G 0012/91 (Endgültige Entscheidung) 17-12-1993
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Abschluß des schriftlichen Verfahrens
Abgabe der Entscheidung durch die Formalprüfungsstelle an die interne Poststelle des EPA
I. Gegen das europäische Patent Nr. 0 078 208 der Novatome erhob die Gebrüder Sulzer Aktiengesellschaft Einspruch mit dem Antrag, das Patent zu widerrufen.
II. Die Einspruchsabteilung entschied, da ein Antrag auf mündliche Verhandlung nicht gestellt war, im schriftlichen Verfahren. Am 15. September 1988 beschloß die Einspruchsabteilung unter Verwendung des Formblatts 2339.1 die Zurückweisung des Einspruchs. Dieser Vordruck enthält die Unterschriften der drei Mitglieder der Einspruchsabteilung und folgenden Text: "Zurückweisung des Einspruchs (Art. 102 (2) EPÜ) mit Form 2330". Der Vordruck 2330.2 enthält die Zurückweisung des Einspruchs, die Rechtsmittelbelehrung und als Anlage die Gründe der Entscheidung auf sieben Seiten des Vordrucks 2916. Der Vordruck 2330.2 weist das aufgestempelte Datum vom 12. Oktober 1988 auf.
Der Vordruck 2330.2 nebst Vordruck 2916 wurde den Parteien durch eingeschriebenen Brief mit Rückschein zugestellt. Die eingeschriebenen Briefe wurden vom EPA am 12. Oktober 1988 zur Post gegeben.
III. Mit Schreiben vom 4. Oktober 1988, eingegangen beim EPA am 6. Oktober 1988, beantragte die Patentinhaberin die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage geänderter neuer Ansprüche 1 bis 8, die an die Stelle der erteilten Ansprüche 1 bis 9 treten sollten. Die erteilten Ansprüche 1 und 2 wurden zu einem neuen Anspruch 1 zusammengefaßt. Das Schreiben vom 4. Oktober 1988 wurde der Einsprechenden mit Schreiben vom 17. Oktober 1988 zugestellt, es wurde aber bei der von der Einspruchsabteilung erlassenen Zurückweisungsentscheidung nicht mehr berücksichtigt.
IV. Gegen die Zurückweisungsentscheidung mit Datum vom 12. Oktober 1988 richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden. Zur Begründung trägt sie u. a. vor, daß die Einspruchsabteilung das Patent nicht mit den erteilten Ansprüchen aufrechterhalten durfte, denn im Zeitpunkt der Entscheidung sei der Patentinhaber mit der Aufrechterhaltung des Patents nur noch in der geänderten, nicht aber in der erteilten Fassung einverstanden gewesen. Die Nichtberücksichtigung des Antrags des Patentinhabers vom 4. Oktober 1988 stelle einen Verstoß gegen Regel 58 EPÜ dar, der eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr rechtfertige.
V. Für die Entscheidung über die Beschwerde ist die Technische Beschwerdekammer 3.2.4 zuständig. In ihrer Vorlageentscheidung vom 22. November 1991 weist die Kammer darauf hin, daß dem EPÜ nicht zu entnehmen sei, zu welchem Zeitpunkt die interne Entscheidungsfindung einer Abteilung des EPA in einem schriftlichen Verfahren abgeschlossen sei. Dieser Zeitpunkt müsse aber klar festliegen, damit die Abteilung nicht eine unzutreffende Entscheidung treffe, weil sie z. B. einen Änderungsantrag, eine neue Entgegenhaltung oder einen Antrag auf mündliche Verhandlung nicht berücksichtige. Werde daher eine Entscheidung einer Abteilung des EPA im schriftlichen Verfahren getroffen, so gebe es im Prinzip drei verschiedene Zeitpunkte, zu denen das interne Verfahren für den Erlaß einer Entscheidung als abgeschlossen angesehen werden könnte:
a) den Zeitpunkt, zu dem die Mitglieder der Abteilung den datierten Vordruck alle unterschrieben haben;
b) die Abgabe der mit Gründen versehenen Entscheidung durch die Formalprüfungsstelle der Abteilung an die Poststelle des EPA;
c) die Übergabe der mit Gründen versehenen Entscheidung an die Post.
