T 1536/18 (SCHUTZ UND MODULATION VON DERMAL EPIDERMAL JUNCTIONS / BASF Beauty Care) 23-06-2021
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VERFAHREN ZUM SCHUTZ UND ZUR MODULATION VON DERMAL EPIDERMAL JUNCTIONS
Spät eingereichte Beweismittel - Zulassung im Beschwerdeverfahren
Neuheit - Hauptantrag (ja)
Erfinderische Tätigkeit - Hauptantrag, Hilfsanträge VI, X, XI (nein)
Verschlechterungsverbot - Hilfsanträge VII-IX und XII-XIII
Sachverhalt und Anträge
I. Das europäische Patent Nr. 1 536 753 wurde mit 7 Ansprüchen erteilt. Anspruch 1 des Patents lautete wie folgt:
"1. Verfahren zur kosmetischen Behandlung zur Verbesserung und/oder zum Schutz der Dermal-Epidermal-Junctions der Haut, Kopfhaut und Schleimhaut, dadurch gekennzeichnet, dass man eine Zubereitung, enthaltend mindestens eine Substanz, welche eine Modulation von Plectin/HD1 und/oder Entactin/Nidogen und/oder Perlecan bewirkt, topisch aufträgt,
wobei die Substanz ausgewählt wird aus der Gruppe bestehend aus einem Extrakt aus der Pflanze Pisum sativum, Ruscus Aculeatus, Centella asiatica, Calendula Officinalis, Aesculus Hippocastanum, und/oder Hibiscus esculentus und Mannitol, Cyclodextrin, Hefeextrakt, Panthenol, Propylen Glycol, Ammoniumglycyrrhizat, Dinatriumsuccinat und niedrigmolekularen Peptiden."
Ansprüche 2-6 richteten sich auf die kosmetische Verwendungen einer Substanz, wie in Anspruch 1 definiert. Anspruch 7 bezog sich auf kosmetische Zubereitungen, die mindestens eine Substanz, wie in Anspruch 1 definiert, enthielten und ihre besondere Wirkung.
II. Gegen die Erteilung des Patents wurde Einspruch eingelegt. Als Einspruchsgründe wurden fehlende Neuheit und fehlende erfinderische Tätigkeit (Artikel 100 a) EPÜ) sowie unzureichende Offenbarung (Artikel 100 b) EPÜ) angeführt.
III. Die Einspruchsabteilung entschied das Patent in geändertem Umfang auf Grundlage des am 9. Januar 2018 eingereichten Hauptantrags (ursprünglich als "Hilfsantrag V" eingereicht) aufrechtzuerhalten.
IV. Der einzige Anspruch des Hauptantrags lautete:
"1. Kosmetische Verwendung einer Substanz gegen Haarausfall und zur Verbesserung der Haareigenschaften, welche Substanz eine Modulation von Plectin/HDI und/oder Entactin/Nidogen und/oder Perlecan bewirkt und ausgewählt wird aus der Gruppe bestehend aus einem Extrakt der Pflanze Pisum sativum, Ruscus Aculeatus, Centella asiatica, Calendula Officinalis, Aesculus Hippocastanum, und/oder Hibiscus esculentus."
V. Folgende Dokumente wurden inter alia in der Entscheidung der Einspruchsabteilung zitiert:
D3/D5: EP 0 202 275 B1 & WO 86/02833 A1
D4/D4a: EP 1 019 016 B1 & DE 697 07 097 T2
D6: DE 199 50 020 A1
D8: WO 99/62480 A2
D9: WO 99/62481 A1
D11: US 5 443 855 A
VI. Die Einspruchsabteilung führte in ihrer Entscheidung insbesondere Folgendes aus:
a) Die Dokumente D3/D5, D4, D6, D8 und D11 offenbarten nicht direkt eine Verwendung gegen Haarausfall, so dass die Neuheit des Hauptantrags gegeben sei.
b) D6, D9 und D11 seien möglicher nächstliegender Stand der Technik. Eine Verwendung gegen Haarausfall werde in diesen Dokumenten nicht konkret offenbart. Die objektive Aufgabe bestehe in der Bereitstellung weiterer Verwendungen gegen Haarausfall. Keines der weiteren seitens der Einsprechenden herangezogenen Dokumente lehre einen Bezug zur Problematik des Haarausfalls, der den Fachmann in naheliegender Weise zu dem beanspruchten Gegenstand hinführen könnte. Der Hauptantrag erfülle somit die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ.
VII. Die Einsprechende (Beschwerdeführerin) legte Beschwerde gegen die obige Entscheidung ein.
VIII. Mit der Beschwerdeerwiderung vom 4. Januar 2019 verwies die Beschwerdegegnerin auf die aufrechterhaltenen Ansprüche als Hauptantrag und auf 8 Hilfsanträge (am 9. Januar 2018 eingereichten Hilfsanträge VI-XIII, wobei der Hilfsantrag XII ursprünglich am 2. Mai 2017 als Hilfsantrag VII eingereicht wurde).
Der Anspruch des Hilfsantrags VI basiert auf dem Anspruch des Hauptantrags, wobei die Liste der Substanzen auf einen "Extrakt der Pflanze Pisum sativum" eingeschränkt wurde.
Der Anspruch des Hilfsantrags VII basiert auf dem Anspruch des Hauptantrags, wobei folgende Merkmale hinzugefügt wurden:
- "zum Schutz der Dermal-Epidermal-Junctions" (nach dem Merkmal "Kosmetische Verwendung einer Substanz" hinzugefügt), und
- "Mannitol, Cyclodextrin, Hefeextrakt, Panthenol, Propylen Glycol, Ammoniumglycyrrhizat, Dinatriumsuccinat und niedrigmolekularen Peptiden" als weitere Substanzen.
