T 2377/09 01-12-2010
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Verfahren und System zur Formmessung einer spiegelnden Oberfläche
I. Die Beschwerde der Patentanmelderin richtete sich gegen die Entscheidung der Prüfungsabteilung über die Zurückweisung der europäischen Patentanmeldung Nr. 07711857.8, die als Internationale Anmeldung (PCT/EP2007/001999) eingereicht und unter der Nummer WO 2007/115621 veröffentlicht wurde.
Der Anspruch 1, der der Entscheidung zugrunde lag, lautet (ohne Bezugszeichen) wie folgt:
"Verfahren zur Formmessung einer spiegelnden Oberfläche mit einem System, welches mindestens ein Muster zur Reflexion an der spiegelnden Oberfläche und mindestens eine Kamera zur pixelweisen Betrachtung des auf der Oberfläche reflektierten Musters aufweist, wobei die Position und Orientierung der Kamera und des Musters sowie für jedes Pixel der Kamera die Blickrichtung bekannt sind, wobei aus den für die Pixel bekannten Blickrichtungen der Kamera und den der Abbildung des reflektierten Musters auf Pixeln der Kamera entsprechenden Positionen des Musters der Oberflächen winkel und die Oberflächenhöhe zur Formmessung bestimmt werden, wobei zur genauen Bestimmung der Oberflächenhöhe eines Stützpunkts ein dünnes Objekt bekannter Form vor dem Muster derart angeordnet wird, dass zumindest ein Punkt des dünnen Objekts einen Musterpunkt verdeckt, wobei die Lage des Objekts im Raum bekannt ist, anschließend eine Ebene aus der bekannten Blickrichtung des den Musterpunkt abbildenden Pixels und dem Musterpunkt bestimmt wird und der Punkt als Schnittpunkt des dünnen Objekts mit dieser Ebene ermittelt wird sowie der Stützpunkt als Schnittpunkt zwischen der bekannten Blickrichtung des den Musterpunkt abbildenden Pixels und der Geraden durch den Musterpunkt und den Punkt ermittelt wird."
Der Anspruch 1, der dem ersten, der Entscheidung vorausgehenden Bescheid der Prüfungsabteilung zugrunde lag, unterscheidet sich von dem der angefochtenen Entscheidung zugrundeliegenden Anspruch 1 im Wesentlichen dadurch, dass der durch die Kammer oben kursiv hervorgehobene Absatz wie folgt lautet:
"[...] wobei zur genauen Bestimmung der Oberflächen höhe ein linienförmiges Objekt vor dem Muster derart angeordnet wird, dass zumindest ein Punkt des linienförmigen Objekts einen Musterpunkt verdeckt [...]".
Die angefochtene Entscheidung wurde damit begründet, dass
a) Anspruch 1 nicht klar (Artikel 84 EPÜ) ist, weil der beanspruchte Schnittpunkt eines dünnen Objekts, das auch die Form einer Folie haben kann, mit einer Ebene nicht ermittelt werden kann (Nr. 1 der Entscheidungs gründe),
b) die Beschreibung auf alternative Ausführungsformen verweist, die im Widerspruch zum beanspruchten Gegenstand stehen (Artikel 84 EPÜ) und für das Verständnis der Erfindung offensichtlich unnötig sind und dieses sogar erschweren (Regel 48(1) c) EPÜ) (Nr. 2 der Entscheidungsgründe), und
c) die Beschreibungseinleitung in mehrfacher Hinsicht nicht an die Patentansprüche angepasst worden ist (Regel 42(1) c) EPÜ) (Nr. 3 der Entscheidungsgründe).
Mit der Beschwerdebegründung legte die Beschwerde führerin einen geänderten Anspruchsatz sowie geänderte Seiten der Beschreibung vor und beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Basis der geänderten Anmeldungsunterlagen zu erteilen.
Daraufhin hob die Prüfungsabteilung ihre Entscheidung gemäß Artikel 109(1) EPÜ 1973 auf und setzte das Prüfungsverfahren fort. Anschließend wurde eine Mitteilung gemäß Regel 71(3) EPÜ von der Prüfungs abteilung erlassen.
