G 0003/03 (Rückzahlung der Beschwerdegebühr/HIGHLAND) 28-01-2005
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I. Wird einer Beschwerde gemäß Artikel 109 (1) EPÜ abgeholfen, so ist das erstinstanzliche Organ, dessen Entscheidung mit der Beschwerde angefochten wurde, nicht dafür zuständig, einen Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückzuweisen.
II. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag liegt bei der Beschwerdekammer, die nach Artikel 21 EPÜ in der Sache für die Beschwerde zuständig gewesen wäre, wenn ihr nicht abgeholfen worden wäre.
I. In der Sache J 32/95 (ABl. EPA 1999, 713) war entschieden worden, dass das erstinstanzliche Organ nach Regel 67 Satz 2 EPÜ im Falle einer Abhilfe gemäß Artikel 109 EPÜ die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anordnen, nicht aber ablehnen könne und die entsprechende Befugnis ausschließlich bei der Beschwerdekammer liege (Nr. 2.4 der Entscheidungsgründe). Nach Artikel 109 (1) Satz 1 EPÜ habe das Organ, dessen Entscheidung angefochten sei, der Beschwerde abzuhelfen, wenn es sie für zulässig und begründet erachte, und sei dann nicht befugt, die Beschwerde den Beschwerdekammern vorzulegen (Nr. 2.5 der Entscheidungsgründe). Erachte es zugleich aber den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht für begründet, so habe es abzuhelfen und den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorzulegen (Nr. 2.5 der Entscheidungsgründe).
Über die Zusammensetzung der für solche Anträge zuständigen Beschwerdekammer wird in der Entscheidung J 32/95 jedoch nichts gesagt.
II. Nach Maßgabe der Entscheidung J 32/95 wurden in der Folge mehrere Fälle den Beschwerdekammern vorgelegt, in denen es ausschließlich um Anträge auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr ging, nachdem das Organ, dessen Entscheidung angefochten worden war, der Beschwerde abgeholfen hatte. In all diesen Fällen entschied jeweils diejenige Beschwerdekammer über den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr, die für die Beschwerde zuständig gewesen wäre, wenn keine Abhilfe gewährt worden wäre (siehe Entscheidungen T 790/98 - 3.3.1 vom 15. Juni 1999, T 647/99 - 3.3.2 vom 4. April 2000, T 697/01 - 3.3.1 vom 19. Oktober 2001, T 700/01 - 3.3.3 vom 17. April 2002, T 768/01 - 3.2.1 vom 24. September 2001, T 1183/02 - 3.5.2 (ABl. EPA 2002, 404)).
III. In der Sache J 12/01 hatte die Prüfungsabteilung gemäß Artikel 109 (1) EPÜ abgeholfen, nachdem ihre Entscheidung auf Zurückweisung einer europäischen Patentanmeldung angefochten worden war. Sie war jedoch nicht bereit, dem Antrag der Beschwerdeführerin (Anmelderin) auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr stattzugeben. Nach Maßgabe der Entscheidung J 32/95 wurde der Antrag der Technischen Beschwerdekammer 3.2.6 vorgelegt, die für die Beschwerde zuständig gewesen wäre, wenn keine Abhilfe gewährt worden wäre. Mit Zustimmung des Vorsitzenden dieser Kammer wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr dann der Juristischen Beschwerdekammer zugewiesen.
IV. Mit ihrer Entscheidung J 12/01 (ABl. EPA 2003, 431) hat die Juristische Beschwerdekammer der Großen Beschwerdekammer nach Artikel 112 (1) a) EPÜ folgende Fragen vorgelegt:
"1. Ist das erstinstanzliche Organ, dessen Entscheidung mit einer Beschwerde angefochten wurde und das dieser abgeholfen hat, befugt, einen Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückzuweisen, und - wenn ja - ist eine solche Zurückweisung eine rechtskräftige oder eine beschwerdefähige Entscheidung?
