T 0681/08 25-01-2011
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Unlösbare Pressverbindungen zwischen einem Fitting und einem Metallrohrende
Sachverhalt und Anträge
I. Die Beschwerdeführerin (Patentinhaberin) hat gegen die Zwischenentscheidung der Einspruchsabteilung, mit der das europäische Patent Nr. 0 922 896 in geändertem Umfang aufrechterhalten worden ist, Beschwerde eingelegt.
Im Einspruchsverfahren war das gesamte Patent unter Artikel 100 a) EPÜ (mangelnde Neuheit, Artikel 54 EPÜ, und mangelnde erfinderische Tätigkeit, Artikel 56 EPÜ) und den Artikeln 100 b) und c) EPÜ angegriffen worden.
II. Die Beschwerdeführerin beantragte die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und die Aufrechterhaltung des Patents auf der Grundlage der Ansprüche 1 bis 13 gemäß Hauptantrag oder gemäß Hilfsantrag 1 oder 2 oder der Ansprüche 1 bis 12 gemäß Hilfsantrag 3, alle eingereicht am 4. Juni 2008. Hilfsantrag 3 entspricht der aufrechterhaltenen Fassung der Ansprüche; dieser Antrag ist somit in diesem Beschwerdeverfahren nicht zu prüfen.
III. Die Beschwerdegegnerin (Einsprechende) beantragte die Zurückweisung der Beschwerde.
IV. Eine für den 25. Januar 2011 angesetzte mündliche Verhandlung wurde wieder abgesagt, nachdem die Beschwerdeführerin mitgeteilt hatte, dass sie daran nicht teilnehmen werde. In dem zusammen mit der Ladung zu dieser Verhandlung erlassenen Bescheid hatte die Kammer die vorläufige Meinung geäußert, dass sie die Ansprüche gemäß Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 unter Artikel 123(2) EPÜ für nicht gewährbar halte.
V. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag lautet wie folgt:
"1. Unlösbare, durch Kaltverformung gebildete Pressverbindung zwischen einem Fitting und einem in eine Muffe (3) des Fittings (1) eingeführten Metallrohrende (4), wobei die Muffe (3) eine zum Innenraum geöffnete, ringförmige Verankerungsnut für einen Dichtungsring (9) aufweist, und an der Muffe (3) mindestens ein Halteelement (10) festgelegt ist, das zusammen mit der Muffe (3) kalt verformt wird und sich teilweise in das Material des Metallrohrendes (4) eingräbt und einen Formschluss mit dem Metallrohr bildet, dadurch gekennzeichnet, dass das Halteelement (10) ringförmig ausgebildet ist, in Längsrichtung geschlitzt ist und Vorsprünge (12) aufweist, die sich in Richtung des Metallrohrendes (4) erstrecken und bei der radialen Verpressung der Muffe (3) in das Material des Metallrohrendes (4) eindringen."
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hauptantrag durch die Anfügung des Merkmals "und über den Umfang des Halteelements verteilt angeordnet sind" am Ende des Anspruchs.
Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 2 unterscheidet sich von Anspruch 1 gemäß Hilfsantrag 1 dadurch, dass es statt "die sich in Richtung des Metallrohrendes (4) erstrecken" nunmehr heißt "die sich in Richtung des Endes des Metallrohrendes (4) erstrecken".
VI. Die Beschwerdeführerin hat im schriftlichen Verfahren bezüglich Artikel 123(2) EPÜ und im Hinblick auf das Fehlen einer Aufnahmenut im jeweiligen Anspruch 1 im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Nur bei einer möglichen Ausführungsform der beanspruchten Pressverbindung sei eine zum Innenraum geöffnete ringförmige Aufnahmenut für das Halteelement vorgesehen. Es sei für einen Fachmann leicht ersichtlich, dass diese Aufnahmenut und die sich in Richtung des Rohrendes erstreckenden Vorsprünge des Halteelements nichts miteinander zu tun hätten. Es sei also grundsätzlich möglich, das Halteelement ohne separate Aufnahmenut vorzusehen, auch wenn die Vorsprünge des Halteelements über dessen Umfang verteilt seien. Die Aufnahmenut sei demnach kein wesentliches Element der Erfindung und könne in Einklang mit der Entscheidung T 331/87 im Anspruch weggelassen werden. Die in dieser Entscheidung aufgezählten Voraussetzungen für das Weglassen eines Merkmals ohne Verletzung des Artikels 123(2) EPÜ seien beim Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 gegeben. Die Ausführung der Pressverbindung mit der zum Innenraum geöffneten Aufnahmenut sei lediglich eine bevorzugte Ausführungsform. Es sei auch zu beachten, dass der ursprüngliche Anspruch 1 bereits ein Halteelement vorgesehen habe, ohne allerdings dessen relative Anordnung zum Dichtungsring zu spezifizieren. Daraus ergebe sich, dass auch dann, wenn das Halteelement einen Schlitz und Vorsprünge aufweise, die relative Anordnung zwischen dem Dichtungsring und dem Halteelement keine Rolle spiele und auch nichts mit der Anordnung des Halteelements in einer Aufnahmenut zu tun habe. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2 gehe somit nicht über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
VII. Die Beschwerdegegnerin hat im schriftlichen Verfahren bezüglich Artikel 123(2) EPÜ und im Hinblick auf das Fehlen einer Aufnahmenut im jeweiligen Anspruch 1 im Wesentlichen Folgendes vorgetragen:
Ein Halteelement mit Vorsprüngen sei in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung nur in Zusammenhang mit einer ringförmigen Aufnahmenut für das Halteelement offenbart. Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und Hilfsanträgen 1 und 2 enthalte diese Aufnahmenut nicht und erzeuge somit eine unzulässige Verallgemeinerung. Es gebe einen klar erkennbaren funktionalen und strukturellen Zusammenhang zwischen der ringförmigen Aufnahmenut und dem mit Vorsprüngen versehenen Halteelement, so dass das Herausgreifen eines einzelnen Merkmals aus dieser Kombination eine unzulässige Erweiterung des Anspruchsgegenstands bewirke. Der Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen gehe somit über den Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung hinaus.
