G 0004/88 (Übertragung des Einspruchs) 24-04-1989
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Ubertragung von Rechten - Einsprechendenstellung -
Auflösung der einsprechenden Gesellschaft - juristische Person "
Zusammenfassung des Verfahrens
I. Die MAN Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg Aktiengesellschaft übertrug 1985 ihre Geschäftstätigkeit auf dem Gebiet der Nutzfahrzeuge mit den dazugehörigen gewerblichen Schutzrechten an die MAN Nutzfahrzeuge GmbH. Sie fusionierte anschließend mit der Gutehoffnungshütte Aktienverein Aktiengesellschaft, die daraufhin ihre Firma in MAN Aktiengesellschaft änderte.
II. Nachdem ein von der MAN Maschinenfabrik Augsburg-Nürnberg Aktiengesellschaft im Namen ihres Unternehmensbereichs "Nutzfahrzeuge" eingelegter Einspruch von einer Einspruchsabteilung des EPA zurückgewiesen worden war, legte die MAN Aktiengesellschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin der ursprünglichen Einsprechenden gegen diese Entscheidung Beschwerde ein und beantragte gleichzeitig, daß das Einspruchsverfahren mit der Gesellschaft MAN Nutzfahrzeuge als Erwerberin des vom Einspruch betroffenen Unternehmensbereichs fortgesetzt werde.
III. Auf Antrag der Beschwerdeführerin legte die zuständige Technische Beschwerdekammer mit Entscheidung vom 29. April 1988 der Großen Beschwerdekammer folgende Rechtsfrage vor:
Kann ein beim Europäischen Patentamt anhängiges Einspruchsverfahren nur auf die Erben des Einsprechenden übertragen werden, oder ist es frei oder zusammen mit dem Unternehmen des Einsprechenden oder einem Teil davon übertragbar, der auf einem technischen Gebiet tätig ist, auf dem die Erfindung, die Gegenstand des angefochtenen Patents ist, verwertet werden kann?
IV. Auf einen Bescheid des Berichterstatters der Großen Beschwerdekammer hin zog die Beschwerdeführerin die Begründung an, die sie bereits vor der Technischen Beschwerdekammer vorgebracht hatte. Danach habe nur die Gesellschaft, die den Unternehmenszweig übernommen habe, in dessen Namen der Einspruch eingelegt worden sei, ein Interesse an der Fortsetzung des Verfahrens und sei somit berechtigt, an die Stelle der ursprünglichen Einsprechenden zu treten.
Die Patentinhaberin hat dazu nicht Stellung genommen; von keiner der Beteiligten ist eine mündliche Verhandlung beantragt worden.
1. Nach Artikel 99 (1) EPU hat jedermann ohne Einschränkung das Recht, gegen ein europäisches Patent Einspruch einzulegen.
2. Diese jedermann offenstehende Möglichkeit verwandelt sich erst durch die tatsächliche Einleitung des Verfahrens in ein subjektives Recht des Einsprechenden. Damit entsteht für den Einsprechenden ein Bündel von Verfahrensrechten, die sich daraus ergeben, daß er im Gegensatz zu Dritten, die Einwendungen nach Artikel 115 EPU erheben, Beteiligter am Einspruchsverfahren wird (Art. 99 (4) EPU). Diese Beteiligtenstellung verleiht dem Einsprechenden insbesondere einen Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 113 (1) EPU), das Recht auf eine mündliche Verhandlung (Art. 116 EPU) sowie ein Beschwerderecht gegen die Entscheidung der Einspruchsabteilung (Art. 107 EPU). Außerdem können dem Einsprechenden gegebenenfalls die dem Patentinhaber entstandenen Kosten auferlegt werden (Art. 104 EPU) usw.
3. Für die Beantwortung der gestellten Frage muß zunächst festgestellt werden, ob die Eigenschaft, Beteiligter am Einspruchsverfahren zu sein, übertragbar ist.
4. Die Ubertragung dieser Einsprechendenstellung auf die Erben des Einsprechenden wird im EPU mit der Regel 60 (2) implizit anerkannt; dort heißt es, daß das Einspruchsverfahren auch ohne die Beteiligung der Erben des verstorbenen Einsprechenden fortgesetzt werden kann. Nach den Richtlinien für die Prüfung im Europäischen Patentamt, Teil D, Kapitel I.4 ist in entsprechender Weise auch der Eintritt des Gesamtrechtsnachfolgers in die Einsprechendenstellung zulässig.
5. Die Große Beschwerdekammer ist der Auffassung, daß zur Beantwortung der gestellten Frage nicht geprüft werden muß, ob die Einsprechendenstellung im Hinblick auf Artikel 99 (1) EPU auch unabhängig vom Vorliegen eines berechtigten Interesses übertragen werden kann.
Es braucht hier nur die Rechtslage geprüft zu werden, die durch die Einlegung des Einspruchs in bezug auf das Unternehmen oder einen Teil des Unternehmens der Einsprechenden entstanden ist. Der Begriff Unternehmen ist in diesem Zusammenhang im weitesten Sinne als eine Geschäftstätigkeit zu verstehen, die von der Einsprechenden ausgeübt wird oder ausgeübt werden kann und die einen Bestandteil ihres Vermögens darstellt.
6. Die Große Beschwerdekammer ist der Auffassung, daß der Einspruch unter diesen Umständen ein untrennbares Zubehör dieses Vermögensbestandteils darstellt. Wenn also dieser Vermögensbestandteil nach dem nationalen Recht übertragen oder abgetreten werden kann, muß auch der Einspruch, der Zubehör dieses Vermögensteils ist, nach dem Grundsatz "accessio cedit principali" mit diesem zusammen übertragen oder abgetreten werden können.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden,
daß die der Großen Beschwerdekammer vorgelegte Rechtsfrage wie folgt zu beantworten ist:
"Ist beim Europäischen Patentamt ein Einspruch anhängig, so kann er als zum Geschäftsbetrieb des Einsprechenden gehörend zusammen mit jenem Bereich dieses Geschäftsbetriebes an einen Dritten übertragen oder abgetreten werden, auf den sich der Einspruch