2. Legt ein erstinstanzliches Organ in Ermangelung dieser Befugnis den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr den Beschwerdekammern zur Entscheidung vor, wie sollte dann die zuständige Kammer zusammengesetzt sein?"
V. Zur Begründung der Vorlage wurde im Wesentlichen Folgendes vorgebracht:
i) Sei der Beschwerde in der Sache bereits abgeholfen, so sei unklar, wie ein isolierter Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr verfahrensrechtlich einzuordnen sei. Daher sei fraglich, ob und wie die Bestimmungen über die Zusammensetzung der Beschwerdekammern in Artikel 21 (2) und (3) EPÜ auf einen solchen Antrag anzuwenden seien.
ii) Der Antrag könne als Fortsetzung der Beschwerde mit einem eingeschränkten Beschwerdegrund anzusehen sein, d. h. als eine Nebensache, auf die die Verfahrensregeln der Hauptsache anzuwenden seien. Die in Artikel 21 und insbesondere in Artikel 21 (3) b) EPÜ aufgestellten Kriterien für die Besetzung der Beschwerdekammer blieben dann weiter uneingeschränkt gültig, obgleich die angefochtene Entscheidung als solche in vollem Umfang aufgehoben wurde (insoweit gehe also die Befugnis, über die durch die Beschwerde aufgeworfenen Fragen zu befinden, nicht vom erstinstanzlichen Organ auf die Beschwerdeinstanz über).
iii) Der Antrag könne auch als eine gesonderte, unabhängige Beschwerde gegen eine (implizit) negative Entscheidung der ersten Instanz angesehen werden, nämlich die beantragte Rückzahlung nicht anzuordnen. Auch in diesem Fall würde die Zusammensetzung der Beschwerdekammer durch Artikel 21 EPÜ eindeutig geregelt: Sie bestünde gemäß Artikel 21 (3) b) EPÜ aus fünf Mitgliedern, wenn die Abhilfeentscheidung von einer aus vier Mitgliedern bestehenden Prüfungsabteilung gefasst worden sei, und - im Unterschied zu dem unter ii) beschriebenen Ansatz - in allen anderen Fällen aus drei rechtskundigen Mitgliedern ("Juristische Beschwerdekammer") (Art. 21 (3) c) EPÜ).
iv) In Anbetracht der Tatsache, dass die Beschwerde nicht mehr anhängig sei, nachdem ihr abgeholfen wurde, könne der Antrag als eine Angelegenheit sui generis betrachtet werden, die als solche von den Beschwerdekammern zu entscheiden sei. Es könne argumentiert werden, dass die angefochtene Entscheidung im Fall der Abhilfe nach Artikel 109 EPÜ von dem zuständigen erstinstanzlichen Organ aufgehoben worden sei und eine Beschwerdekammer daher nicht mehr als Überprüfungsinstanz tätig werden könne. Andererseits dürfe der Antrag nach Maßgabe der Entscheidung J 32/95 nicht Gegenstand einer (negativen und somit) beschwerdefähigen Entscheidung des erstinstanzlichen Organs im Sinne von Artikel 111 (1) EPÜ sein. Sei eine Beschwerdekammer dennoch gehalten, unmittelbar und ausschließlich über den Antrag zu entscheiden, so sei dies als eine gesonderte Befugnis anzusehen, die zusätzlich zur Zuständigkeit der Beschwerdekammern für die Prüfung von "Beschwerden gegen Entscheidungen" erstinstanzlicher Organe nach Artikel 21 (1) EPÜ bestehe.