Der Anspruch des Hilfsantrags VIII basiert auf dem Anspruch des Hilfsantrags VII, wobei die Pflanzenextrakte durch das Merkmal "welche eine ähnliche Sequenz aufweisen wie Bestandteile von Plectin/HDI und/oder Entactin/Nidagen und/oder Perlecan" ferner definiert wurden.
Der Anspruch des Hilfsantrags IX basiert auf dem Anspruch des Hilfsantrags VIII, wobei die Substanzen "Mannitol, Cyclodextrin, Hefeextrakt, Panthenol, Propylen Glycol, Ammoniumglycyrrhizat,Dinatriumsuccinat" gestrichen wurden.
Der Anspruch des Hilfsantrags X basiert auf dem Anspruch des Hauptantrags, wobei das Merkmal "zum Schutz der Dermal-Epidermal-Junctions" nach dem Merkmal "Kosmetische Verwendung einer Substanz" hinzugefügt wurde.
Der Anspruch des Hilfsantrags XI kombiniert die Modifikationen, die in dem Hilfsantrag VI und in dem Hilfsantrag X gemacht wurden.
Der Anspruch des Hilfsantrags XII lautet:
"1. Kosmetische Verwendung einer Substanz zum Schutz der Dermal-Epidermal-Junctions der Haut, Kopfhaut und Schleimhaut gegen UV-Lichteinwirkung, welche Substanz eine Modulation von Plectin/HDI und/oder Entactin/Nidogen und/oder Perlecan bewirkt und ausgewählt wird aus der Gruppe bestehend aus einem Extrakt der Pflanze Pisum sativum, Ruscus Aculeatus, Centella asiatica, Calendula Officinalis, Aesculus Hippocastanum, und/oder Hibiscus esculentus."
Der Anspruch des Hilfsantrags XIII basiert auf dem Anspruch des Hilfsantrags XII, wobei die Liste der Substanzen auf einen "Extrakt der Pflanze Pisum sativum" eingeschränkt wurde.
IX. Folgende für die Entscheidung relevante Beweismittel wurden von den Parteien im Laufe des Beschwerdeverfahrens eingereicht:
a) Seitens der Beschwerdeführerin (Einsprechende) mit der Beschwerdebegründung (D13-D16) und den am 30. Januar 2019 (D17-D18) bzw. am 1. April 2021 (D19) eingereichten Schreiben eingeführte Beweismittel:
D13: DE 19823552 A1
D14: WO 95/15173 A1
D15: US 6004579
D16: DE 20000871 U1
D17: US 2013/0028849
D18: EP 1210073 B1
D19: Review-Artikel von D.J. Tobin und R. Paus "Review: Graying: gerontobiology of the hair follicle pigmentary unit", Experimental Gerontology 36 (2001) 29-54.
b) Seitens des Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) mit der Beschwerdeerwiderung eingereichte Beweismittel:
Annex 1: Auszug aus einer Internetseite der Firma Mibelle, "ABOUT ANAGAIN**(TM)", https:// mibellebiochemistry.com/products/anagain/
X. Am 23. Juni 2021 fand die mündliche Verhandlung vor der Kammer statt.
XI. Die Beschwerdeführerin (Einsprechende) beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und den Widerruf des Patents. Ferner beantragte sie die Hilfsanträge nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
XII. Die Beschwerdegegnerin (Patentinhaberin) beantragte als Hauptantrag die Beschwerde zurückzuweisen. Hilfsweise beantragte sie, das Patent auf der Grundlage eines der am 9. Januar 2018 eingereichten Hilfsanträge VI-XIII aufrechtzuerhalten. Ferner beantragte sie, den neuen Einspruchsgrund gemäß Artikel 100 a) EPÜ in Verbindung mit Artikel 53 c) EPÜ, den neuen Einwand unter Artikel 84 EPÜ sowie die Dokumente D13-D19 nicht in das Beschwerdeverfahren zuzulassen.
XIII. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdeführerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die Dokumente D13-D19 seien jeweils als Reaktion auf vorangegangene Verfahrensschritte zu sehen und deshalb in das Verfahren zuzulassen.
b) D3/D5, D4, D8, D11, D13 und D16 offenbarten Verwendungen von Erbsenextrakten zur Verbesserung von Haareigenschaften und darüber hinaus implizit deren Verwendung gegen Haarausfall. D14 und D15 beschrieben die Verwendung von Erbsenextrakten als anti-apoptotische Substanzen, unter anderem gegen Haarausfall. Wie durch Absatz [0015] des Streitpatents bestätigt, stelle eine Verwendung gegen Haarausfall an sich bereits eine Verbesserung der Haareigenschaften dar und nehme somit den beanspruchten Gegenstand vorweg. Ferner sei es Teil des allgemeinen Fachwissens, dass Apoptose der Haarzellen zum Grauwerden des Haares führe. Folglich offenbarten D14/D15 implizit die Verbesserung dieser Haareigenschaft. Der Gegenstand des Hauptantrags sei dementsprechend nicht neu.
c) Ausgehend von D11 als nächstliegendem Stand der Technik bestehe die zu lösende technische Aufgabe in der Bereitstellung einer weiteren alternativen Verwendung von Erbsenextrakten. D14 sowie D15 beschrieben die Verwendung von phytogenen anti-apoptotischen Erbsenextrakten gegen Haarausfall. Einer Kombination der Lehre aus D11 und D14 bzw. D15 stehe nichts im Wege. Der Fachmann habe dementsprechend die vorgeschlagene Lösung als naheliegend betrachtet. Der Gegenstand des Hauptantrags beruhe somit auf keiner erfinderischen Tätigkeit. Die Argumentation ausgehend von D16 als nächstliegendem Stand der Technik führe zur selben Schlussfolgerung.
d) Die Hilfsanträge VII-IX und XII-XIII seien nicht ins Verfahren zuzulassen, weil sie gegen das Prinzip des Verschlechterungsverbots verstießen.
e) Die Hilfsanträge VI, X und XI beruhten auf keiner erfinderischen Tätigkeit. Insbesondere habe das in den Hilfsanträgen X und XI eingeführte Merkmal keine limitierende Wirkung.