II. Mit der Beschwerdebegründung hatte die Beschwerde führerin auch die Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß Regel 67 EPÜ 1973 beantragt. Hilfsweise wurde auch ein Antrag auf mündliche Verhandlung gestellt.
Dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wurde von der Prüfungsabteilung nach Abhilfe jedoch nicht stattgegeben, und dementsprechend wurde der Antrag der Kammer vorgelegt.
III. Zur Stützung ihres Antrags auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr hat die Beschwerdeführerin in der Beschwerdebegründung im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Die Entscheidung der Prüfungsabteilung nach lediglich einem einzigen Prüfungsbescheid beruht auf einer fehlerhaften Ausübung des Ermessens bei der Auslegung des Artikels 94 (3) EPÜ, da gemäß Artikel 94 (3) EPÜ die Prüfungsabteilung die Anmelderin "so oft wie erforderlich auf[fordern soll], eine Stellungnahme einzureichen und [...] die Anmeldung zu ändern", und die Richtlinien ebenfalls vorschreiben, dass die Prüfungsabteilung, wenn in der Anmeldung weitere Mängel bestehen, die Anmelderin zu kontaktieren hat (Richtlinien C-VI, 4.6). Eine Zurückweisung der Anmeldung ist nach den Richtlinien lediglich angezeigt, wenn sich eine solche Entscheidung ausschließlich auf Gründe stützen würde, zu denen die Anmelderin sich bereits äußern konnte, was zum Zeitpunkt der Entscheidung hinsichtlich des Anspruchs 1 nicht gegeben war.
Die Beanstandung der Prüfungsabteilung, wonach der Schnittpunkt mit der Ebene nur dann gebildet werden kann, "wenn die Lage des Objekts im Raum bekannt ist", wurde in dem geänderten Anspruch 1 durch Einfügen des Merkmals "wobei die Lage des Objekts im Raum bekannt ist" behoben. Die angefochtene Entscheidung beruht jedoch auf einem anderen Merkmal, nämlich dem Merkmal "dünnes Objekt bekannter Form", das erst mit der Erwiderung zu dem Prüfungsbescheid neu in Anspruch 1 aufgenommen wurde. Die Prüfungsabteilung hat demnach vor ihrer Entscheidung nicht zu diesem Merkmal Stellung genommen, und entsprechend konnte die Anmelderin sich hierzu auch nicht äußern.
Wie aus den Erläuterungen in der Beschwerdebegründung hinsichtlich der Klarheit des Anspruchs 1 und der Anpassung der Beschreibung hervorgeht, sind einige von der Prüfungsabteilung vorgebrachte Beanstandungen gemäß Artikel 84 und Regel 27 (1) c) EPÜ 1973 nicht zutreffend.
Die Zurückweisung steht auch im Widerspruch zu den Richtlinien, weil mit der Erwiderung zu dem Prüfungsbescheid der Prüfungsabteilung signalisiert wurde, dass hinsichtlich weiterer Änderungen in der Anmeldung Gesprächsbereitschaft seitens der Anmelderin bestand, und im Einklang mit den Richtlinien die Durchführung eines Telefonats zur Besprechung gegebenenfalls notwendiger weiterer Änderungen der Anmeldungsunterlagen explizit vorgeschlagen wurde, um ohne ein aufwendiges Beschwerdeverfahren zu einer erteilbaren Fassung der Anmeldung zu gelangen.
IV. In einer der Ladung zu einer mündlichen Verhandlung beigefügten Mitteilung hat die Kammer ihre vorläufige Auffassung zu dem gestellten Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr mitgeteilt. In der Mitteilung wurde u.a. Folgendes ausgeführt:
"Die angefochtene Entscheidung bezieht sich auf Artikel 84 EPÜ (2000) sowie auf Regeln 42(1) c) und 48(1) c) EPÜ (2000), die inhaltlich den Artikeln 78, 83 und 84 EPÜ 2000 zugeordnet sind. Die vorliegende Anmeldung hat allerdings das internationale Anmelde datum vom 8. März 2007 und war zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der Akte zur Revision des Europäischen Patentübereinkommens, nämlich am 13. Dezember 2007, anhängig, sodass hier nicht Artikel 78, 83 und 84 EPÜ 2000, sondern die entsprechenden Artikel 78, 83 und 84 EPÜ 1973 anzuwenden sind (Artikel 1 des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 28. Juni 2001 über die Übergangsbestimmungen nach Artikel 7 der Akte zur Revision des Europäischen Patentüber einkommens vom 29. November 2000, Sonderausgabe Nr. 1 zum ABl. EPA 2007, 197). Demzufolge sind auch hier anstelle der Regeln 42(1) c) und 48(1) c) EPÜ 2000 die entsprechenden, gleichlautenden Artikel 78, 83 und 84 EPÜ 1973 ausgestaltenden Regeln 27(1) c) und 34(1) c) EPÜ 1973 anzuwenden (siehe Entscheidung J 10/07 (ABl EPA 2008, 567), Nr. 1.3 der Entscheidungs gründe). Nachfolgend wird daher auf Artikel 84 und auf Regeln 27(1) c) und 34(1) c) EPÜ 1973 Bezug genommen."
