T 2128/18 09-03-2021
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Vorrichtung zum Transport von band- oder streifenförmigem Material
Teilanmeldung - unzulässige Erweiterung (ja)
Erfinderische Tätigkeit - (ja)
Änderung nach Ladung - berücksichtigt (nein)
Sachverhalt und Anträge
I. Die Einsprechende legte Beschwerde gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung ein, das Streitpatent in der Fassung des damaligen Hilfsantrags 2 in geänderter Fassung aufrechtzuerhalten.
II. Die Einspruchsabteilung hatte entschieden, dass der damalige Hilfsantrag 2 weder unzulässig geändert worden sei im Vergleich zur früheren Europäischen Anmeldung 12184383.3, noch sei der Gegenstand des Hilfsantrags 2 nahegelegt. Ein verspätet erhobener Neuheitseinwand wurde mangels prima facie-Relevanz nicht zugelassen.
III. Es fand eine mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
a) Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und Widerruf des Streitpatents in vollem Umfang.
b) Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte, die Beschwerde zurückzuweisen, d. h. das Streitpatent in geänderter Fassung gemäß Hilfsantrag 2 aus dem Einspruchsverfahren aufrechtzuerhalten (Hauptantrag). Hilfsweise beantragte sie, das Patent in geänderter Fassung auf Basis des mit Schreiben vom 20. März 2019 eingereichten Anspruchssatzes, sowie einer angepassten Beschreibung, eingereicht im Verlauf der mündlichen Verhandlung aufrechtzuerhalten (Hilfsantrag).
IV. Die vorliegende Entscheidung nennt folgende, von den Parteien im Einspruchsverfahren bereits vorgelegte Dokumente:
A1 WO 2004/045320 A1
A2 US-A-4 945 926
V. Der unabhängige Anspruch 1 des Hauptantrags lautet wie folgt:
"Vorrichtung zum Transport von band- oder streifenförmigen Material für eine Maschine zur Herstellung von stabförmigen Produkten der Tabak verarbeitenden Industrie, welches in zwei übereinanderliegenden Lagen über eine Umlenkeinrichtung (7,18) geführt und auf ein die Lagen weitertransportierendes Formatband gelegt wird, wobei die Lagen jeweils in unterschiedlichen Papierläufen (I,II) zugeführt werden, dadurch gekennzeichnet, dass in dem Papierlauf (II), der nicht direkt an dem Formatband (9) zur Anlage gelangenden Lage, eine Spannrolle vorgesehen ist, welche mittelbar oder unmittelbar in Abhängigkeit von einer zwischen der Spannrolle und der Umlenkeinrichtung (7,17) angeordneten Kraftmesseinrichtung (12) ansteuerbar ist."
Anspruch 1 des Hilfsantrags ist identisch zu Anspruch 1 des Hauptantrags. Der Hilfsantrag unterscheidet sich vom Hauptantrag lediglich dahingehend, dass der abhängige Anspruch 4 des Hauptantrags gestrichen wurde und der verbleibende Anspruch 5 als Anspruch 4 neu nummeriert wurde.
VI. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Anspruch 4 des Hauptantrags definiere eine Transportvorrichtung mit einer Spannrolle, sowie einer Einrichtung zur Veränderung der Zugkraft. Ein derartiger Gegenstand mit zwei die Spannung im Materialstreifen beeinflussenden Vorrichtungen sei in der früheren Anmeldung jedoch nicht offenbart worden (Artikel 76(1() EPÜ).
b) Analog sei auch der Gegenstand des Anspruchs 5 des Hauptantrags, der identisch ist mit Anspruch 4 des Hilfsantrags, nicht in der früheren Anmeldung offenbart (Artikel 76(1) EPÜ).
c) Der Gegenstand des Anspruchs 1 sowohl des Haupt- wie Hilfsantrags sei nicht neu gegenüber Dokument A1, zumindest aber nicht erfinderisch gegenüber einer Kombination von Dokument A1 mit Dokument A2 (Artikel 56 EPÜ).