Aus diesen Gründen beschloß die Kammer 3.2.4, der Großen Beschwerdekammer folgende Rechtsfrage vorzulegen:
"Zu welchem Zeitpunkt gilt der Entscheidungsfindungsprozeß innerhalb einer Prüfungs- oder einer Einspruchsabteilung des EPA als abgeschlossen, wenn deren Entscheidung nicht am Schluß einer mündlichen Verhandlung verkündet, sondern nach Abschluß eines schriftlichen Verfahrens oder eines nach einer mündlichen Verhandlung schriftlich fortgeführten Verfahrens erlassen wird?"
VI. Zur Klärung der Frage, wann eine Einspruchsabteilung im schriftlichen Verfahren eine Entscheidung erlassen hat, hat die Große Beschwerdekammer den Präsidenten des EPA um Unterrichtung über die tatsächliche Handhabung gebeten. Dieser Bitte hat der Präsident entsprochen und mitgeteilt, daß für den Erlaß einer Entscheidung zwei Daten aus unterschiedlichen Gründen bedeutsam seien.
Das erste Datum sei das Datum der schriftlichen Entscheidung, an dem diese von den Mitgliedern der Einspruchsabteilung unterschrieben werde. Dieses Datum werde vom Vorsitzenden der Einspruchsabteilung, der das in der Akte verbleibende Original der Entscheidung (Vordruck 2339) immer zuletzt unterschreibe, hinzugefügt. Es erlaube die Feststellung, daß die Entscheidung von der Einspruchsabteilung in zutreffender Besetzung erlassen worden ist. Dieses Datum werde den Parteien nicht mitgeteilt, da es für sie in der Regel nicht von Interesse sei. In außergewöhnlichen Fällen, wenn sich die Frage der richtigen Besetzung der Einspruchsabteilung stelle, könnten die Parteien durch Akteneinsicht von diesem Datum Kenntnis nehmen.
Das zweite Datum sei für die Parteien von größerer Bedeutung, denn dieses gebe den Zeitpunkt der Abgabe der Entscheidung durch das EPA zur Post an, der gemäß Regel 78 (3) EPÜ für die Berechnung der Fristen maßgebend sei. Nachdem die Mitglieder der Einspruchsabteilung die Entscheidung auf dem Vordruck 2339.2 unterschrieben hätten, kontrolliere der erste Prüfer die Reinschrift der Entscheidungsgründe. Danach werde die Akte an die Formalprüfungsstelle zur Vorbereitung der Zustellung der Entscheidung übergeben. Der Formalsachbearbeiter setze auf dem Vordruck 2330 das Datum der Abgabe der Entscheidung zur Post ein. Um sicher zu sein, daß das eingesetzte Datum auch tatsächlich das Datum der Abgabe zur Post darstelle, werde es systematisch um drei Tage vordatiert. Das sei in der GD2-Mitteilung 1/88-III vom 22. Februar 1988 geregelt. Könne die Entscheidung an dem vorgesehenen Datum der Post nicht übergeben werden, so gebe die interne Poststelle des EPA die Entscheidung an den Formalsachbearbeiter der Einspruchsabteilung zur entsprechenden Änderung des Datums zurück.
Des weiteren führte der Präsident aus, das Enddatum, an dem Eingaben der Parteien des Einspruchsverfahrens noch berücksichtigt werden könnten, sei das Datum, an dem die schriftliche, zuzustellende Entscheidung das Amt noch nicht verlassen habe, also wenn sie seinem Gewahrsam noch nicht entzogen sei. Selbst wenn die an die Parteien zuzustellende Entscheidung vom Formalsachbearbeiter bereits an die interne Poststelle abgeschickt worden sei, bemühe sich die Einspruchsabteilung, den Zustellungsvorgang zu unterbrechen und die Entscheidung zurückzuholen.
VII. Den Parteien ist die Stellungnahme des Präsidenten des EPA zugestellt worden. Sie haben sich dazu nicht geäußert.
1. Die der Großen Beschwerdekammer vorgelegte Rechtsfrage, zu welchem Zeitpunkt das interne Verfahren abgeschlossen ist, wenn eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren erlassen wird, ist - wie sich aus der Vorlageentscheidung ergibt - ein wesentlicher Teilaspekt der generellen Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die erste Instanz des EPA noch Eingaben der Parteien berücksichtigen kann.