v) Des weiteren könne man zu dem Schluss gelangen, dass der Antrag nicht in die Zuständigkeit der Beschwerdekammern falle. Das erstinstanzliche Organ sei verpflichtet zu prüfen, ob die Bedingungen für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ erfüllt seien, und zwar unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer einen entsprechenden Antrag gestellt habe. Die Feststellung, dass diese Bedingungen nicht erfüllt seien, habe für den Beschwerdeführer jeweils denselben Effekt, ob nun ein Rückzahlungsantrag ausdrücklich zurückgewiesen oder ob dieser Punkt mangels eines solchen Antrags in der abhelfenden Entscheidung des erstinstanzlichen Organs stillschweigend übergangen werde. Da das erstinstanzliche Organ nach Regel 67 EPÜ zweifellos befugt sei, einen Antrag implizit abzulehnen, indem es ihn stillschweigend übergehe, ließe sich argumentieren, dass es dann auch befugt sein sollte, den Antrag ausdrücklich zurückzuweisen. Rechtlich hätte dies zur Folge, dass weder Bedarf noch Spielraum für eine Restzuständigkeit der Beschwerdekammern in Bezug auf eine nicht mehr anhängige Beschwerde bestünde. Den Beschwerdeführer würde dies in der Praxis daran hindern, Rechtsmittel gegen die Zurückweisung des Antrags durch die erste Instanz einzulegen, weil eine Beschwerde gegen eine derartige Entscheidung die Zahlung einer weiteren Beschwerdegebühr erfordern würde, für deren Rückzahlung in der überwiegenden Mehrheit der Fälle die Bedingungen gemäß Regel 67 EPÜ nicht erfüllt wären (s. Entscheidung J 32/95, Nr. 2.2.5 der Entscheidungsgründe). Diese Wirkung müsse indes nicht unbedingt unbillig sein oder den ersichtlichen Intentionen des Gesetzgebers widersprechen. Bezüglich der Verfahrenskosten scheine das EPÜ das Recht auf Rechtsmittel nicht im gleichen Umfang zu garantieren wie bei Anträgen zur Sache. Insbesondere sei eine Beschwerde gegen eine Entscheidung über die Festsetzung der Kosten des Einspruchsverfahrens nach Artikel 106 (5) EPÜ in Verbindung mit Artikel 11 der Gebührenordnung nur möglich, wenn der streitige Betrag die Beschwerdegebühr übersteige. Daraus könne gefolgert werden, dass es entweder keine Lücke in Regel 67 EPÜ gebe oder der Gesetzgeber eine solche schließen würde, indem er eine Beschwerde dagegen, dass das erstinstanzliche Organ nach Abhilfe einer Beschwerde gemäß Artikel 109 (1) EPÜ die Beschwerdegebühr nicht zurückgezahlt habe, ausdrücklich ausschließen würde.
vi) Die Aussage der Entscheidung J 32/95 (siehe vorstehend Nr. I) beruhe nicht auf einer Auslegung von Artikel 21 EPÜ, sondern auf einer Analyse des Wortlauts der Regel 67 EPÜ, der "eine gewisse Lücke" aufweise. In der Entscheidung T 700/01 sei festgestellt worden, dass sich die Befugnis der Beschwerdekammer zur Entscheidung über den Antrag nicht aus Artikel 21 EPÜ ableiten lasse, der sich nur mit der Zusammensetzung der Beschwerdekammern im Fall einer Beschwerde befasse. Dadurch ergebe sich eine neuartige Situation, in der eine Gesetzeslücke im Hinblick auf die "horizontale" Abgrenzung der Zuständigkeiten zwischen unterschiedlich zusammengesetzten Beschwerdekammern bestehe, die der in der Entscheidung J 32/95 ausgemachten "Lücke" in Bezug auf die "vertikale" Aufgabenverteilung zwischen den erst- und zweitinstanzlichen Organen gleiche und aus derselben resultiere.
vii) Somit sei zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung im Hinblick auf die Zusammensetzung der Beschwerdekammern, denen nach Abhilfe einer Beschwerde ein Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr vorgelegt werde, eine Befassung und Entscheidung der Großen Beschwerdekammer geboten (Art. 112 (1) a) EPÜ). Es sei zwar vielleicht nicht entscheidungserheblich, in welcher Zusammensetzung eine Beschwerdekammer über die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ befinde, doch sei eine klare und eindeutige Regelung der Zusammensetzung eines Rechtsprechungsorgans Grundvoraussetzung für ein ordnungsgemäßes Verfahren und auch für das reibungslose Funktionieren jedes der gerichtlichen Überprüfung dienenden Systems. Daher stelle die richtige Zusammensetzung der Beschwerdekammern als solche eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne von Artikel 112 (1) EPÜ dar. Dasselbe gelte für die Abgrenzung der Befugnisse der erst- und zweitinstanzlichen Organe.