XIV. Die für die vorliegende Entscheidung relevanten Argumente der Beschwerdegegnerin lassen sich wie folgt zusammenfassen:
a) Die Dokumente D13-D19 seien nicht verfahrensrelevant und deshalb nicht in das Verfahren zuzulassen.
b) D3/D5, D4, D8, D11, D13 und D16 offenbarten keine Verwendung gegen Haarausfall und eine Verwendung zur Verbesserung der Haareigenschaften könne D14-D15 nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden. Der Gegenstand des Hauptantrags sei somit neu.
c) Der Gegenstand des Hauptantrags unterscheide sich vom Gegenstand von D11 nicht nur durch die Verwendung gegen Haarausfall sondern auch, indem D11 die Verwendung von Erbsenextrakten zur Verbesserung der Haareigenschaften nicht eindeutig und unmittelbar offenbare. Die zu lösende technische Aufgabe bestehe folglich darin eine besondere Verwendung von Erbsenextrakten bereitzustellen. Der Fachmann hätte die Lehren aus D11 und D14 bzw. D15 nicht kombiniert, unter anderem weil diese Dokumente auf unterschiedlichen Wirkstoffen fokussierten. Eine Verwendung der beanspruchten Extrakte gegen Haarausfall und zur Verbesserung der Haareigenschaften sei somit nicht naheliegend. Folglich sei der Gegenstand des Hauptantrags erfinderisch.
d) Die Hilfsanträge VII-IX und XII-XIII seien ins Verfahren zuzulassen, um eine rechtmäßige Verteidigung des Patents in Reaktion auf den durch die Einreichung der Dokumente D13-D16 im Beschwerdeverfahren neu hervorgehobenen Sachverhalt zu erlauben.
e) Ähnlich wie für den Hauptantrag, beruhten die Hilfsanträge VI, X und XI auf einer erfinderischen Tätigkeit. Es wäre dem Fachmann nämlich nicht offensichtlich erschienen, den im Hilfsantrag VI definierten spezifischen Extrakt für die in D11 bzw. D14 und D15 im Zusammenhang mit unterschiedlichen Wirkstoffen beschriebenen Verwendungen einzusetzen. Das im Hilfsantrag X zusätzlich eingefügte Merkmal lege eine weitere Verwendung fest, die im zitierten Stand der Technik weder offenbart noch naheliegend sei. Das gleiche gelte für den Hilfsantrag XI, der aus einer Kombination der Hilfsanträge VI und X bestehe.
Entscheidungsgründe
1. Zulassung neuer Beweismittel
1.1 Die Dokumente D13-D16 wurden mit der Beschwerdebegründung vor dem 1. Januar 2020 eingereicht. Die Zulassung dieser Dokumente ist folglich gemäß Artikel 12(4) VOBK 2007 zu beurteilen (Artikel 25(2) VOBK 2020).
Diese Dokumente beziehen sich auf Erbsenextrakte und deren Eigenschaften. Die Dokumente D13-D16 wurden von der Beschwerdeführerin in Reaktion auf die Entscheidung der Einspruchsabteilung, Neuheit und erfinderische Tätigkeit für den geänderten Hauptantrag basierend auf der Verwendung gegen Haarausfall anzuerkennen, eingereicht. Die Beschwerdegegnerin trug vor, dass die Dokumente D13-D16 bereits im Einspruchsverfahren hätten eingereicht werden sollen, da der jetzige Hauptantrag dem erteilten Anspruch 6 entspreche. Die Kammer bemerkt jedoch, dass die erteilten Ansprüche eine Vielfalt wirksamer Substanzen (14 generisch definierte Substanzen, s. Anspruch 1 wie erteilt) und unterschiedlicher Verwendungen (s. unabhängige Ansprüche 2-6 wie erteilt) enthielten. Insbesondere enthielt der erteilte Anspruch 6 eine höhere Anzahl verschiedener Substanzen als der Anspruch des vorliegenden Hauptantrags (14 bzw. 6 generisch definierte Substanzen im erteilten Anspruch 6 bzw. im vorliegenden Anspruch). Gemäß der vorläufigen Meinung der Einspruchsabteilung beruhte außerdem der Gegenstand des erteilten Anspruchs 6 auf keiner erfinderischen Tätigkeit (s. Absatz 7.7.5 der Anlage zur Ladung zur mündlichen Verhandlung). Der vorliegende Hauptantrag wurde ferner erst nach Mitteilung der besagten vorläufigen Meinung und zwar zwei Monate vor der mündlichen Verhandlung als Hilfsantrag im Einspruchsverfahren eingereicht. Es handelt sich somit bei der Einreichung der Dokumente D13-D16 um eine Reaktion auf nicht zwingend vorhersehbare Entwicklungen des Verfahrens, und dementsprechend werden diese Dokumente im Verfahren zugelassen.
1.2 Die Dokumente D17-D18 wurden nach der Beschwerdebegründung aber vor der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung eingereicht. Die Zulassung dieser Dokumente ist folglich gemäß Artikel 13(1) VOBK 2020 zu beurteilen. Da die Kammer diese Dokumente nicht für geeignet hält für die Untermauerung des hierfür relevanten Sachvortrags der Beschwerdeführerin, lässt die Kammer diese Dokumente nicht in das Verfahren zu.
1.3 Das Dokument D19 wurde nach der Zustellung der Ladung zur mündlichen Verhandlung nach dem 1. Januar 2020 eingereicht. Die Zulassung dieses Dokument ist folglich gemäß Artikel 13(2) VOBK 2020 zu beurteilen.