2. Bei der Bestimmung dieses Zeitpunktes ist zwischen Entscheidungen, die nach Beendigung der sachlichen Debatte aufgrund mündlicher Verhandlung ergehen, und solchen Entscheidungen, die im schriftlichen Verfahren getroffen werden, zu unterscheiden. Findet eine mündliche Verhandlung statt, so kann eine Entscheidung verkündet werden. Mit ihrer Verkündung wird die Entscheidung existent. Diesem Zeitpunkt entspricht im schriftlichen Verfahren die Zustellung der Entscheidung. Mit der Verkündung und im schriftlichen Verfahren mit der Zustellung wird die Entscheidung wirksam und kann nicht mehr von der Stelle, die sie erlassen hat, von sich aus geändert werden. Eine Aufhebung der erlassenen Entscheidung durch die erlassende Stelle ist nur im Wege der Abhilfe gemäß Artikel 109 EPÜ möglich, wenn von einer Partei eine zulässige und begründete Beschwerde eingelegt wird.
3. Der Zeitpunkt des Wirksamwerdens einer Entscheidung, also der Zeitpunkt der Verkündung oder der Zustellung, ist aber nicht der Zeitpunkt, bis zu dem die Parteien noch vortragen können. Dieser Zeitpunkt liegt früher, damit die entscheidende Stelle die zu erlassende Entscheidung aufgrund des abgeschlossenen Vortrags der Parteien beraten und nach Beratung treffen kann. Im Verfahren mit mündlicher Verhandlung ist das nach der Rechtsprechung der Beschwerdekammern der Zeitpunkt, zu dem die erlassende Stelle - wenn die Parteien ihren Vortrag abgeschlossen haben - die sachliche Debatte für beendet erklärt, um danach die Entscheidung zu beraten (vgl. J 42/89 vom 30. Oktober 1991; T 762/90 vom 29. November 1991, EPOR 1993, 296; T 595/90 vom 24. Mai 1993, Leitsatz veröffentlicht in ABl. EPA 1993, Heft 11, Seite XVII). Nach Beendigung der sachlichen Debatte kann weiteres Vorbringen der Parteien nicht mehr berücksichtigt werden, es sei denn, die entscheidende Stelle gestattet den Parteien unter Fristsetzung, Stellung zu nehmen, oder sie beschließt, die mündliche Verhandlung zur weiteren sachlichen Erörterung wieder zu eröffnen.
4. Bei Entscheidungen im schriftlichen Verfahren sollte der Zeitpunkt, bis zu dem Vorbringen der Parteien noch zu berücksichtigen sind, dem Zeitpunkt der Beendigung der sachlichen Debatte im Verfahren mit mündlicher Verhandlung entsprechen. Er muß aus Gründen der Rechtssicherheit ebenso eindeutig festliegen wie der Zeitpunkt, zu dem in der mündlichen Verhandlung die sachliche Debatte für beendet erklärt wird. Eine Regelung dieses Zeitpunkts ist weder im Übereinkommen noch in seiner Ausführungsordnung enthalten. Folgende Zeitpunkte wurden von der Großen Beschwerdekammer auf ihre Geeignetheit überprüft:
a) Unterschrift der Mitglieder der Abteilung auf dem dafür vorgesehenen Vordruck 2339, genauer gesagt, Unterschrift des Vorsitzenden der Abteilung, der immer als letzter unter Hinzufügung des Datums unterschreibt;
b) Übergabe der Reinschrift der Entscheidung durch die Abteilung an die Formalprüfungsstelle zum Zwecke der Zustellung der Entscheidung;
c) Abgabe der zuzustellenden Entscheidung durch die Formalprüfungsstelle an die interne Poststelle des Amts unter Hinzufügung des aufgestempelten und vordatierten Datums der Übergabe der Entscheidung durch die interne Poststelle des Amts an die Post;
d) Übergabe der zuzustellenden Entscheidung durch die interne Poststelle des Amts an die Post.