VI. Mit Schreiben vom 12. Juni 2003 forderte die Große Beschwerdekammer die Beschwerdeführerin auf, sich innerhalb einer Frist von drei Monaten schriftlich zu den Vorlagefragen zu äußern. Die Beschwerdeführerin machte jedoch keinen Gebrauch von dieser Möglichkeit.
Zulässigkeit der Vorlage
1. Die abschließende Entscheidung der vorlegenden Kammer ist von der Entscheidung der Großen Beschwerdekammer über die ihr vorgelegten Fragen abhängig. Eine Entscheidung der Großen Beschwerdekammer ist zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung im Sinne des Artikels 112 (1) EPÜ erforderlich. Außerdem betrifft die Vorlage eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne derselben Vorschrift. Die Vorlage ist somit zulässig.
Befugnis, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr im Falle der Abhilfe abzulehnen
2. Im Interesse der Verfahrensökonomie muss nach Artikel 109 (1) EPÜ das erstinstanzliche Organ, das die mit der Beschwerde angefochtene Entscheidung getroffen hat, seine Entscheidung korrigieren, d. h. der Beschwerde abhelfen, wenn es diese für zulässig und begründet erachtet und wenn dem Beschwerdeführer kein anderer Beteiligter gegenübersteht. Ist im Falle der Abhilfe die Rückzahlung der Beschwerdegebühr unstreitig, so wird die Beschwerde keiner Beschwerdekammer vorgelegt und wird somit nicht vor einer Kammer anhängig, weil dann das erstinstanzliche Organ die angefochtene Entscheidung aufgehoben und der Beschwerde stattgegeben hat. Im Gegensatz dazu muss das erstinstanzliche Organ nach Artikel 109 (2) EPÜ die Beschwerde, wenn ihr innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Begründung (Art. 108 Satz 3 EPÜ) nicht abgeholfen wird, unverzüglich und ohne sachliche Stellungnahme der Beschwerdekammer vorlegen. Es ist somit eine Eigenheit des Verfahrensinstituts der Abhilfe, dass das erstinstanzliche Organ zwar befugt ist, einer Beschwerde stattzugeben, letztere aber nicht als unzulässig verwerfen oder zurückweisen darf. Dies ist eine Ausnahme von der Regel, wonach die rechtliche Befugnis, etwas zu gewähren, normalerweise auch das Recht beinhaltet, es zu verweigern. Aus all dem folgt, dass die Entscheidung der ersten Instanz, der Beschwerde gemäß Artikel 109 (1) EPÜ abzuhelfen, den Beschwerdeführer nicht beschweren darf.
3. Nach Regel 67 EPÜ ist die Rückzahlung der Beschwerdegebühr im Falle der Abhilfe von dem erstinstanzlichen Organ anzuordnen, dessen Entscheidung angefochten wurde, wenn "die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht". Aus dem Wortlaut der Regel ergibt sich, dass das erstinstanzliche Organ zu prüfen hat, ob die Bedingungen für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr erfüllt sind, und zwar unabhängig davon, ob der Beschwerdeführer tatsächlich einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Gelangt es zu dem Schluss, dass diese Bedingungen nicht erfüllt sind, so kann es die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht anordnen. Wurde kein Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gestellt, so geht die erste Instanz in ihrer Abhilfeentscheidung nach Artikel 109 (1) EPÜ nicht auf die Frage der Rückzahlung der Beschwerdegebühr ein und der Beschwerdeführer wird durch die Entscheidung nicht beschwert. Wurde die Rückzahlung jedoch beantragt, so stellt sich die Frage, ob die erste Instanz in Anbetracht von Artikel 109 EPÜ, der eine den Beschwerdeführer beschwerende Entscheidung über die Beschwerde ausschließt (siehe Nr. 2), nach Regel 67 EPÜ zuständig ist, in ihrer Entscheidung den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückzuweisen, weil der Beschwerdeführer durch eine solche Entscheidung ja beschwert wäre.