VII. Das Vorbringen der Beschwerdegegnerin lässt sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die frühere Anmeldung würde die Kombination aus einer Spannrolle und einer Twistvorrichtung offenbaren, wobei letztere als Einrichtung zur Veränderung der Zugkraft anzusehen sei. Anspruch 4 des Hauptantrags sei somit nicht unzulässig gegenüber der Stammanmeldung geändert worden.
b) Der analoge Einwand gegen Anspruch 5 des Hauptantrags bzw. Anspruch 4 des Hilfsantrags sei in der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren erstmals vorgebracht worden und dürfe daher als verspätetes Vorbringen nicht zum Verfahren zugelassen werden (Artikel 13(1) und (2) VOBK).
c) Gleiches gelte für den Einwand fehlender Neuheit ausgehend von Dokument A1 (Artikel 13(1) und (2) VOBK).
d) Der Fachmann würde ausgehend von Dokument A1 das Dokument A2 nicht berücksichtigen. Selbst wenn er es aber berücksichtigen würde, würde er aber nicht auf naheliegende Weise zum Gegenstand des Anspruchs 1 des Haupt- und Hilfsantrags kommen.
Entscheidungsgründe
Änderungen gegenüber der früheren Anmeldung
1. Das Streitpatent ist eine Teilanmeldung der früheren Europäischen Anmeldung 12184383.3.
2. Der Gegenstand des abhängigen Anspruchs 4 des Hauptantrags wurde in der früheren Anmeldung jedoch nicht offenbart und verstößt daher gegen die Erfordernisse des Artikels 76(1) EPÜ.
2.1 Anspruch 4 des Hauptantrages beansprucht eine Vorrichtung zum Transport von band- oder streifenförmigen Material mit unter anderem einer Spannrolle, welche in Abhängigkeit von einer mit einer Kraftmesseinrichtung gemessenen Spannung des Materials ansteuerbar ist (Kennzeichen des Anspruchs 1), sowie eine Einrichtung zur Veränderung der Zugkraft in dem band- oder streifenförmigen Material (erster Spiegelstrich des Anspruchs 4).
2.2 In der früheren Anmeldung wird im Anspruchssatz eine Spannrolle nur im unabhängigen Anspruch 7 genannt, während eine Einrichtung zur Veränderung der Zugkraft in dem band- oder streifenförmigen Material nur im unabhängigen Anspruch 1 genannt wird. Einen Anspruch, der sowohl Spannrolle, als auch Einrichtung zur Veränderung der Zugkraft nennt, findet sich nicht in der früheren Anmeldung, da Anspruch 7 sich weder unmittelbar, noch mittelbar auf Anspruch 1 rückbezieht.
2.3 Auch in der Beschreibung der früheren Anmeldung ist keine Offenbarung für eine Transportvorrichtung zu erkennen, die gleichermaßen eine Spannrolle und eine Einrichtung zur Veränderung der Zugkraft gemäß der Definition des Anspruchs 4 des Hauptantrags aufweist.
2.3.1 Die Beschwerdegegnerin argumentierte zwar, dass die im Absatz [0036] in den letzten vier Zeilen genannte "Twistvorrichtung" im zweiten Papierlauf, die analog zu der in den Absätzen [0030] - [0035] beschriebenen Twistvorrichtung im ersten Papierlauf ausgebildet sein soll, als Einrichtung zur Veränderung der Zugkraft zu verstehen sei.
2.3.2 Es mag sein, dass die Twistvorrichtung in der Tat eine Einrichtung zur Veränderung der Zugkraft darstellt. Diese Twistvorrichtung stellt jedoch eine spezifische Einrichtung zur Veränderung der Zugkraft dar, die nur im Kontext mit zahlreichen weiteren Merkmalen der in Figur 1 dargestellten Vorrichtung genannt wird (diverse Rollen, Zug-Schneidwalzenkombination Z/S/W1) und auch diverse explizit genannte Bauteile (Zugwalzenpaar Z/W1, Umlenkbolzen f.U/B, Spannrolle M2S) aufweist, die über die in Anspruch 4 angegebenen Definition der Einrichtung zur Veränderung der Zugkraft, der Umlenkeinrichtung und der Sensoreinrichtung hinausgehen. Anspruch 4 des Hauptantrags nennt weder explizit eine Twistvorrichtung, noch die Vielzahl an Merkmalen, die im funktionalen Zusammenhang mit der Twistvorrichtung in der Beschreibung der früheren Anmeldung genannt werden, so dass diese spezifische Offenbarung in der Beschreibung der früheren Anmeldung keine Grundlage für eine Verallgemeinerung gemäß der Definition des Anspruchs 4 darstellen kann.
2.4 Der Hauptantrag erfüllt daher nicht die Erfordernisse des Artikel 76(1) EPÜ.
2.5 Im Vergleich zum Hauptantrag wurde im Hilfsantrag dieser Anspruch gestrichen, so dass dieser Einwand auf den Hilfsantrag nicht mehr zutrifft.