Die Beschwerdeführerin rechtfertigte die späte Einreichung dieses Dokuments dadurch, dass es allgemeines Fachwissen belege und in Reaktion auf den zum ersten Mal in der vorläufigen Meinung der Kammer erwähnten Zweifel bezüglich der Erzielung einer Verbesserung der Haareigenschaften durch Unterdrückung der Apoptose des Haares eingereicht wurde.
Die Kammer ist jedoch nicht überzeugt, dass die Lehre der D19, auf der die Argumentation der Beschwerdeführerin beruht, dem allgemeinen Fachwissen zugerechnet werden kann und vermag darüber hinaus keine außergewöhnlichen Umstände zu erkennen, die die Zulassung rechtfertigen können, so dass dieses Dokument nicht zugelassen wird.
Hauptantrag
2. Auslegung des Anspruchs
2.1 Der vorliegende Anspruch betrifft die kosmetische Verwendung einer der beanspruchten Substanzen "gegen Haarausfall und zur Verbesserung der Haareigenschaften". Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass das Streitpatent keine Definition der Verbesserung der Haareigenschaften angebe und im Hinblick auf den Absatz [0015] des Streitpatents die Vermeidung des Haarausfalls eine Untergruppe der Verbesserung der Haareigenschaften darstelle. Laut Beschwerdeführerin befinde sich diese Auslegung ferner in Übereinstimmung mit der allgemein bekannten Tatsache, dass die Vermeidung des Haarausfalls in einer Verschiebung der Mengenverhältnisse der Haarfollikel in der Anagenphase bzw. Telogenphase bestehe. Eine höhere Anzahl an Haarfollikel in der Anagenphase stelle folglich bereits eine Verbesserung der Haareigenschaften dar. Somit offenbare jede Beschreibung einer Wirkung gegen Haarausfall im Stand der Technik implizit eine Verbesserung der Haareigenschaften.
2.2 Die Kammer kann sich diesem Argument nicht anschließen. Die Formulierung des vorliegenden Anspruchs ist eindeutig und stellt klar, dass die Verwendung gegen Haarausfall und die Verwendung zur Verbesserung der Haareigenschaften als unterschiedliche Verwendungen betrachtet werden. Da beide Verwendungen mit der nebenordnenden Konjunktion "und" verbunden sind, sind diese Verwendungen als zwei unterschiedliche Verwendungen, die beide zu erzielen sind, zu verstehen. Unabhängig von seiner Auslegung kann der einzelne Absatz [0015] des Streitpatents diese klare Formulierung des Anspruchs alleine nicht in Frage stellen. Die Kammer ist folglich der Meinung, dass der Fachmann den Anspruch 1 so auslegen würde, dass eine Verwendung gegen Haarausfall und zusätzlich eine Verwendung zur Verbesserung einer weiteren vom Haarausfall unterschiedlichen Haareigenschaft beansprucht werden.
2.3 Die Kammer bemerkt jedoch, dass die zu verbessernden Haareigenschaften im Streitpatent nicht weiter definiert werden. Dieses Merkmal ist deshalb breit auszulegen, d.h. hierunter fällt jede beliebige Haareigenschaft mit Ausnahme von Haarausfall (s. Punkt 2.2). Das Argument der Beschwerdegegnerin, dass die beanspruchten Haareigenschaften ausschließlich innewohnende Haareigenschaften darstellen können (d.h. zum Beispiel keine Änderung der Erscheinung des Haares durch externe Mittel wie Haarspülungen oder Haarkuren), ist folglich nicht überzeugend begründet.
3. Neuheit
3.1 Neuheit gegenüber D3/D5, D4, D8, D11, D13 und D16.
3.1.1 Die Beschwerdeführerin basierte ihren Einwand mangelnder Neuheit gegenüber D3/D5, D4, D8, D11, D13 und D16 im Wesentlichen auf das Argument, dass diese Dokumente eine explizite Verwendung zur Verbesserung der Haareigenschaften und eine implizite Verwendung gegen Haarausfall offenbaren.
3.1.2 Eine solche implizite Offenbarung kann jedoch aus diesen Dokumenten nicht abgeleitet werden.
a) D3/D5 beziehen sich auf die Behandlung der Haut und unter anderem von Hautentzündungen mit zum Beispiel einem Shampoo (s. D3 Spalte 1 Absatz ab Zeile 33 und Beispiel 15). Ein direkter Zusammenhang zwischen Hautentzündung und Haarausfall ist D3/D5 jedoch nicht zu entnehmen. Die Beschwerdeführerin hat ihre Behauptung, dass eine Linderung der Kopfhautentzündung zwangsläufig zu einer Reduzierung des Haarausfalls führt, nicht belegt. Die Kammer bemerkt weiterhin, dass gemäß G2/88 das inhärente Auftreten einer nicht-medizinischen Verwendung nicht grundsätzlich neuheitsschädlich ist.
b) D4 betrifft eine topisch aufgetragene Formulierung für die Haut und/oder der Epithelanhanggebilde zum Schutz gegen Stress (s. Zusammensetzung und Anspruch 1). Eine Verwendung gegen Haarausfall ist dem Dokument D4 nicht zu entnehmen.
c) D8 offenbart die kosmetische Verwendung von Pflanzenextrakten wie beispielsweise Pisum sativum, um die Menge an Kollagen IV in der DEJ zu erhöhen (siehe Anspruch 5). D8 betrifft aber nicht spezifisch die Behandlung der Haare. Insbesondere ist eine Verwendung von Pisum sativum als anti-Haarausfallmittel nicht eindeutig und unmittelbar ableitbar.
