T 1859/06 26-02-2008
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Verbandmaterial auf Folienbasis mit Aufdruck
Neuheit (nein)
Hilfsantrag (nicht zugelassen)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Einspruchsabteilung hat das Europäische Patent Nr. 1093780, in der mündlichen Verhandlung am 22. November 2006 widerrufen. Die begründete Entscheidung wurde am 8. Dezember 2006 zur Post gegebenen. Der unabhängige Anspruch 1, auf dem die Entscheidung basiert, lautet:
"Verbandmaterial auf Folienbasis, das auf der wundabgewandten Seite mit einem Trägermaterial(1) abgedeckt ist, das die gleiche Größe wie die Folie(2) besitzt, dadurch gekennzeichnet, dass auf der wundzugewandten Seite der Folie(2) ein Aufdruck(3) vorhanden ist."
II. Zur Begründung führte die Einspruchsabteilung an, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht neu sei (Artikel 54 EPÜ) gegenüber dem Stand der Technik, insbesondere gegenüber dem Verbandmaterial nach
D9: DE-A-197 08 674.
III. Gegen diese Entscheidung hat die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) mit Schreiben eingegangen am 12. Dezember 2006 Beschwerde eingelegt und die Beschwerdegebühr bezahlt. Mit der am 4. April 2007 eingegangenen Beschwerdebegründung hat sie ihren Antrag auf Aufrechterhaltung des Patents weiterverfolgt.
In der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin erläutert, warum die Lehre der D9 keine neuheitsschädliche Offenbarung für den Gegenstand des Anspruchs 1 darstellen würde. Die D9 beträfe ein Verbandmaterial, das durch den Aufdruckvorgang, wie in Figur 2 dargestellt, hergestellt werde, wobei mittels Siebdruck der Name des Systems auf die Trägerschicht gedruckt werde. Dies wäre kein Aufdruck im Sinne des Streitpatents. Des weiteren würde es sich bei der Argumentation der Einspruchsabteilung um eine wahllose Kombination von Beschreibungspassagen und Darstellungen handeln, die nicht dazu geeignet wäre, eine neuheitsschädliche Offenbarung zu begründen.
IV. Die Beschwerdekammer hat in ihrer Mitteilung vom 17. Oktober 2007 die vorläufige Meinung vertreten, dass der in Figur 2 der D9 dargestellte Aufdruckvorgang eine allgemeine Lehre in Bezug auf die Herstellung der beispielhaften Verbandmaterialien der D9 enthielte und sich nicht vom Verfahren nach Anspruch 6 des Streitpatents unterscheiden würde. Deshalb scheine die Entscheidung der Einspruchsabteilung sachlich gerechtfertigt zu sein.
Mit Schreiben vom 13. August 2007 beantragte die Beschwerdegegnerin die Beschwerde zurückzuweisen und reichte gleichzeitig
D11 WO-A-90/03155
ein.
Die Beschwerdeführerin änderte als Reaktion auf den Bescheid der Kammer ihren Hauptantrag insofern, als sie den erteilten Verfahrensanspruch 6 strich und einen Hilfsantrag 1 mit geändertem Anspruch 1 einreichte.
V. Am 26. Februar 2008 fand die mündliche Verhandlung statt, in der hauptsächlich die Entgegenhaltung D9 diskutiert wurde. Die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und das Patent wie erteilt ohne den erteilten Anspruch 6, oder auf der Basis des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Hilfsantrags aufrecht zu erhalten.
Anspruch 1 des Hilfsantrags lautet:
"Verbandmaterial auf Folienbasis, das auf der wundabgewandten Seite mit einem Trägermaterial(1) abgedeckt ist, das die gleiche Größe wie die Folie(2) besitzt, dadurch gekennzeichnet, dass auf der wundzugewandten Seite der Folie(2) ein Aufdruck(3) vorhanden ist und die Folie(2) mit dem Aufdruck(3) durch zumindest eine weitere Folie(4) abgedeckt ist."