3. Die Beschwerdeführerin machte zudem erstmals in der mündlichen Verhandlung im Beschwerdeverfahren geltend, dass aus analogen Gründen auch Anspruch 5 des Hauptantrags bzw. Anspruch 4 des Hilfsantrags (der Anspruch 5 des Hauptantrags entspricht) nicht den Erfordernissen des Artikels 76(1) EPÜ genüge.
3.1 Dieser Einwand wurde erst nach Erlass der Ladung zur mündlichen Verhandlung erhoben, so dass die Zulassung des Einwands unter Artikel 13 VOBK zu prüfen ist. Nachdem die Ladung erst nach Inkrafttreten der geänderten Fassung der Verfahrensordnung am 1. Januar 2020 erlassen wurde, ist dabei der in Artikel 25 (3) VOBK 2020 genannten Übergangsvorschrift folgend bereits Artikel 13 VOBK in der Fassung von 2020 zu verwenden.
3.2 Die Beschwerdeführerin zeigte beim Vorbringen des Einwands unter Artikel 76(1) EPÜ gegen Anspruch 5 des Hauptantrags bzw. Anspruch 4 des Hilfsantrags jedoch keine stichhaltigen Gründe auf, wonach außergewöhnliche Umstände vorliegen würden, die es rechtfertigen würden, den verspätet vorgebrachten Einwand dennoch im Verfahren zu berücksichtigen.
3.2.1 Die Beschwerdeführerin argumentierte lediglich, dass es sich hierbei um keine Änderung, sondern allenfalls um eine Ergänzung des bereits getätigten Vorbringens handeln würde, da der Einwand unter der gleichen Rechtsnorm (und zwar Artikel 76(1) EPÜ) erfolge und einen Vergleich mit derselben Druckschrift (und zwar der früheren Anmeldung) erfordere, wie der gegenüber Anspruch 4 des Hauptantrags erhobene Einwand.
3.2.2 Die Beschwerdeführerin greift jedoch zum letztmöglichen Zeitpunkt des Verfahrens einen bisher weder im Einspruchsverfahren, noch im bisherigen Beschwerdeverfahren zur Diskussion stehenden Anspruch an.
Zudem beruht der in Frage stehende Anspruch inhaltlich auf einer nicht mit Anspruch 4 des Hauptantrags übereinstimmenden Merkmalskombination, so dass im Vergleich zu Anspruch 4 des Hauptantrags andere Merkmale an anderen Stellen in der früheren Anmeldung zu diskutieren sein würden, die nicht zwingend mit den relevanten Stellen der früheren Anmeldung bei der Diskussion des Anspruchs 4 übereinstimmen.
3.2.3 Das Vorbringen zu Anspruch 5 des Hauptantrags bzw. Anspruch 4 des Hilfsantrags stellt somit eine neue Argumentationslinie dar, auch wenn sie unter derselben Rechtsnorm erfolgt und sich auch (zwangsläufig) auf die frühere Anmeldung bezieht.
3.2.4 Die Beschwerdeführerin argumentiert ferner, dass sich Anspruch 5 auf Anspruch 4 rückbeziehe und daher abzusehen gewesen sei, dass im Anschluss an eine Diskussion des Anspruchs 4 des Hauptantrags auch alle von Anspruch 4 abhängenden Ansprüche - und damit auch Anspruch 5 des Hauptantrags - zu prüfen seien.
3.2.5 Nachdem sich Anspruch 5 jedoch auch direkt auf Anspruch 1 rückbezieht und daher in seiner weitesten Fassung unabhängig von Anspruch 4 betrachtet werden muss, kann dieses Argument nicht überzeugen.
3.2.6 Ferner vermag auch der Hinweis der Beschwerdeführerin auf den Amtsermittlungsgrundsatz (Artikel 114(1) EPÜ) nicht zu überzeugen, da das Beschwerdeverfahren, anders als das rein administrative Einspruchsverfahren, nach ständiger Rechtsprechung als verwaltungsgerichtliches Verfahren anzusehen ist, welches seiner Natur nach weniger auf Ermittlungen ausgerichtet ist, als auf eine Überprüfung einer in erster Instanz ergangenen Entscheidung. Hinzu kommt, dass Artikel 114 (2) EPÜ ausdrücklich vorsieht, dass verspätetes Vorbringen nicht berücksichtigt werden muss. Damit haben die Beteiligten im zweiseitigen Verfahren eine Verpflichtung zur sorgfältigen und vorausschauenden Verfahrensführung, wozu insbesondere auch gehört, alle relevanten Tatsachen, Beweismittel, Argumente und Anträge so früh und vollständig wie möglich vorzulegen.