d) D11 offenbart zwar kosmetische Zusammensetzungen auf Basis von Pflanzenextrakten (u.a. Pisum sativum) zur Verschönerung des Haares (s. Spalte 3 Absatz ab Zeile 40 und Beispiele 4, 11 und 12). Eine Wirkung gegen Haarausfall ist jedoch weder erwähnt, noch implizit offenbart. Die Beschwerdeführerin hat ihre Behauptung, dass die beschriebene Erhöhung der Feuchtigkeit (s. Spalte 5 Absatz ab Zeile 45) inhärent zu einer Reduzierung des Haarausfalls führt, nicht belegt. Wie unter Punkt 3.1.2 a) erklärt, wäre ein solches inhärentes Auftreten ohnehin in Abwesenheit jeglicher Vorveröffentlichung nicht grundsätzlich neuheitsschädlich.
e) D13 betrifft eine Zusammensetzung zur Behandlung der menschlichen Haare, insbesondere zum Wiederaufbau eines vitalen Haares (s. Seite 2 Zeile 10). Die Zusammensetzung enthält eine Kombination von Biotin und ein Glykoprotein, das unter anderem aus Erbsenextrakt erhalten werden kann (s. Seite 1 Zeile 37 und Ansprüche 1 und 4). Die Beschwerdeführerin argumentierte, dass die in D13 durchgeführte Behandlung eine Erhöhung der Fülle und des Volumens des Haares erzielt (Verweis auf Seite 2 Zeile 10), die eine höhere Anzahl an Haaren auf dem Kopf impliziert. Die Kammer kann nicht erkennen, inwiefern der "Erhalt oder Wiederaufbau eines gesunden Haares und eines vollen Haarschopfes" tatsächlich zwangsläufig eine implizite Verhinderung des Haarausfalls offenbaren soll. Eine Verbesserung der Struktur des Haares und somit dessen eigenen Volumens und Fülle kann unabhängig vom Haarausfall (d.h. auch unabhängig des Follikelwachstumszyklus) stattfinden. Die seitens der Beschwerdeführerin vorgebrachte Tatsache, dass Biotin vom Körper zur Herstellung von Keratin benutzt wird, genügt ferner nicht, um unmittelbar und eindeutig eine Wirkung gegen Haarausfall zu offenbaren. Gleiches gilt für die beanspruchte Verwendung zur Erhöhung der Proteinproduktion in menschlichen Zellen (s. Anspruch 15), da kein spezifisches Protein beschrieben ist. Dass eine Verringerung des Haarausfalls möglicherweise stattfinden könnte, heißt nicht, dass diese zwangsläufig vorkommt, geschweige denn, dass sie D13 zu entnehmen ist. Wie unter Punkt 3.1.2 a) erklärt, ist ein inhärenter Effekt ohnehin in Abwesenheit jeglicher Vorveröffentlichung nicht grundsätzlich neuheitsschädlich.
f) D16 offenbart eine Emulsion, die unter anderem ein Erbsenproteinhydrolysat aus Pisum sativum enthält, zur Haarbehandlung insbesondere zur Festigung des Haares (siehe Seite 1 letzter Absatz und Beispiel 1). Die Festigung des Haares wird von einem Friseur beurteilt. Die Kammer versteht folglich, dass diese Festigung eine haarkonditionierende Eigenschaft darstellt, d.h. eine für das Frisieren relevante Eigenschaft. Die erwähnte Festigung scheint somit nicht im Zusammenhang mit einem möglichen Haarausfall zu stehen. Die Beschwerdeführerin hat ferner ein ähnliches Argument wie bezüglich der Offenbarung von D13 hinsichtlich der verbesserten Fülle und Volumens vorgebracht. Aus den gleichen Gründen wie unter Punkt 3.1.2 e) ausgeführt ist dieses Argument nicht überzeugend.
3.2 Neuheit gegenüber D14 und D15
3.2.1 D14 und D15 beziehen sich auf anti-apoptotische Zusammensetzungen zur Behandlung von Haarausfall. Erbsenextrakte werden als mögliche anti-apoptotische Wirkstoffe erwähnt (s. D14 Seite 5 Zeile 18 und Seite 23 Zeilen 13-29; D15 Spalte 6 Zeile 37 und Spalte 14 Zeilen 50 und 56-60). Eine Verwendung zur Verbesserung von Haareigenschaften wird nicht explizit offenbart. Die Kammer ist ferner nicht davon überzeugt, dass eine solche Verwendung implizit offenbart ist.
3.2.2 Das Argument der Beschwerdeführerin, dass die Vermeidung von Haarausfall an sich bereits eine Verbesserung der Haareigenschaften darstellt, ist aus den oben ausgeführten Gründen (s. Punkt 2.2) für den vorliegenden Anspruch nicht relevant.
3.2.3 Die Beschwerdeführerin brachte ferner vor, dass es allgemeines Fachwissen sei, dass die anti-Apoptose Wirkung implizit auch eine Wirkung gegen das Grauwerden des Haares und somit eine Verbesserung der Haareigenschaften darstellt. Die Kammer bemerkt jedoch, dass weder die Vermeidung des Grauwerdens des Haares noch eine Vermeidung der spezifischen Apoptose der Melanozyten (die laut Beschwerdeführerin zum Grauwerden führt) in D14 und D15 erwähnt werden. Diese Dokumente beziehen sich lediglich auf die Apoptose der Zellen der Haarfollikel im allgemeinen und spezifisch auf die Bekämpfung des Haarausfalls. Eine tatsächlich inhärente Wirkung der in D14/D15 offenbarten Substanzen, insbesondere der Erbsenextrakte, auf das Grauwerden des Haares, wurde daher nicht eindeutig glaubhaft gemacht. Wie bereits im Zusammenhang mit D3/D5, D11 und D13 erwähnt, ist ein inhärentes Auftreten eines Effektes ohnehin in Abwesenheit jeglicher Vorveröffentlichung nicht grundsätzlich neuheitsschädlich.