"1. Zu den mehrfachen Ausführungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Richtlinien ist zunächst zu bemerken, dass die Prüfungsabteilung einen gewissen Ermessens spielraum hat und sie im Einzelfall, solange sie über die im EPÜ festgesetzten Grenzen nicht hinausgeht, von den allgemeinen Richtlinien abweichen kann, so dass die hier entscheidende Frage ist, ob die Prüfungsabteilung im Einklang mit den Bestimmungen des EPÜ gehandelt hat, und nicht, ob sie die Richtlinien richtig angewandt hat (siehe z.B. T 162/82 (ABl EPA 1987, 533), Nr. 9 der Entscheidungs gründe). Die [unter Abschnitt V unten] zusammenge fassten Ausführungen der Beschwerdeführerin laufen daher alle auf die hier zu untersuchende Frage hinaus, ob im vorliegenden Fall die Zurückweisung der Anmeldung einen Verstoß gegen die Vorschriften des Artikels 113 (1) EPÜ 1973 und/oder gegen die des Artikels 94 (3) EPÜ dargestellt hat.
2. In ihrem ersten Bescheid erhob die Prüfungsabteilung u.a. den Einwand, dass der Gegenstand des damals geltenden Anspruchs 1 nicht klar sei (Artikel 84 EPÜ 1973), weil der Anspruch auf ein Verfahren gerichtet war, das u.a. die Ermittlung des Schnittpunktes eines linienförmigen Objekts mit einer bestimmten Ebene umfasst, ohne jedoch anzugeben, dass die Lage des Objekts im Raum bekannt ist, sodass die Ermittlung des Schnittpunktes nicht möglich ist (Bescheid vom 19. Februar 2009, Nr. 2.2).
Mit der Erwiderung auf den Bescheid der Prüfungs abteilung reichte die Beschwerdeführerin den geänderten Anspruchssatz ein, der der darauffolgenden Zurückweisungsentscheidung zugrunde liegt. Der Anspruch 1 wurde u.a. dahingehend geändert, dass in ihm das Merkmal "die Lage des Objekts im Raum bekannt ist" eingefügt wurde. Der Anspruch wurde aber auch dadurch geändert, dass der Ausdruck "linienförmiges Objekt" durch den Ausdruck "dünnes Objekt" ersetzt wurde.
In der Begründung ihrer Entscheidung stellte die Prüfungsabteilung fest, dass der geänderte Anspruch 1 nicht klar ist, weil der Schnittpunkt eines dünnen Objekts, das z.B. auch die Form einer Folie haben kann, mit einer Ebene nicht ermittelt werden kann, da die Schnittmenge einer Folie mit einer Ebene kein Punkt, sondern eine Linie ist. Die Prüfungsabteilung gelangte zu dem Schluss, dass der in ihrem Bescheid erhobene Einwand nicht vollständig ausgeräumt worden ist, da der Schnittpunkt noch immer nicht ermittelt werden konnte ([Abschnitt I oben], Absatz a) und Nr. 1 der Entscheidungsgründe).
