Erfindung: Programmierbare LEGO-Roboterspielzeuge
Millionen von Computernutzern verdanken ihre ersten Gehversuche im Programmieren den Roboterspielzeugsets des dänischen Unternehmens LEGO®. Die programmierbaren Bausätze kamen 1998 erstmals unter dem Namen LEGO MINDSTORMS® auf den Markt. Die Serie, die von Gaute Munch zusammen mit einem internationalen Team entwickelt wurde, dem auch Erik Hansen angehörte, ist mittlerweile in der dritten Generation, und Millionen von jungen Fans, Schülern und Studenten sind nach wie vor begeistert davon und lernen damit.
Mitte der 1980er-Jahre
beschäftigen sich allenfalls staatliche Expertengremien und wissenschaftliche
Institutionen mit dem Thema Robotertechnik. Aber bei LEGO hatte man bereits ein
Gespür dafür, welches Potenzial aus der Verbindung der kreativen Möglichkeiten der
LEGO-Bausteine mit der modernen Computertechnologie erwachsen könnte, und so
ging das Unternehmen eine Partnerschaft mit dem Media Laboratory des Massachusetts
Institute of Technology (MIT) in Boston im Bundesstaat Massachusetts in den USA
ein.
1994 entwickelte
das Team am MIT mit Unterstützung von LEGO und der National Science Foundation
einen kleinen Computer im Inneren eines LEGO-Bausteins, den programmierbaren
Baustein "MIT Programmable Brick", auch bekannt unter der Bezeichnung
"Modell 120". Dieser Minicomputer konnte so programmiert werden, dass
er Schalter und Motoren aktivieren und auf diese Art beispielsweise die Arme
eines Roboters bewegen konnte. Das geschah mithilfe einer textgebundenen
Programmiersprache namens Brick Logo. Die Tech-Community war sofort begeistert
- aber für Kinder war das Ganze zu kompliziert.
Munch und sein
Team ersetzten die textbasierte Programmierung durch eine kinderfreundliche
grafische Oberfläche des Computers - so wurde aus dem Konzept ein
markttaugliches Produkt. Sie meldeten mehrere entscheidende Patente an,
darunter auch eines für das Übertragungsprotokoll für die Kommunikation
zwischen PC und programmierbarem Baustein. Dabei werden Befehle durch sichtbare
Lichtimpulse ausgegeben.
Das 1998 erstmals
aufgelegte LEGO MINDSTORMS RCX-System hat heute Millionen von Anwendern, die
Spaß daran haben, ihre selbst kreierten Roboterprogramme mit anderen Usern zu
teilen.
Gesellschaftlicher Nutzen
Bevor die
Erfindung den Markt eroberte, waren Kurse in Robotertechnik in den Lehrplänen der
Schulen die absolute Ausnahme. Mit MINDSTORMS setzte ein Paradigmenwechsel ein,
und seit 1998 bietet das Unternehmen auch spezielle Versionen ihrer Roboterbaukastensysteme
für den Schulunterricht an. Schüler können sich damit auch in einem jährlich
ausgerichteten Wettbewerb zur Roboterprogrammierung messen: An der FIRST LEGO
League (FLL) 2017 nahmen weltweit rund 30 000 Teams mit insgesamt mehr als
200 000 Schülern teil.
Die Welt braucht
junge Programmierer. Einem kürzlich veröffentlichten Bericht zufolge verfügen
40 % der EU-Bürger über ungenügende digitale Kompetenz, 22 % haben
gar keine "digital skills". Auch wenn die Branche der Informations-
und Computertechnologie (ICT) jedes Jahr rund 120 000 neue Arbeitsplätze
schafft, könnten in Europa schon 2020 mehr als 756 000 Fachkräfte in
diesem Bereich fehlen. Die Erfinder sind überzeugt, dass die Roboterspielzeuge
schon jetzt dazu beitragen, eine neue Generation junger IT-begabter Menschen
hervorzubringen.