3.3 Demzufolge erfüllt der Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 54 EPÜ.
4. Erfinderische Tätigkeit
4.1 Nächstliegender Stand der Technik
4.1.1 Sowohl die Einspruchsabteilung als auch die Beschwerdeführerin haben D11 als möglichen nächstliegenden Stand der Technik betrachtet. Die Kammer ist der gleichen Auffassung. Die Wahl von D11 als möglichen nächstliegenden Stand der Technik wurde seitens der Beschwerdegegnerin nicht bestritten.
4.1.2 D11 betrifft die Verschönerung des Haares (s. Spalte 3 Absatz ab Zeile 40 und Beispiele 11 und 12) und somit die Verbesserung der Haareigenschaften (s. Punkt 2.3). D11 beschreibt ferner die Verwendung eines Extraktes von Pisum sativum (s. Beispiel 4).
4.2 Unterschied
4.2.1 Der Gegenstand des vorliegenden Anspruchs unterscheidet sich von der in D11 offenbarten kosmetischen Verwendung durch die zusätzliche Verwendung gegen Haarausfall (s. Punkt 3.1.2 d)).
4.2.2 Bezüglich des Unterschieds zwischen dem vorliegenden Gegenstand und der Offenbarung von D11 argumentierte die Beschwerdegegnerin während der mündlichen Verhandlung ferner wie folgt:
i) D11 konzentriere sich auf Extensin und ihre Wirkung. Im Beispiel 4 werde dementsprechend nicht lediglich ein Pisum sativum Extrakt hergestellt, sondern eine rohe Extensin Zubereitung. Es werde darüber hinaus keine spezifische Verwendung für diese Zubereitung beschrieben.
ii) D11 (s. Spalten 4 und 5) beschreibe Haarspülungen und ferner dass die offenbarte Wirkung durch die Bildung eines Films erfolge. Diese Verwendungen basierten auf externen Behandlungen und stellten folglich keine Änderung einer innewohnenden Haareigenschaft dar. Daher sei die Verwendung zur Verbesserung von Haareigenschaften als ein weiterer Unterschied zu D11 zu betrachten.
4.2.3 Die Kammer kann diesen Standpunkt aus folgenden Gründen nicht teilen:
i) D11 beschreibt allgemein kosmetische Zusammensetzungen, die zum Zweck der Verbesserung der Haareigenschaften eingesetzt werden (s. Spalte 3 Absatz ab Zeile 40), und dass Extensin enthaltende Pflanzenextrakte wie Pisum sativum verwendet werden können (s. Spalte 3 und Beispiel 4). Dass keine Verwendung der Zubereitung aus Beispiel 4 spezifisch belegt wird, ändert nichts an dieser allgemeinen Offenbarung. Die Kammer ist der Auffassung, dass der Fachmann aus D11 entnehmen würde, dass Extensin enthaltende Pisum sativum Extrakte die beschriebene Wirkung haben. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, dass die beanspruchten Extrakte bezüglich des Extraktionsverfahrens und der enthaltenen Substanzen nicht eingeschränkt sind. Die Beschreibung des Streitpatents enthält ebenfalls keine Angaben bezüglich der Zusammensetzung der Extrakte und zum Extraktionsverfahren. Ferner ist die in Beispiel 4 des Dokuments D11 offenbarte Zubereitung eine "rohe" Zubereitung, d.h. keine reine Extensin Zubereitung. Weitere Inhaltsstoffe sind folglich nicht ausgeschlossen. Dementsprechend ist davon auszugehen, dass die in Beispiel 4 beschriebene Zubereitung den vorliegenden Extrakten entspricht.
ii) D11 bezieht sich generell auf die Verschönerung des Haares und beschreibt insbesondere eine Methode zur Befeuchtung des Haares (s. Spalte 5). Im Hinblick auf die oben festgestellte Auslegung des Anspruchs (s. Punkt 2.3) werden diese Wirkungen als Verbesserungen der Haareigenschaften betrachtet.
4.3 Objektive technische Aufgabe
Folglich besteht die objektive technische Aufgabe ausgehend von D11 in der Bereitstellung einer weiteren kosmetischen Verwendung von Erbsenextrakten. Diese Formulierung stimmt mit den von beiden Parteien formulierten Aufgabe überein.
4.4 Naheliegen der vorgeschlagenen Lösung
4.4.1 D14 bzw. D15 lehren die anti-apoptotische Wirkung und die Behandlung von Haarausfall mittels phytogener Apoptose Inhibitoren bzw. Phospholipiden, die aus Erbsenextrakten erhalten werden können (s. D14 Seite 5 Zeilen 16-18, Seite 6 Zeile 19 und Seite 23 Zeilen 13-29; D15 Spalte 6 Zeile 37, Spalte 14 Zeilen 50 und 56-60 und Anspruch 44). Folglich legen D14-D15 dem Fachmann die Verwendung von Erbsenextrakten nah.
4.4.2 Die Beschwerdegegnerin argumentierte, dass der Fachmann D14 bzw.D15 nicht herangezogen hätte und somit deren Lehre mit der von D11 aus folgenden Gründen nicht kombiniert hätte:
a) D14 bzw. D15 und D11 beträfen unterschiedliche Fachbereiche,
b) da Apoptose mit Krebs im Zusammenhang stehe, hätte der Fachmann die in D14 bzw. D15 beschriebenen Mittel nur widerwillig für kosmetische Anwendungen benutzt,
c) ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Erbsenextrakten oder Elirex und der Verwendung gegen Haarausfall sei D14 bzw. D15 nicht zu entnehmen, und
d) D11 fokussiere auf Extensin, während D14 und D15 die Wirkung von Phospholipiden beschrieben. Der Fachmann hätte folglich keinen Anlass zur Kombination der Lehren dieser Dokumente, die sich auf unterschiedliche Wirkstoffe bezögen, gesehen.