3.1 Regel 67 EPÜ sagt nichts über die Zuständigkeit für die Zurückweisung eines solchen Antrags. Eine wörtliche Auslegung der Regel lässt also keinen eindeutigen Schluss zu, ob das erstinstanzliche Organ im Falle der Abhilfe befugt ist, einen Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückzuweisen.
3.2 Aus den vorbereitenden Dokumenten zum EPÜ geht klar hervor, dass der Gesetzgeber eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr, wenn der Beschwerde abgeholfen oder ihr durch die Beschwerdekammer stattgegeben wird, nur in Ausnahmefällen zulassen wollte. So wurde auf der Münchner Diplomatischen Konferenz von 1973 der Vorschlag einer Delegation, die Beschwerdegebühr im Falle der Abhilfe stets zurückzuerstatten, von keiner anderen der dort vertretenen Delegationen unterstützt (s. Berichte der Münchner Diplomatischen Konferenz, Sitzungsbericht des Hauptausschusses I, Dok. M/PR/I, Rdn. 2317 und 2318). Dass die Möglichkeit besteht, einen Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückzuweisen, belegen die vorbereitenden Dokumente also zweifelsfrei. Nicht erwähnt ist dort jedoch, wer dafür zuständig sein soll, im Falle der Abhilfe über einen Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu entscheiden, wenn das erstinstanzliche Organ der Auffassung ist, dass die in Regel 67 EPÜ verankerten Bedingungen für eine solche Rückzahlung nicht erfüllt sind.
3.3 Die Abhilfe setzt nach Artikel 109 (1) EPÜ voraus, dass das erstinstanzliche Organ, dessen Entscheidung angefochten wird, die Beschwerde für zulässig und begründet hält. Regel 67 EPÜ ist zu entnehmen, dass einem Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr bei Abhilfe einer Beschwerde nur dann stattzugeben ist, wenn die Rückzahlung wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels für billig erachtet wird. Die Abhilfe ist also eine notwendige, aber keine hinreichende Voraussetzung dafür, dass das erstinstanzliche Organ einem solchen Antrag nach Regel 67 EPÜ stattgibt. Daraus folgt, dass die Abhilfe und die Entscheidung über einen Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr verschiedene Gegenstände darstellen, die getrennt zu behandeln sind, auch wenn Letzterer den Ersten voraussetzt.
3.4 Gelangt das erstinstanzliche Organ zu dem Schluss, dass die Bedingungen für die Abhilfe erfüllt sind, aber dem Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr nicht stattgegeben werden kann, so sind im Prinzip für das Verfahren drei Folgerungen bzw. Optionen denkbar: a) Vorlage der Beschwerde und des Antrags an eine Beschwerdekammer, b) Abhilfe und Zurückweisung des Antrags durch das erstinstanzliche Organ oder c) Abhilfe und Vorlage des Antrags an eine Beschwerdekammer.