Entscheidungsgründe
1. Die Pressverbindung des Anspruchs 1 sowohl gemäß Hauptantrag als auch gemäß den Hilfsanträgen 1 und 2 enthält ein Halteelement, das ringförmig ausgebildet ist und Vorsprünge aufweist, die sich in Richtung des Rohrendes erstrecken.
Ein solches Halteelement ist in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung in den Absätzen [0014], [0016] und [0017] in Verbindung mit der Ausführungsform gemäß den Figuren 1 bis 6, und in Absatz [0030] in Verbindung mit der Ausführungsform gemäß Figur 11 beschrieben. Diese Figuren zeigen auch die im Streitpatent verbliebenen Ausführungsformen. So sagt Absatz [0014] " , von dem Halteelement 10 , das in einer Aufnahmenut 11 der Muffe 3 angeordnet und ringförmig ausgebildet ist, ", Absatz [0016] "Das Halteelement 10 ist in der Aufnahmenut 11 formschlüssig montiert ", Absatz [0017] "Das Halteelement, das, sofern es ringförmig ausgebildet ist, ist in Längsrichtung geschlitzt und weist Vorsprünge 12 auf, , wobei die Vorsprünge sich in Richtung des Metallrohrendes 4 erstrecken" und Absatz [0030] " ist in der Aufnahmenut 21 der Muffe 3 ein ringförmiges, in Längsrichtung geschlitztes Halteelement 22 angeordnet, ". Es ergibt sich daraus, dass das ringförmige und derartige Vorsprünge aufweisende Halteelement stets in Verbindung mit einer Aufnahmenut steht.
Die Tatsache, dass in Absatz [0007] der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung gesagt wird, dass bei einer Ausführungsform eine zum Innenraum geöffnete, ringförmige Aufnahmenut für das Halteelement vorgesehen ist, und dass der ursprüngliche Anspruch 1 keine Aufnahmenut definiert, bedeutet nicht, dass nur bei einer bevorzugten Ausführungsform eine solche Aufnahmenut vorgesehen ist und diese Aufnahmenut somit nicht zwingender Bestandteil des beanspruchten Gegenstands sein muss. Aus den zitierten Abätzen [0014], [0016], [0017] und [0030] ergibt sich, dass dann, wenn das Halteelement ringförmig ausgebildet ist und Vorsprünge aufweist, die sich in Richtung des Metallrohrendes erstrecken, eine Aufnahmenut für das Halteelement vorgesehen ist.
2. Da die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung ein ringförmiges Halteelement mit sich in Richtung des Rohrendes erstreckenden Vorsprüngen nur in Verbindung mit einer Aufnahmenut für das Halteelement offenbart, stellt eine Pressverbindung ohne eine solche Aufnahmenut, wie in Anspruch 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträgen 1 und 2 definiert, eine Verallgemeinerung dar, für die die Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung keine Grundlage bietet. Der Gegenstand des jeweiligen Anspruchs 1 dieser Anträge geht somit über den Inhalt dieser Anmeldung hinaus und erfüllt deshalb nicht die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ.
Es spielt dabei keine Rolle, ob die Aufnahmenut ein wesentliches oder unwesentliches Element darstellt. Bei der Prüfung eines Anspruchsgegenstands im Hinblick auf die Erfordernisse des Artikels 123(2) EPÜ kommt es nur darauf an, ob dieser Gegenstand in der Anmeldung in der ursprünglich eingereichten Fassung offenbart ist oder nicht (siehe hierzu auch die Entscheidung T 910/03, Punkte 1 und 2 der Entscheidungsgründe).
ENTSCHEIDUNGSFORMEL
Aus diesen Gründen wird entschieden:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.