4.4.3 D11 und D14 bzw. D15 gehören dem selben Fachgebiet an, nämlich dem der Verwendung von phytogenen Substanzen, insbesondere aus Erbsen erhaltenen Substanzen, inter alia zu kosmetischen Anwendungen (s. Punkte 4.1.2 und 4.4.1). Wie oben ausgeführt (s. Punkt 4.3), besteht die zu lösende technische Aufgabe lediglich darin, eine weitere kosmetische Verwendung von Erbsenextrakten bereitzustellen. Die Kammer ist demzufolge der Auffassung, dass der Fachmann jedes beliebige Dokument, das eine kosmetische Verwendung von Erbsenextrakten beschreibt, zur Lösung dieser technischen Aufgabe herangezogen hätte.
4.4.4 Da D14 und D15 selbst bereits kosmetische Verwendungen zur Behandlung des Haares offenbaren, ist die Kammer ferner der Meinung, dass der Fachmann in der anti-apoptotischen Wirkung kein erhebliches Risiko gesehen hätte, das ihn vor einer kosmetischen Verwendung am Haar abgehalten hätte.
4.4.5 Darüber hinaus offenbart D14 die Verwendung von phytogenen Inhibitoren der Apoptose im Allgemeinen gegen Haarausfall (s. Seite 23 Zeilen 13-29) und erwähnt, dass diese Inhibitoren aus Erbsen gewonnen werden können (s. Seite 5 Zeilen 16-18 und Seite 6 Zeile 19). Ähnlicherweise beschreibt D15, dass eine Kombination von Phospholipiden, die aus Pflanzenextrakten (wie Erbsenextrakten) erhalten werden kann, eine anti-apoptotische Wirkung hat (s. Spalte 6 Zeile 37). Eine Bekämpfung des Haarausfalls wird insbesondere erwähnt (s. Spalte 14 Zeile 50). Die daraufhin offenbarte Optimierung der Phospholipiden Kombination (als Elirex**(TM) bezeichnet) entkräftet nicht diese allgemeine einleitende Lehre. Die Kammer ist folglich der Auffassung, dass der Fachmann aus D14 bzw. D15 entnehmen würde, dass Erbsenextrakte die beschriebene anti-apoptotische Wirkung haben.
4.4.6 Schließlich ist es unbestritten, dass D11 und D14 bzw. D15 auf unterschiedlichen in den Pflanzenextrakten enthaltenen Substanzen fokussieren (nämlich Extensin in D11 und Phospholipiden in D14/D15). Jedoch beschreiben alle diese Dokumente lediglich Pflanzenextrakte, d. h. Mischungen, die zwar jeweils diese spezifischen Substanzen aber auch weitere Substanzen enthalten können, möglicherweise Phospholipide bzw. Glykoproteine. Insbesondere kann anhand des in Beispiel 4 von D11 beschriebenen Extraktionsverfahrens nicht ausgeschlossen werden, dass amphoterische Phospholipide in der rohen Endzubereitung weiterhin enthalten sind. Auch D14 ist entgegen der Meinung der Beschwerdegegnerin nicht auf die Verwendung reiner Phospholipide beschränkt (s. Seite 4 Zeilen 30-31 und Tabelle 1 auf Seite 30). In dem vorliegenden Fall soll ferner die Offenbarung des Stands der Technik im Verhältnis mit der des Streitpatents beurteilt werden. Wie bereits erwähnt (s. Punkt 4.2.3) definieren das Streitpatent sowie der vorliegende Hauptantrag weder spezifische wirksame Substanzen innerhalb des Extraktes noch spezifische Extraktionsverfahren. Folglich sind die vorliegenden Erbsenextrakte ganz allgemein beansprucht. Daher liefert das Patent keinen technischen Beitrag zum Stand der Technik in Bezug auf die Charakterisierung der Erbsenextrakte. Das Vorliegen einer erfinderischen Tätigkeit kann daher nicht auf den verwendeten Stoff gestützt werden. Die Tatsache, dass die im vorliegenden Hauptantrag beanspruchte Modulation bestimmter Proteine in D11, D14 und D15 nicht beschrieben ist, kann außerdem allein nicht zum Schluss führen, dass diese Modulation ein Unterscheidungsmerkmal darstellt.
4.4.7 Der Fachmann hätte daher die allgemeinen Lehren zu den Wirkungen der Erbsenextrakte aus D11 und D14 bzw. D15 uneingeschränkt und, ohne eine weitere Veranlassung zu benötigen, kombiniert.
4.4.8 Die Kammer ist dementsprechend der Meinung, dass es im Hinblick auf D14/D15 dem Fachmann naheliegend erschienen wäre, den Pisum sativum Extrakt von D11 gegen Haarausfall zu testen. Der Fachmann wäre somit ohne erfinderische Leistung zum vorliegenden Gegenstand gelangt.
4.5 Infolgedessen erfüllt der Hauptantrag die Erfordernisse des Artikels 56 EPÜ nicht.
4.6 Nachdem der Hauptantrag aus den genannten Gründen auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht, ist das weitere Vorbringen der Parteien ausgehend von D16 als nächstliegendem Stand der Technik unerheblich.
Zulassung der Hilfsanträge VII-IX und XII-XIII
5. Die Hilfsanträge VII-IX und XII-XIII unterscheiden sich vom Hauptantrag hauptsächlich, indem:
a) zusätzliche Wirkstoffe beansprucht werden (Hilfsanträge VII-IX), oder
b) die Verwendung geändert wurde (Hilfsanträge XII-XIII).
6. Gemäß G 9/92 ist im vorliegenden Fall die Beschwerdegegnerin primär darauf beschränkt, das Patent in der aufrechterhaltenen Fassung zu verteidigen. Nach dem Prinzip des Verschlechterungsverbots soll ein alleiniger Beschwerdeführer nicht schlechter gestellt werden als ohne die Beschwerde. Nicht sachdienliche oder nicht erforderliche Änderungen können folglich von der Kammer abgelehnt werden.