VI. Die Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich im wesentlichen wie folgt zusammenfassen:
Der in Anspruch 1 des erteilten Patents beanspruchte Gegenstand sei neu, da
- die in D9 als Trennschicht(2) bezeichnete Schicht keine erfindungsgemäße Folie(2) darstellen würde. Die Trennschicht(2) der D9 sei zwingend eine lösliche Schicht, welche jedoch nicht die erfindungsgemäßen Merkmale einer das Verbandmaterial bildenden Folie habe, nämlich, dass sie auf der Haut im Verbandmaterial existent sei und sich nicht auflöse. Des weiteren könne eine derartige lösliche Schicht dazu führen, dass der Aufdruck mit der bildlichen Darstellung beim Aufbringen des Verbandmaterials verwischt würde, was im Verbandmaterial des Streitpatents nicht möglich sei;
- das in D9, Figur 4 dargestellte Verbandmaterial ein Filmschichtlaminat(3c, 3b, 3d, 3e) enthalten würde, welches auf die Trennschicht(2) aufgetragen werde. Daher handle es sich nicht um einen Aufdruck im Sinne des Streitpatents. Selbst eine bildliche Darstellung in der Filmschicht(3c) stelle keinen Aufdruck auf der Trennschicht(2) dar, wie es im Streitpatent gefordert sei;
- die Filmschichten(3a - 3e) der D9 mit Farbe bedruckbar wären oder mit Farbe eingefärbt sein könnten. Damit befinde sich ein farbiger Aufdruck auf bzw. in diesen Filmschichten(3a - 3e), nicht aber auf der Trennschicht(2);
- die Ausführungsform der Figur 4 der D9 nach Entfernen des Trägermaterials durch das Auflösen der Trennschicht(2) ein lediglich durch die Filmschichten (3b - 3e) gebildetes Verbandmaterial auf der Haut darstelle;
- die Ausführungsbeispiele der Figuren 2 und 4 der D9 unterschiedliche Formen offenbarten und nicht miteinander vermischt werden könnten.
Des weiteren solle der Hilfsantrag zugelassen werden. Der in Anspruch 1 des Hilfsantrags beanspruchte Gegenstand sei neu, da in D9 keine bildliche Darstellung mittels eines Aufdrucks vorhanden sei, die durch zumindest eine weitere Folie abgedeckt wäre.
VII. Die Beschwerdegegnerin vertrat die Auffassung, in Anspruch 1 des Streitpatents sei keineswegs ein Merkmal vorgesehen, welches eine Abtrennung des Trägermaterials zwingend einschließen würde. Das Verbandsmaterial nach Anspruch 1 würde in dem Zustand beansprucht, in dem es sich vor der Anwendung darstelle und dieser Zustand sei auch in der D9 dargestellt. Die Argumente, die die Anwendung des Verbandmaterials und damit seinen Zustand nach dem Entfernen des Trägermaterials beträfen, seien daher irrelevant.
Es sei auch hinsichtlich des Aufdrucks dem Anspruch 1 nicht zu entnehmen, zu welchen Bedingungen und wie lange dieser erhalten bleiben müsse. Ebenso könnten adhäsive Materialien einen erfindungsgemäßen Aufdruck darstellen.
Die Figuren 1, 3 und 4 der D9 zeigten ein Verband-material mit allen Merkmalen des Anspruchs 1 des Streitpatents. Dementsprechend wären auch alle Merkmale des im Streitpatent offenbarten Verfahrens (Absatz [0033]) jeweils aus der D9 bekannt. Damit sei die Merkmalskombination des Anspruchs 1 nicht neu (Artikel 100 a) EPÜ).
In Bezug auf den Gegenstand des Anspruchs 1 des Hilfsantrags wies sie darauf hin, dass die Hinzufügung der Merkmale des Anspruchs 2 zu den Merkmalen des erteilten Anspruchs 1 nicht den Einwand der mangelnden Neuheit ausräumen würde. Dies sei ein verspätet vorgebrachter Antrag und daher nicht zuzulassen.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
2. Neuheit - Artikel 54 EPÜ
2.1 D9 offenbart ein transdermales therapeutisches System auf Folienbasis (Titel, Figuren), das auf der wundabgewandten Seite mit einer Trägerschicht(1) aus Papier oder Gewebe, einem Vlies oder einer Polymermembran abgedeckt ist (Sp. 3, Z. 18 - 22). Diese Trägerschicht(1) besitzt die gleiche Größe (Figuren 1, 3 und 4) wie eine lösliche Trennschicht(2), die entweder wasserlöslich ist und aus Polyvinylalkohol (Sp. 7, Z. 54) oder aus Polysaccharid, Polyvinylpyrrolidon, Polyethylenglykol oder Gelatine (Sp. 4, Z. 43 - 47) bestehen kann oder fettlöslich ist und aus Triglycerid oder Wachs (Sp. 4, Z. 43 - 50) bestehen kann.