3.3 Das Vorbringen zu Anspruch 5 des Hauptantrags, sowie zu Anspruch 4 des Hilfsantrags stellt daher eine Änderung des Beschwerdevorbringens im Sinne von Artikel 13 VOBK 2020 dar, welche mangels Rechtfertigung des verspäteten Vorbringens durch Aufzeigen von stichhaltigen Gründen, dass außergewöhnliche Umstände vorliegen, grundsätzlich gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 nicht zu berücksichtigen ist.
Erfinderische Tätigkeit
4. In Übereinstimmung mit der Einspruchsabteilung und den Parteien wird die in Figur 14 von Dokument A1 gezeigte Transportvorrichtung als nächstkommender Stand der Technik angesehen.
4.1 Zwar argumentierte die Beschwerdeführerin im Beschwerdeverfahren erstmals in der mündlichen Verhandlung, dass Anspruch 1 des Haupt- und Hilfsantrages nicht neu sei gegenüber der in Figur 14 des Dokuments A1 offenbarten Vorrichtung.
Die Beschwerdegegnerin beantragt daher, diesen verspäteten Einwand nicht mehr zum Verfahren zuzulassen (Artikel 13(2) VOBK 2020).
Auf die Frage der Zulassung dieses Einwands braucht die Kammer aber nicht näher einzugehen, weil - wie nachstehend dargelegt - der Gegenstand des Anspruchs 1 des Haupt- und Hilfsantrags sich von der aus A1 bekannten Vorrichtung unterscheidet.
4.2 Bei der aus Dokument A1 bekannten Vorrichtung wird von einer Vorratsrolle (101) ein Papierstreifen abgerollt und mit einem zweiten Papierstreifen von einer weiteren Vorratsrolle (30) zusammen über eine Umlenkeinrichtung (98) geführt und auf ein die beiden Lagen weitertransportierendes Formatband (78) abgelegt. Die beiden Papierstreifen werden in unterschiedlichen Papierläufen zugeführt, wobei der Papierlauf ausgehend von der Vorratsrolle (101) als dem Papierlauf (II) des Streitpatents entsprechend anzusehen ist.
Auf Seite 24, Zeile 3 ff. der Beschreibung wird ferner beschrieben, dass bei der in Figur 14 gezeigten Vorrichtung im von der Vorratsrolle (101) ausgehenden Papierlauf ein Spannarm vorgesehen ist. Die Konstruktion des Spannarms wird in Figur 13 detaillierter gezeigt. Der Spannarm kann sich - wie auf Seite 20, Zeilen 15 ff. ausgeführt - in Abhängigkeit der Spannung im Papierstreifen und der Spannfeder (97a) bewegen.
In Zeilen 6 - 10 auf Seite 24 wird zudem beschrieben, dass mittels Sensoren auf dem Spannarm die Spannung im Papierstreifen gemessen wird, wobei in Abhängigkeit dieser Messung die Abrollgeschwindigkeit der motorisch angetriebenen Vorratsrolle (101) so gesteuert wird, dass die Geschwindigkeiten der beiden Papierstreifen synchronisiert werden. Der Spannarm mit Sensoren kann somit als Kraftmesseinrichtung im Sinne des Anspruchs 1 angesehen werden.
4.3 Der Spannarm kann aber nicht - wie von der Beschwerdeführerin argumentiert - gleichzeitig als Spannrolle im Sinne des Anspruchs 1 angesehen werden, da der Spannarm nicht in Abhängigkeit des Signals der Kraftmesseinrichtung ansteuerbar ist, wie es Anspruch 1 aber zwingend verlangt. Der Spannarm der A1 ist überhaupt nicht angesteuert, sondern ein passives Bauteil, dessen Bewegung von der Spannung im Papierstreifen abhängt, nicht aber diese Spannung aktiv steuert.
4.4 Die Beschwerdeführerin argumentierte in einer weiteren Argumentationslinie, dass alternativ die Nabe der darauf gelagerten Vorratsrolle (101) als Spannrolle im Sinne des Streitpatents angesehen werden könne.
Die Nabe der Vorratsrolle stellt jedoch keine Spannrolle im Sinne des Anspruchs 1 dar, da die Nabe nicht im Papierlauf des Papierstreifens vorgesehen ist, wie es der Wortlaut des Anspruchs aber zwingend verlangt.
Zudem stellt der Begriff "Spannrolle" einen technischen Ausdruck dar, unter dem der Fachmann auf dem Gebiet der Zigarettenherstellung keine Nabe einer motorisch angetriebenen Vorratsrolle subsummieren würde.
