Erfindung: Medizinische Bildgebung mittels optischer Kohärenztomografie (OCT)
Den US-amerikanischen Ingenieuren James G. Fujimoto und Eric A. Swanson sowie dem deutschen Physiker Robert Huber ist es zu verdanken, dass Ärzte heute zur Früherkennung von Krebs, grünem Star (Glaukom) und anderen Krankheiten Echtzeitbilder von menschlichem Gewebe erzeugen können. Ihr revolutionäres bildgebendes Verfahren, die optische Kohärenztomografie (OCT) ist heute Standard bei Augenuntersuchungen.
OCT-Systeme, die
1993 erstmals als klinischer Prototyp vorgestellt wurden, lösen ein Problem in
der medizinischen Diagnostik, für das es zuvor lange keine Lösung gegeben
hatte: eine genaue Beurteilung von Weichteilgewebe und Blutgefäßen - die für
die Diagnose von Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen ganz entscheidend ist -
ohne invasiv vorgehen zu müssen, d. h. in den Körper eindringen zu müssen.
Schon seit Langem werden Biopsien durchgeführt, aber dazu werden Gewebeproben
aus der betroffenen Region entnommen. Als Ideallösung galt dieses Verfahren
nie. Das erste Bildgebungsverfahren dieser neuen Art, die OCT, ermöglicht eine
optische Biopsie: durch die Erstellung von 3-D-Bildern von Weichteilgewebe in
Echtzeit und mit mikroskopischer Auflösung.
Fujimoto und Swanson begannen 1990 am Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston an dieser Entwicklung zu arbeiten, die schließlich zur Anmeldung von mehr als 50 Patenten führte. Der Durchbruch, der ihnen gelang, beruhte darauf, einen Laser auf das Weichteilgewebe zu richten und das "Echo", d. h. die zeitliche Verzögerung der Lichtstrahlen, zu messen. Die OCT, die zunächst für den Bereich der Augenheilkunde entwickelt wurde, ist dort inzwischen zu einem Standardverfahren geworden. 30 bis 40 Millionen Untersuchungen dieser Art werden jährlich durchgeführt.
Nachdem OCT-Geräte für die Augenheilkunde 1996 in den Handel gekommen waren, wurde die Technologie für weitere medizinische Bereiche adaptiert: 2004 kamen kardiovaskuläre OCT-Scanner, gefolgt von Geräten für den Einsatz in der Dermatologie (2010) und in der Gastroenterologie (2013).
Gesellschaftlicher Nutzen
Das Glaukom ist weltweit die zweithäufigste Erblindungsursache. Aktuelle Studien gehen davon aus, dass die Anzahl der Fälle, in denen ein entsprechender Verdacht besteht, bei mehr als 60 Millionen liegt. Um den Sehverlust aufzuhalten, ist es wichtig, die Krankheit so früh wie möglich zu erkennen - dank OCT ist dies nun kein Problem mehr. Mit dieser Technologie steht Ärzten ein neues Werkzeug zur Verfügung, mit dem sie ernsthafte Augenerkrankungen bereits in einem frühen Stadium diagnostizieren können, solange sie noch therapierbar sind. So können der Verlust des Augenlichts und gefährliche Komplikationen in unzähligen Fällen verhindert werden.
Die weite Verbreitung und Verfügbarkeit sowie die Tatsache, dass die Kosten für OCT-Untersuchungen von vielen großen Krankenversicherungen übernommen werden, haben dazu beigetragen, die finanzielle Belastung für Patienten und betreuende Angehörige zu verringern. In neueren Anwendungsbereichen könnte die OCT ebenfalls zu großen Einsparungen führen: Die virtuelle Endoskopie des Magen-Darm-Trakts in der Gastroenterologie beispielsweise könnte jedes Jahr mehr als 600 Mio. EUR sparen. Die Möglichkeit, mittels dieser Technologie auch während einer Operation "Live-Bilder" zu generieren, hat zudem für mehr Sicherheit im OP gesorgt. Auch in der Arzneimittelentwicklung leistet die OCT ihren Beitrag, und sie hilft dabei, Krankheitsursachen besser zu verstehen.
Darüber hinaus liefert die OCT auch den Schlüssel zu nie dagewesenen Präzisionsniveaus in der genetischen Forschung, in der Materialprüfung, der Kunstkonservierung und der optischen Datenspeicherung.
Wirtschaftlicher Nutzen
Von Fujimoto und seinem Team entwickelte und patentierte Schlüsseltechnologien wurden von dem Unternehmen Carl Zeiss gekauft, das als Anbieter von Lösungen in der Optik und Optoelektronik heute marktführend in diesem Bereich ist. Im Geschäftsjahr 2015/2016 erwirtschaftete die Geschäftseinheit "Ophthalmologische Systeme" des Unternehmens - dort sind die OCT-Lösungen angesiedelt - Einnahmen von 421 Mio. EUR. Dies ist ein Anstieg von 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, in dem die Einnahmen bei 392 Mio. EUR lagen.
Das Erfinderteam rief auch eigene Start-ups ins Leben, darunter Advanced Ophthalmic Devices (1992) und LightLab Imaging (1998), die von Fujimoto und Swanson gegründet wurden, und die Optores GmbH (2013), deren Mitgründer Robert Huber war. Die Erfindung hat einen florierenden Markt mit beachtlichen Gründungsaktivitäten hervorgebracht: Etwa 16 000 qualifizierte Mitarbeiter, von Ingenieuren bis zum Krankenhauspersonal, sind im OCT-Sektor beschäftigt. Aktuell gibt es über 100 Unternehmen, die OCT-Systeme und -Komponenten liefern, und weltweit sind mehr als 50 000 OCT-Systeme im klinischen Einsatz.
Zwischen 1996 und 2016 generierte OCT Gesamteinnahmen von mehr als 4,77 Mrd. EUR und kann daher sicherlich als "Blockbuster-Technologie" bezeichnet werden. Branchenexperten von BioOpticsWorld bezifferten das Einkommen, das 2015 mit OCT-Systemen weltweit erwirtschaftet wurde, auf schätzungsweise 688 Mio. EUR. Analysten von Research and Markets gehen davon aus, dass der OCT-Markt mit einer durchschnittlichen jährlichen Wachstumsrate von 12 Prozent wächst und bis zum Jahr 2020 einen Gesamtwert von mehr als 1,5 Mrd. EUR erreicht.