3.4.1 Was die Option a angeht, so ist zu bedenken, dass es Sinn und Zweck der Abhilfe nach Artikel 109 (1) EPÜ ist, klare und eindeutige Fälle im Interesse der Verfahrensökonomie nicht den Beschwerdekammern vorlegen zu müssen, weil vorzugsweise die erste Instanz, deren Entscheidung angefochten wird, ihre Entscheidung korrigieren sollte, wenn für sie sofort ersichtlich ist, dass diese nicht bestehen bleiben kann. Außerdem besagt Artikel 109 (1) EPÜ ganz klar, dass das erstinstanzliche Organ, dessen Entscheidung angefochten wird, der Beschwerde abzuhelfen hat, also seine Entscheidung korrigieren muss, wenn es die Beschwerde für zulässig und begründet erachtet. Wenn das erstinstanzliche Organ die Bedingungen für die Abhilfe als erfüllt ansieht, würde eine Vorlage der Beschwerde an eine Beschwerdekammer also gegen Artikel 109 (1) EPÜ verstoßen und dem Sinn und Zweck der Abhilfe widersprechen.
3.4.2 Im Falle der Option b erlässt das erstinstanzliche Organ, dessen Entscheidung angefochten wird, eine weitere Entscheidung. Daraus ergibt sich die Frage, ob diese Entscheidung nach Artikel 106 (1) EPÜ mit der Beschwerde anfechtbar ist. Gegenstand der zweiten Entscheidung ist die Frage, ob eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr wegen eines vom Beschwerdeführer behaupteten wesentlichen Verfahrensmangels im erstinstanzlichen Verfahren der Billigkeit entspricht, wobei die Beurteilung des geltend gemachten wesentlichen Verfahrensmangels im Mittelpunkt steht. Eine solche Entscheidung kann nicht mit einer Entscheidung über die Festsetzung des Betrags der Kosten des Einspruchsverfahrens nach Artikel 106 (5) EPÜ gleichgesetzt werden, ebenso wenig kann ihr einziger Gegenstand mit der Verteilung der Kosten des Einspruchsverfahrens verglichen werden, die nach Artikel 106 (4) EPÜ nicht einziger Gegenstand einer Beschwerde sein kann. Zudem wäre der Beschwerdeführer - anders, als wenn er keinen förmlichen Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gestellt hätte - nach Gewährung der Abhilfe beschwert. Dem Beschwerdeführer das Recht zu verweigern, Beschwerde gegen die Entscheidung über die Zurückweisung seines Antrags auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr einzulegen, wie es als mögliche Rechtsfolge in der Vorlageentscheidung erwogen wird (siehe Nr. 3.4 der Entscheidungsgründe der Vorlageentscheidung und vorstehend Nr. V v), würde gegen die Artikel 106 (1) und 107 EPÜ verstoßen und käme auch einer Verweigerung von Rechtsschutz gleich. Daher wäre die Entscheidung der ersten Instanz, die Rückzahlung der Beschwerdegebühr abzulehnen, nach Artikel 106 (1) EPÜ mit der Beschwerde anfechtbar. Um eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu erreichen, müsste der Beschwerdeführer jedoch erneut Beschwerde einlegen und eine weitere Beschwerdegebühr zahlen. Doch selbst wenn die Beschwerdekammer dann - im günstigsten Falle - die erneute Beschwerde für begründet erachtete, würde nur eine der beiden vom Beschwerdeführer gezahlten Beschwerdegebühren zurückerstattet. Das bedeutet, dass der Beschwerdeführer in der Praxis davon abgehalten würde, Rechtsmittel gegen die Entscheidung der ersten Instanz einzulegen. Ein solches Ergebnis entspricht keinesfalls dem Gebot der Gerechtigkeit.
3.4.3 Aus den vorstehenden Überlegungen ergibt sich, dass bei der unter Nummer 3.4 beschriebenen Rechtslage die Option c, also die Abhilfe nach Artikel 109 (1) EPÜ und die Vorlage des Antrags des Beschwerdeführers auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr an eine Beschwerdekammer, die einzige Verfahrensoption darstellt, die als gerecht und daher überhaupt als angemessen gelten kann.