7. Im vorliegenden Fall führen die besagten Änderungen a) zu einer Erweiterung des Schutzumfangs und sind nicht geeignet, den für den Hauptantrag erhobenen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit auszuräumen, da der nicht erfinderische Gegenstand weiterhin Teil des Anspruchs ist. Die besagten Änderungen b) führen zu einer kompletten Änderung des Sachverhalts und stellen keine angemessene Reaktion auf den Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit des Hauptantrags dar. Die durchgeführten Änderungen führen zu einer Erweiterung des Schutzumfangs und somit zu einer Verschlechterung der Position der Beschwerdeführerin und sind weder sachdienlich noch erforderlich.
8. Die Kammer erkennt schließlich keinen Grund, der im vorliegenden Fall eine Ausnahme vom Verschlechterungsverbot rechtfertigen könnte.
8.1 In diesem Zusammenhang argumentierte die Beschwerdegegnerin, dass die Zulassung der besagten Hilfsanträge angesichts der Zulassung der Dokumente D13-D16 begründet war. Die Beschwerdegegnerin verwies auf T 1843/09. In dieser Entscheidung wird unter anderem festgelegt, dass "der an Billigkeitserwägungen orientierte Ansatz der Großen Beschwerdekammer nicht nur bei einer Fehleinschätzung der Einspruchsabteilung - wie in G 1/99 - gilt, sondern bei jeder Änderung der Sach- und/oder Rechtslage, aufgrund deren der Patentinhaber vor der Beschwerde des Einsprechenden als alleinigem Beschwerdeführer Beschränkungen vorgenommen hat, sofern der Patentinhaber durch das Verschlechterungsverbot daran gehindert würde, sein Patent angemessen gegen im Beschwerdestadium neu in das Verfahren eingeführte Tatsachen und Einwände zu verteidigen" (s. Punkt 2.4.4. der Entscheidung).
8.2 Die Kammer bemerkt jedoch, dass, auch wenn in einzelnen Fällen Ausnahmen vom Verschlechterungsverbot in Anbetracht einer späteren Änderung der Sachlage stattgegeben werden können, solche Ausnahmen dem Grundsatz der Billigkeit entsprechen sollten. Im vorliegenden Fall wurden die vorliegenden Hilfsanträge bereits im erstinstanzlichen Verfahren eingereicht und somit vor der Einführung der die Sachlage ändernden Dokumente D13-D16. Wie bereits unter Punkt 7. erklärt, sind ferner die in den besagten Hilfsanträgen durchgeführten Änderungen weder sachdienlich noch erforderlich, um den für den Hauptantrag erhobenen Einwand mangelnder erfinderischer Tätigkeit auszuräumen. Die Kammer ist dementsprechend der Meinung, dass die besagten Hilfsanträge dem Grundsatz der Billigkeit nicht Rechnung tragen. Die Beschwerdegegnerin brachte bezüglich der Sachdienlichkeit und Erforderlichkeit der durchgeführten Änderungen keine Argumente vor.
9. Folglich lässt die Kammer die Hilfsanträge VII-IX und XII-XIII nicht in das Verfahren zu, weil sie gegen das Prinzip des Verschlechterungsverbots verstoßen.
Hilfsanträge VI, X und XI
10. Erfinderische Tätigkeit
10.1 Die Hilfsanträge VI und XI unterscheiden sich von dem Hauptantrag, indem die Herkunft der verwendeten Substanz ausschließlich auf Pisum sativum beschränkt wurde. Wie bereits zum Hauptantrag festgestellt wurde, beruht diese Verwendung nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
10.2 Die Hilfsanträge X und XI unterscheiden sich von dem Hauptantrag durch die Einführung des Merkmals "zum Schutz der Dermal-Epidermal-Junctions der Kopfhaut". Die Kammer ist der Auffassung, dass dieses Merkmal lediglich eine grobe Erklärung des zugrundeliegenden biologischen Mechanismus der beanspruchten Wirkung darstellt. Die Behauptung der Beschwerdegegnerin, dass dieses Merkmal eine neue Wirkung definieren würde, wurde nicht belegt. Insbesondere das Argument der Beschwerdegegnerin, dass die in Absatz [0019] des Streitpatents erwähnte Anti-Protease Aktivität einen unterschiedlichen Mechanismus gegenüber einer Anti-Apoptose Aktivität darstelle, kann nicht gefolgt werden. Laut dem besagten Absatz wird die Anti-Protease Aktivität nämlich durch zusätzliche unterschiedliche Wirkstoffe erzielt. Darüber hinaus, wie bereits erwähnt, kann ein neuer Mechanismus nur dann als Unterscheidungsmerkmal betrachtet werden, wenn er zu einer tatsächlich unterschiedlichen Verwendung führt. Das in den Hilfsanträgen X und XI eingeführte Merkmal kann somit keine Einschränkung des Gegenstands des Anspruchs gegenüber dem Hauptantrag darstellen. Das Erkennen dieses Mechanismus ändert nichts an der Tatsache, dass D11 zusammen mit D14 oder D15 die beanspruchten Verwendungen von Pisum Sativum Extrakten bereits vorschlagen.
10.3 Die für den Hauptantrag ausgeführte Argumentation gilt dementsprechend mutatis mutandis für die Hilfsanträge VI, X und XI. Die Kammer kommt somit zum Schluss, dass der Gegenstand der Hilfsanträge VI, X und XI auf keiner erfinderischen Tätigkeit beruht (Artikel 56 EPÜ).
Entscheidungsformel
Aus diesen Gründen wird entschieden:
1. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben.
2. Das Patent wird widerrufen.