Auf der wundzugewandten Seite der Trennschicht(2) der D9 ist ein Aufdruck vorhanden, wobei das mit der Trennschicht(2) versehene Papier als Trägerschicht für den folgenden Druckvorgang (Siebdruckverfahren) dient, durch welchen mit Farbe der Name des Systems auf die Trägerschicht gedruckt wird (Sp. 7, Z. 53 - 64). Ebenso können einzelne Filmschichtsegmente mit Hilfe des Siebdruckverfahrens aufgebracht werden (Sp. 7, Z. 35 - 38). Die Filmschichten können farbige pflanzliche Zubereitungen (Sp. 6, Z. 48 - Sp. 7, Z. 16) enthalten. Ferner ist es möglich, flächenförmige Systeme zur Abgabe von Wirkstoffen an die Haut durch ein oder mehrere Druckverfahren zu erhalten, wobei die mit der Haut in Berührung kommende selbsthaftende Matrixschicht durch das Druckmedium ausgebildet wird und einen oder mehrere Wirkstoffe aufweisen kann (Sp. 9, Z. 35 - 55). Solche Systeme sind im wesentlichen wirkstoffhaltige Filmschichten, die in einem oder mehreren Einzeldruckschritten aufgetragen werden, wobei auch Teilbereiche bedruckt werden können (Sp. 10, Z. 11 - 15).
D9 erwähnt als vorteilhaft, die Filmschichten durch Siebdruck aufzutragen (Sp. 10, Z. 22/23). Eine Filmschicht kann auch haftklebend ausgeführt sein (Sp. 10, Z. 39/40), die Filmschicht/en kann/können Wirkstoffextrakte enthalten oder, falls der Wirkstoffextrakt selbst filmbildende Eigenschaften besitzt, kann die Filmschicht allein aus dem Wirkstoff bzw. dem entsprechenden Extrakt bestehen (Sp. 6, Z. 48 - Sp. 7, Z. 16).
Das Verbandmaterial nach D9 zeigt daher alle Merkmale des Anspruchs 1.
Zusätzlich und in Übereinstimmung mit diesem Verbandmaterial, offenbart D9 einen diesbezüglichen Herstellungsvorgang in Figur 2. Dabei erfolgt der Aufdruck direkt auf die Seite des Trägermaterials, auf der sich die Trennschicht(2) befindet. Dieses Herstellungsverfahren (auch in Verbindung mit der Beschreibung in Sp. 7, Z. 43 - Sp. 8 Z. 9 und Sp. 10, Z. 4 - 29) weist daher alle Merkmale des erfindungsgemäßen Verfahrens, wie es in Absatz [0033] des Streitpatents offenbart ist, auf.
2.2 Bei dem Verbandmaterial gemäß D9 handelt es sich definitiv um ein Verbandmaterial auf Folienbasis. Ein Verbandmaterial auf Folienbasis bedeutet, dass eine Folie (oder ein Filmmaterial) einen (wesentlichen) Teil des Verbandmaterials darstellt. Dies stellt keine weitere Einschränkung der Merkmale des Anspruchs 1 dar. Da jede der Filmschichten aus D9 aus Polymeren bestehen kann, wie sie auch für die Folie(2) des Streitpatents genannt werden (Sp. 4, Z. 54 - Sp. 5, Z. 11), trifft der Ausdruck "Verbandmaterial auf Folienbasis" auch auf das Verbandmaterial der D9 zu.
2.3 Die Beschwerdeführerin ist der Meinung, dass dieser Ausdruck beinhalten würde, dass die Folie auch im angewandten Zustand ein wesentlicher Teil des Verbandmaterials sein müsse. Dies ist jedoch zum einen im Anspruch 1 nicht gefordert und zum anderen auch durch D9 gegeben, insofern als mehrere Filmschichten (Folienschichten) im applizierten Verbandmaterial vorhanden sind.
2.4 Die Beschwerdeführerin ist weiter der Meinung, dass das Merkmal, dass der Aufdruck auf der "wundzugewandten Seite der Folie" vorhanden sei, der D9 nicht zu entnehmen sei, da die Trennschicht(2) nicht auf der Haut verbleibe. Letzteres ist jedoch auch gemäß Anspruch 1 des angegriffenen Patents nicht erforderlich. In D9 wird die Trennschicht(2) direkt bedruckt, die der Folie(2) im Streitpatent entspricht. Der Druck wird in D9 auf der Trägerschicht, die aus Träger und Trennschicht besteht, durchgeführt, wie der Verfahrensablauf nach Figur 2 zeigt. Ebenso kann ein Farbdruck erfolgen und weitere Filmschichten können mittels weiterer Siebdruckschritte aufgebracht werden. Der Aufdruck findet daher auf der wundzugewandten Seite der Folie statt. Damit sind auch die diesbezüglichen Merkmale des Anspruchs 1 eindeutig aus der D9 bekannt.
Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass der Aufdruck (3c) auf der Filmschicht(3b) in Figur 4 der D9 vorhanden sei und nicht auf der Trennschicht(2), betrifft nur den Gegenstand, wie er sich möglicherweise bei der Anwendung darstellt. Im Gegenstand vor der Anwendung ist der Aufdruck(3c) jedenfalls auf der wundzugewandten Seite der Trennschicht(2) vorhanden.
2.5 Die Beschwerdeführerin ist ferner der Meinung, dass dadurch, dass die in D9 offenbarte Trennschicht löslich ist auch jedweder farbliche Aufdruck bei der Applikation und Anwendung der Verbandsmaterialien nach D9 verschwunden wäre. Dies wäre lediglich zu diskutieren, falls ein Fortbestehen des "farblichen" Aufdrucks über den gesamten Verlauf der Anwendung des Verbandmaterials beansprucht würde. Dies wird in Anspruch 1 des angegriffenen Patents nicht gefordert.
2.6 Aus den oben dargelegten Gründen kommt die Kammer zu dem Schluss, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 im Stand der Technik nach D9 bekannt ist und somit nicht neu ist (Artikel 54 EPÜ).
3. Hilfsantrag
3.1 Zulässigkeit
Nach Artikel 13(1) der Verfahrensordnung der Beschwerdekammern steht es im Ermessen der Kammer, Änderungen des Vorbringens eines Beteiligten nach Einreichung seiner Beschwerdebegründung oder Erwiderung zuzulassen und zu berücksichtigen. Bei der Ausübung des Ermessens werden insbesondere die Komplexität des neuen Vorbringens, der Stand des Verfahrens und die gebotene Verfahrensökonomie berücksichtigt. Im vorliegenden Fall wurde dieser Hilfsantrag in einem sehr späten Verfahrensstadium eingereicht, nämlich während der mündlichen Verhandlung. Die Relevanz der D9 war lange vorher ausführlich in der angefochtenen Entscheidung und im schriftlichen Beschwerdeverfahren nochmals diskutiert worden.
Das aus dem erteilten Anspruch 2 nun in Anspruch 1 aufgenommene Merkmal, dass "die Folie(2) mit dem Aufdruck(3) durch zumindest eine weitere Folie(4) abgedeckt ist", kann die vorgebrachten Einwände nicht ausräumen. Dieses Merkmal beinhaltet nicht, wie vom Beschwerdeführer vorgebracht, dass eine bildliche Darstellung mittels eines Aufdrucks vorhanden sei. Ein anspruchsgemäßer Aufdruck wird bereits durch eine in einem Druckverfahren aufgebrachte weitere (farbige/wirkstoffhaltige/adhäsive) Folie/Filmschicht erreicht.
Wie in den Figuren 3 und 4 der D9 gezeigt, können in dem Verbandmaterial mehrere Filmschichten (3a - 3e) vorhanden sein. Diese können sowohl Wirkstoffe wie auch adhäsive Anteile enthalten können. Für den beispielhaften Fall, dass der Aufdruck(3) des Streitpatents der Filmschicht(3c) in der Figur 4 der D9 entspricht, so sind die Filmschichten(3b, 3d) als weitere Abdeckung dieser Filmschicht(3c) vorhanden. Allein daraus ergeben sich begründete, erhebliche Zweifel an der Neuheit des Gegenstands des Anspruchs 1 des Hilfsantrags.
In einem so späten Stadium des Verfahrens kann aus Gründen der Verfahrensökonomie ein Antrag u. a. nur dann zugelassen werden, wenn er einen erfolgversprechender Versuch zur Ausräumung des erhobenen Einwands darstellt. Dies gilt umso mehr, wenn der diesbezügliche Einwand der fehlenden Neuheit nicht neu ist, sondern bereits in der Entscheidung der Einspruchsabteilung dargelegt und in dem Bescheid zur Ladung zur mündlichen Verhandlung vor der Beschwerdekammer wiederholt wurde. Die während der Verhandlung vorgebrachten Argumente gingen diesbezüglich nicht über die bereits schriftlich vorliegenden Stellungnahmen hinaus. Ein derartiger Antrag mit diesem Inhalt hätte deshalb bereits lange vor der mündlichen Verhandlung eingereicht werden können. Es wurde auch keine stichhaltige Begründung für das verspätete Einreichen vorgelegt. Da wie oben erläutert, der Wortlaut des Anspruchs 1 des Hilfsantrags nicht geeignet erscheint, den Einwand der mangelnden Neuheit des Gegenstandes auszuräumen, fehlt ihm von vornherein jede Erfolgsaussicht. Daher wird dieser Antrag in Ausübung des Ermessens der Kammer nach Artikel 13(1) der VOBK nicht zugelassen.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.