Interesses erhebe und auch jedes andere Mitglied der Grossen Beschwerdekammer ablehnen würde, das zugleich Mitglied einer Technischen oder der Juristischen Beschwerdekammer ist (siehe Punkt IV(3), supra), wobei sie - in gewissem Widerspruch dazu - offen gelassen hat, ob sie Ersatzmitglieder der Grossen Beschwerdekammer, die im Falle der Zulässigkeit über den Ablehnungsantrag zu befinden hätten, ebenfalls ablehnen würde (siehe Punkt IV(4), supra). Obwohl sich der Ablehnungsantrag sowohl auf ein mögliches persönliches Interesse, als auch auf eine mögliche Befangenheit der Mitglieder der Grossen Beschwerdekammer beruft, ändert die Unterscheidung zwischen persönlichem Interesse und Befangenheit nichts an der Tatsache, dass die Beanstandung im Grunde allein darauf beruht, dass die abgelehnten Mitglieder auch Mitglieder einer Technischen oder der Juristischen Beschwerdekammer sind.
4. Die Frage, welche die Grosse Beschwerdekammer bei der Prüfung, ob der Ablehnungsantrag ausreichend substantiiert ist, zu beantworten hat, ist die folgende: Ist die Tatsache der Mitgliedschaft in einer Technischen oder der Juristischen Kammer für sich allein ein Grund, der nach Artikel 24 EPÜ als Grund für die Ausschließung oder die Ablehnung eines Mitglieds der Grossen Beschwerdekammer in den Verfahren nach Artikel 112a EPÜ anzusehen ist? Die Kammer müsste diese Frage im Sinne der Antragstellerin beantworten, sollte sie nicht zu dem Schluss kommen, dass es der Absicht des Gesetzgebers widersprach, diese Situation unter Artikel 24 EPÜ fallen zu lassen.
Als die Kammer in der mündlichen Verhandlung darauf hinwies, dass die vorliegenden Verfahren zur Entscheidung über Anträge auf Überprüfung für den Gesetzgeber schon immer absehbar gewesen seien, erwiderte die Antragstellerin, dies liege nicht in ihrer Verantwortung und ebensowenig sei es ihr Fehler, wenn die Implementierung von Artikel 112a EPÜ nicht richtig durchdacht und "schlampig" durchgeführt worden sei. Die Grosse Beschwerdekammer ist jedoch der Meinung, dass der Wille des Gesetzgebers nicht so einfach abgetan werden kann. Im Gegenteil ist es die Grosse Beschwerdekammer der Öffentlichkeit und anderen Parteien, die künftig Überprüfungsanträge nach Artikel 112a EPÜ stellen wollen, schuldig, sich Gewissheit zu verschaffen über den Willen des Gesetzgebers, um sicherzustellen, dass diesem Geltung verschafft wird.
5. Die Entstehungsgeschichte von Artikel 112a EPÜ zeigt, dass es sich dabei um ein außerordentliches Rechtsmittel für eine beschränkte Zahl ganz bestimmter schwerwiegender Verfahrensverstösse handelt (siehe R 1/08 vom 15. Juli 2008, Punkt 2.1 der Gründe sowie die dort zitierten Dokumente der travaux préparatoires). Das Dokument CA/PL 17/00 macht in den Abschnitten 13 bis 20 deutlich, dass zwei bestehende gerichtliche Organe als mögliche Alternativen für die Behandlung von Überprüfungsanträgen in Betracht gezogen wurden, nämlich entweder die Beschwerdekammern selbst oder die Grosse Beschwerdekammer. Von Bedeutung sind auch die Erläuterungen zu dem heutigen Artikel 22 EPÜ im Basisvorschlag für die Revision des Europäischen Patentübereinkommens (Dokument CA/PL 25/00 Rev.1, Seite 17), der die Zusammensetzung der Grossen Beschwerdekammer sowohl für die Verfahren nach Artikel 112 EPÜ als auch für die Verfahren nach Artikel 112a EPÜ regelt. Daraus wird klar, dass der Gesetzgeber ganz bewusst die Entscheidung getroffen hat, die Behandlung von Überprüfungsanträgen der Grossen Beschwerdekammer als einem damals bereits existierenden Organ mit ernannten Mitgliedern anzuvertrauen und zwar in voller Kenntnis des Umstands, dass diese zum größten Teil zugleich erfahrene Mitglieder von Technischen Beschwerdekammern oder der Juristischen Beschwerdekammer sind.
6. Ebenso geht daraus hervor, dass der Gesetzgeber bewusst die Entscheidung getroffen hat, die Grosse Beschwerdekammer nicht in ihrer damals einzigen Besetzung von sieben Mitgliedern einzusetzen (siehe Abschnitt 17 im Dokument CA/PL 17/00), sondern in einer Besetzung mit zwei rechtskundigen Mitgliedern und einem technisch vorgebildeten Mitglied für die als "Filter" vorgesehene Offensichtlichkeitsprüfung und in einer Besetzung mit vier rechtskundigen Mitgliedern und einem technisch vorgebildeten Mitglied für die volle Prüfung der Überprüfungsanträge (siehe Abschnitte 19 und 20 in Dokument CA/PL 17/00 bzw. Seite 17, Abschnitt 4 im Dokument CA/PL 25/00 Rev.1). Da zur Zeit der entsprechenden Gesetzgebungsverfahren viele rechtskundige sowie alle technisch vorgebildeten Mitglieder der Grossen Beschwerdekammer auch Mitglieder von Technischen Beschwerdekammern bzw. der Juristischen Beschwerdekammer waren, kann die Absicht des Gesetzgebers nur darin bestanden haben, diese Mitglieder auch in den Verfahren nach Artikel 112a EPÜ einzusetzen. Ebenso wird deutlich, dass die nun in Regel 109 (2) EPÜ zu findende Vorschrift, die gemäß der Antragstellerin im Widerspruch zu Artikeln des EPÜ stehe, zu der gleichen Zeit entstanden ist, wie Artikel 112a EPÜ selbst.
7. Selbst wenn man, wie die Antragstellerin, die Verfahren für die Behandlung von Überprüfungsanträgen gemäß Artikel 112a EPÜ für unzureichend hält, entsprechen diese jedenfalls der Struktur, die der Gesetzgeber dafür vorgesehen hat und es ist für die Kammer eindeutig, dass der Gesetzgeber, indem er Mitglieder von Technischen Beschwerdekammern bzw. der Juristischen Beschwerdekammer in ihrer Eigenschaft als Mitglieder der Grossen Beschwerdekammer mit der Behandlung von Überprüfungsanträgen betraute, seinen Willen dokumentiert hat, dass diese Doppelfunktion allein kein Grund für die Ausschließung oder Ablehnung solcher Mitglieder bei der Wahrnehmung dieser Aufgabe sein kann. Es kann nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen sein, ein gerichtliches System für die Behandlung von Überprüfungsanträgen zu schaffen, dessen Funktionieren über Artikel 24 EPÜ zum vorneherein unterlaufen, wenn nicht gar verhindert werden könnte. Aus diesen Gründen können die von der Antragstellerin vorgebrachten Tatsachen und Beweismittel den Ablehnungsantrag in keiner Weise stützen, weshalb dieser als unzulässig verworfen wird.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entscheiden:
Der Antrag auf Ablehnung wird als unzulässig verworfen.