3.5 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das erstinstanzliche Organ, das der Beschwerde abhilft, nach Regel 67 EPÜ nicht für eine Entscheidung zuständig ist, mit der der Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückgewiesen wird. Statt dessen hat es den Antrag den Beschwerdekammern vorzulegen. Da die Abhilfe und die Entscheidung über den Antrag verschiedene Gegenstände darstellen, die getrennt behandelt werden können (siehe oben Nr. 3.3), können sich auch verschiedene Spruchkörper damit befassen, ohne dass dem Beschwerdeführer daraus ein Nachteil erwüchse und die Verfahrensökonomie maßgeblich - wenn überhaupt - beeinträchtigt würde.
Zusammensetzung der zuständigen Beschwerdekammer
4. Wird eine Beschwerde nach Artikel 109 (2) EPÜ den Beschwerdekammern vorgelegt, so ist gemäß Artikel 21 EPÜ zu ermitteln, welche Kammer zuständig ist und wie diese sich zusammensetzt. Nach der in Artikel 21 (2), (3) und (4) EPÜ verankerten Zuständigkeitsregelung bestimmen sich die zuständige Kammer und ihre Zusammensetzung im Hinblick auf die Prüfung der Sachfragen der Beschwerde und die Ausübung der Befugnisse gemäß Artikel 111 (1) EPÜ im Wesentlichen nach zwei Kriterien: der Zusammensetzung des erstinstanzlichen Organs, dessen Entscheidung angefochten ist, und dem Gegenstand dieser Entscheidung. Wenn die Beschwerde später zurückgenommen wird, der Beschwerdeführer aber die Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach Regel 67 EPÜ beantragt hat, bleibt dieselbe Kammer zuständig, der es auf Grund ihrer ursprünglichen Zuständigkeit obliegt, an sie gerichtete Anträge zu Fragen zu prüfen, die sich aus oder im Zusammenhang mit der vorausgegangenen Beschwerde ergeben: Sie entscheidet dann nur über den Antrag, der eine Nebensache der ursprünglichen Beschwerde darstellt (siehe T 41/82, ABl. EPA 1982, 256). Das bedeutet also, dass sich die Berechtigung zur Anwendung des Artikels 21 EPÜ bei dieser besonderen Sach- und Rechtslage aus der ursprünglichen Beschwerde herleitet.
5. Ebenso verhält es sich, wenn das erstinstanzliche Organ der Beschwerde gegen seine Entscheidung nach Artikel 109 (1) EPÜ abgeholfen hat und den Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr anschließend im Hinblick auf das Gebot der Gerechtigkeit einer Beschwerdekammer vorlegt (siehe Nr. 3.4.3); auch hier entscheidet die Beschwerdekammer nur über diesen Antrag, weil die Sachfragen der Beschwerde ja bereits durch die Abhilfe geklärt wurden. Da der Antrag eine Nebensache der ursprünglichen Beschwerde ist, impliziert seine Vorlage nach Auffassung der Großen Beschwerdekammer, dass diejenige Kammer, die nach Artikel 21 EPÜ in der Sache für die Beschwerde zuständig gewesen wäre, wenn ihr nicht abgeholfen worden wäre, zur Entscheidung über den Rückzahlungsantrag befugt ist. Der verbleibende Streitgegenstand ist derselbe wie im Fall der Rücknahme der Beschwerde. Die Berechtigung zur Anwendung des Artikels 21 EPÜ leitet sich mithin wie bei der unter Nummer 4 beschriebenen Sach- und Rechtslage aus der ursprünglichen Beschwerde her.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegten Fragen werden wie folgt beantwortet:
1. Wird einer Beschwerde gemäß Artikel 109 (1) EPÜ abgeholfen, so ist das erstinstanzliche Organ, dessen Entscheidung mit der Beschwerde angefochten wurde, nicht dafür zuständig, einen Antrag des Beschwerdeführers auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zurückzuweisen.
2. Die Zuständigkeit für die Entscheidung über den Antrag liegt bei der Beschwerdekammer, die nach Artikel 21 EPÜ in der Sache für die Beschwerde zuständig gewesen wäre, wenn ihr nicht abgeholfen worden wäre.