Wirtschaftlicher Nutzen
Mit MINDSTORMS betreibt
das Unternehmen LEGO, dessen Name sich von dem dänischen Ausdruck "leg
godt" ("spiel gut") ableitet, die konsequente Weiterentwicklung
ins Computerzeitalter. Die ersten modularen "Klemmbausteine" von LEGO
gab es 1949. Die Patentierung erfolgte 1958. Mehr als 200 Milliarden LEGO-Teile wurden seitdem hergestellt, und das Design
der Bausteine ist bis heute praktisch unverändert.
Die Serie
MINDSTORMS wurde für LEGO zum Bestseller. Mittlerweile ist die dritte
Generation des Produkts auf dem Markt. Es erhielt auch diverse
Branchenauszeichnungen wie beispielsweise den Titel "Lernspielzeug des
Jahres" der New Yorker Spielwarenmesse. Die Patente, die Munch und seinem
Team erteilt wurden, sind der Motor für Folgeprodukte wie die Serie LEGO Boost
oder die programmierbaren Bausätze WeDo 2.0.
Die LEGO-Gruppe
mit Sitz in Billund in Dänemark galt 2016 als drittgrößter Spielzeughersteller
der Welt. 2017 verzeichnete LEGO Einnahmen in Höhe von 4,7 Mrd. EUR und
Gewinne in Höhe von 1 Mrd. EUR. LEGO hat weltweit etwa 17 000 Mitarbeiter.
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Gaute Munch (links) und Erik Hansen
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Erik Hansen (links) und Gaute Munch
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Gaute Munch
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Programmierbarer LEGO Roboter
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Gaute Munch (links) und Erik Hansen
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Erik Hansen
Funktionsweise
Das "Gehirn"
des auf "intelligenten Bausteinen" und Robotertechnik basierenden
Systems LEGO MINDSTORMS RCX ("LEGO MINDSTORMS Robotics
Invention System") ist
ein batteriebetriebener Miniaturcomputer, der Roboterelemente wie z. B.
Sensoren und kleine Motoren steuert. Die erste Generation dieser Computer nannte
sich RCX. Dabei wurde über eine Infrarotverbindung die Verbindung mit einem PC hergestellt.
Die Anwender
programmieren den Computerbaustein mithilfe der MINDSTORMS-Software auf ihrem
PC so, dass er Funktionen, die sogenannten "Verhalten" wie
beispielsweise die Steuerung eines Motors unter bestimmten Bedingungen,
ausführt. Die MINDSTORMS-Bausätze enthalten auch genaue Baupläne - LEGO nennt
sie "Challenges" - zum Bau von Roboterarmen, Automatiktüren oder
Lieferrobotern aus LEGO-Bausteinen.
Seit den ersten
programmierbaren Bausteinen mit gerade einmal 256K RAM hat sich das System
enorm weiterentwickelt. Die aktuelle Version, der EV3-Baustein, läuft auf einem
LINUX-basierten Betriebssystem und wird
von einem ARM9-Prozessor (300 MHz) gesteuert. Er verfügt über 16 MB FLASH-Speicher
und ein eingebautes Display mit einer Auflösung von 178 x 128 Pixeln.
Neben größeren und mittleren Motoren enthalten die aktuellen MINDSTORMS-Sets Berührungs-,
Farb-, Infrarot- und sogar Gyrosensoren für eine breite Palette von Robotern,
die die Anwender selbst gestalten können.
Die Erfinder
Gaute Munch hat
an zahlreichen äußerst ambitionierten Segelprojekten teilgenommen. Eines dieser
Projekte bestand in einer Atlantiküberquerung von Dänemark zu den Karibischen
Inseln. Schon immer liebte er es, mit ganz jungen Menschen zu arbeiten und sie
in Segelprojekte einzubeziehen.
