T 1509/08 20-02-2009
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Schutzgase und Verfahren zum Metall-Schutzgas-Fügen mit wechselnder Polarität
Sachverhalt und Anträge
I. Die europäische Patentanmeldung Nr. 06007143.8, veröffentlicht unter der Nummer 1 676 663, wurde mit der am 10. März 2008 zur Post gegebenen Entscheidung von der Prüfungsabteilung zurückgewiesen.
Zur Begründung führte die Prüfungsabteilung an, dass der Gegenstand des Anspruchs 1 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhe (Artikel 56 EPÜ). Die objektive Aufgabe, ein geeignetes Schutzgas zu verwenden, sei durch die Lehre der
D2 US-A-2002/0153363 in Verbindung mit
D3 US-A-2,908,800,
D4 EP-A-0 639 423 oder
D5 US-A-5 558 791 bereits gelöst. Dem Fachmann sei es ohne weiteres möglich, derartige bekannte Schutzgase auch in dem beanspruchten Verfahren anzuwenden.
II. Gegen diese Entscheidung hat sich die Beschwerdeführerin (Anmelderin) am 6. Mai 2008 beschwert und die Beschwerdegebühr bezahlt. Mit der am 10. Juli 2008 eingegangenen Beschwerdebegründung vom 9. Juli 2008 hat sie ihren Antrag auf Erteilung des Patents weiterverfolgt.
III. In der Beschwerdebegründung hat die Beschwerdeführerin erläutert, warum der vorliegende Anspruch 1 erfinderisch sei. Insbesondere erachtete sie es als nicht naheliegend, die D2 mit D3, D4 oder D5 zu kombinieren, da D2 ein Schweißen mit Wechselstrom betreffe, während D3, D4 und D5 sich auf das Schweißen mit Gleichstrom bezögen.
IV. Die Beschwerdekammer hat in ihrer Mitteilung vom 18. November 2008 darauf hingewiesen, dass zum einen die D3 eine neuheitsschädliche Offenbarung enthalte und zum anderen auch weder D4 noch D5 auf Gleichstrom-Schweissverfahren beschränkt wären.
V. Am 20. Februar 2009 fand eine mündliche Verhandlung statt, in der die Beschwerdeführerin beantragte, die angefochtene Entscheidung aufzuheben und ein Patent auf der Grundlage des während der mündlichen Verhandlung eingereichten Anspruchs zu erteilen.
Dieser Anspruch lautet:
"Verfahren zum Metall-Schutzgas-Fügen mit wechselnder Polarität ohne Hochfrequenzbeaufschlagung im Megahertzbereich und abschmelzender Elektrode (MSG-AC), dadurch gekennzeichnet, dass ein Schutzgas verwendet wird, welches kein Helium, aber Argon und mindestens eines der Gase O2, CO2 oder NO in einer Menge von 0,001 - 0,1 % enthält."
VI. Die Beschwerdeführerin war der Meinung, dieser spät eingereichte Antrag sei zulässig. Der eingefügte Disclaimer würde dazu dienen, den Gegenstand des Anspruchs von der Offenbarung der D3 zu unterscheiden. D3 sei ein abseitiger Stand der Technik, welcher nie realisiert wurde und auch nicht funktionsfähig sei. D3 sei daher nur zufälligerweise neuheitsschädlich. D3 offenbare unter Verwendung von Wechselstrom zu schweißen, wobei gleichzeitig eine Hochfrequenzbeaufschlagung im Megahertzbereich stattfinde; des weiteren werde ein Sprühlichtbogen erzeugt. Ein derartiges Schweißverfahren liege dem beanspruchten Verfahren nicht zugrunde. Gemäß der Entscheidung G 1/03 sei es zulässig, die Neuheit gegenüber einer derartig zufälligen Vorwegnahme durch einen Disclaimer herzustellen. Der Antrag sollte daher ins Beschwerdeverfahren zugelassen werden.
Entscheidungsgründe
1. Die Beschwerde ist zulässig.
2. Änderungen
2.1 Der einzige Patentanspruch enthält im Oberbegriff das Merkmal "ohne Hochfrequenzbeaufschlagung im Megahertzbereich". Dieses Merkmal ist in der ursprünglichen Anmeldung nicht offenbart. Der Gegenstand des Anspruchs 1 erfüllt somit nicht die Erfordernisse des Artikels 123 (2) EPÜ.
2.2 Die Auffassung der Beschwerdeführerin, dass im vorliegenden Fall, ein derartiges Merkmal einen zulässigen Disclaimer in Bezug auf die D3 darstellen würde, steht im Gegensatz zu den in G 1/03 (Amtsblatt 2004, 341) diesbezüglich festgelegten Kriterien.
2.3 Diese legen fest, dass ein Disclaimer zulässig sein kann, wenn er dazu dient, die Neuheit wiederherzustellen, indem er einen Anspruch gegenüber einer zufälligen Vorwegnahme nach Artikel 54 (2) EPÜ abgrenzt. Eine Vorwegnahme ist zufällig, wenn sie so unerheblich für die beanspruchte Erfindung ist und so weitab von ihr liegt, dass der Fachmann sie bei der Erfindung nicht berücksichtigt hätte (Leitsätze II.1). "unerheblich für die beanspruchte Erfindung" und "weitab" bedeuten, dass von Anfang an offenkundig ist, dass die Vorveröffentlichung nichts mit der Erfindung zu tun hat (G 1/03, Gründe 2.3.4)
2.4 Im vorliegenden Fall jedoch ist die Vorwegnahme der beanspruchten Erfindung weder "weitab liegend" noch im Hinblick auf das beanspruchte Verfahren "unerheblich". Daher handelt es sich auch nicht um eine zufällige Vorwegnahme.
2.5 Gemäß dem Oberbegriff des Patentanspruchs handelt es sich um ein Verfahren zum Metall-Schutzgas-Fügen mit wechselnder Polarität und abschmelzender Elektrode. Die vorliegende Anmeldung schränkt die diesbezüglichen Verfahren nicht weiter ein.
2.6 Auch D3 betrifft derartige Verfahren (siehe Spalte 1, Z. 15 - 23). Bei der Auswahl eines geeigneten Schutzgases für Metall-Schutzgas-Schweißen, welches den Kern der vorliegenden Anmeldung darstellt, können daher alle derartigen Verfahren herangezogen werden. Daher würde der Fachmann auch die diesbezügliche Lehre der D3 berücksichtigen und es fehlt jeder objektive Grund das Verfahren als "weitab liegend" einzustufen. D3 offenbart im übrigen exakt die beanspruchte Schutzgas-Zusammensetzung (Anspruch 3) für Metall-Schutzgas-Schweißen. Daher wäre auch für die Beurteilung der erfinderischen Tätigkeit diese Offenbarung der D3 mit einzubeziehen, so dass die Offenbarung der D3 auch nicht als "unerheblich" eingestuft werden kann. Ob sich das in D3 speziell offenbarte Verfahren (mit Hochfrequenz beaufschlagte Methode für Sprühlichtbogen) technisch bewährt hat oder nicht, ist diesbezüglich irrelevant.
2.7 Damit handelt es sich bei dem Verfahren der D3 nicht um ein weitab von der beanspruchten Erfindung liegendes oder unerhebliches Verfahren. Somit stellt das hinzugefügte Merkmal eine nach Artikel 123 (2) EPÜ unzulässige Änderung dar.
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.