5. Von den unter Punkt 4 genannten Zeitpunkten bieten sich auf den ersten Blick die unter a) und unter d) genannten Zeitpunkte als maßgebend an, weil sie datenmäßig exakt bestimmt sind.
6. Der Zeitpunkt unter 4. d), also die Übergabe der Entscheidung an die Post zum aufgestempelten Datum, wurde in der Entscheidung der Kammer 3.3.1 vom 7. August 1989 (T 598/88, Beilage zum ABl. EPA 1990, S. 43) für entscheidend angesehen. Vor dem angegebenen Datum der Entscheidung sei ein Antrag auf mündliche Verhandlung eingegangen, dem hätte entsprochen werden müssen, da er vor dem Datum der Entscheidung vorgelegen habe.
6.1 Der Entscheidung ist zuzugeben, daß die den Parteien zugestellte Entscheidung den Eindruck erwecken kann, sie sei an dem aufgestempelten Tage erlassen worden. Das ist jedoch - wie sich aus der Auskunft des Präsidenten des EPA und der internen GD2-Mitteilung 1/88-III vom 22. Februar 1988 ergibt - nicht der Fall. Das den Parteien durch Aufstempelung mitgeteilte Datum ist vielmehr das Datum, an dem die Entscheidung von der EPA-Poststelle der Post übergeben worden ist. Der Zeitpunkt des Erlasses der Entscheidung wird in der Entscheidung nicht mitgeteilt.
6.2 Diese Verfahrensweise ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, denn das EPÜ schreibt nicht vor, daß die Entscheidungen der ersten Instanz den Tag des Erlasses enthalten müßten. Die Angabe des Tages, an dem die Entscheidung erlassen worden ist, schreibt das Übereinkommen in Regel 66 (2) EPÜ nur für Entscheidungen der Beschwerdekammern vor, also nur für letztinstanzliche Entscheidungen. Diese Regelung ermöglicht es dem EPA, die Entscheidungen erster Instanz nicht mit dem Datum ihres Erlasses, sondern lediglich mit dem Tag ihrer Abgabe zur Post zu versehen.
Diese Handhabung steht im Einklang mit dem EPÜ und bietet den Vorteil, daß die Parteien anhand dieses Datums den durch das EPÜ bestimmten Tag der Zustellung leicht feststellen können, denn nach Regel 78 (3) EPÜ gilt die Zustellung mit dem 10. Tag nach der Abgabe zur Post als erfolgt.
Aus diesen Gründen kommt das auf der Entscheidung aufgestempelte Datum nicht als Zeitpunkt in Betracht, bis zu dem die Parteien noch Eingaben einreichen könnten, die berücksichtigt werden müßten.
7. Den Zeitpunkt unter 4. a), also das Datum, an dem die drei Mitglieder der Abteilung den dafür vorgesehenen Vordruck unterschreiben, scheint die Kammer 3.3.1 in ihrer Entscheidung vom 3. April 1989 (T 584/88, EPOR 1989, Seite 449) für den maßgebenden Zeitpunkt zu halten. In diesem Fall hatten die drei Mitglieder der Prüfungsabteilung das Formular 2048 mit der Zurückweisung der Patentanmeldung am 8. Juni 1988 unterschrieben. Diese Entscheidung wurde an dem aufgestempelten Datum vom 13. Juli 1988 zur Post gegeben. In der Zwischenzeit schied der erste Prüfer am 1. Juli 1988 aus der Prüfungsabteilung aus, er hatte aber vorher, nämlich am 22. Juni 1988, durch einen handschriftlichen Vermerk in den Akten von den Entscheidungsgründen zustimmend Kenntnis genommen. Daraus schloß die Kammer, daß die Entscheidung in ordnungsgemäßer Besetzung der Prüfungsabteilung zustande gekommen sei.