Nach dem Studium
der Elektrotechnik an der Universität Aarhus, das er 1993 abschloss, nahm Munch
eine Stelle bei Carlo Gavazzi an, einem italienischen Hersteller von
Komponenten für die Industrie. Dort arbeitete er in der Arbeitsgruppe für die
Sensorenentwicklung, wo er einen neuen Typus eines kapazitiven Näherungssensors
erfand, für den er sein erstes europäisches Patent erhielt.
Bei LEGO, wo er mittlerweile
zum "Technology Frontend Director" aufgestiegen ist, fing er 1997 an.
Gaute Munch ist als Erfinder in mehreren Schlüsselpatenten genannt, die der LEGO
MINDSTORMS-Serie und den Folgeprodukten zugrunde liegen. Durch die von LEGO ausgerichteten
MINDSTORMS-Lernevents und Wettbewerbe sowie durch Fokusgruppen für die
Forschung und Entwicklung bleibt er mit seiner jungen Zielgruppe in Kontakt.
Erik Hansen
machte seine erste Erfindung schon als kleiner Junge. Es war ein Keksausstecher
- den seine Mutter übrigens heute noch in Gebrauch hat - auf der Grundlage
eines ausrangierten Ölfilters eines Ferguson-Traktors aus dem Jahr 1952. Hansen
kam 1985 zu LEGO und arbeitete an einer Reihe von Produkten mit, die den Weg
für LEGO MINDSTORMS ebneten.
Heute arbeitet
Hansen im "Creative Play Lab" von LEGO mit führenden Universitäten
und Unternehmen - großen wie kleinen - zusammen, um Lernspielzeuge für Kinder
zu entwickeln. Von Haus aus Elektroingenieur mit einem Zertifikat in Business
Innovation, ist er noch immer ein passionierter Bastler und Tüftler. Für sein
Bauernhaus hat er ein nachhaltiges Heizungssystem gebaut, das von einem LEGO-MINDSTORMS-Roboter
gesteuert wird.
Wussten Sie das?
Der programmierbare Roboterbaukasten von LEGO, der zunächst in enger
Zusammenarbeit mit dem Media Lab am MIT entwickelt wurde, ist längst nicht das
einzige Spielzeug, dessen Ursprünge in der wissenschaftlichen Forschung zu
suchen sind.
So verdankt die Wasserpistole "Super Soaker" ihren
Hochdruckwasserstrahl einem Mechanismus, den der amerikanische Erfinder Lonnie
G. Johnson für eine umweltfreundliche Wärmepumpe entwickelt (und zum Patent
angemeldet) hatte. Ein weiterer Blockbuster, der im Franchisesystem vertrieben
wird, ist die Knete "Play-Doh". Das "Rezept" für diese
Modelliermasse für Kinder wurde in den 1950er-Jahren von dem Chemiker Joseph
McVicker als Reinigungspaste für Tapeten entwickelt.
Der berühmte Zauberwürfel wurde 1974 von Ernő Rubik entworfen und zum
Patent angemeldet, um Schülern mit seiner Hilfe die Grundlagen der 3D-Geometrie
näher zu bringen. Über 400 Millionen Mal wurde Rubics Zauberwürfel im
Laufe der Jahre verkauft. Der ungarische Erfinder setzte seinen
wissenschaftlichen Sachverstand auch schon als Mitglied der Jury bei einem
früheren Europäischen Erfinderpreis ein.
Auch das als "fischertechnik" bekannte Baukastensystem für
Kinder von Artur Fischer, dem Erfinder des Fischer-Dübels
- ein kleiner Wanddübel aus Kunststoff - ist in diesem Zusammenhang zu nennen. Als
Gewinner in der Kategorie "Lebenswerk" beim Europäischen
Erfinderpreis 2014 sprach Fischer die berühmten Worte: "Lasst die Kinder
spielen - das Kind in uns muss bleiben, wenn wir erfinderisch sein möchten."