Die Kammer stellt zuerst fest, dass der im Bescheid erhobene Einwand (Unbestimmtheit des Schnittpunktes einer Ebene mit einem linienförmigen Objekt unbekannter Lage) und der in der Entscheidung diesbezüglich erhobene Einwand (Unbestimmtheit des Schnittpunktes einer Ebene mit einem dünnen Objekt bekannter Lage) sich zwar auf dieselbe Rechtsgrund lage (d.h. auf das in Artikel 84 EPÜ 1973 verankerte Erfordernis der Klarheit) und auch auf dieselbe Schlussfolgerung (d.h. auf die Unmöglichkeit der Ermittlung des Schnittpunktes im Rahmen des jeweiligen beanspruchten Verfahrens), jedoch sowohl auf unterschiedliche Tatsachen (ein linienförmiges Objekt unbekannter Lage gegenüber einem dünnen Objekt bekannter Lage) sowie auf unterschiedliche technische Überlegungen stützen (die Unbestimmtheit der Lage des Schnittpunktes aufgrund der unbekannten Lage des linienförmigen Objekts gegenüber der Unbestimmtheit des Schnittpunktes als solcher, da die Form der Schnittmenge eines dünnen Objekts bekannter Lage mit einer Ebene von der Querschnittform des Objekts abhängt und generell keinen Punkt darstellt bzw. ermitteln lässt).
Da aber bei "Gründen" im Sinne von Artikel 113 (1) EPÜ 1973 nicht nur die rechtlichen, sondern auch die wesentlichen tatsächlichen Gründe zu verstehen sind, auf die sich eine Entscheidung stützt (siehe z.B. T 187/95, Nr. 8 der Entscheidungsgründe, und T 105/93, Nr. 6), und sich die maßgeblichen Tatsachen und die technischen Überlegungen, auf die sich der in der Entscheidung erhobene Einwand mangelnder Klarheit hinsichtlich der Ermittlung des Schnittpunktes stützt, erheblich von denen unterscheiden, auf die sich der entsprechende Einwand im Bescheid der Prüfungs abteilung stützt, wurde die Entscheidung auf Gründe gestützt, zu denen die Beschwerdeführerin keine Gelegenheit gehabt hatte, sich zu äußern. De facto wurde in dem Bescheid von der Prüfungsabteilung vorgeschlagen, im Anspruch 1 klarzustellen, dass die Lage des Objekts im Raum bekannt ist, um den dort erhobenen Einwand der Unbestimmtheit in der Ermittlung des Schnittpunktes auszuräumen (Bescheid, Nr. 2.2 und 2.10), und der Anspruch 1 wurde von der Beschwerdeführerin, dem Vorschlag der Prüfungs abteilung folgend, entsprechend geändert ([Punkt 2. oben], zweiter Absatz und Brief vom 6. April 2009, Seite 2, erster Absatz); dass dennoch die Zurückweisung der Anmeldung u.a. mit demselben Einwand der Unbestimmtheit in der Ermittlung des Schnittpunktes begründet wurde, durfte von der Beschwerdeführerin nur mit Überraschung aufgenommen werden, zumal der Einwand sowohl auf neue Tatsachen (den Austausch im Anspruch 1 des Begriffs "linien förmiges Objekt" gegen den Begriff "dünnes Objekt") als auch auf neue, der Beschwerdeführerin im Voraus nicht mitgeteilte technische Überlegungen gestützt wurde.
Infolgedessen teilt die Kammer die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass die Entscheidung der Prüfungsabteilung, soweit sie sich auf die unter a) im Punkt I oben genannten Gründe stützt, unter Verletzung des Gebots der Wahrung rechtlichen Gehörs gemäß Artikel 113(1) EPÜ 1973 ergangen ist und somit mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet ist.
3. Dennoch ist weiterhin festzustellen, dass sich die Zurückweisungsentscheidung auch auf zusätzliche Gründe stützt (siehe [Abschnitt I oben], Absatz b) und c)), die von den unter [Abschnitt I oben, Absatz] a) genannten Gründen unabhängig sind und offenbar keinen Anlass zur Beanstandung eines wesentlichen Verfahrensmangels geben.