4.5 Somit unterscheidet sich der Gegenstand des Anspruchs 1 des Haupt- und Hilfsantrags von der aus Figur 14 des Dokuments A1 bekannten Vorrichtung dahingehend, dass
a) im Papierlauf (II) eine Spannrolle vorgesehen ist,
b) welche Spannrolle mittelbar oder unmittelbar in Abhängigkeit von der Kraftmesseinrichtung ansteuerbar ist.
4.6 Laut Streitpatent ist es Aufgabe der Spannrolle im zweiten Papierlauf, die Spannung des die obere Lage auf dem Formatband bildenden Papierstreifens so zu regeln, dass diese Spannung der Spannung des die untere Lage bildenden Papierstreifens entspricht und so die beiden Papierstreifen ohne Relativverschiebung (und damit ohne Faltenbildung) zusammengefügt werden können zum zweilagigen band- oder streifenförmigen Material auf dem Formatband.
4.7 Die Beschwerdeführerin argumentiert, dass Dokument A2 es nahelegen würde, die Spannung auch bei Dokument A1 im zweiten Papierlauf zu messen und mittels einer Spannrolle dann auch diese Spannung in Abhängigkeit des gemessenen Wertes zu regeln.
4.7.1 Dokument A2 offenbart zwei Sensor (36, 37), mit denen gemäß Spalte 3, Zeilen 11/12 die Spannung in den Papierstreifen (20, 21) gemessen werden. Sobald die Spannung wenigstens eines der Streifen nicht mehr innerhalb eines zulässigen Bereichs liegt, wird ein Signal erzeugt, das die Abrollgeschwindigkeit des Rohmaterials (9) von der Vorratsrolle (8) anpasst, bis die Spannung wieder im zulässigen Bereich liegt. Hierzu wird die Rotationsgeschwindigkeit der Nabe (10) der Vorratsrolle (8) vergrößert bzw. verkleinert (siehe Spalte 4, Zeilen 6 - 23).
4.7.2 Dies dient jedoch dazu, den Abnutzungsgrad der Rollen und der Förderbänder auszugleichen (siehe Spalte 1, Zeilen 40 - 47), so dass die Länge der gefertigten Zigaretten immer gleich ist. In Dokument A2 geht es also nicht darum, die Spannung in einem ersten Papierstreifen an die Spannung in einem zweiten Papierstreifen anzugleichen, um die beiden Streifen relativ zueinander spannungsfrei zu halten - letztlich werden in A2 keine zwei Lagen verarbeitet, sondern immer nur eine Lage.
4.7.3 Daher würde der Fachmann das Dokument A2 zur Lösung des vorstehend genannten Problems, die beiden Lagen ohne Relativverschiebung auf dem Formatband abzulegen, gar nicht erst berücksichtigen, da die in A2 beschriebene Vorrichtung dieses Problem nicht lösen kann.
4.8 Mit der von Dokument A2 bereitgestellten Lehre könnte man allenfalls die Aufgabe lösen, wie die Zugkraft in einem Papierstreifen eines Papierlaufs geregelt werden kann. Die Lösung der A2 wäre hier jedoch identisch zu der in Dokument A1 schon verwendeten Lösung dieses Problems: Um die Spannung im Papierstreifen zu regeln, wird die Drehgeschwindigkeit der Spule der Vorratsrolle des Papierstreifens in Abhängigkeit von der gemessenen Spannung im Papierstreifen geregelt.
4.9 In allen Fällen aber legt A2 keine ansteuerbare Spannrolle nahe, geschweige denn eine Spannrolle, die in Abhängigkeit einer Kraftmesseinrichtung ansteuerbar wäre.
4.10 Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt daher die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
Anpassung der Beschreibung
5. Die Beschreibung wurde an den Wortlaut der geänderten Ansprüche angepasst und erfüllt die Erfordernisse des Artikels 84 EPÜ, sowie der Regel 42 EPÜ. Dies war unbestritten zwischen den Parteien.
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Die Angelegenheit wird an die Einspruchsabteilung mit der Anordnung zurückverwiesen, das Patent in der folgenden geänderten Fassung aufrechtzuerhalten:
Ansprüche 1 bis 4 gemäß Hilfsantrag, eingereicht mit Schreiben vom 20. März 2019;
Beschreibung Absätze [0001] - [0030], eingereicht in der mündlichen Verhandlung am 9. März 2021;
Figuren 1 - 5 wie erteilt