7.1 Das Datum der Unterschrift der drei Mitglieder einer Prüfungs- oder Einspruchsabteilung ist ein sehr wesentliches Datum, denn an diesem Tag trifft die jeweilige Abteilung die Entscheidung in der Sache, nämlich ob eine Anmeldung oder ein Einspruch zurückgewiesen oder ein Patent erteilt oder widerrufen werden soll. Allerdings handelt es sich in diesem Zeitpunkt immer noch um eine Entscheidung "in camera", denn die in der Sache getroffene Entscheidung entfaltet zu diesem Zeitpunkt noch keine Außenwirkung für die Parteien und bindet demgemäß auch die Abteilung noch nicht. Sollte die Abteilung nach der Unterschrift feststellen, daß sie einen wesentlichen Gesichtspunkt übersehen hat, so wäre sie berechtigt, die von ihr bereits unterschriebene Entscheidung, die sich noch in ihren Händen befindet, zu ändern.
7.2 Daß es sich bei der Entscheidung im Zeitpunkt der Unterschrift der Mitglieder sozusagen noch um eine Entscheidung "in statu nascendi" handelt, zeigt der Fall T 584/88 ganz deutlich. In diesem Fall war die Sachentscheidung am 8. Juni 1988 getroffen worden, aber erst am 22. Juni 1988 lag die Zustimmung des ersten Prüfers zu der mit Gründen versehenen Entscheidung vor.
7.3 In Übereinstimmung damit steht auch die Stellungnahme des Präsidenten des EPA, der das Datum der Unterschrift der Mitglieder der Abteilung im Vergleich zum Datum der Abgabe der Entscheidung zur Post von untergeordneter Bedeutung hält, das infolgedessen auch den Parteien nicht mitgeteilt werde. In außergewöhnlichen Fällen, wenn es sich um die Frage der richtigen Besetzung der Abteilung handele, könnten die Parteien das Datum durch Akteneinsicht feststellen.
7.4 Auch das EPÜ selbst mißt dem Datum der Unterschrift der Abteilungsmitglieder keine besondere Bedeutung zu. Wie bereits oben ausgeführt (siehe Punkt 6.2), verlangt das Übereinkommen anders als bei Beschwerdekammerentscheidungen nicht, daß das Datum der Unterschrift in der Entscheidung genannt und den Parteien mitgeteilt wird. Daraus kann man den Schluß ziehen, daß der Gesetzgeber mit dem Datum der Unterschrift nicht die weitreichende Folge verbinden wollte, daß nach diesem Zeitpunkt die Abteilung an ihre unterschriebene Entscheidung gebunden wäre und nach diesem Datum eintretende wesentliche Umstände nicht mehr berücksichtigen dürfte. Wäre das die Absicht des Gesetzgebers gewesen, so hätte er - wie bei Beschwerdekammerentscheidungen - die Angabe des Datums des Erlasses der Entscheidung gefordert.
7.5 Der innere Grund für die unterschiedliche Behandlung von Beschwerdekammerentscheidungen und Entscheidungen der Prüfungs- und Einspruchsabteilung durch das EPÜ mag auch darin zu finden sein, daß die Entscheidungen erster Instanz mit der Beschwerde anfechtbar sind. Würde der Abschluß des internen Verfahrens für den Erlaß einer Entscheidung der ersten Instanz bereits mit dem Datum der Unterschriften der Abteilungsmitglieder, das die Parteien nicht kennen, eintreten, so würden dadurch überflüssige Beschwerden provoziert, weil die erste Instanz entscheidungserhebliche Umstände nicht mehr berücksichtigen könnte, die nach diesem Datum eingetreten sind, obwohl die Entscheidung noch im Schoße der Abteilung ruht.
7.6 Nach Abwägung aller Umstände, die dafür und dagegen sprechen, kommt die Große Beschwerdekammer zu der Auffassung, daß das Datum der Unterschrift nicht den Schlußpunkt unter das interne Verfahren für den Erlaß einer Entscheidung setzt.
8. Kann man aus den oben dargelegten, wohl abgewogenen Gründen weder das auf derEntscheidung aufgestempelte Datum noch das Datum der Unterschrift unter die Sachentscheidung als Endpunkt des Entscheidungsverfahrens in erster Instanz ansehen, so fragt sich, welcher Zeitpunkt dafür in Betracht zu ziehen ist. Dieser Zeitpunkt muß im Interesse der ordnungsgemäßen Durchführung der Verfahren vor dem EPA einerseits und der Parteien andererseits eindeutig festliegen, damit sowohl die Abteilung als auch die Parteien genau wissen, bis zu welchem Zeitpunkt entscheidungserhebliche Umstände noch in Erwägung zu ziehen sind.