Insbesondere hatte die Prüfungsabteilung in dem einzigen Prüfungsbescheid auch Einwände nach Artikel 84 und Regeln 27(1) c) und 34(1) c) EPÜ 1973 erhoben und diese unter Hinweis auf mehrere Passagen der Beschreibung damit begründet (Nr. 2.9 des Bescheids), dass die Passagen im Widerspruch zur beanspruchten Erfindung standen und sie nicht beanspruchte alternative Ausführungsformen beinhalteten, sodass solche Passagen die Ansprüche unklar machten (Artikel 84 und Regel 27(1) c) EPÜ 1973) bzw. zum Verständnis der beanspruchten Erfindung offensichtlich unnötig waren (Regel 34(1) c) EPÜ). Diese Einwände entsprechen im Wesentlichen den tatsächlichen und rechtlichen Gründen, auf die sich die alternativen, unter b) und c) im Punkt I oben genannten tragenden Gründe der angefochtenen Entscheidung stützen (Nr. 2 und 3 der Entscheidungsgründe).
Mit der Antwort auf den Prüfungsbescheid hatte die Beschwerdeführerin u.a. geänderte Seiten der Beschreibung eingereicht und geltend gemacht, dass die Änderungen eine Anpassung der Beschreibungs einleitung an die Ansprüche und Klarstellungen enthalten, "welche die Teile der Beschreibung, die nicht zur Erfindung gehören, kennzeichnen", und dass "auf eine Streichung der entsprechenden Passagen der Beschreibung [...] verzichtet [wurde], um notwendige Zusammenhänge, die ebenfalls zur Offenbarung gehören und das Verständnis der Erfindung erleichtern, nicht zu verlieren". Der Prüfungsabteilung reichten allerdings sowohl diese Änderungen als auch die Argumente der Beschwerdeführerin nicht aus, die oben erwähnten, im Prüfungsbescheid erhobenen Einwände auszuräumen, wie aus der Begründung in Punkt 2. und 3. der Entscheidung ersichtlich ist. Aus Sicht der Kammer waren diese Einwände hinreichend klar, um es der Beschwerdeführerin zu ermöglichen, die Beschreibung anzupassen.
Außerdem wurde seitens der Beschwerdeführerin kein Antrag auf mündliche Verhandlung oder andere Anträge (z.B. Änderungen im Wege von Hilfsanträgen) gestellt, die gegebenenfalls die Position der Beschwerde führerin hätten sichern können.
Daraus folgt, dass
- die Beschwerdeführerin rechtliches Gehör gemäß Artikel 113(1) EPÜ 1973 zu den tatsächlichen und rechtlichen Gründen erhielt, auf die sich die alternativen, unter b) und c) im [Abschnitt I oben] genannten tragenden Gründe der Entscheidung stützen, und
- keine Umstände ersichtlich sind - und die Beschwerdeführerin auch keine konkreten Angaben gemacht hat -, aus denen zu schließen wäre, dass die Prüfungsabteilung der Beschwerdeführerin gemäß Artikel 94 (3) EPÜ erneut eine Gelegenheit hätte geben müssen, sich zu denselben, unter b) und c) oben genannten Einwänden zu äußern, bzw. dass sie ihr Ermessen willkürlich oder unter Nichtbeachtung von Ausführungsvorschriften ausübte, als sie die Entscheidung - soweit sie sich auf die unter b) und c) [im Abschnitt I] oben genannten Gründe stützt - unmittelbar nach der Erwiderung auf den ersten Bescheid erließ (siehe z.B. T 161/82 (ABl EPA 1984, 551), Nr. 11 der Entscheidungsgründe).
Es ist hierbei anzumerken, dass ein weiterer schriftlicher Bescheid der Prüfungsabteilung gemäß Artikel 94 (3) EPÜ diese bereits im Erstbescheid erhobenen Einwände im Wesentlichen hätte wiederholen müssen, was über die Anforderungen des Artikels 94 (3) EPÜ hinausgeht. Damit erweist es sich für die hier behandelte Frage als unerheblich, dass die Zurückweisung der Anmeldung nach einem einzigen Bescheid der Prüfungsabteilung erfolgte. Die Kammer teilt zwar die Ansicht der Beschwerdeführerin, dass eine telephonische Mitteilung dieses Sachverhaltes an die Beschwerdeführerin mit der Warnung, dass die Anmeldung zurückgewiesen werden könnte, unter den gegebenen Umständen angezeigt gewesen wäre; ein solches Vorgehen ist im EPÜ allerdings nicht vorgeschrieben, und sein Ausbleiben kann unter den vorliegenden Umständen auch keinen wesentlichen Verfahrensfehler im Sinne von Regel 67 EPÜ 1973 begründen.