Für diesen Zweck ist der Zeitpunkt unter 4. b), also die Übergabe der Reinschrift durch die Abteilung an die Formalprüfungsstelle zum Zwecke der Zustellung, ungeeignet, da dieser Zeitpunkt aus den Akten nicht feststellbar ist und daher auch den Parteien unbekannt ist.
9. Es bleibt zu prüfen, ob der Zeitpunkt unter 4. c), also die Abgabe der Entscheidung mit aufgestempeltem, vordatiertem Datum durch die Formalprüfungsstelle der Abteilung an die interne Poststelle des EPA, als maßgebend in Betracht gezogen werden kann.
9.1 Gegen dieses Datum spricht auf den ersten Blick die Tatsache, daß auch dieses Datum den Parteien nicht ausdrücklich mitgeteilt wird. Es ist jedoch für die Parteien sehr leicht feststellbar, denn nach der Stellungnahme des Präsidenten des EPA liegt dieses Datum immer drei Tage vor dem aufgestempelten Datum. Durch interne Amtsanweisungen ist sichergestellt, daß zwischen Aufstempelung des Absendedatums und Abgabe zur Post immer drei Tage liegen. Kann die interne Poststelle - aus welchen Gründen auch immer - die Entscheidung an dem aufgestempelten Datum nicht zur Post geben, so gibt sie die Entscheidung an die Formalprüfungsstelle zurück, und sie wird mit einem neuen Datum versehen, das wiederum drei Tage vor der Abgabe zur Post liegt. Durch dieses Verfahren ist einwandfrei gewährleistet, daß die Aufstempelung des Absendedatums in jedem Fall drei Tage vor dem auf der Entscheidung angegebenen Datum liegt. Damit ist dieses Datum sowohl für das EPA als auch für die Parteien auf einfache Weise feststellbar. Es erfüllt somit die an den Erlaß einer Entscheidung zu stellenden strikten Anforderungen der Rechtssicherheit.
9.2 Vergleicht man das schriftliche Verfahren mit dem Verfahren mit mündlicher Verhandlung, so entspricht der Zeitpunkt der Abgabe der Entscheidung durch die Formalprüfungsstelle der Abteilung an die interne Poststelle des EPA dem Zeitpunkt der Beendigung der sachlichen Debatte in der mündlichen Verhandlung. Beide Zeitpunkte markieren eindeutig den Zeitpunkt, bis zu dem die Beteiligten mit der Berücksichtigung etwaigen Vorbringens rechnen können, sofern dieses Vorbringen nicht nach den einschlägigen Bestimmungen des Übereinkommens (Art. 114 (2) und Regel 86 (3) EPÜ) von der entscheidenden Stelle als verspätet zurückgewiesen wird.
9.3 Mit der Abgabe durch die Formalprüfungsstelle an die interne Poststelle zum Zwecke der Zustellung verläßt die Entscheidung die Akten und ist damit dem Einwirkungsbereich der Abteilung entzogen. Zu diesem Zeitpunkt ist das Verfahren für den Erlaß einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren vor der Abteilung abgeschlossen. Nach dem Abschluß des Verfahrens hat die Abteilung keine Möglichkeit mehr, ihre Entscheidung zu ändern. Eingaben der Parteien, die nach diesem Zeitpunkt beim EPA eingehen, sind daher von der Abteilung nicht mehr zu berücksichtigen. Da somit der Zeitpunkt des Abschlusses des Verfahrens bei Erlaß einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren für die Parteien von Bedeutung ist, sollte es in der Entscheidung auch ausdrücklich angegeben werden. Es würde sich ferner empfehlen, daß die Formalprüfungsstelle über den Zeitpunkt der Abgabe der Entscheidungen an die interne Poststelle ein entsprechendes Register führt, aus dem dieser Zeitpunkt jederzeit feststellbar ist.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Das Verfahren für den Erlaß einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist mit dem Tag der Abgabe der Entscheidung durch die Formalprüfungsstelle der Abteilung an die interne Poststelle des EPA zum Zwecke der Zustellung abgeschlossen.