Die weiteren Ausführungen der Beschwerdeführerin, wonach einige von der Prüfungsabteilung vorgebrachte Beanstandungen gemäß Artikel 84 und Regel 27(1) c) EPÜ 1973 nicht zutreffend sind ([Abschnitt V unten], vorletzter Absatz), können den Standpunkt der Beschwerdeführerin in dieser Frage auch nicht stützen, weil es bei der Prüfung des Vorliegens eines Verfahrensmangels darauf ankommt, ob die im EPÜ verankerten Verfahrensvorschriften eingehalten wurden, und nicht, ob die Beanstandungen der Prüfungs abteilung zutreffend bzw. überzeugend waren (siehe "Rechtsprechung der Beschwerdekammern" 6. Auflage 2010, EPA, Kapitel VII, E-17.4.5).
4. In Anbetracht der obigen Ausführungen ist die Kammer der Ansicht, dass eine Rückzahlung der Beschwerde gebühr allein aufgrund des im [Punkt 2.] oben festgestellten Verfahrensmangels nicht dem Erfordernis der Billigkeit gemäß Regel 67 EPÜ 1973 entsprechen würde, weil sich die Zurückweisungs entscheidung auch auf zusätzliche, alternative Gründe stützt, die - wie im [Punkt 3. oben] dargelegt - keinen Anlass zur Beanstandung eines wesentlichen Verfahrensmangels geben und gegen die die Beschwerdeführerin auf jeden Fall hätte Beschwerde einlegen müssen, um eine Aufhebung der Entscheidung zu erreichen (siehe z.B. Entscheidungen T 893/90, Nr. 5.2 der Entscheidungsgründe, T 219/93, Nr. 6, T 4/98 (ABl EPA 2002, 139), Nr. 13.3, und T 978/04, Nr. 4)."
V. Mit Schreiben vom 22. November 2010 hat die Beschwerdeführerin den Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und um Entscheidung nach Aktenlage gebeten.
Daraufhin hat die Kammer den Termin zur mündlichen Verhandlung aufgehoben.
1. Dem Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wurde von der Prüfungsabteilung nicht stattgegeben, der Beschwerde jedoch nach Artikel 109 EPÜ 1973 vollständig abgeholfen. Damit ist lediglich noch eine Entscheidung über den Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr zu treffen, welche gemäß Regel 67 EPÜ 1973 davon abhängt, ob die Rückzahlung der Beschwerdegebühr "wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels der Billigkeit entspricht". Hierfür ist die Beschwerdekammer zuständig (siehe G 3/03 (ABl EPA 2005, 344), Nr. 1 und 2 der Entscheidungsformel).
2. Mit der begründeten Mitteilung, die der Ladung zur mündlichen Verhandlung beilag, vertrat die Kammer die vorläufige Auffassung, dass die Entscheidung der Prüfungsabteilung zwar mit einem Verfahrensmangel behaftet ist (Abschnitt IV oben, Nr. 2), die beantragte Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falls jedoch nicht der Billigkeit im Sinne von Regel 67 EPÜ 1973 entsprechen würde (Abschnitt IV, Nr. 3 und 4).
Die Beschwerdeführerin hat sich zu der vorläufigen Auffassung der Kammer nicht geäußert und dieser auch nicht widersprochen. Außerdem hat die Beschwerdeführerin den Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen und Entscheidung nach Aktenlage beantragt und damit auch zum Ausdruck gebracht, dass sie sich zur Sache weder schriftlich noch mündlich weiter äußern möchte.
3. Die Kammer sieht unter diesen Umständen keine Veranlassung, von ihrer vorläufigen Meinung hinsichtlich der beantragten Rückzahlung der Beschwerdegebühr abzugehen und kommt zu dem Schluss, dass eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr nach den konkreten Umständen des vorliegenden Falls aus den bereits unter Abschnitt IV oben dargelegten Gründen trotz des festgestellten wesentlichen Verfahrensmangels nicht der Billigkeit im Sinne von Regel 67 EPÜ 1973 entsprechen würde.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.